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Morgenausgabe

Nr. 599

A 301

47.Jahrgang

Böchentlich 851. monatlich 3,60 R im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Bormärts" erscheint wochentage lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Dez Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme". Technit"," Blid in bie Bücherwelt", Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

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200

Vorwärts

Berliner Bolksblatt_

( or Dienstag 23. Dezember 1930 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die eixfpaltige Ronpareillezeile 80 Pfennig Reflamezeile 5,- Reichs mart. Aleine Anzeigen das lettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgebrudte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes meitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben adnoperablen für zwei Borte. Arbeitsmartt Belle 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292–297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Wirth vergleicht sich mit Frick.

Die Polizeigelder für Thüringen   freigegeben.

Leipzig  , 22. Dezember.

Der Vorsitzende des Staatsgerichtshofes teilt folgendes mit: Die in der Presse angefündigte Besprechung in dem Streit­

verfahren zwischen dem Reich und Thüringen   wegen Sperrung der Bolizeizuschüsse hat heute stattgefunden. An der Besprechung haben außer dem Vorsitzenden des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich  , Reichsgerichtspräsidenten Dr. Bumte, teilgenommen für das Reich: der Reichsminister des Innern, Herr Dr. Wirth, der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern, Herr 3 weigert,

der Staatssekretär in der Reichskanzlei  , Herr Dr. Pünder, und Herr Ministerialdirektor Dr. Menzel, und für Thüringen   der Borsitzende des Staatsministeriums, Herr Staatsminister Baum, und Herr Ministerialrat Dr. Guyet.

Diefer Borschlag wurde nach längerer Aussprache von den Beteiligten angenommen.

*

Die Untersuchung des Falles Frid hatte wesentliches Material ergeben. Es hatte sich herausgestellt, daß Herr Frid die Listen der Bewerber für Polizeistellen einem seiner Partei­freunde ausgehändigt hat. Herr Frick hat fein Hehl daraus gemacht, daß für ihn rechtsradikale Gesinnung Borbedingung zur Einstellung in den Polizeidienst sei. Das gute Recht, ja die Pflicht des Reiches zur Sperre der Polizeizuschüsse stand

Das Reichsinnenministerium gibt trot dem die Polizeigelder für Thüringen   frei. Es hat sich auf einen Vergleich eingelassen, dessen wesentlichstes Bestandteil die Einstellung der Reichsaktion gegen Frid ist. Die gesperrten Polizeigelder werden nachgezahlt. Der Druck

Der Vorsitzende des Staatsgerichtshofes unterbreitete den Be- des Reiches auf das System Frick hört auf. teiligten folgenden Vergleichsvorschlag:

Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Frage, ob und inwieweit die NSDAP  . umstürzlerische oder sonst strafbare Ziele verfolgt, im Rahmen des gegenwärtigen Verfahrens nicht aus­getragen werden fann und soll. Der Standpunkt, den jede Bartei zu dieser Frage einnimmt, wird durch diesen Vergleich und die in ihm abgegebenen Erklärungen in feiner Weise berührt. Die Par­teien gehen davon aus, daß die grundsätzliche Frage demnächst in einem anderen vor dem Reichsgericht schwebenden Verfahren einer Klärung zugeführt werden wird.

Das Reich hebt die Sperrung der Polizeizuschüsse auf; die bisher einbehaltenen Beträge werden nachgezahlt. Das Land Thüringen   nimmt seinen Antrag vor dem Staatsgerichtshof zurüd. Das Land Thüringen   erkennt wiederholt die Verpflichtung an, dafür Sorge zu tragen, daß der un politische Charakter der Schußpolizei als Ganzes wie auch das unpolitische Ber­halten des einzelnen Beamten im Dienst unbedingt gewährleistet wird. Demgemäß wird die thüringische Regierung bei der An­stellung, Beförderung und Versetzung von Bolizeibeamten nicht stellung, Beförderung und Versetzung von Bolizeibeamten nicht nach parteipolitischen Gesichtspuntten, sondern nur nach den Gesichtspunkten der Eignung und des dienstlichen Interesses verfahren. Die Parteien sind einig, daß hiermit eine grundfähliche Ablehnung der Einstellung von Sozialdemokraten ebenjo unverein­bar ist wie eine Weitergabe von Bewerberlisten an eine Partei­

organisation zweds Feststellung der Parteizugehörigkeit.

Die Gewähr für die Einhaltung dieser Verpflichtungen übernimmt das thüringische Staatsministerium in seiner Gesamtheit.

Der Frage, ob die Grundsätze und Vereinbarungen, auf Grund deren die Polizeikostenzuschüsse an die Länder gezahlt werden, eine rechtliche Zahlungspflicht oder nur eine politische Bindung des Reiches begründen, wird durch diesen Vergleich

nicht vorgegriffen.

Die Freigabe der Polizeigelder ist an Bedingungen und Garantien geknüpft.

sich fünftighin so verhalten soll, wie ein republikanisches Die Bedingungen bestehen darin, daß Herr Frid Reichsinnenministerium, dem der Schuß der Reichsver­faffung anvertraut ist, es fordern muß. Was Herr Frid in­zwischen getan hat die Einſegung nationalsozialistischer, also verfassungsfeindlicher Polizeileiter, die nationalsozialisti sche Beeinflussung der Thüringer Polizei- wird jedoch nicht im mindesten zurückgenommen.

Für das fünftige Wohlverhalten von Herrn Frid werden Garantien gegeben. Aber wer übernimmt fie? Herr Frid übernimmt sie nicht, sondern das thüringische Staats­ministerium in seiner Gesamtheit". Das ist eine magere Ga­rantie. Herr Frid hat bisher auf das thüringische Staats­ministerium in seiner Gesamtheit gepfiffen. Herr Frick fonnte bisher immer mit der Furcht seiner Koalitionsgenossen vor Neuwahlen rechnen. Er hat sie bisher immer noch flein­gefriegt. Wollen die Volksparteiler und das Landvolk in Thüringen   sich nunmehr ändern? Wollen sie Herrn Frid, der durch das Verbot des Saalfelder Volksblattes" eben erst gezeigt hat, wieviel Wert er auf die Gesetze und auf die Urteile des Reichsgerichts legt, fünftighin auf die Finger fehen und sich aus der Hörigkeit freimachen? Nachdem Herr Dingel den, der neue Führer der Deutschen Volkspartei  , die Haltung seiner Thüringer   Parteifreunde gegen den Reichsinnen minister Wirth unterstützt hat, muß der innere Wert dieser Garantien sehr start angezweifelt werden!

Nach diesem Ausgang des Streites zwischen dem Reich und Herrn Frick müssen die Republikaner   Herrn Frick noch mehr als bisher auf die Finger sehen. Was von ihm zu er­warten ist, ergibt sich aus seiner Bergangenheit, und die Methoden, die er übt, find in der bayerischen Ber­waltung in den Jahren 1922 und 1923 aus­probiert worden. Die Republikaner   haben diese Jahre nicht vergessen, und sie werden deswegen Herrn Frid sehr genau

beobachten!

Ein neuer Fall Jäschfowik.

Militärische Nachtübungen der Hafenkreuzter bei Breslau  .

Breslau  , 22. Dezember.

Auf dem heute abgehaltenen Kreistag des Landkreises Breslau  brachte die sozialdemokratische Frattion folgende An­

frage ein:

it

Postschecktonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Dise.- Ges., Depofitent., Jerufalemer Str. 65/66.

10 Jahre Prohibition.

Ein ernstes Problem. Ani Von Reinhard Strecker  .

Genoffe Strecker, der als Fachmann auf dem Gebiet der Alkoholbekämpfung befannt ist, schickt uns zu dem Aufsatz Behn Jahre Prohibition" in Nr. 591 des Vorwärts" die folgenden Ausführungen:

Das Ergebnis der amerikanischen   Wahlen sieht in Zahlen so aus: Die Anhänger der Aufhebung des Alkoholverbotes haben 40 Stimmen im Abgeordnetenhause gewonnen, so daß fie jetzt 130 bei einer Gesamtzahl von 435 Mitgliedern zählen. Da eine Zweidrittelmehrheit notwendig wäre, um einen Antrag für Aufhebung der Prohibition im Unterhaus durchzubringen, so sieht man, daß der Weg bis dahin noch ziemlich weit ist. Eine 3weidrittelmajorität des Unterhauses würde aber längst noch nicht die Aufhebung der Prohibition bedeuten. Dazu müßte erst auch noch der Senat gehört werden. Im Senat aber ist die Zahl der Anhänger der Pro­hibition auch nach der Wahl die alte geblieben. Würden Unterhaus und Senat für Aufhebung der Prohibition sein, dann ginge die Angelegenheit erst an die Ober- und Unter­häuser der 48 Bundesstaaten, also insgesamt an 96 Parla­Mehrheiten für die Prohibition in Minderheiten zu ver= mente. Auch da dürfte es nicht ganz einfach sein, die jetzigen wandeln. Wenn übrigens ein Bezirksrichter im Staate New Jersey   den 18. Verfassungszusatz für rechtlich ungültig erklärt, da es sich bei ihm ,, um eine Einschränkung der Rechte der Bürger" handle, so steht das ungefähr auf derselben Höhe, als menn gewisse deutsche Juristen die Rechtsgültigkeit der Weimarer Verfassung anzweifeln.

besten in der wissenschaftlichen Arbeit von Dr. Martha ,, Die wahre Geschichte der Prohibition", die man am Küppensbusch Das Alkoholverbot in Amerika  " nachliest, ist die, daß in den Bereinigten Staaten seit etwa einem Jahr­hundert eine gewaltige, auf Millionen Mitglieder angewachsene Enthaltsamteitsbewegung besteht. In Deutsch­ land   zählt diese Enthaltsamkeitsbewegung auch heute faum über 150 000 organisierte erwachsene Mitglieder. Die Ur­sachen für diesen Unterschied festzustellen würde bedeuten, eine besondere fulturpolitische Abhandlung schreiben. Es ist ein startes soziales Berantwortungsbewußtsein, das in dieser Be­megung stedt. Und nicht vergessen sollte man auch, daß eine der Wurzeln des amerikanischen   Alkoholverbots in der viel weiter als in Europa   entwickelten Technik zu suchen ist. Sowohl die Arbeit am laufenden Bande, wie der unheimlich weiter als in Europa   entwickelten Technik zu suchen ist. anschwellende Automobilverkehr machen völlige Nüchternheit mehr und mehr zur Notwendigkeit.

Die starte Enthaltsamkeitsbewegung hat in den Ver­ einigten Staaten   schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zu entschiedenen alkoholgegnerischen Maßnahmen, in einzel­nen Staaten auch schon zu Berboten geführt. Als das Verbot für die gesamte Union   Gesetz wurde, fonnten 33 von den 48 Staaten schon auf eigene Erfahrungen mit der Pro­hibition zurückschauen. Der Alkoholkonsum betrug in den Ber einigten Staaten in den Jahren von 1906 bis 1910 im Jahres­durchschnitt pro Kopf der Bevölkerung 6,89 Liter reinen Alhohol im Gegensatz zu Deutschland   mit 7,47 Litern; Eng­Land mit 9,67 Litern und Frankreich   mit 22,95 Litern. Ueber den gegenwärtigen Alkoholkonsum in den Bereinigten Staaten at liegen einerseits Statistiken des Prohibitionsamtes in Washington  , andererseits eine vom ,, Berein zur Bekämpfung der Prohibition" vor. Nehmen wir an, daß die amtliche Statistik zu prohibitionsfreundlich sei, so darf man gewiß von

nehmste Pflicht. Eine Beschlußfassung über diese Anfrage sei leider der anderen Schäßung mit demselben Recht annehmen, daß mangels Zuständigkeit nicht möglich.

fie nach der entgegengesetzten Seite hin zu färben in Ber­suchung ist. Die amtliche Schäßung nimmt einen Verbrauch von 3 Milliarden Litern alkoholischer Getränke an, die Schäzung der Prohibitionsgegner fommit auf 4% Milliarden

In den letzten Tagen ziehen wieder Trupps von National Spanische Gewerkschaften protestieren. Liter. Nehmen wir das Mittel zwischen diesen beiden

sozialisten von Breslau   nach dem Pamelwiger Gelände, um dort ihre Nachtübungen abzuhalten. Bei solchen Uebungen ist auch geschossen worden. Aus Anlaß der Vorgänge bei Jäsch­towitz erscheint es geboten, dieser Soldatenspielerei Aufmerksamkeit zu schenken. Nach den lebungen zogen diese Truppen geschloffen durch die Ortschaften des Kreises und verübten durch Absingen ihrer Kampflieder ruheftörenden Lärm. Wir fragen daher: Sind dem Herrn Landrat diese Vorgänge bekannt? Ist der Herr Landrat  bereit, die friedliche Bevölkerung des Kreises gegen diese Ruheftörer zu schützen?

Landrat Bachmann erklärt auf diese Anfrage, von den angeb­lichen neuen Uebungen keinerlei Kenntnis zu haben. Die Gorge für Ruhe und Sicherheit der Kreisbewohner betrachte er als seine vor

Telegrammwechsel mit dem 3GB.

Schäßungen, so hätten wir zur Zeit einen Jahresverbrauch von 2,39 Liter reinen Altohol pro Kopf der Bevölkerung. Der Amsterdam, 22. Dezember.( Eigenbericht.) deutsche Konsum beläuft sich zur Zeit nach amtlicher Fest­Dem 3nternationalen Gewerkschaftsbund ging ftellung auf 4,49 Liter( wobei nicht mit erfaßt wird, was im am Montag ein Telegramm des spanischen   Gewert- Haushalt, in der Kleinbrennerei und auf ungesetzlichem Wege haftsbundes zu, in dem der Entrüftung über die Ber  - hergestellt und vertrieben wird). haftung führender Mitglieder der spanischen   Gewerkschaftsbewegung und die sonstigen Regierungsmaßnahmen Ausdrud gegeben und er­klärt wird, daß der moralische Mut der spanischen   Arbeiter nicht erlahmen werde.

Der Internationale Gewerkschaftsbund richtete an die spanische Gewerkschaftszentrale ein Telegramm, in dem mit Genugtuung zum Ausdruck gebracht wird, daß sich die spanische Gewerkschaftsbewegung bei den gegenwärtigen Wirten in Spanien   von den Grundsägen politischer& lugheit habe leiten lassen.

Die gegenwärtigen Zustände in den Vereinigten Staaten  wird ohne Zweifel auch fein Alkoholgegner für ideal halten. Sicher aber ist, daß man bei der Beurteilung des Alkoholver­bots auseinanderhalten muß die Folgen des Verbotes und die Folgen seiner lebertretung. Darüber, daß die Folgen des Verbots an sich, das heißt der Ausschaltung des Alkohols aus der amerikanischen   Volkswirtschaft, unsprünglich fegensreich gewesen sind, ist ein Zweifel nicht möglich. Alle