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Nr. 109.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuzs band: Deutschland   u. Desterreichs Ungarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Zeitungs- Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

Vorwürts

13. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder beren Rauni 40 Bf., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächite Mummer müffen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508 Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  ".

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

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Sonntag, den 10. Mai 1896.

tünden soll.

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geben!"

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Die Vertreter der anderen Nationalitäten, die in ihrer

Die ungarische Millenniumfeier.| Magyarenthums über die Germanisirungs- und Bentra- bitterer als ein tausendfacher Tod. Einstimmig ersehnt es noch 1843 hätte das Deutsche Reich sein 1000- jähriges lifirungstendenzen der absolutistisch gesinnten Habsburger   in dieser Stunde die Tage der osmanischen   Hoheit zurück. Eine belegte Darstellung hat ausgewiesen, daß, was die Desterreicher Jubiläum feiern können. Deutschland   fehlte aber damals nicht nur die Freiheit, sondern auch die Einheit, und so konnte des offiziellen Ungarns  , d. h. der bevorrechteten Schichte der den Türken binnen eines halben Jahrhunderts an Tribut ge Wäre all' das richtig, was geschäftige Federn im Dienste in einem Jahre erpreßten, demjenigen gleichkomme, was man trag von Verdun   abgeschlossen wurde, des Tages, an dem maßgebenden magyarischen Nationalität in unzähligen Schriften in heimischer und fremder Sprache zum Ruhme Und ebenso steht es mit den Ruhmredereien über die das fränkische Weltreich Karl des Großen in drei Theile, ihres Landes melden, so müßten alle, die an der Höhe der Freiheit, die in Ungarn   ihr Heim fest begründet hat. In Frankreich  , Deutschland   und Lothringen   Italien  , zer- Kultur und an der freiheitlichen Entwicklung eines Gemein- Ungarn herrscht unumschränkt das magyarische Element. fiel, nicht gefeiert werden. Schwer lastete der Druck der wesens interessiert sind, an der Feier des ungarischen Gesammtheit die Majorität der Bevölkerung bilden, find Reaktion auf den deutschen   Völkern, die in dem Millenniums theilnehmen. verhaßten Bundestag das einzige einigende Band sahen ein Band, das eine Fessel war. Wer für die hinter den ruhmredigen Redensarten bietet Ungarn   so viel ausgeschlossen, die Stellen in der Verwaltung werden fast Aber dem ist nicht so. Hinter dem äußeren Glanze, vom Parlamente, diesem Stolze der Ungarn  , fast vollständig. Einheit und Freiheit Deutschlands   schwärmte, dichtete rückständiges, so vieles, einem freiheitsliebenden Kultur- ausnahmslos mit magyarischen Edelleuten besetzt. und schrieb, saß hinter Kerfermauern oder war von menschen widerwärtiges, daß demgegenüber die Geschichts- Terrorismus bei den Wahlen, die unter dem Hochdrucke Ein elendes Klassenwahlrecht mit einem unerhörten Spionen umgeben. Vereins- und Versammlungsrecht gab und Gegenwarts Fälschungen der Lobredner nicht bestehen der Behörden und allzuoft auch der es nicht, die Presse war der Zensur unterworfen. Jedes bleiben können. der bewaffneten Wort für das einige Deutschland   war unterdrückt worden, feinen Nachhall hätte es im Volke finden können. Zu gut werden gefordert, weil, wie Moritz Jokai, der über alle und in den Selbstverwaltungskörpern. Willkürliche Polizei­Die Sympathien Europa's   für Ungarns   Jubelfeier und den Nichtmagyaren eine Vertretung im Parlamente Macht stattfinden, verwehren den Arbeitern, Kleinbürgern wachten Späher und Häscher. Wohl hat Friedrich Gebühr gefeierte ungarische Roman- Schriftsteller behauptet: Wilhelm IV.  , der redefreudigste der früheren Hohenzollern  , des Tages von Verdun   gedacht, als er den Ausbau des Jahrhunderte hindurch vereinigt das Christenthum in blutigen nach den Interessen des Großkapitalismus zugeftuztes Der katholische wie der protestantische Ungar vertheidigen maßregeln und drakonische Urtheile der Gerichte, sowie ein Kölner   Domes mit einem großen Feste feiern ließ, und als Kriegen gegen die Eroberungsfeldzüge des mächtigen Jalam: er Breßgesetz hindern die Entfaltung einer demokratischen er einen Preis für höfische Geschichtsschreibung in jenen stürzt, er wird zertreten, unterjocht, aber er beugt sich nicht, er Boltsbewegung und einer unabhängigen Presse. Die Jahren schuf, aber seine Reden und Thaten wurden verläßt sein gefnechtetes Vaterland nicht, er sammelt Kräfte, bis selbständigen Aeußerungen der Nationalitäten, selbst im Volke nicht gewürdigt, weil er sich stets von momentanen er den tyrannischen Eroberer abzuschütteln vermag." die Ausbildung in der eigenen Muttersprache werden von Impulsen leiten ließ, nur zu oft das Gegentheil von dem Jeder, der die Geschichte Ungarns   nur einigermaßen dem leitenden Volksstamme mit größter Strenge verfolgt. verkündete, was nachher sich erfüllte. fennt, wird über die unfreiwillige Komik dieser Tiraden Die Schulbildung liegt im Argen. Die Leistungen auf Dumpf und traurig, vergrämt war die Stimmung des staunen müssen. Die Wiener Neue Revue" bemerkt zu dem Gebiete der Wissenschaft und Kunst, die von ge­deutschen Boltes, als das Millennium seiner nationalen Jokai's   Auslassung: schäftigen Federn nun in den Himmel gehoben werden, Selbständigkeit sich erfüllte und fünf Jahre später er- Es ist doch allbekannt, daß die Ungarn   in langen blutigen sind meist Nachahmungen westeuropäischer Vorbilder und bebte der deutsche   Boden von der gewaltigen Voltsbewegung Kriegen an der Seite der Türken gegen die Desterreicher die gerühmten Koryphäen ungarischer Kulturleistungen wie des Jahres 1848. gefochten haben. Um die Türkenfriege spinnt sich ja überhaupt der berühmte Musiker Franz Liszt  , der nie einen zusammen­Wie ganz anders feiern die Magyaren die Tausend ein ganzes Gewebe von traditionellen Lügen und Phrafen, hängenden ungarischen Satz sprechen konnte, und der be­das sowohl den Erbfeind der Christenheit" als die christ jahresfeier ihres Staatswesens. Lärmend und jubelnd lichen Befreier" in ganz anderen Farben als denen der tannte Wialer Munkacy, der früher den deutschen   Namen begehen sie ihr nationales Feſt, die ganze Welt laden historischen Thatsächlichkeit darstellt. Aber selbst auf diesem Liebl führte, sind nicht Magyaren, sind Deutsche  . Schwerer fie ein, mitzufeiern, sie künden in zahllosen Reden und wirren und dunklen Geschichtsgebiete ist die Wahrheit Druck des Magyarenthums hat auf die anderen im Lande Echriften ihre eigenen Verdienste um die Kultur ihres selten so grob gefälscht worden, wie in diesem Falle von Herrn wohnenden Nationalitäten forrumpirend gewirkt, die zwangs Landes und der Welt. Dr. Jokai. Wir wollen den festjubelberauschten Phantasten, der weise Entuationalisirung hat nirgends so große Dimen Traut man ihren Worten, so danken wir es nur die Ungarn   als nimmerrastende Streiter wider das verhaßte fionen angenommen wie im modernen Ungarn  . Zur Ungarn  , daß heute in Wien  , Berlin   und Paris   nicht der Türkenjoch darstellt, nur an ein paar der markanteften That- Schande der Deutschen   muß gesagt werden, daß sie Sultan   herrsche, daß heute nicht Muhamed's Lehre und fachen erinnern. Johann Zapolya   kämpfte, mit den Türken ver- sich am leichtesten und in größter Zahl entnationalisiren bündet, gegen Ferdinand von Habsburg, und empfing aus Sultan  Kultur an stelle der sogenannten christlichen in Europa   maß: Soliman's Händen die ungarische Königskrone. Stephan Bocskay   ließen. Die Magyaren, die so start auf ihre Kultur­gebend sei. Sie preisen sich als Hort der Frei- trieb, wieder mit türkischer Hilfe, die Truppen Rudolf's 1. aus leistungen pochen, übersehen dabei gefliffentlich, daß heit und des konftitutionellen Systems, fie rühmen Ungarn   hinaus und erzwang den Wiener   Frieden von 1606. magyarisirte Vertreter anderer Nationalitäten die meisten ihre eigenartigen Leistungen auf dem Gebiete der Ebenso haben unter Bethlen Gabor's   Führung türkische Bausteine zu der als spezifisch national gepriesenen Kultur Kunst, der Wissenschaft und der Literatur. Sie errichten Truppen wiederholt die faiserlichen geschlagen. Emmerich   geliefert haben. sich selbst nicht nur zahllose papierne Denkmäler, nein Tököly die öfter­als türkischer Heerführer in die Nicht besser wie mit dem Stolze auf ihre Kultur, ver­auch viele hunderte erzgegossene errichten sie in allen reichischen Erbländer ein, bestieg mit türkischer Unterhält es sich mit den Lobreden auf die Segnungen ihres Theilen des Landes, und zum Gedenktage legen sie den fügung den ungarischen Königsthron und zog mit dem Groß- parlamentarischen Systems. Wie das ungarische Parlament Schlußstein   zu ihrem herrlichen monumentalen Parlaments- dem flammenden Manifefte, mit welchem Franz Rákóczy   noch zu entsteht, haben wir schon klargestellt, gleich seiner forrupten bau, das im Style des Sizes des englischen Parlaments Anfang des vorigen Jahrhunderts feine Landsleute zum Auf- Entstehung ist die Korruption in den Reihen der Par­am breiten Donauftrome der königlichen Burg gegenüber stande gegen die Habsburgische Herrschaft aufrief, hieß es: lamentarier. Mehr noch als in Frankreich   und in errichtet, spätesten Geschlechtern den Sieg des zähen Grausame Herrschaft ist einem freien, hochgesinnten Volke den Vereinigten Staaten   ist ein Parlamentssiz in Ungarn  

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Tene.

( Nachdruck verboten.)

Roman von Nicolaus Krauß.

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brach

vezier Kara Mustapha 1638 vor die Mauern Wiens. Und in

Na ja! Ban Thoma- Schneida wird halt schon wieder einmal g'rauft!"

Der Thoma- Schneider war, was die Bauern einen worten. Und von der Lene kam's an die Kinder und von schönen Wiann nennen: nicht zu klein und nicht zu groß, diesen an die Gäste, bis keiner mehr an sich halten konnte, untersetzt und fleischig; sein Gesicht war roth wie ein und das Schreien, Toben und die auf die Tische fallenden Winterapfel, die Augen groß, glänzend und rund wie Fauftschläge weit in die Nacht hinausschallten, daß die Einmal hatte Lene schon geschlafen, da war wegen Kugeln. Er verstand sich nicht blos auf das neumodische Leute im nahen Dorfe einander zunickten und meinten: eines zerschlagenen Bierglases ein mächtiger Streit los- Wesen", sondern auch auf die alte Tracht, die mälig ver­gebrochen. Endlich zahlte der Bauer, ging aber in voller schwand. Die alten Bauern, die sie noch trugen, schäßten Wuth fort. Am andern Tage trieb Lene wie gewöhnlich ihre ihn für den besten Schneider im Lande. Zweimal hatte die Mühlefsener Lehrerin im Wirths­Biegen aus. Ohne daß sie etwas von dem Streit wußte, Wenn einer dieser hohen, hageren Männer im Wirths haus zu Zettenberg vorgesprochen, um sich nach ihrer Ver­gerieth fie auf den Grund und Boden des erbosten Bauers. hause erschien, machte sich Lene stets in der Nähe der wandten zu erkundigen. Sie hörte nur gutes. Mit einer Plöglich sprang dieser mit einigen Knechten hinter einer Schneiderbank zu schaffen, um ja kein Wort der Unter wahrhaft mütterlichen Würde und Zartheit verstand die Hecke hervor, pfändete die Ziegen vom Fleck weg und haltung zu verlieren. Wie hätte die ernste Tracht dieser Wirthin, von ihrem Dienstmädchen zu reden, so daß die nahm auch Lene zum Bürgermeister mit. Der Wirth mußte wortfargen Männer ihrem Vater stehen müssen! Diese Lehrerin jedesmal völlig getröstet nach Hause ging, mit der in die Tasche greifen und Ziegen und Mädchen wieder aus- hohen, ziegenledernen Stiefel, die sich wie ein feidenes Ueberzeugung, die Lene werde in Bettenberg gehalten wie lösen. Am gefährlichsten aber wurde die Sache für Lene, Tüchel um Bein und Wade schmiegten, die bockledernen ein eigenes Kind. In ihrer Arglosigkeit übersah sie dabei wenn die Ziegen ihren leckeren Tag hatten, und sich statt Pumphosen, der handbreite Hosenträger mit dem faust ganz, daß sie sich infolge Eingreifens der Wirthin nicht ein­an dem halbvertrockneten Grase der Hänge, an dem großen Huasenantoudara" in der Mitte, der wie Gold mal mit dem Mädchen unter vier Augen hatte aussprechen grünen Futterhafer der Bauern, an Kraut- und Rüben- glänzte, das grüngelbe Golla" und der dunkle, bis an die können, blättern delektiren wollten. Dann stand das Mädchen ganz Knöchel reichende Mantel. Und erst der steife, schubkarren- Die Lehrersfrau würde der Sache aber trotzdem besser verzweifelt auf einem Raine und schrie in ohumächtiger radgroße Hut mit den vielen und vielen Seidenband- auf den Grund gegangen sein, wenn nicht andere Sorgen Wuth, was es aus dem Halse bringen konnte. Schleifen! gerade damals fie vollständig in Anspruch genommen Wenn Lene nach dem Zwölfeläuten eintrieb", hatte Wenn der Thoma- Schneider nach auswärts anmessen" hätten. Ihrem Kaspar gefiel das Leben in der Stadt ganz ihre Dienstherrschaft meist schon abgegessen. In der Brat ging, nahm er stets sein Flügelhorn" mit, trog allen Ge- und gar nicht. Nach vielen Laufereien und Demüthigungen röhre fand sie dann, was man für sie übrig gelassen. Ein 3eters seiner Frau. Die Bauern, die ihn als tüchtigtn hatte Jakob Weiß die Freitische für seinen" Aeltesten voll­Bröckchen Fleisch war selten dabei, trotzdem jeden Tag Spieler kannten, lauerten ihn ordentlich ab, wenn er sein zählig beisammen. Jeden Mittag ging Kaspar in ein mehrere Pfund gekocht und gebraten wurden. Nicht einmal Geschäft erledigt hatte, zogen ihn ins Wirthshaus und anderes Patrizierhaus, in die Dechantei, zu den Domini von den Würsten, die sie oft noch am späten Nachmittag aus nöthigten ihn so lange, bis er spielte. Bald einer, bald fanern, und ließ sich seinen Eßtigel" vollfüllen. Uebers der schier zwei Stunden entfernten Stadt holen mußte, mehrere von ihnen sangen dazu die alten Egerländer Lieder, bleibsel waren das selbstverständlich, und da der ungefüge erhielt sie je einen Zipfel. Was nicht an die Gäste Schnurren und Schwänke, der bissige Bierzeiler flog hin Dorfjunge den anspruchsvollen Köchinnen nicht zu schmeicheln abgesetzt werden konnte, die Wirthin; sie kaute den und wieder, und es war ein Gedudel, Selächter verstand, erhielt er manches boshafte und verlegende Wort ganzen Tag, wenn sie nicht gerade schlief; diese Gewohn- und Gläserklingen oft die ganze Nacht hindurch. als Zugabe. Der Lehrer konnte für seinen Sohn nur die heit hatte sie in ihrer früheren Stellung als Zimmer Zu derselben Zeit tobte dann im Gasthause zu Wohnung bezahlen. Bei einem Flickschuster war Kaspar mädchen angenommen. Da sie sich mit nichts zu be- Bettenberg der Teufel der Eifersucht. Aber auch einquartirt; in derselben Stube, in der der Meister schäftigen wußte, war sie bald so dick, bequem und faul rein gar nichts konnte die Lene recht machen, nicht mit seinem Lehrbuben nagelte und nähte, wurde gekocht geworden, wie eine verwöhnte Kaze. Nur eines störte ihr einmal ein Glas Bier einschänken. Trepp auf und Trepp und geschlafen, arbeitete, schrieb und zeichnete der seelisches Gleichgewicht, die Eifersucht. ab wurde fie gejagt und geheßt, mit Schelt- und Schimpf- Student. Das Frühstück und Abendbrot lieferte ihm ein