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Steuern doch immer noch die Frage, wer die Abwälzung vorzunehmen hat.

Die indirekten Steuern belasten in erster Linie den Ber­brauch. Dem Verbraucher steht es an sich frei, sie auf andere, das heißt durch Steigerung des Einkommens auf die Pro­duktion abzuwälzen. Diese Abwälzung, also die der indirekten Steuerbelastung entsprechende Erhöhung des Realeinfom­mens, ist nicht immer zu erzielen. So ist zur Zeit zum Bei­spiel die Arbeiterschaft nicht in der Lage, die neuen Belastun­gen mit indirekten Steuern abzuwälzen. Infolgedessen müssen zur Zeit die gesamten neuen Belastungen von denen ge­tragen werden, die sie in erster Linie bezahlen. Auch wenn man direkte und indirekte Steuern als politisch und sozial gleichwertig betrachten wollte was falsch wäre bleibt bei der indirekten Steuer immer noch die Schwierigkeit und die Fraglichkeit der Abwälzung bestehen.

Die liberale Steuertheorie des vorigen Jahrhunderts ging von dem Gedanken aus, daß die Produktion mit Steuern und Zöllen möglichst wenig belastet werden foll. Was der Staat an Steuern brauchte, sollte er dort weg­nehmen, wo am Ende der Produktion Einkommen und Vermögen entstanden ist. Deshalb will der Liberalismus den gesamten steuerlichen Bedarf der öffentlichen Hand durch Einkommensteuer, Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer decken, damit die Produktion nicht durch indirekte Steuern be­lastet, verzerrt, verschoben wird.

Es ist nirgendwo in der Welt gelungen, dieses liberale Ideal der Steuerpolitik vollständig zu verwirklichen. Aber es war damit ein Ideal aufgestellt, das nicht bloß in produk­tionspolitischer, sondern auch in sozialer Hinsicht wichtig und notwendig war. Was dieses steuerpolitische Ideal vom Stand­punkt der liberalen Grundidee des freien Spiels der Kräfte zu bedeuten hat, braucht hier nicht im einzelnen erörtert wer­den. Das ist mehr eine Frage der Vergangenheit. Aber auch der sozialen Gedanken zugängliche Liberalismus und ganz besonders der moderne Sozialismus der Ar­beiterparteien haben, wenn auch aus ganz anderen Grund­gedanken heraus, dieses liberale Ideal der Steuerpolitik zu ihrem Grundsatz gemacht. Das war besonders auch im Licht der heutigen Erfahrung richtig und notwendig. Wenn wir zur völligen oder fast völligen Beseitigung der Einkommen­steuer tommen und wir sind auf dem besten Wege dazu dann bedeutet das, daß der Reiche und Reichste keinerlei steuerliche Sonderleistungen mehr zu tragen hat.

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Bon all den grundsäglichen Bedenken, die gegen die Dietrichsche Steuerpolitik aus den angeführten Gründen zu erheben sind, könnte man eine Reihe wenigstens zeitweise zurückstellen, wenn durch diese Steuerpolitik die Beseitigung Steuerpolitik die Einnahmen der öffentlichen Körperschaften gefördert würde. Mit anderen Worten: wenn durch diese Stuerpolitik die Einnahmen der öffentlichen Körperschaften und besonders des Reiches sich wenigstens steigern ließen. Das ist aber nicht der Fall. Die Beseitigung der Ein­tommensteuer für das gesamte Gewerbe fostet der Reichstasse viele hunderte Millionen. Diese Mindereinnahme vergrößert entweder die Finanznot des Reiches, oder es muß durch weiteres Anziehen der indirekten Steuern ein Ausgleich geschaffen merden. Was das sozial bedeutet, ist oben furz angedeutet. Für die Beseitigung der Einfommen Steuer in dem angedeuteten Umfange wird aber auch von feiner Seite eine höhere Einnahme für die Reichstasse er­martet, sondern es wird zur Begründung nur angeführt, daß damit der Steuerapparat vereinfacht und verbilligt werden fönnte. Das wäre vielleicht zutreffend, wenn nicht durch die Bürgerabgabe, durch die Gemeindegetränkeabgabe, durch die Gemeindebiersteuer usw. der Steuerapparat an einer anderen Stelle wieder erneut aufgebläht wird. Was das Reich durch die angebliche Verbilligung der Steuererhebung bestenfalls erfpart, wird mehr aufgezehrt durch die neuen Steuerapparate, die sich die Gemeinden aufbauen werden.

Die sozial betrachtet so gefährliche Beseitigung der steuer­politischen Fortschritte eines ganzen Jahrhunderts erleichtert alfo in feiner Weise die Reichsfinanzen, vermindert auch nicht die Verwaltungskosten für die Steuererhebung. Alles in allem: es werden wichtige staatspolitische und steuerpolitische Fortschritte beseitigt, ohne daß man einen anderen Zweck da­für erkennen könnte als den, entsprechend dem herrschenden Schlagwort von der Kapitalbildung die Kapital­befizer von Steuerbelastungen möglichst zu befreien und über­wiegend den breiten Volksschichten der Minderbemittelten die Lasten aufzuerlegen.

Volkspartei unterm Hafenkreuz.

So sehen Stresemanns Erben aus!

Braunschweig  , 13. Januar.  ( Eigenbericht.)

Die Deutsche Volkspartei   des Landes Braunschweig   steht noch immer zu dem Naziminister Franzen, trotzdem diesem Herrn vom höchsten braunschweigischen Gericht bescheinigt wurde, daß er vor der Polizei und damit auch vor dem Landtag und der Deffentlichkeit die unwahrheit gesagt hat. Nur zu der nafionalsozialistischen Frattion des Braunschweigischen Landtags hat die Deutsche Volkspartei   noch kein rechtes Vertrauen, nationalsozialistischen Fraktion des Braunschweigischen Landtags Deutschen Volkspartei, Landtagsabgeordneten Brandes, beweist: wie folgende Erklärung des Landesvorsitzenden der

,, Die, hiesige Ortsgruppe der Nationalsozialistischen   Deutschen  Arbeiterpartei hat gegen die Deutsche Boltspartei in der Deffent­lichkeit den Vorwurf erhoben, fie hätte Roalitionssehnsucht nach den Sozialdemokraten. Ich glaube, feine bürger­liche Gruppe hat stärker als die Deutsche Volkspartei   zum Ausdruc gebracht, daß nach den Erfahrungen der letzten Jahre die Sozialdemokraten von der Regierung ausge schaltet werden müßten, und daß man ernsthaft versuchen müsse, mit den Nationalsozialisten gemeinsam zu regieren, um dieser Partei die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten, die sie auf freiem agitatorischen Gebiet zweifellos gezeigt hat, auch in der politischen Verantwortung zu zeigen. Hier sehen wir aber bei den Nationalsozialisten leider noch wenig Fort­schritte. Auch der uns völlig zu Unrecht gemachte Vorwurf der Koalitionssehnsucht nach den Sozialisten entspricht einer reinen Agitationslust, ohne die geringste Rücksichtnahme auf die eingegangene Regierungstoalition. Wenn Herr Zörner( der nationalsozialistische Landtagspräsident) trog unserer Erklärungen seine Behauptungen immer wieder beweislos wiederholt, so ist das in meinen Augen nur ganz üble Wahlmache, in Rücksicht auf die bevorstehenden Kommunalwahlen. Wir haben dem Minister Dr. Franzen unser Vertrauen ausgesprochen. Wir können leider nicht das gleiche Vertrauen zu der Fraktion der Nationalsozialisten haben.... Wir verkennen nicht, daß in der nationalsozialistischen Bewegung viel jugendlicher Idealismus stedt, und wir stehen innerlich dieser Bewegung näher als den Sozial­demokraten. Wir bedauern aber, daß der politische Kampf jezt Formen angenommen hat, die wir nicht mitmachen werden. Das was sich jetzt häufig im Landtag abspielt, ist nicht jugendliches Feuer und Temperament, sondern stellt eine Verwilderung der Sitten dar."

Auch diese Erklärung zeigt, daß ein großer Teil der Deutschen  Bolkspartei lieber den Steigbügelhalter für die Nazis macht, als dieser verlogenen Bewegung entschloffen entgegenzutreten. Insofern bildet die Volkspartei für die friedliche Weiterentwicklung in Politik und Wirtschaft ebenso eine Gefahr wie die Nationalsozialistische

Partei.

Hermann Müller   in Franken.

Ehrender Empfang durch Nazi- Banden.

Bayreuth  , 13. Januar.  ( Eigenbericht.)

In einer von Tausenden besuchten öffentlichen Bersammlung sprach Genosse Hermann Müller   am Montag zu seinen Wählern. Die Versammlung nahm einen glänzenden Berlauf. Sie war voll­tommen überfüllt und Hunderte von Befuchern fanden teinen Ein­faß mehr. Die Hitler  - Leute, denen der Zutritt megen ihrer Ruppig­keit ru feit nicht gestattet már, jammelten sich vor dem Versammlungslotal zu einigen Hunderten an und empfingen Müller mit den bei ihnen üblichen Schmährufen. Selbstverständlich machte das auf ihn Rebe mit ver feinerlei Eindruck. Vielmehr begann er seine Rede mit der humoristischen Bemerkung, die Hafenfreuzjünglinge hätten ihn wahr. scheinlich mit dem Reichskanzler Brüning   verwechselt, dem solche Art Empfänge jetzt ja regelmäßig bereitet würden. Schließlich mußte, da die Hitler  - Leute draußen weiter lärmten, die Polizei mit dem Gummiknüppel den Platz räumen.

Richterbeschimpfung.

Ob der Preußische Richterverein sie hören wird?

Die Wut der Nazis wegen ihrer Blamage vor dem Berliner  Arbeitsgericht ist grenzenlos. Goebbels Angriff" verleiht ihr in folgenden Ueberschriftsbalken Ausdrud: Arbeitsrichter Richter fesselte die Justiz- Willkür und Sohn in Moabit  - Justizstandal." In dem Schimpfartikel heißt es wörtlich:

Wir bezeichneten diesen Prozeß von vornherein als einen Justizskandal ersten Ranges. Das ist aber noch viel zu milde ausgedrückt. In Wirklichkeit war er ein von vornherein groß angelegtes Theater. Und wenn Amtsgerichtsrat Richter efwas bessere Regieeinfälle gehabt hätte, so wäre daraus wenigstens eine Komödie geworden... Solinge Richter vom Schlage des Amtsgerichtsrats Richter einseitige Urteile zu fällen haben, solange fann es in Deutschland   keine Gerechtigkeit geben.".

ernsthafte Kritik der Justiz oftmals so empfindlich reagiert, zu dieser rüden Beschimpfung eines preußischen Amtskollegen irgendwie Stellung nehmen wird. Nach unserer Erfahrung ist man dort gegen alles, was von Rechts kommt, recht schwerhörig. Bielieicht aber überlegt das Justizministerium einmal, ob ein der­artiges Reifeltreiben gegen einzelne mißliebige es die National­sozialisten ſyſtematiſch veranstalten, mit dem Ansehen und der Staatsanwälte und Richter, wie Ordnung der Rechtspflege vereinbar ist.

Der belobte Franzosenspion.

Ein Liebling aller deutschen   Generäle.

Vor einigen Wochen brandmarkten wir hier das Treiben des General von Cramon als verächtlich", da dieser General sich nicht scheute, die bereits gerichtlich widerlegten Lügen des französischen   Spions Crozier- Desgranges gegen die deutsche   Sozialdemokratie zu wiederholen.

Herr von Cramon hat einen Kollegen erhalten, den Genera der Artillerie von Berendt. Herr Berendt findet is einem Artikel der Deutschen Zeitung" das Buch des französischen  Spitzels, weil es deutsche Sozialdemokraten in der schmutzigsten Art verleumdet, höchst bedeutungsvoll". Das Geschreibsel des Spions   hat auf Herrn General von Berendt ,, durchaus den Ein­druck einer ernsten Arbeit", ohne die bei solchen Berichten oft zu beobachtende Phantasie gemacht. Dabei muß General von Berendt selber in seinen weiteren Ausführungen feststellen, daß Crozier­Desgranges, wenn er von dem ,, deutschen Revolutionskomitee" in Holland   phantasiert oder von dem Chef der Sozialdemokratie in Berlin  ", der den Munitionsarbeiterstreit von 1918 geleitet haben soll, keinerlei Namen nennt und damit seine Behauptungen jeder Rachprüfung entzieht. Denkende Menschen und sollte sich ein General der Artillerie nicht dazu rechnen? müssen hieraus den Schluß ziehen, daß die Behauptungen des Herrn Crozier- Desgranges eben Erfindung und Phantasie sind. Aber nein! Auf General von Berendt machen solche unfaßbaren und unkontrollierbaren Bezichti gungen ,, den Eindruck ernster Arbeit"!

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Es ist bezeichnend, daß gerade die Kreise, die für sich ein be­fonderes Ehrgefühl in Anspruch nehmen, jedes Gefühls für die Ehre ihrer Mitmenschen bar sind. Der Deutsche   Offiziersverein hat un­längst gegen Herrn Helmuth von Mücke   Klage erhoben, weil Herr von Müde   im Sportpalast dem Sinne nach geäußert haben soll, daß dieser Verein Ehrabschneiderei gegen politische Gegner offenbar führ ehrenhaft halte. Nun, die Generäle von Cramon und von Berendt sind ein deutlicher Beweis dafür, mie sich deutsche Generäle sogar nicht scheuen, mit Hilfe eines französischen  Spions   politische Ehrabschneiderei gegen eine deutsche Partei im Großen zu treiben. Berächtliches Tun!

Düfterberg schimpft

مادی

*- aber er begreift nicht, daß er beleidigt. Candsberg( Barthe), 13. Januar.  ( Eigenbericht.) Das hiesige erweiterte Schöffengericht verurteilte den Stahl­helmführer Oberstleutnant a. D. sterberg megen Beleidigung des ehemaligen Reichsinnenministers Carl Severing   zu 500 We arr Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte 1000 Mart Geldstrafe be­antragt.

Der Angeklagte hatte sich am 19. März 1930 in einer Stahl­helmversammlung in Landsberg   über die Teilnahme des damaligen Reichsinnenministers Severing   an der Berliner   Kundgebung am Boltstrauertag folgendermaßen geäußert: Es ist bedauerlich, daß der Reichspräsident neben so einem fleinen Reichsinnenminister sitzen mußie, und daß dieser martistische Hanswurst am Abend das Volk verhette." Der angeklagte Stahlhelmführer gab zu, den Ausdruck Hansmurst gebraucht zu haben, bestritt aber die übrigen Säße, so daß die Zeugen, dre: Kriminalbeamte, ihm erst das Ge­dächtnis auffrischen mußten. Im übrigen wollte der Angeklagte in dem Ausdruck Hanswurst teine Beleidigung sehen.

In der Begründung des Urteils führte Landgerichtsrat Dr. Schwinne eine erfreuliche Sprache. Er verwies darauf, daß es nicht Aufgabe des Stahlhelms sein könne, die Ehre der Gefallenen, die angeblich durch eine Aeußerung Severings geschmälert worden sein sollte, zu schützen. Aufgabe der Rechtsprechung aber müsse cs sein, die Ehre der im öffentlichen Leben Stehenden zu schützen, und das um so mehr in einer Zeit, in der man versuche, die Ehre der Reichsminister anzutasten. Es habe eine Beit gegeben, in der die Rechtsprechung diesen Grundsaß nicht immer so befolgt habe, deshalb müsse jest ichärfer 3 u=

Der Reichsfinanzminister Dietrich, der schon führend vor­angegangen ist bei dem Kampf gegen eine liberale Handels­politik( er will ab 1935 die Meistbegünstigung abschaffen) und bei der Beseitigung des letzten Restes einer liberalen Agrar­politik und ihre Ersehung durch eine reine Subventionspolitik des Großbefizes, schafft also jetzt auch die liberalen Errungen­schaften in der Steuerpolitik ab. Dietrich hat auf dem Gründungsparteitag der Staatspartei gesagt: Das Zeitalter des Liberalismus liegt hinter uns. Das Gute, was er ge= bracht hat, übernehmen wir in die Zukunft; die Geistesfreiheit und die Duldsamkeit." Es sieht wirklich so aus, als wenn von allen liberalen Fortschritten nur noch die Duldsamkeit übrig menten nicht mehr besonders hervor, wenn seine charakteristische| Landwirtschaftskammer für die Provinz Pommern, von den Städten

bleiben soll.

Herold gestorben.

Der älteste Zentrumsabgeordnete.

Der Zentrumsabgeordnete Karl Herold   ist am Dienstag in Münster   nach furzer Krankheit verstorben. Herold, der im 83. Lebensjahre stand, gehörte seit 1889 dem Preußischen Landtag  und seit 1898 dem Reichstag   ununterbrochen an. Er war außerdem Ehrenvorsitzender der Deutschen Zentrumspartei   und gehörte seit 1906 dem Vorstand der westfälischen Zentrumspartei   an.

Herold wurde am 20. Juli 1848 auf dem Gut Loevelinfloe bei Münster   i. W. geboren. Er nahm bald eine führende Stellung in der westfälischen Landwirtschaft ein, wurde bei dem vorwiegend land­wirtschaftlichen Charakter seines Heimatkreises Münster   in den Bro­vinziallandtag, in den Kreistag und Kreisausschuß sowie in die Ge­meindevertretung gewählt. Er wurde Vorsitzender oder Ehren­vorsitzender fast aller wichtigen örtlichen Berufsvereinigungen. In der Politik trat er seit Ende der 80er Jahre als Mitglied der Zentrumspartei   hervor.

Nach der Revolution wurde er sowohl in die Nationalversamm­lung als auch in die preußische Landesversammlung gewählt. Ebenso mar er seit 1920 bis zu seinem Tode Mitglied des Reichstags und des Preußischen Landtages  , zuletzt in beiden Parlamenten Alters­präsident.

In früheren Jahren war Herold einer der schärfsten Gegner der Sezialdemokratie und der von ihr geforderten Gleichberechtigung der Arbeiter. Im Laufe der Zeit hatte er sich wohl mit der Unab­änderlichkeit der Entwicklung abgefunden. Er trat in den Barla­

Wir sind gespannt, ob der Preußische Richterverein, der aufgefaßt werden.

äußere Erscheinung mit dem weißen Patriarchenbart auch zum Gesamtbild sowohl des Reichstags wie des Landtags zu gehören schien. Im letzten Reichstag, furz vor der Auflösung, machte er nur noch einmal ion sich reden: Als der christliche Genossenschafter Abg. Schlack das bekannte Wort prägte, ein Reichstag, der die Sondersteuer gegen die Genossenschaften annehme, würde als der reaktionärste seit der Revolution dastehen, trat Herold im Haushaltsausschuß auf und erklärte, diese Aeußerung habe Schlack nur für seine Person, nicht für die Zentrumsfraktion getan. Sonst war es still um den alten Herrn geworden, der noch als letzter aus der Generation der großen Zentrumsparlamentarier Spahn, Groeber, Trimborn, Burlage   übrig geblieben war.

Nachfolger Herolds im Reichstag dürfte Frau Helen Driesten aus Bocholt   werden, während im Landtag wahrscheinlich der Fabrikant Hermann Thiele aus Bünde  ( Westfalen  ) seinen Blatz einnehmen wird.

Vorpommern und die Osthilfe.

Hilferufe von allen Geiten.

Der Regierungspräsident von Stralsund  , Dr. Hausmann, überreichte dem. Staatssekretär des preußischen Staatsministeriums, Dr. Weismann, als dem Bertreter des preußischen Minister­präsidenten Dr. Braun, eine Dentschrift über die Notwendig feit einer Einbeziehung Vorpommerns in die Ost­hilfe. Die Dentschrift ist unterzeichnet von der Industrie- und Handelskammer des Regierungsbezirks Stralsund  , von der Stral­funder Handwerkskammer, von sämtlichen Kreistommiffionen, der

Stralsund   und Greifswald   sowie von der Vereinigung der Bürger­meister Vorpommerscher Mittel- und Kleinstädte. Dr. Weismann erflärte, die preußische Staatsregierung sei sich der schwierigen Wirtschaftslage Vorpommerns voll be= wußt und werde alles daran setzen, um diesen Schwierigkeiten ent­gegenzuwirken.

Die gleiche Denkschrift wurde von dem Regierungspräsidenten Hausmann dem Reichskommissar für die Osthilfe, Reichsminister Treviranus  , überreicht.

Subventionspolitik in Sachsen  .

30 Millionen Garantie für Rußland  - Lieferungen. Der Sächsische Landtag   nahm am Dienstag einen Gesetz­entwurf an, nach dem die Ausfallgarantie des sächsischen States für Lieferungsgeschäfte nach Rußland   von 20 auf 30 Millionen Mark erhöht wird.

Ferner wurde eine Regierungsvorlage angenommen, die vor­sieht, daß die Rückflüsse aus den von dem sächsischen Staat gewährten Mitteln für die produktive Erwerbsiofenfürsorge in Höhe von Millionen Mark im Jahre dazu verwandt werden, einen Wirt­schaftsstod zu errichten, der Kredite in besonderen Fällen an sächsische Unternehmungen geben soll. Die sozial­demokratische Frattion stimmte gegen die Errichtung des Birt­fchaftsstods, weil sie in der in Aussicht genommenen Anwendung der Mittel eine schädliche Subventionspolitik sieht. Sie forderte vergeblich, daß die in Frage kommenden Gelder für den Wohnungs­bau verwendet werden.