Antwort auf eine Rundfrage
Bor einigen Tagen bekam ich einen Brief aus dem Spessart . I auf, wie steht es mit den Arbeiterdichterinnen? Wird das in Zukunft Aus dieser Gegend hatte ich noch nie einen Brief bekommen. Ich so bleiben oder glauben Sie an eine Abnahme oder an eine neue, wurde also mißtrauisch, puzte die Brille und sagte zu meiner Frau: gewaltige Welle in vielleicht zweihundert oder dreihundert Jahren ,, Lisa." sagte ich, laß den fleinen Wolfel nicht so laut brüllen! im Anschluß einer epochemachenden Erfindung? Oder vielleicht gar Ich habe einen Brief aus dem Spessart bekommen. Na, da bin Umwälzung?" ich ja neugierig, was man mir schreibt."
Ich bin auch neugierig," gab sie ohne weiteres zu, und da fönnen sie sehen, was ich für eine Frau habe! Und jetzt stopfte sie dem kleinen Wolfel einen Apfel, eine Banane und ein Butterbrot in den Mund, damit er still sei, wenn der Vater den Brief aus dem Spessart lieft
Und ich las.
Nach einer ausführlichen Einleitung, in der sich ein Herr Stefan Zumpel vorstellte, auf die Knie fiel und schwärmerisch die Hände nach dem Sehr geehrten dichterischen Herrn Schriftsteller" ausstreckte, nach dieser Einleitung tam er zur Sache und weihte mich in sein Lebenswert ein. Herr Zumpel wollte eine sozialindividualpsychologische Studie über die Arbeiterdichtung verfaffen und sammelte nun Material. Und zu diesem Behufe", wie er sich ausdrückte, habe er außerdem einen„ interessanten Fragestellertomplex" aufgestellt, den er umgehend zu beantworten ersuche.
Im Spessart muß ein neugieriger Menschenschlag wohnen. Ich fannte diese Gegend noch nicht, aber jetzt habe ich auch feine Lust, fie fennenzulernen. Was wollte der Herr Stefan Zumpel nicht alles von mir wiffen! Die Farbe meiner Augen interessierte ihn genau so sehr wie mein Vorleben in bezug auf die erotische Sachlage", wie er es formulierte. Es fehlte nur noch, daß mir Herr Zumpel den Vorwurf gemacht hätte, nicht mein eigener Sohn zu fein!
Nun, wir alle kennen wohl jenen schmeichlerischen Typ der fiebenswürdigen Ausfrager, die ihre Gimpel auf der Leimrute jogenannter Geistigfeit fangen und dann in eleganten Auffäßen zwitschern lassen, Herr Stefan Bumpel verschmähte alle Diskretion, und so will ich nun aus der Dornenkette der vielen Fragen einige Stacheln lösen und sie Herrn Zumpel selbst ins Herz stoßen! Vorher aber soll noch gesagt sein, wie der Herr Ausfrager seinen Brief Schloß. Er schrieb nämlich:
Aber jetzt sei genug des Fragestellereifompleres! Die Reihe dürfte ja ins Unendliche gehen! Für jegliches Eingehen wäre ich Ihnen, sehr geehrter Herr Schriftsteller, einschließlich verbunden!"
Ich will noch lange nicht eingehen, ich will mich jetzt meines ,, Antwortgehefomplexes" erledigen, und so nehme ich sechs Fragen des Herrn Zumpel aus dem Brief und funke sie mit meiner Antwort nach dem Spessart.
1. Frage:
Antwort:
,, Ja. wie steht es mit den Arbeiterdichterinnen relativ, beziehentlich, resepettive? Mit den Arbeiterdichtern bleibt es vorläufig so. Zu dieser Frage werde ich mich in zweihundert, beziehungsweise dreihundert Jahren noch einmal äußern."
4. Frage:
,, Weshalb dichtet der Arbeiter hauptsächlich und wählt die Darstellung in Bersen? Kann er nicht anders oder will er nicht anders?" Antwort:
"
,, Er dichtet zum Zeitvertreib und wählt meistens die Darstellung in Versen, weil er einfach nicht anders will, der Faulenzer!" 5. Frage:
fich Wendungen, Gebanten, Ideen auf einige Feßen Papier , welche Sie bei sich trugen, respektive neben sich liegen hatten? Oder arbeiteten Sie nach Feierabend oder Sonntags ausschließlich?" Antwort:
,, Nein, ich verfaßte feine Gedichte bei der Arbeit, weil das der Vorarbeiter nicht erlaubt hätte. Papier hatten wir alle bei uns, menn wir einen bestimmten Ort aufsuchten, aber ich glaube faum, daß sich einer von uns darauf bestimmte Wendungen, Gedanken oder Ideen notierte. Ich arbeitete jeden Sonntag von halb zwei Uhr bis dreiviertel drei Uhr. In diesen Fünfviertelstunden mußte ein Gedicht fertig fein!"
6. Frage:
,, Für welchen Teil der Klasse, beziehungsweise Boltes dichteten Sie? Schrieben Sie für es? Oder nur für einen Meinen Teil?"
Antwort:
,, Am liebsten dichtete ich für ,, es", Herr Zumpel, aber, es" gibt es ja noch gar nicht ,,, es" will ja erst ,, es" werden!"
In dieser Art sandte ich Herrn Zumpel die Antwort auf zwanzig Fragen nach dem Spessart. Er bedankte sich schön, nahm alles für Ernst und will mir nun recht bald seine Studie" schicken. Darauf bin ich sehr neugierig. Das Buch von Herrn Zumpel müssen auch Sie lesen. Es wird Aufsehen erregen und Klarheit über die Arbeiter
,, Verfaßten Sie früher Gedichte bei der Arbeit? Notierten Sie dichtung verschaffen!
Dr. Ernst Binz:
Adalbert von Chamisso und die Armen
Zum heutigen 150. Geburtstag des Dichters.
Neun Jahre war Chamiffo alt, als die Stürme der französischen Revolution an die Tore der väterlichen Burg flopsten. Weithin war der Himmel rot, die alten Ritterburgen und Edelmannsschlösser gingen prasselnd in Flammen auf. Wer flüchten konnte, flüchtete. Die Familie Chamisso sammelte sich in Aachen . Es fehlte nicht ein Glied. Alle waren sie der aus der Ferne blinkenden Guillotine entronnen. Die französische Emigrantenfamilie durchwandert unter wechselvollen Schicksalen Deutschland und gerät schließlich nach Berlin . Mit 16 Jahren wird der kleine Chamisso, der erst notdürftig deutsch radebrechen kann, Page bei der Königin Luise. Fünf Jahre später ist er preußischer Leutnant. Zur selben Zeit kann endlich seine Familie nach Frankreich zurückkehren.
Das Leben eines preußischen Leutnants war damals ziemlich entbehrungsreich. Fünfzehn Taler betrug sein monatlicher Sold. Acht davon gingen auf Essen und Trinken, zweieinhalb tamen auf die Wohnung. In einem Brief an seine Mutter flagte er darüber, daß er feinen Mantel, keine Hemden und nur ein Paar zerrissene Schuhe Lektüre der Klassiker und der Philosophen benutzte, konnte fein zu friedenstellender Leutnant sein.
,, Darf man die Herren Arbeiterdichter mit den Nürnberger habe. Ein Offizier, der griechisch lernte und jede freie Stunde zur Meistersängern vergleichen?"
Antwort:
,, Natürlich, aber es ist nicht unbedingt notwendig."
2. Frage:
"
3weimal trat die große Versuchung an ihn heran, wieder Franzose zu werden und die Jahre in Deutschland Episode werden zu Was denten Sie: wird die Arbeiterdichtung später einmal viele lassen. Im Jahre 1802 muß er seinen erkrankten Bruder nach Bolkslieder liefern?" Frankreich zurückgeleiten. Ende des Jahres 1806 fährt er wieder nach Antwort: Paris , um 1808 eine Berufung als Professor nach Napoleonville zu ,, Ja, das kann ich Ihnen ganz genau sagen: neunhundertvierund-| bekommen. Aber er überlegt sich das solange, daß, als er schließlich dreißig Stück." ankommt, die Stelle schon anderweitig besetzt ist. 3meieinhalb Jahre 3. Frage: blieb er diesmal in Frankreich , aber die er liebte, war eine Deutsche , ..Unsere Zeit weist relativ und respektive viele Arbeiterdichter und als er sie nicht mehr sehen konnte, flüchtete er abermals nach
w.mobus: Abseits vom Wege
Zwischen den Türmen von Alt Landsberg
Am schneegrauen Horizont ein maffiger Turm. Das ist ein Ziel, das nur dichter Schneefall oder Nebel oder die Nacht verwischen tönnen. Viele Wege führen zu diesem Turm, ausgefahrene, von Pferdehufen zertretene Bege, deren Ränder alte, oft beschnittene Weiden säumen, und blanke Chausseen, auf denen Autos gespenstig huschen. Der Westwind peitscht seine Eisnadeln ins Gesicht. Das ist ein tausendfältiges Stechen, das aus dichten Wolfenschleiern kommt. Der breite Turm ist weggezaubert, zerronnen, verweht, verschneit. Müde Füße stolpern über den zerfeßten Weg, eine Starfstromleitung zieht im Norden unbekümmert von Eisenmast zu Eisenmast ihre Bahn. Sie scheint in die Unendlichkeit zu gehen, das Grau des späten Wintertages verschluckt alle Dinge, die bei Sonnenschein wichtig waren.
Im Wintergrau liegen Häuser da. Aus grauen Mauern strahlt Stubenglanz und Geborgenheit. Die Welt hat einen festen Bunft in diesem sanften Licht. Hier ist die Unendlichkeit befiegt, hier ist die Weite der Ebene unterbrochen, hier ist die Enge gern genossene Wohltat. Spiggieblig lehnt ein Haus neben dem anderen. Winterfloden haben Straße und Dächer, Gärten und Zäune erobert. Die winterliche Wandlung ist vollendet.
Mit hochgeschlagenen Kragen, die Hände tief in den Taschen vergraben, den Hutrand gegen den Wind gestellt, so wandern wir auf tiefverschneiter Straße in die Stille der kleinen märkischen Stadt.
Der Gang ist viel fürzer als es schien, er macht einen rechtwinkligen Knid. Hohl klingen Schritte und Stimmen.
Diese kleinen märkischen Städte haben trog ihrer Nüchternheit doch noch den Hauch der Vergangenheit bewahrt. Ein seltsames Etwas lebt und webt in ihnen, trotz des elektrischen Lichtes, trot der Autos und der Eisenbahnen. In dem weitläufigen Tor des Rathauses hängen Bekanntmachungen. Da sollen Grundstücke verauttioniert werden, ihr Grundsteuerwert wird in Talern angegeben. Die Zeit der Taler, der Silbergroschen, der Dreier und Sechser wird lebendig, die Zeit, da man noch keine Meridianmessungen vorgenommen hatte und vom Metermaß noch ebensowenig wußte wie von der Reichsmart. Die Zeit steht auf, die noch die Lichtpußschere und die schwelende Kerze kannte, die Zeit, in der die Welt noch groß war, wo Entfernungen noch etwas galten und die Postkutsche die Reisenden in martervoller Enge auf schlechten Straßen peinigte. Damals war der wohlverwahrte, im Garten tief geheimnisvoll vergrabene irdene Topf noch das sicherste Bankverließ. Ach, die Welt war so einfach, so frei von Problemen. Es gab teine Autounfälle und feine Schalterbrände, und die Menschen lebten doch. Sie frochen mit den Hühnern ins Bett. Im Winter wurde mit dem Licht gespart, und das Auge wurde geschont. So wurde man alt und behielt seine gefunden Nerven, bis man schließlich doch sterben mußte. Die neue Zeit hat sich zu allen Zeiten Platz geschaffen. Darum entschädigt sie die Vergangenheit durch ein Lob und nennt sie ,, die gute alte Zeit". Ein leuchtender Pfeil weist den Autos die Richtung durch das Gewinkel der engen Straßen. Eine Tankstelle quetscht sich unverschämt modern auf den schmalen Bürgersteig. Wie Augen von Lindwürmern blizen und funkeln die Autolaternen aus der Ferne, werden größer, blenden, gleißen und verblassen. Niemand kümmert sich um die Autofahrer. Die kleine Stadt hat sich an die neue Zeit gewöhnt. Sie hat sich sogar ein Bähnlein angeschafft, das ihre Bewohner zur Hauptstrede bringt. Es ist nicht gut, so abseits der
Eine lange hohe Mauer hat einen breiten Durchlaß, eine von schweren Pfeilern bewachte Pforte. Wie im Märchen ist es, wenn man sie durchschreitet, und links ein rotes, efeuumranttes Haus gewahrt. Auf der anderen Seite ein Gutshof, von einem vorfint flutlichen Schornstein überragt. Das könnte ein Hegenbackofen sein. Vielleicht wird hier auch wirklich allerhand Teufelszeug, Destillen zauber, Kartoffelschnaps gebraut. Die Straße mündet auf einen freien Plaz, und auf ihm steht ausladend, wuchtig, geruhsam, auf breitem Unterbau, der Turm, der die Schau in die Ferne liebt, der Feldsteinturm einer uralten mächtigen Kirche, den Schnee und Dunkelgroßen Straße zu sein. Wer abseits steht, kann tausend Jahre alt heit verhüllt hatten, der ein Ziel war, das verschwand, und das nun mieder entstanden ist aus der Nacht.
Der Schnee hat sein Treiben eingestellt, Türen flinten auf. Eisen klappern auf steinernen Stufen: Jungen und Mädel traben mit ihren kleinen Schlitten durch die eben noch so stillen Straßen. Die weichen molligen Floden werden gepreßt, getreten. Die eben noch untadlige, meiße Decke, zeigt die Spuren von zahllosen kleinen eiligen Füßen und von Schlittenspuren. Wintervergnügen im Scheine milder Laternen!
Das Storchnest auf dem alten Stadtturm, der früher wehrhaft die Stadt gegen die Feinde von Osten her verteidigte, thront verlassen, wie eine Dornentrone, auf dem Haupt des alten Gemäuers. Hier ist der traurige lleberreft einer mehrhaften, aber unsicheren und schweren Zeit. An den Turm schmiegt sich der Anfang eines langen und schmalen Ganges , wie eine Schlucht. Er folgt dem Lauf der alten Mauer, die zwecklos wurde. Häuser haben nun die Mauer besetzt.
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werden und zählt doch nicht.
Auf der anderen Seite der Stadt wieder ein alter viereckiger Turm, dahinter ein Graben, dicht mit Bäumen bestanden, und außer halb der alten Stadt ein modernes, weitläufiges Gebäude: das Haus der ungezählten Sünden der Menschheit, das Amtsgericht. Fast scheint das Gebäude größer zu sein als die ganze Stadt.
Ein Pfiff gellt durch die Nacht: Die Eisenbahn mahnt. Der Bahnhof ", ein Gartenzaun und eine fleine offene Holzhalle. Die Strecke eingleifig. Das fonnte 1835 entstanden sein. Man wundert sich nicht, daß die Wagen alt und eng sind, daß das Gleis stößt und schlägt. Man wundert sich nur, daß die Lokomotive anders aussieht. als man sie etwa vor 100 Jahren baute.
Wanderungen zu fleinen Städten find Spaziergänge in die Bergangenheit. Das Merkwürdige ist, daß man das in der Gegenwart erlebt, und dabei gleichzeitig in die Zukunft schreitet, die sich mit jeder Minute neu enthüllt.
Deutschland . Aus der Armee war er 1808 geschieden, nachdem er noch den Krieg gegen Napoleon mitgemacht und wegen der Feigheit seines Oberkommandierenden, der die Festung Hameln beim ersten feindlichen Schuß übergab, beinahe vors Kriegsgericht gekommen wäre. Mit welch offenen Augen Chamisso die Zustände im damaligen preußischen Heer beurteilte, zeigt folgende Briefstelle:„ Unser sehr gnädiger Landesherr hat es für angenehm gefunden, unsere Tracht wiederum umzugießen; seit acht Jahren, daß er auf nichts anderes sinnet und denket, ist der Mann noch nicht zustande gekommen,"
Als Chamisso schon längst Deutscher war in jeder Beziehung und als solcher auch in Frankreich angesehen und geachtet, konnte er trotzdem nie eine heimliche Liebe zu Frankreich und dem fran zösischen Geist loswerden. Er hat an diesem inneren Zwiespalt bis an das Ende seiner Tage gelitten und der Deutscheste aller Franzosen war im Grunde seines Herzens fein glücklicher Mann.
Von 1815 bis 1818 machte er eine Weltreise als Naturforscher auf einem russischen Schiffe mit. Die Reise war infolge der Unverträglichkeit seiner Schiffsgenossen ziemlich unerquicklich. Nach seiner Rückkehr wurde ihm endlich die langersehnte staatliche Anstellung beim Botanischen Garten in Berlin . Nunmehr konnte er sich auch verheiraten. Seine schönsten Jahre begannen. Der Mann, der den Schlehmil" gedichtet, hatte endlich so etwas wie einen Schatten bekommen. Nun endlich geht auch Chamisso das Herz für die soziale Not seiner Zeit auf, die er, der Fremde, der Franzose, der Flüchtling der Revolution, schärfer sah als viele seiner Zeitgenossen. Dazu trug sein eigentümlicher Zustand bei, er sah sich als„ einen Franzosen in Deutschland und Deutschen in Frankreich , Katholiken unter Protestanten, Protestanten unter Katholiken, Jakobiner unter Aristokraten und für die Demokraten ein Adliger. Ich bin nirgends an meinem Plage!"
Berühmt über seinen Tod hinaus wurde Chamisso durch seine sozialen Dichtungen, in erster Linie durch das unsterbliche Gedicht an die alte Waschfrau:
Du siehst geschäftig bei den Linnen, Die Alte dort in weißem Haar, Die rüftigste der Wäscherinnen
Im sechsundsiebenzigsten Jahr.
Chamisso verstärkte den angeschlagenen Ton in anderen Gedichten, die zu den Perlen der deutschen sozialen Poesie gehören:„ Der Bettler und sein Hund", das Gedicht vom Invaliden im Irrenhaus, das Gebet der Witwe, das„ Nachtwächterlied" und schließlich die Uebersetzung der sozialen Gedichte Bérangers.
Mitten in Chamissos fruchtbarste Zeit fiel das große Ereignis der Pariser Julirevolution, an der Chamisso leidenschaftlichen inneren Anteil nahm. Mehrmals rief er den Fürsten seiner Zeit ein Memento zu, wenngleich er an eine Weltrevolution nicht glaubte. Ich glaube, daß sich die ganze Welt dergestalt vor der ganzen Welt fürchtet, daß man es überall beim Anknurren hübsch bewenden lassen will und jeder nur an den Händeln, die er im Hause hat, genug haben wird. Inmittlerweilen fann man es sich nicht verhehlen, daß eine neue Zeit angegangen ist."
Den Aufgang dieser neuen Zeit sollte Chamisso nicht mehr erleben. Nach dem Tode seiner Gattin im Jahre 1837 verfiel er förperlich. Seine Pensionierung, um die er eingekommen war, überlebte er nur einige Wochen. Am 6. August 1838 warf ihn eine schwere Krankheit nieder. Zwei Wochen verbrachte er bei fast völliger Bewußtlosigteit. Und es ist charakteristisch für Chamisso, daß er wäh rend dieser beiden Wochen nur französisch phantasierte. Er starb am 21. August 1838.
In einem feiner letzten Briefe findet sich der Ausspruch:„ Deutscher Volkstümlichkeit hat sich das Tiefere, Heiligere in mir zugewandt, so bin ich durch Sprache, Kunst und Wissenschaft ein Deutscher."
In einem seiner letzten Briefe heißt es über die Macht der Presse:„ Die Presse ist nur ein Nachhall, selbst machtlos, wo sie das nicht ist. Die öffentliche Meinung, das ist die Macht, die groß geworden. Dankt der Presse und lernt von ihr."
Die ersten bolanischen Gärten Man ist erst ziemlich spät auf den Gedanken gefommen, botanische Gärten anzulegen, um das Studium der Pflanzenwelt zu erleichtern. Am frühesten geschah dies in Italien , denn in Salerno wind 1310 ein Pflanzengarten, zu Venedig 1333 der medizinische Garten erwähnt. In Deutschland legten sich zuerst Naturforscher botanische Gärten an, und zwar ein hessischer Gelehrter Euricius Cordus , Professor an der neugestifteten Universität zu Marburg , der 1535 zur Bremen starb, und der Schweizer Konrad Gefner ( 1516 bis 1565), der zum ersten Male ein Pflanzenverzeichnis in vier Sprachen herausgab. Ein öffentlicher botanischer Garten wurde 1540 an der Universität zu Padua angelegt, und dieser diente feither den anderen als Muster. Noch vor Ende des 16. Jahrhunderts wurden auch zu Leiden, Zürich , Nürnberg und Montpellier botanische Gärten geschaffen. Anfänglich galten sie hauptsächlich als medizinische Gärten, weil man besonderen Wert auf die Heilpflanzen legte, aber fie wurden auch beim Unterricht in den Naturfenntnissen überhaupt bemußt, und sie trugen wesentlich dazu bei, die Botanik erst zu einem förmlichen Studium zu erheben.