Der Abireibungsprozeß.
Henderson und Schober zur Zollunion England fordert Raisentscheidung.- Oesterreichs verzweifelte Wirtfchastslage.
Rechts schwenkt! Marsch! Oas Kommando für Kommunisten. Dessau . 30. März.(Eigenbericht.) In Anhalt ,«o mit einer ganz kurzen Unterbrechung Sozial» demotraten und Demokraten seit der Revolution regieren, haben die Rechtsparteien nach dem Borbild von Preußen«in Volks» begehren und einen Volksentscheid mit dem Ziel der Land» t a a s a u f l ö s u n g«ingeleitet. Bisher hatte Anhalt darüber an» dere Bestimmungen als Reich und Preußen. In Anhalt genügte die Mehrheit derer, die sich überhaupt am Volksentscheid beteiligen, um einem solchen Begehren zum Siege zu verHelsen. Daher haben die Regierungsparteien eine Aenderung des Volksentscheidgesctzes in der Richtung der Angleichung an Preußen und das Reich ein- gebracht. Dieses Gesetz wurde in erster Lesung mit den Stim- mcn der Sozialdomokraten, Demokraten und Kommuni st«n angenommen. Die Kommunisten stimmten mit den Regierungsparteien, weil sie erklärten, es liege nicht im Interesse der Arbeiter- s ch a f t, das von den Rechtsparteien erstrebte Volksbegehren durch- zuführen. Jetzt hat aber die Magdeburger Bezirksleitung der Kommunistischen Partei eine öffentliche Erklärung er- lassen, wonach die anhaltische Landtagsfraktion.bei ihrer Zustim» mung zu der von Sozialdemokraten und Staatspartei beantragten Gesetzesänderung nicht richtig gehandelt" habe,.unsere Fraktion wird bei der zweiten und dritten Lesung in vollem Ein- Verständnis mit den werktätigen Massen Anhalts gegen die Aende» rung des Gesetzes stimmen". Das bedeutet also, daß die Dreimännerfraktion der Kommu- nisten in der nächsten Sitzung des Landtags vollständig umfallen und nach rechts umschwenken muß! Feine Ordnung, was?! Krach in einer KpO-Orisgruppe. Sin betrügerischer Vorsitzender. Braunschweig . 30. März.(Eigenbericht.) In der Ortsgruppe Helmstedt der KPD. ist ein Fall von Korruption aufgedeckt wanden, in den der Vorsitzende des Ortsvereins und andere kommu itistifche Funktionäre verstrickt find. Die geschädigten kommunistischen Mitglieder erlassen zu dem Fall folgende Erklärung: „Der Borsitzende, der bis heute noch nicht aus- geschloffen ist, unterschlug sowohl Eintrittsgelder als auch Monatsbeiträge in unkontrollierbarem Umfange. Sammellisten, die anläßlich der Wahlen von der KPD. in Umlauf gesetzt wunden, sind entweder spurlos verschwunden oder mit Hilfe von Radier- gnmmi in chren Zahlenergebnissen verkleinert worden. Es wird weiterhin der Verdacht ausgesprochen, daß auch Gelder kom- nvunistischer Hilfsorganisationen verschwunden sind. Mit dem Vor- sitzenden stecken eine Reih« anderer KPD.-Funktionäre unter einer Decke.' Die KPD.-Ortsgrupp« Helmstedt dürft« durch diese Vorgänge den Rest erhallen haben. Ein Kommunistenschwindel. Das Märchen von der Ortegruppe Heinsberg . Köln . 30. März.(Eigenbericht.) In der kommunfftiflhen Presse wird in großer Aufmachung mitgeteilt, daß die Ortsgruppe Heinsberg bei Aachen aus der SPD. ausgetreten s«. Wahr ist. daß drei Austritt?»rtlä. rungen von Leuten«ingegangen sind, die au» persönlichen Grün» den verärgert wurden. In einer Kreiskonferenz am Sonntag in Heinsberg ist einmütig da« Verhalten der drei Ausgetretenen ab» gelehnt worden. Die Heinsberger Ortsgruppe besteht weit«!. Für strenge Krakiionsdifziplin. Beschluß der Äezirkskonfereuz in Görlitz .» Görlitz . Zg. März.(Eigenbericht.) Die Bezirkskonserenz der Sozialdemokratischen Partei für den Regierungsbezirk Liegnitz , die am Sonnabend und Sonntag hier ab» geHallen wurde und von 1S1 stimmberechtigten Delegierten besucht war, nahm mit allen gegen zwei Stimmen eine Ent- s ch l i e ß u n g an, in der es heißt: „Bei den Abstimmungen zum Wehretat im Reichstag haben neun Mitglieder der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gegen die Fraktion gestimmt und bannt einen bewußten Disziplinbruch be- gangen. Das Verhalten der neun Disziplinbrecher der Reichstags- sraktion muß um so schärfer verurteilt werden, weil die Fraktion mit großer Mehrhell die Freigabe der Abstimmung abgelehnt hat und die Minderheit eindringlich gewarnt wurde, im Plenum des Reichs- tags gegen die Fraktion zu stimmen. Die Konferenz fordert in der Entschließung weiter von den: Partellag in Leipzig strenge Maßnahmen gegen die Disziplinbrecher und wünscht»inen einheitlichen Abstimmungszwang für die Frak- tionen im Reichstag und in den Länderparlamenten nach dem Muster der Fraktion de» Preußischen Landtags .'
Guie, alte Zeit! Icknufchauer entdeckt: Bismarck fuhr nicht im Auto! Man mutz sagen: wenn unsere preußischen Junker, die niemals etwas von Sekt, Rotspon und Spielschulden gewußt haben, gegen den Luxus de» heutigen Staates wetten-, f0 sind sie auf der Höhe! In d«r zu drei Vierteln leeren Sportpulastkundgebung der Deutsch - nationalen hat der alle Ianuschauer die Pulle seiner ssttlichen Ent. rüstung entkorkt und überschäumen lassen. Hugenbergs„Rächt- ausgäbe' berichtet darüber: „Er haut so grob zu. wie ein alter KavalleriesSbel:„Früher fuhren die Minister in der Droscht« zum Reichstag. Jetzt fleht man immer so viele Ministerautos dort stehen.' Da» Gedächtnis de» Januschauers ist nicht mehr ganz auf der Höhe. Es gab einmal eine Zeit, in der man von den Konferoalkven sagte, daß sie all« zusammen in einer Droschke zum Reichstag jähren könnten. Die Herren Minister des alten Staates hatten aber ihre Equipagen. Aber in einem hat der Januschauer doch recht: Bismarck ist in der Tat niemals im Auto beim Reichstag vorgefahren. Auch der alte Kaiser Wilhelm nicht. Ja, ja— die gute alte Zeit.
Ein russischer Fememord. Zu dem in unserer Sonnobendaus» gäbe gebrachten Bericht' über den Fall des in Moskau ermordeten Fridolin Leutner stellen wir richtig, daß es nicht, wie es infolge eines Uebcrmittlungsfehlers hieß, die Schwester des ermordeten t'sutnsr, sonoern daß es die Schwägerin des kommvnkstischcn Reichstagsabgeordneten Fröhlich war. die als Zeugin vor dem Staatsanwalt erklärte, ihren eigenen Bruder nicht zu kennen.
London , 30. März.(Eigenbericht.) Lautlose Stille herrschte am Montagnachmittag im vollbesetzten Unterhaus, als Außenminister Henderson die Stellung der eng- tischen Regierung zum deutsch -österreichischen Zoll- abkommen bekanntgab. Henderson gab zunächst eine Schilderung der diplomatischen Bor- gange, wobei er daraus hinwies, daß er vom deutschen Botschafter wenige Stunden vor seiner Abreise nach Paris unter anderem auch die Mitteilung über die beabsichtigte Zollunion zwischen Deutschland und Oesterreich erhielt. An der Bahn wurde dann dem englischen Außenminister von dem französischen Botschafter ein Memo- randum überreicht, wonach die sranzöstsche Regierung die beabsichtigte deutsch -österreichische Zollunion als eine Verletzung des Protokolls von 1S22 betrachts.„Die Methode und die Art. so fuhr Henderson fort, in dar die österreichische und die deutsch « Regierung die übrigen Länder informiert hatten, riefen die ausgedehntesten Kommentare hervor. Ich selbst muh zugestehen, daß die deutsch -österreichische Methode dazu geeignet ist, die Vorteile von Gens und der dort gepflogenen VerHandlungsart zu zerstöre». Am 25. März ent» schloß ich mich mit größtem Bedauern, die deutsch « und die öfter- reichische Regierung zu benachrichtigen, sie sollte« sich keinen falschen Eindrücken hingeben über da, ernste Mßtraueu. das durch ihre Aktton in vielen Ländern, ganz besonder« ab« w Frankreich erweckt worden ist.' Aus den weiteren Erklärungen Henderson» geht hervor, daß ihm persönlich durch die„Unglück- s e l i g e A r t', mit der Deutschland und Oesterreich aufgetreten sind, seine Lebensausgabe, die europäisch« Abrüstung, gefährdet er- scheint. Lediglich daraus ist die englisch « Verstimmung zu verstehen. Nachdem dann Henderson den Fortgang der diplamattschen Hand- lungen geschildert hatte, erklärte er mit erhobener Stimme, die eng- tische Regierung werbe bei dem Generalsekretär des Völkerbundes beantrage», die Frage des Zollvereins auf die Tagesordnung der nächsten Rakslagung des Völkerbundes zu setzen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, Deutschland und Oesterreich würden sich mit ihrem Zollabkommen einstweilen nicht derart festlegen, damtt nicht weitere freundschaftliche Verhandlungen unmöglich gemacht würden. Aus eine Anfrage eines konservativen Abgeordneten, ob Deutschland überhaupt das Recht habe, einem Staat« Vorteile zu gewähren, die es den Alliierten nicht gewähre, sagte Henderson unter großem Beisall der Arbeiterpartei, es wäre bester, solch« Fragen n i ch t zu stellen und die Untersuchung den Kronjurtsten zu überlassen. Bor einem Regionalvertrag Oesterreich mit Ungarn . Der österreichisch« Vizekanzler und Außenminister Schober hat sich vor Pressevertretern am Montag ausführlich über die Zollunion geäußert. Er ging davon aus, daß die Aktion des Völkerbundes im Jahre 1922 zwar Oesterreichs Finanzen saniert hätte, während die österreichisch« Wirtschaft überhaupt nicht saniert werden konnte. Es wurde Hilfe versprochen, ober es geschah nichts imb das wirtschaftliche Elend, besonders in Mitteleuropa , wurde von Jahr zu Jahr größer. Da« Europa - Memorandum Briands wurde allgemein sympathisch begrüßt, aber man hörte auf der Septemberkonferenz von 1930 nur Klagen, während kein positiver Hinweis auf eine Abhilfe in ab- sehbarer Zeit zu vernehmen war. Er, Schober, habe auf dieser Tagung vorgeschlagen, daß man den Versuch zu regionalem Ab- kommen zwischen Staatengruppen mit gleichgerichteten Interessen mache und dabei ausdrücklich betont, daß besonders die Oesterreicher nicht lange warten könnten, weil die wirtschaftliche Not in diesem zerstörten Wirtschaftsgebiet ganz besonder» drückend sei. Auf der neuen Tagung der Pan- europa-Kommission in Gens gab es„nicht«in Quentchen positives Ergebnis". Dann fuhr Schober fort:„Als der deutsche Außenminister in Wien war. wurde der Entschluß zesaßt, den praktischen Versuch einer ZZerwirklichung der Pan- e uropaidee zu machen, eine Zollunion einzugehen und andere Staaten zum Beitritt einzuladen. Ursprünglich dachte» die Minister daran, Mitteilung hiervon bei der nächsten Paneuropa- Konferenz im Mai zu machen. Die dculiche Regierung fand aber, daß es notwendig wäre, noch vor der Tagung der vorbereitenden Konferenz, die am 24. März staltfand, die anderen Staaten zu verständige«.
Da noch kein Vertrag, sondern nur Verhandlungen über p r i n z i- pielle Richtlinien vorliegen, haben die beiden Staaten die anderen Staaten verständigt, um nicht den Eindruck einer Ueber- rumpelung heroorzurusen. Vielleicht hat gerade diese Aufmachung den Eindruck hervorgerufen, als ob es sich hier um etwas im ge- keimen Ausgedachtes handele: aber ich glaube, aus dieser Korrekt- hett. oder Ueberkorrektheit eine Mitteilung zu machen, be- vor noch etwas geschah und etwas vereinbart ist, könnte man ii» Gegenteil uns höchstens den Vorwurf übergroßer Loyalität, aber uns nicht den Vorwurf machen, daß wir den Frieden Europas stören. Schober setzte sodann auseinartder, daß Deutschland im österreichischen Außenhandel an erster Stell« stehe, daß aber das Ergebnis dieser Handelsbilanz für Oesterreich sehr un- günstig sei. Schober schloß mit den Worten: ,F)bwohl in der günstigsten geographischen Lage, im Herzen von Europa , gelegen, haben wir aus allen S eilen Zollmauern.-»r- und zwar Zollmauern, die einen von uns früher bedienten Martt abgeschlossen haben. Das bitte ich hierbei nicht zu vergessen. Nichtsdestoweniger haben wir un» nicht auf Deutschland be- schränkt, und ich darf anführen, daß wir mit Ungarn in handelev erkrag sveehaudlvngea stehen, die. auf regionaler Grundlage und auf neuen Ideen aufgebaut, hoffentlich nach Ostern zu einem befriedigenden Ende führen werden. Wir wollen dasselbe mit Jugoslawien machen. Andererseits führt Deutschland hier in Wien gegen- wärtig Verhandlungen mit Rumänien . Beweise genug, daß wir, Vlilleleuropa und Europa , und nicht lediglich ein« Zollunion zwischen Deutschland und Oeslerreich wollen.
Oeutsch-französischer Wirischastsversehr Bemerkenswerte Jeflsiellungen des Botschafters von Hoesch. Im Zusammenhang mit der Debatte über die deutsch - österreichische Zollunion wird von französischen Industrie- kreisen die Behauptung ausgestellt, daß Deutschland von dem 1927 abgeschlossenen Handelsvertrag mit Frankreich ganz ein- seitig Vorteile gezogen habe. Anläßlich einer Mitgliederversammlung der Deutschen Handelskammer in Paris befaßte sich der deutsche Botschafter o o n H o e s ch eingehend mit den Ergebnissen des deutsch -sranzösischen Wirtschaftsverkehrs. Herr von Hoefch stellte fest, daß die Behaup- tungen französischer Wirtschastskreise keineswegs den Tat-� lachen entsprechen und die deutsch -fronzösische Handelsbilanz durchaus nicht so glänzend zu Deutschlands Gunsten ausgesallen sei. Der Botschafter wies hierbei nach, daß nach der französischen S t a t i st i k die deutsch -französtsche Handelsbilanz 1928 mit 772 Mll- lionen Franken für Deutschland passiv, im Jahre 1929 und 1930 mll 1800 Millionen bzw. 3700 Millionen Franken aber für Deutschland aktiv gewesen sei. Diese Zahlen der französischen Statistik gäben aber keinen Anhalt , inwiewell Deutschlands Einfuhr nach Frankreich aus Grund des Handelsver- träges, auf Grund des Saarabkommens oder Infolge der Sachlieferungsverträge aus Reparationskonto erfolgt fei. Dagegen biete die deutsche Statistik, die die Einfuhr nach Frankreich auf Grund dieser drei Abkommen getrennt aufführen, eine ent- sprechende Klarstellung. Herr von Hoesch wies nachdrücklich darauf hin, daß es ein falsches Bild ergebe, wenn Frankreich die deutschen Repakations- lieferungen als einen Aktivposten für Deutschland einsetze. Nach der deutschen Statistik ergibt die Handelsbilanz von 1928 für Deutschland ein Passioum von rund 153 Millionen Mark und unter Abzug der Reparationssachlieferungen sogar ein Passtvum von 550 Millionen Mark oder 3300 Millionen Franken . Im Jahre 1929 hatte Deutschland einen Ausfuhrüberschuß von 233 Mll- lionen Mark, der sich jedoch unter Abzug der Sachlieferungen in Höhe von 486 Millionen Mark in ein Passioum der Handelsbilanz von 252 Millionen Mark oder 1500 Millionen Franken oerwandelt. Das Jahr 1930 schließlich brachte nach Abzug der Reparationslieserungen ein Aktwum für Deutschland in Höhe von 165 Millionen Mark oder V90 Millionen Franken. Aus diesen Ziffern ergibt sich, daß die oeutsch-sranzösische Handelsbilanz in den ersten beiden Jahren nach Abschluß des Handelsvertrages für Deutschland st a r k passiv ge- wesen ist und daß erst das Jahr 1930 die deutsch -sranzösische Handelsbilanz zugunsten Deutschlands aktivierte. Entgegen den Behauptungen französischer Wirtschastskreise hak also Frankreich bisher aus dem deutsch - srauzösischen Handelsvertrag zahlenmäßig einen größeren vorteil gezogen als Deutschland .