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Beilage Sonnabend, 23. Mai 1931 сиз

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ABENTEUER MIT

DEM

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

KURBELKASTEN

Von

Adolf Lehnert   u. Heinr. Hemmer

3

Ich hab's, Herr Direktor: den großen Afrikafilm! Wie? Nein, gedreht ist er noch nicht, er schwebt mir nur ganz drehreif im Geiste vor, und ich bitte Sie dringend, mich anzuhören. Denn wie ich es bringe: so erlebt man Afrika  , so erlebt Afrika   der Kolonist, und nur so fann daher auch der Kinobesucher Afrika   wirklich erleben.

Also! Ciner von den vielen überzähligen Europäern sagt seinem geliebten Europa  , das ihn nicht mehr ernähren kann, adieu, um sein Leben in der afrikanischen Wildnis zu beschließen, sich, wie er sagt, lebendig begraben zu lassen. Dort unten nämlich, auf einer einsamen portugiesischen Polizeistation, wo sich die Hyänen gute Nacht sagen, fosten die Hühner nicht mehr als bei uns die Eier, die Eier nicht mehr als in Afrika   die Nähnadeln. Der Mann fann sorglos leben, nur: er sieht nichts mehr von der ihm bekannten Welt..., außer dem einen Weißen der Gegend, dem er in seinem Tropenladen behilflid) sein soll... und feine fruchtbringende Arbeit ist auch das, sondern ein zmedloses, hoffnungsloses Dahindösen. Es ist aus, ein für alle Mal vorbei mit der Herrlichkeit des Daseins, zu Ende.

ERIKA

Rationar

über Strapazen, Size, Durst und noch einmal Strapazen und wischte mir den Schweiß unterm Tropenhelm weg...

nen friedlich nebeneinander grasen.. Antilopen, Gazellen, Gnus,| internationale Bambusbrüde mit Komparsennegern, und ich sprach Zebras  , Giraffen- und Hyänen, wilde Hunde, Füchse und Schakale streichen mit bösem Gewissen umher, ab und zu schnappt ein hungriger Löwe mal eins weg, mie bei uns die großen Autobusse einen Un­vorsichtigen schnappen...

Verkehrt! Der Löwe steht im Vordergrund der Dinge: die Serde ist lediglich als Beute filmberechtigt. Hie Kurbler hie Löwe. Erst nimmt der Kurbler den Löwen   auf- dann der Löwe den Kurbler. Denn wo gelingt einem das in Afrika  , daß man einen anspringenden Löwen   mit dem Revolver erledigt! Es tritt also ein zweiter, ein Reservekameramann, in Aktion und nimmt die fil­misch hochinteressante Szene auf, wie man erledigt wird. Kamera futter!

,, Herr Direktor", sagte ich nach einer wüsten Nacht, in der ich einen Riesenheuschreckenschwarm einen Gürtel rund um die Erde abfressen sah ,,, ich ließe mich herzlich gerne, wie ich's im Film gesehen, in der Pose eines auf Tod und Teufel losdrehenden afrikanischen Kurbelhelden aufnehmen oder ließe, so die fäffige Hand über den Apparat gelehnt, meine Blicke über das Publi­fum weg( unter dem ja auch meine Freunde fäßen) in unendliche Ferne schweifen. Aber das ewige Löwen= gebrüll, wie ich es gestern abend gehört... ich mache nicht mit: menn ich mit dem Apparat hinter allen Bestien Afrikas   her­rennen soll... als Löwen- Lunch, zum Bertrampeln unter Nashornbeinen

schleudern von Ele­fantenzähnen

bin

ich mir noch immer

Unser Held legt sich, das Kreuz machend über alles, was er geliebt, als Europäer zu Bett- aber: er macht als Afrikaner auf. Die Wildnis mer hätte es gedacht und die Tiere der Mildnis fprechen zu ihm. Die Neger zu seinem Erstaunen ent­dedt er's find Menschen, so menschliche Menschen als irgendwelche oder In- die- Luft­Es ist auch gar nicht so einsam in der Einöde. 2b und zu kommt ein weißer Käufer angefprengt oder getutet, und was man sich als­dann alles zu sagen hat, nimmt gar kein Ende. So oft ein Weißer tommt, ist das ein Fest( was zu Hause weniger der Fall war), und der Lebendigbegrabene lernt die Gegend, ihre Freiheit, ihre Weite und die vielen Möglichkeiten fennen, die sich da bieten. Die Reichtümer des Landes ziehen an ihm vorüber: Bich und waren, und allmählich bekommt er das Gefühl, daß dieses gottverlassene fleine Polizeistatiönchen das Zentrum des Weltgeschehens sei. Hier erfährt er erst echte Kameradschaft und den Zusammenhang aller Dinge. Der sich tot glaubte, erwacht erst hier zum wahren Leben..." ,, Und das Publikum gähnt und geht", sagte der Direktor, mit einer großartigen Handbewegung meine glorreiche Idee in den Müll.  eimer schiebend. Haben Sie je einen modernen Afrikafilm gesehen?" ,, Nein, ich gehe nie ins Kino."

Der Direktor betrachtete mich wie einen Irrsinnigen, zeigte aber dann einiges Interesse. Vielleicht dachte er: da man das Heil heute vergeblich bei den Großen des Films sucht, fann man's ebensogut

zur Abwechslung einmal mit einem kompletten Narren versuchen... wie man denn nach den erfolglosen Kreuzzügen auf den Gedanken

verfiel, kleine Kinder auszuschicken dorthin, wo große Helden ver:

fagten. Ich bekam eine Adresse, eine Eintrittskarte und besah, so wie es mir aufgetragen wurde, den neuesten Afrikafilm in spezieller

Hinsicht auf seine Publikumswirtung.

-

O Afrika! Ich hatte grober Fehler den ,, dunklen" Erdteil in bezug auf seine Kulturbeledtheit studiert.( Autostraßen freuz und quer, Regeremanzipation, fashionable Millionärsjagden, Farmblüte): Wie wild ist Afrifa noch! Der springende Punkt ist ja eben seine Wildheit. Auf diese muß sich Auge und Kurbelkasten richten. Gott  sei Dank, daß es noch Löwen   gibt. Da hatte ich mich über das Tierparadies im Kongotal entzückt, wo unsere Zooinsassen zu Millio­

Cele

frim

454

Der zu gut." Direttor sah mich 0. mitleidig an.

diese Einfältigen im Geiste! Was

ich in Afrika  

zu besorgen hätte, das wären

ein

paar gute Bild­streifen, große Landschaftsaufnahmen mit( möglichst vielen) Tieren darauf ( eventuell einzelne hopsende Biester a distance). Das Teleobjektiv, das Fernobjektiv, zieht die Ferne heran, vergrößert sie. Die gefürchte Tiergroßaufnahmen

ten

aber, erfuhr ich, werden hier ge macht, zu Hause, in aller Ruhe. Die wilden Tiere sind, in Europa   viel bequemer aufzunehmen und die Expeditions- Leiter auch.

,, Ah, da kommt... Darf ich vorstellen: Herr Lehnert, der künstlerische Leiter der Expedition. Herr Behnert entwirft Ihnen Afrika   in 5 Strichen, daß kein Löme es vom echten unterscheiden fann. Vielleicht merfen Sie sich, Herr Hemmer, daß die Schredens

izenen durch zusammengelegte Photos leicht und ungefährlich herzu­stellen sind. Menschen und Tiere, die nie nebeneinander gewesen sind, einander gar nicht tennen sozusagen, ganz verschiedene Auf­nahmen werden zusammengesetzt und miteinander kopiert. Im Vor­dergrunde von Lehnerts Afrika tämpfen Mensch und Tier um ihr Leben, und nötigenfalls zeichnet uns der Meister für die heifelsten Situationen noch einen Tridfilm. Das Publikum will für seine 80 Pfennig wenigstens ordentlich um das Leben der Expeditions teilnehmer zittern können, Herr Auter. Diese Art Kulturfilm müssen Sie schreiben, nur damit ist Geld zu verdienen also, los!"

Und eh' mir die Kokospalmenzone verlassen hatten, entdeďte Lehnert die sehr scharfsinnige Verwendung der Kokospalme und ihrer Früchte zum Bombardieren von lästigen Nashörnern feitens eines besonders intelligenten Regerstammes. Ich sehe nicht ein, warum ich hinter meinem Expeditionsgenossen zurückstehen soll und entdeckte ebenfalls. Hat man nicht gesehen, daß ein Löwe vor den Augen der Kinobesucher einen Hollywooder Neger aufgefressen hat, der sich zum Schluß in eine Puppe verwandelte? Stellen Sie sich ein Schlaffrankenkamp vor. Liegen die Leute da nicht leblos hingestreckt wie die Puppen? Und es existiert kein Grund, warum eine Anzahl gut trainierter Löwen   nicht über die Dornenhede sehen, die Schlaffranken, die ja keinesfalls wach zu friegen sind, paden und wenn man sie nicht zu schwer stopft, mit ihnen über die Hecke springen soll!

Lehnert bekam jetzt Courage. Er fuhr mit mir über den Tschadsee. Da überfiel uns Nichtsahnende ein solch hinter­rüdiges, bunt- schediges Piratengesindel, wie die größte Komparserie Schwierigkeiten hat, es zusammenzustellen. Sollten wir meinen? Wir benahmen uns wie Helden, und die Piraten waren menigstens so liebenswürdig, diese Szenen zu filmen.

Wo landeten wir...? Doch nicht bei den durch die Berliner  Schaustellung schon filmisch zur Banalität herabgesunkenen Lippennegerinnen, o nein, sondern Gott sei Dant bei den Ohren negerinnen. Diese Weiblichkeiten haben die Gehörmuscheln vom zarten Alter an systematisch zur Größe von Elefantenlauschern ausgespannt, damit sie einen leichter erhören können. Jegt brauchen diese ungemein neugierigen Hegen die Ohren nicht mehr zu spiken, wenn sie etwas hören wollen, das sie nichts angeht: und nur das wollen sie überhaupt hören. Sie hörten sofort heraus, was die Seeräuber mit uns vorhatten und verrieten es uns gegen einen Sad Paprika, den wir ihnen unter der gefaperten Ladung fennzeichneten, und den sie anbohrten, denn sie lieben, diese Holden, Faprizierte Sachen über alles in der Welt.

Wir entflohen, nach dem uns die Schönen ihr Ohr geliehen und gelangten nach unsäglichen Strapazen" und Gefahren, pon denen wir nach berühmtem Muster immer sprachen, ohne uns die Mühe zu geben, sie zu filmen, ins Land der 3 wergelefanten. Die Zwergelefanten find das Produft eines verkehrt eingestellten Teleobjektins. Es sind in die Ferne gerüdte normale Elefanten in einer von Lehnert dazu abgestimmten Landschaft mit einer Riesen. puppe im Vordergrund. Sie sehen wie fleine Rippeselefanten aus, und wir hoffen, daß die Kinobesucherinnen darüber in helle Be geisterung geraten...

Nun, das ist alles recht gut und schön, und die Tonfilmapparatur ist auch schon nach dem 300 hinbestellt worden, da wird sich zeigen, baß die kleinen Elefanten genau so trompeten wie die großen, und sie werden dem Kinobesucher einiges vorhlafen. Aber warum, zum Kuckuck, soll ich mich durch die Ideen von anderen übertrumpfen lassen. Wir fahren jetzt nach dem Mondgebirge, und dort möchte ich freie Hand haben. Es muß sich daselbst etwas Sensatio

nelles ereignen, dagegen kein anderer Afrikafilm auffommt. Morgen

gehe ich zu meinem Filmonkel und ersuche ihn, sich mit mir ins unausgenützt. Wenn man das Mammut rasch an einer Strippe

Museum zu begeben. Im Museum steht ein Mammut: ganz

vor einer Lehnertschen Mondgebirgslandschaft vorbei zicht, glaubi jeder, daß es lebendig sei, frisch und munter. Der Koloß paßt vorzüglich in dieses Milieu: es ist einfach eine ästhetische Forderung. die ich stelle. Ich darf das Mammut für mein Publikum ver langen und warum nicht auch einen 3chthyosaurus. Wer will uns beweisen, daß wir diese beiden Ungeheuer nicht gesehen haben, einander argwöhnisch belauernd. Und ich sage dann in einer Großaufnahme, den Arm feldherrnmäßig ins Weite streckend: ,, Lehnert, dreh mal das!") Besser so etwas an eine Strippe z binden als ein armes Wildschwein, das der Löwe

Was soll ich sagen: der Mensch ist schwach. Ich setzte mich an den Schreibtisch und Lehnert sich ans Zeichenbrett. Es fanden sich schnappt. Und weil wir schon beim Schnappen sind, verlange ich ein paar alte Bildstreifen vor, die allzu ehrliche Leute, die nur das aufnehmen, was man normalerweise zu sehen bekommt, von ge­scheiterten Expeditionen zurückgebracht hatten: um diese sollte sich jest wenigstens soll echt sein und morgen&

das Gewebe unserer Phantasie spinnen.

Natürlich fuhren wir mohlausgerüstet mit vielen Kisten, Ballen, Apparaten, tropenhelmbedeckt und in Breeches gezwängt aus, die Abschiedsaufnahme war nicht schwer zu machen, und als An= funftsszene diente die Ankunft von irgend jemand irgendwo an der afrikanischen Küste. Einer von den antidiluvianischen, ewig ver­fpäteten, irgendwann fahrenden afrikanischen Flußraddampferchen wartete, und im Vordergrunde erschienen ich und Lehnert hingemalt und geftitulierten, erteilten Orders, ließen die Neger springen, taten michtig und besorgt; und redeten Quatsch durch die Tonfilmapparatur. Immer wieder erschienen Reisefzenen, die irgendwo und nirgends fein konnten, zwischendurch lief ein weißer Wurm über die Karte von Afrifa, unsere lange, beschwerliche Reiseroute anzeigend ( wer weiß denn dort Bescheid), ein altes Lastauto tauchte auf, eine

noch eins: das Ausreisebantell( nach berühmtem Muster), das Ausreisebankett

am Pfingstsonntag stattfinden.