Einzelbild herunterladen
 
  

BERLIN  

Sonnabend 13. Juni

1931

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition: Berlin   SW68, Lindenstr.3 Fernsprecher: Dinhoff 292-297

Spalausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 272

B 136 48. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezetle 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Postscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b... Berlin   Nr. 37 536. Der Verlag behält sich das Recht der Ablehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bon Bombe zu Bombe

Kommunistischer Frontwechsel in acht Monaten

Am Sonnabend, dem 6. Juni, gab die Rote Fahne" bekannt, daß drei kommunistische Landtagsabgeordnete in einer Unterredung mit dem preußischen Justizminister Schmidt die Freilaffung des wegen Verbrechens gegen das Sprengstoffgesetz zu sieben Jahren Zuchthaus   verurteilten Landvolfführers Claus Heim   verlangt hätte. Sie fnüpfte hieran diesen Kommentar:

Im gemeinsamen Kampf müssen die Arbeiter und armen Bauern um die Befreiung aller Opfer der Klassenjustiz fämpfen. Wenn sich das Dorf ebenso, entschieden für die Sache der aus Not oder Ueberzeugung zum Zuchthäusler" gewordenen Proletarier einsetzt, wie die Kommunistische Partei   für die verfolgten Führer feiner Sache, dann muß es gelingen, alle Freunde des Volkes aus dem Kerker zu befreien."

So also schrieb die Rote Fahne" vor acht Tagen. Inzwischen hat sich die Landtagsfraktion der Kommunisten feierlich zu diesem Schritt bekannt und ihre Solidarität mit den Bombenlegern befundet.

Früher schlugen die Kommunisten andere Töne an. Lassen wir fie felbft sprechen. Im Sommer 1929 hatte die Bombenlegerpeft ihre größte Ausdehnung gewonnen. Damals schrieb die Rote Fahne"( Nr. 143 vom 6. August 1929):

Wir haben sichere Informationen darüber, daß neue schwerere Angriffe in Borbereitung find. Bor wenigen Tagen fand in Köslin  ( Pommern  ) eine Besprechung von Nationalsozia liften, Bauern und Mitgliedern der Ehrhardschen Organisation Konsul im Anschluß an die Stralsunder   Bauernlundgebung statt. Man entschied sich, im systematischen Vorgehen auf Berlin   nunmehr Mecklenburg   und Pommern   in Angriff zu nehmen. Dort sollen schon in der nächsten Zeit Sprengungen von Gebäuden und zwar vor allem gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen vorgenommen werden. So hofft man, gestützt auf die Bauernbewe gung, den großen Marsch auf Berlin   vorzubereiten. Und die SPD.? Von allen Bombenattentaten hat die Polizei des Sozial­demokraten Grzesinski   bisher keinen einzigen verhaftet, weil in den Behörden immer noch die von der SPD.   geschützten und ge­förderten Vertrauensmänner der weißen Reaffion fißen. Die fo­zialdemokratischen Chefs wollen auch gar nicht ernsthaft gegen den Faschismus vorgehen, deren Führer die Fememörder von den Koalitionsregierungen ja eben erst frei­

Heute sind die gleichen Bombenleger proletarische RI affenfämpfer, für deren Befreiung die Kommunisten sich einzusehen haben. T

Am 31. August 1930 verurteilte das Altonaer   Gericht elf An getlagte zu Zuchthausstrafen, darunter den jetzt von den Kommunisten mit besonderer Liebe behandelten Claus Heim   zu

fieben Jahren Zuchthaus  . Fünf Angeklagte erhielten Gefängnis. strafen. Die Rote Fahne  " brachte dieses Urteil ohne jeden Rommentar!

Ahnte sie schon damals, daß sie nach noch nicht acht Monaten ihr Herz entdecken würde für die völkischen Bombenattentäter", die faschistischen Verbrecher", die Klaffengenossen" der bürgerlichen Richter?

Kirchenvertrag angenommen

Mißtrauensantrag mit 220 gegen 167 Stimmen abgelehnt

In der heutigen Landtagssigung teilte Präsident Bartels mit, daß für den verstorbenen Abg. Roesler( Soz.) der Abg. Müller- Breslau  ( S03.) in den Landtag eingetreten ist. bg. Müller- Breslau gehörte dem Landtag bis 1918 an.

Hierauf antwortet Abg. Kirchmann( So3.) in einer Erklärung auf die gestrigen Ausführungen des Abg. Kerff( Komm.) über die Aktion der Kommunisten zugunsten des völkischen Bauernführers Claus Heim  :

Die Kommunisten haben gestern selbst bestätigt, daß sie beim preußischen Justizminister die Freilassung von Claus Heim  gefordert haben.( Sehr richtig! bei den Komm.) Sie begründen diese Aktion damit, daß die Bombenanschläge Heims als Hinter

Brüning   verhandelt.

Neue Besprechung mit Sozialdemokraten.

Im Laufe des Vormittags empfing der Reichskanzler auch die sozialdemokratischen Parteiführer. Der Besprechung wohnten bei der Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald und der Führer der Zentrumspartei  , Abg. Kaas.

Abg. Schulz- Neukölln( Komm.) lehnt in längeren Ausführungen und in beschimpfenden Aeußerungen gegen die Kirchen, den Papst und die Sozialdemokraten den Vertrag ab. Es kommt wiederholt zu lärmenden Unterbrechungen, wobei der Redner und andere fom­munistische Abgeordnete zur Ordnung gerufen werden. Abg. Riders( S03.) erklärt, daß für die sozialdemokratische Fraktion die schon in der ersten Lesung geäußerten Bedenken gegen den Vertrag nicht zerstreut find. Insbesondere vermiffe fie eine paritätische Behandlung aller Weltanschauungen. Die sozialdemokratische Fraktion werde sich deshalb der Stimme enthalten.

Abg. Dr. Graf von Posadowity( Aufwertungspartei) erklärt, zugleich im Namen der volksparteilichen Abgeordneten Dr. Hallens­leben und Dr. Böhm sowie für den welfischen Abg. Biester, daß sie dem Vertrage wegen der schweren Bedenken gegen die politische Klausel nicht zustimmen fönnten. Bei ihrem Kampf gegen die Kirche würden die Kommunisten auf Granit beißen.

Abg. Kube( Njoz.)[ von den Kommunisten mit lärmenden Zu rufen empfangen: Diätenschieber!] lehnt für seine Gruppe den Ver­trag ab. Der siegreiche nationalsozialistische Staat werde die Inter­essen der Kirche nach den Grundsäzen des Deutschtums vertreten. Abg. Jufti( Landvolkpartei) stimmt dem Vertrage zu.

Abg. Dr. Heß( 3.) protestiert gegen die Schmähungen der fatholischen Kirche und ihres Oberhauptes durch den Abg. Schulz­Neukölln, der in seinen Reden nur Roheiten häufen den Kommunisten. Zurufe: Büttenredner.)

gelassen sind. Diese Faschisten sollen nach dem Willen der refors lichkeit einer Einberufung des Haushalts. fönne, weil er sich nicht anders zu helfen wisse.( Großer Lärm bei

mistischen Spizen schon bald wieder eine wichtige Rolle als Bluthunde gegen die in einem neuen Aufschwung sich befindende Arbeiterbewegung spielen. Reformisten und Faschisten gehören zusammen und darum gebührt beiden gemein­fam der vernichtende Schlag, den die revolutionäre Arbeiterschaft ihnen versezen muß."

Nach der Ansicht der Roten Fahne" vom 4. Juni 1931 erfolgt dieser ,, pernichtende Schlag" gegen den Faschisten Heim durch einen Bittgang zum preußischen Justizminister, um die Freilassung der Bombenleger zu fordern; der Schlag gegen die ,, Reformisten  " erfolgt wie üblich durch Schimpffanonade!!

Die Bombenleger wurden trotz der kommunistischen   Schimpfe reien verhaftet und am 26. August 1930 begann vor dem Altonaer  Schwurgericht der Prozeß gegen 21 Personen wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgefeß. Lefen wir in den Gerichtsberich ten der Roten Fahne" nach:

In Nr. 199 vom 27. August 1930 wird von dem, mehrfach verschobenen Prozeß gegen die völkischen Bombenattentäter, nach deren Hintermännern nicht geforscht werden darf", gesprochen.

In Nr. 200 vom 28. Auguft beklagt sich die ,, Rote Fahne" über einen dem Angeklagten Johnson bewilligten Urlaub mit den Worten: Sonderbare Freiheiten, die faschistischen Verbrechern in der Untersuchungshaft gegeben werden."

Am 30. August, in Nr. 202, steht zu lesen, daß ein Teil der Angeklagten nicht zur Verhandlung erschienen sei und sich ander­wärts amüsiere". Es wird gesagt: Jeder proletarische An­geklagte würde wegen solchen Verhaltens sofort verhaftet, würde mit Ordnungsstrafen durch das Gericht bedacht werden. Aber diese Karikatur eines Gerichtes aus Klaffengenossen der Angeklagten findet nichts dabei."

Damals waren die Bombenleger Klassengenossen der Mit­glieder des bürgerlichen Gerichts", das sich, wie die Rote Fahne" am 27. August 1930 züinend festgestellt hatte, aus drei Hofbesizern, einem Borsteher, einem Schaffner und einem Hausmeister zusammen jette.

Im Laufe der Verhandlungen wurde u. a. die Mög ausschusses diskutiert, doch kam es zu keiner ent­fcheidenden Stellungnahme. Die Besprechungen sollen nach der Rückkehr des Reichskanzlers, der sich heute nachmittag zu einer Sigung des Vorstandes und der Reichstagsfraktion der Zentrumspartei   nach Hildesheim  begibt, wieder aufgenommen werden.

Dom

gründe die zunehmende Not der bürgerlichen Massen durch das kapitalistische System hätten. Sie unterstützen also die Reichsbauernbund erhobene Forderung auf Freilassung Heims.( Hört, hört! bei den Soz.)

Da in Preußen die Freilassung Berurteilter nur durch Gnaden­afte möglich ist, haben die Kommunisten also mit ihrem Schritt beim Justizminicher einen solchen Gnadenakt nachgesucht.( Sehr wahr! bei den Soz. Großer Lärm bei den Komm.) Damit haben minister befundet. Wir erklären also vor der Deffentlichkeit, daß sie also ihr besonderes Vertrauen zum Justiz die Kommunisten sich für eine den Nationalsozialisten nahe­ftehende Bewegung einsetzen, die nachweislich dreizehn Bomben­attentate veranlaßte.

Davon war in sechs bis sieben Fällen Heim als Rädels. führer beteiligt. Dafür ist er zu sieben Jahren Zucht­haus verurteilt worden.( Hört, hört! bei den Soz.) Die Kom­munisten besorgen also mit ihrem Eintreten für Heim die Geschäfte der arbeiterfeindlichen Rechtsparteien.( Sehr wahr bei den Soz.) Zur Geschäftsordnung beantragt hierauf Abg. Müller( Komm.) die sofortige Behandlung eines fommunistischen Antrags, der gegen die anläßlich der Sportpalastfundgebung in Berlin   erfolgte Ver­haftung des Reichstagsabgeordneten Thälmann   protestiert und Bestrafung der schuldigen Beamten fordert. Gegen die Behandlung des Antrages wird Widerspruch erhoben.

Hierauf beginnt die dritte Lesung der Vorlage über den Staatsvertrag mit den evangelischen Landeskirchen.

Abg. Dr. Heß( 3.) erklärt, daß das Zentrum aus staatsrecht lichen Gründen dem Vertrage zustimmen wird.

die

Abg. Koch- Deynhausen( Dnat.) schließt sich diesem Protest an. Nach einer Erwiderung des Abg. Schulz- Neukölln( Romm.) wird Aussprache geschlossen.

Zunächst wird abgestimmt über den

fommunistischen Mißtrauensanfrag

gegen die Staatsregierung. Er wird in namentlicher Ab­stimmung mit 220 gegen 167 Stimmen abgelehnt. Zu dem kommunistischen   Antrag, durch die Einflußnahme Preußens im Not­im Reichsrat für Aufhebung der verordnung zu sorgen, erklärt Abg. Leinert( Soz.), daß nach der Verfassung eine Entscheidung darüber nur Reichstage und im Reichsrat herbeigeführt werden kann. Da also ein solcher Antrag vollkommen sinnlos ist, werde die fozialdemokratische Frattion ihn ablehnen.

im

Der Antrag wird in namentlicher Abstimmung mit 206 gegen 151 Stimmen abgelehnt.

Der Staatsvertrag mit den evangelischen Landeskirchen wird hierauf in namentlicher Abstimmung mit 202 gegen 54 Stimmen bei 105 Enthaltungen der Sozialdemokraten angenommen. Ebenfalls angenommen wird in namentlicher Abstimmung gegen die Kommu nisten das Pfarrerbesoldungsgesetz.

Die Sigung dauert an.

Neue U- Bootfatastrophe.

Ruffisches U- Boot gesunken.- Besatzung verloren. Paris  , 13. Juni. Chaobry" im Hafen von Wladivostok gefunken. Die He­Nach Mosfauer Meldungen ist das ruffifche U- Boot bungsversuche sind im Gange. Man hat feine Hoffnung, die Bejahung des U- Bootes reffen zu können.

Das amerikanische   Unterseebootmutterschiff, Bigeon" ist in Wei­heimei eingetroffen. Seinen Tauchern gelang es heute vormittag, ein Drahtseil um den Rumpf des Poseidon" zu schlin gen und man wird morgen versuchen, das Unterseeboot zu heben.