Alfred tPrugel: grauen warfen am
•Sei* dem Morgengrauen war dos Meer ein mutendes, rasen- des Tier geworden. Ein schwarzes, lärmende», unübersehbares Tier, das unaufhörlich mit seinen Pranken gegen di« Küste schlug. Graue Wolkensetzen krochen langsam vom Osten her auf das Vano zu. Di« weißen, kalkigen Hütten der Fischer ballten sich zu einem dürftigen-Hausen, zu einem hellen Fleck, der sich düster gegen «inen dunklen Waldstrich abhob. In der Morgenfrühe, noch halb in der Nacht, horchten die Frauen auf das Meer hinaus, auf den anschwellenden Sturm. Als si« vor die Hütten traten, log noch kein einziges Boot am Stranoe. Niemand war zurückgekommen. Sie hatten wohl all« gehofft, daß die kleinen, schwarzen Boote plötzlich am Strande sein würden. Aber als es nun mit dieser Hoffnung zu Ende war, sahen wieder di« kleinen Fältchen über den Augen der Jungen, und die Alten kniffen den gefalteten Mund fest zusammen, als dürften sie nun erst recht kein Wort aus ihm herauslassen. Am Abend des vorgehenden Tages waren die Männer in See gegangen. Stunden darauf schon liefen längs der Küste Signale entlang, wurden die Körb« an den Masten emporgezogen. Die Frauen kamen bald einzeln oder in Gruppen an den Strand und
sahen auf einen winzigni�Jci Aber aus dem PuMi
schwarzen Punkt, ganz weit da draußen sollt« wohl nichts werÄen. Er zerfloß endlich in der Dämmerung, und die Boot« der Fischer kamen auch in der Nacht nicht zurück. Wie verlorene Sterne blinzqsten um Mitternacht die wenig«» Lichter des Dorfes. Da saß«» die Alten noch im Halbkreis der Lampe und fuhren zusammen, wenn der Sturm an den Türen und Fenstern rüttelte. Als der Morgen bleich und düster über das schäumende Wasser herantroch. trat aus der kleinen Hütte, die als letzt« des Dorfe» neben den Wagenspuren eines ausgefahrenen Wege» stand, ein» jung« Frau. Sie lief einige Schritt« um das Hau», bis sie das Meer sehen konnte. Da blieb sie stehen, legte die Hand vor die Augen, als wär«n hinter dem Horizont schon die Segel der heimkehrenden Fischer zu sehen. Aber es war nur di« Gischt der übereinander» getürmten Wogen, die sich hob und senkt». Da begannen auch au» den anderen Hütten di« Frauen lang- sam herauszutreten. Bald war es ein ganzer Hauf«n, der sich zu» fammenschlug zu einem dunklen, feuchten Klumpen und endlich gegen das Meer hin in Bewegung geriet. Wie ein« schwarze Traube roll- ten die Frauen langsam de» Weg hinunter nach dem Strand. Nur die Junge ging für sich ollein und al» sie heruntergekom- men war, mied sie den Haufen der anderen, stellte sich abseits und blickte mit roten, starrenden Augen auf die Endlosigkeit des Wassers. Das dunkle Tuch flatterte um ihre Schultern und schlug in kurze.z hastigen Stößen um ihren Kopf. Der Haufen der anderen hatte sich auseinondergezogen zu einer dünnen Schnur. Aber keine sprach mit der anderen ein Wort. Sie sahen nur, bis die Augen brannten, von dem Grauen und den vielen Stunden, die sie schon hier am Strande gewartet hotten. Immer neue Wolkenmasfen schob der Wind au» dem Westen heran. Er begann sie zu schmutzigen Bündeln zusammenzuraffen und warf sie in wilden Stößen vor sich hin. Unter diesen Stößen ober begann das Meer wieder heftiger auf di« Küste einzuschlagen. als wollt« es ganze Stücke, von ihr losbrechen. Immer wieder nahm es Anlauf, wälzte sich auf die schwarze Reihe der Frauen zu, um st« zu zerreißen. Aber an der Küste brach sie die Kraft der Wogen und sie tonnten.zuletzt nur noch klein«, ohmnächtige Rinnsgl« auf die Frauen zutreiben, die dicht vor ihren Füßen zergingen und zer« spritzten. Hin und wieder begann ein« der Frauen«in paar Schritt« vor sich hinzutreten, mit kleinen, wütenden Schritten. Dann schrak st« zusammen, blieb stehen und wendet« den Kops hinaus auf da» M«er. .Sie werden nach den Jnfaln getrieben worden fein. Wie da» mals...* redete endlich eine von den Alten.»Wer weiß es,' erwiderte ein« andere.» Die anderen Frauen schüttelten di« Köpfe, stießen sich an:„Ach," seufzten sie nur— und:»So wird es schon sein." Dann blickten sie weiter hin auf das Meer, das innrer wieder auf di« schwarze Linie am Strand zusprang. Nur die Junge blieb hartnäckig für sich allein, preßt« dl« Hände gegen den Leib, ließ die Augen sinken. Da hinten lag eine grau, Nebelwand und dahinter konnte vielleicht Helmer stecken mit seinem Boot. Irgendwo konnte vielleicht ein Heiner, schwarzer Strich sein, an dem»och nichts zu erkennen war. Ach, wäre er nur gestern nicht mit den anderen hinausgefahren. Hätte er nicht auf st« ge- hört. Aber da lag das Meer wleder da, wi« alle Tage. Da tonnte es auch für einen Fischer nicht anders fein, als daß er fein Boot in die Wellen schob und hinausfuhr. Sie begann zu frösteln. Ihr« Augen waren vom vielen Sehen schon rot geworden. Sie hätte vielleicht auch einmal auf etwas an- deres blicken wollen, als immer nur auf da, Meer. Jeden Tag und jede Stund« das Meer. Gab es denn nicht» Bester«» auf der ganzen Welt als das Meer? Sie tat ein paar Schritt« auf da» Groß«, Drängende zu. Dann blieb st« erschreckt stehen, sah nach den anderen Frauen, deren Blicke mit ihr mitgegangen waren, drehte sich halb zur Seite, schaute auf das gleichmäßig« Heben und Senken der Dünen— und war, vom Haufen aus gesehen, nur da» schwarze Pünktchen, wie die ganzen Stunden vorher. Sie stand weiter allein. Die anderen Frauen trugen ihr nach. daß Helmer sie au» der Stadt in» Dorf gebracht hatte. Daß er um ihretwillen nicht Hinrichsens Stin« genommen hatte, wie es die Alten untereinander abgemacht hatten. Das ging nun schon seit dem Tage, an dem Stine verschwunden war, ohne Wort und Gruß. Di« Junge begann die Monate an den Fingern abzuzählen. E» waren fünf, die sie im Dorfe lebt«. Einmal würden sich ja alle damit abgefunden haben. Einmal würde alles zum Rechten kam- men. Bis dahin aber war es noch ein harter Weg, den sie allein mit Helmer gehen mußte. Wenn er gar zu schwer wurde, konnte sie sich an seine Schulter lehnen und die Augen schließen. Er wird wiederkommen, dachte sie, und ich werde auch aus ihv Marten, wenn es noch den ganzen Tag dauert uno di« ganze Nacht. Er wird wiederkommen.... Plötzlich ging eine Bewegung durch die Reihen der Frauen. Sie begannen die Köpfe zu heben. Sie liefen wieder zu einem schwar- zen Fleck zusammen und sahen noch den beiden Männern, oie atemlos durch den Sand gestampft kamen. Sie hatten den Kopf eingezogen, di« Fäuste geballt, stemmten di« Schultern gegen den Wind und liefen voller Haft auf den schwarzen Haufen zu. Da heulte das Meer auf und di« Jung«, die bisher allein g«- standen hatte, rannte nun den Männern entgegen. Di« im Haufen aber schüttelten nur die Köpf« und sahen sie bei den Männern stehen und auf sie einreden. Da sagte die Alte, die vorhin gesprochen hatte,«in Wort: »H«lm«r..." Di« anderen Frauen erschraken, sahen sie von der Seite an, schwieg«» und blickte» nun nach der Stell«, wo$bta
die Junge umgesunken war. Steif und gerade wie ein schwarzer Pfahl. Mit einem kleinen Schrei, den der Wind bis an die Ohren herantrug. Sie fuhren zusammen und«s begann wohl in chnen etwas vor sich zu gehen. So, als hotten sie«inen Kampf auszukämpfen. Sie sahen sich wieder an, fragend und abwartend. Die Alte redete etwa? vor sich hin. al, spräche sie zu sich selber— und niemand konnte ein Wart verstehen. Unterdessen war der eine der Männer zi» den Frauen heran- gekommen. Er hatte ein hillflofes Gesicht. Damit blieb er stehen und versucht«, etwas Schweres von sich abzuschütteln uich sagt« laut in di« aushorchend« Gruppe hinein:„Sie haben sich olle gerettet. Sie kommen mit den Booten zurück, wenn der Sturm zu End« ist." „Und Helmer?" fragte ein« Stimme, eine müde, in der schon alles erloschen und trübe war. „Und Pieter und Hey? Was ist mit ihnen?" schrien zwei andere Stimmen. Der Mann ließ den Kopf sinken, schlug die Arm« an die Seit«, al, müste ex etwas beteuern, was ihm sonst nicht geglaubt werden könne. Dann schrie er. weil der Sturm wieder mächtig zu heulen
begann:„Sie sind sa oll« in Sicherheit. Alle— deiner und dem«» und alle aus dem Dorfe...", „Und H ebner?" fragte wieder die Stimme der Men. Der Mann senkt« den Kopf wie vorhin:„Hebner? Den hat. es gleich am Anfang erwischt. Wir komiten nicht an ihn heran- kommen. Es war zu schwer. Ihr könnt es glauben, wir habe« ja alles getqn, wir haben..." Er brach mitten im Wort ab und zeigte auf das Meer. Er wandte auch den Kopf ob. als könne er die Mcke der Frauen nicht mehr ertragen. So verging«ine Werte. Di« Frauen sahen sich stumm mit großen Augen an. Und es schien ihnen, als fei ein Unrecht be» gangen worden, das nicht mehr gittzumachen war. Um keinen Preis mehr. Ihre Blick«, die nach dem Strand hinunter gingen, kehrten kummervoll wieder zurück. i Der Mann wandte sich unterdesten ob und ging wieder zu dem anderen hinunter. Die Frauen sahen ihm ein Stück nach, wi« er durch den Sand stampfte. Dann machte eine den Anfang, dann noch eine, und endlich fetzte sich der ganze Haufen in Bewegung und lief dorthin, wo der Mann neben der ohnmächtigen Frau kniete, die wie»in schwarzer Sack im hellen Sand« log. Zuein- ander sagten sie leise:„Wir müssen min anders zu ihr fein..." Das Meer brüllte wieder aus. Wälzte donnernde Wogenkäinme an den Strand. Bis dicht an den schwarzen Klumpen der Frauen, die immer nur auf den Boden sahen und auf das totenblaste, ver- ängstigte Gesicht der Jungen. Sie standen olle im Kreise und hatten die Köpfe gesenkt. Nur die Alt« hob nach einer Weil« den Blick und schaut« auf das Meer— soweit ihr« Augen nur sehen konnten.
Die fieberhafte Produktivität der einheimischen Autoren hindert die ftanzösischen Verlagsbuchhändler nicht, der ausländischen Literatur zunehmende Beachtung und ständig wachsenden Raum zu- zuwenden. Wie da« Pariser Theater diesen Winter— in einer sich täglich stärker akzentuierenden Krise— ausländischen Dramatikern einen Großteil seiner einträglichsten Erfolge verdankt, so scheint auch der Buchhandel zu der Einsicht gelangt zu sein, daß lieber- setzungen belangvoller fremdsprachiger Werke ein sichereres Geschäft bedeuten al»»ine allzu bereitwillige Begünstigung der volks» genössischen Neigung zur Vielschreiberei. Unter den gegebenen Verhältnissen ist es außerordentlich erfreu- lich, daß di« deutsch « Literatur— vorläufig noch mit der bedauer- lichen Ausnahme der Bühnendichtung— in Frankreich ständig an Boden gewinnt. Mit bewundernswertem Eifer arbeitet der Verlag der„Editions Montaigne" an der systematischen Erschließung der literarischen Meisterwerke Deutschlands durch feine doppelsprachigen und durch hervorragende Fachleute kommentierten Ausgaben, in denen bisher Goethe, Schiller , Kleist, Lenau , Hebbel , Grillparzer , Eichendorff , Hein«, Etorm u. a. erschienen sind. Die Tatsach« der Rentabilität«ine» solchen Unternehmen» gehört zu den sprechenden Beweisen für«ine zunehmende intensive Befassung der gebildeten ftanzösischen Kreise mit der deutschen Sprache. Dem ständig wachsenden französischen Verständnis für Goethe wird ferner durch Schaffung einer Gesamtausgabe feiner Werke (Verlag„Eitz du Livre") Rechnung getragen werden: auch die erste vollständig« Publikation seiner Gespräche mit Eckermann(Verlag Ionquiere ») und seiner Unterhaltungen mit dem Konzler von Müller (Verlag Stock) sind in diesem Zusammenhange zu nennen, und«ine wertvolle Ergänzung hipftr Dokumente wird durch einen Band „Goethe et la France" von Hippolyte Loiseau(Verlag Llttinger) ge- Nefert.' Neben Goehte steht vielleicht immer noch Nietzsche im Vorder- gründe des französischen Interesse», lieber ihn hat Eharle» Andler. Philosophieprofestor an der Pariser Sorbonne, soeben vier neu« Bände erscheinen lasten Wenn man vielleicht behaupten kann, daß die Hochkonsunktu? für Bücher zeitgenössischer deutscher Autoren mit den bekannten Kriegswerken Remarques, Gläser», Renns und Iohännsens begonnen habe, so hat sich da» Jnterest« im Laufe der letzten Monate erheblich verbreitert. Mit Spannung wartet man auf«Ine französisch« Auegabe de»„Zauberberg »" von Thomas Mann im Berlage Kra, nachdem vor kurzem„Königliche Hoheit " in einer Ouartausgobe erschienen ist. Ist Stefan Zweig den Franzosen al» Freund Romain Rolland », Biograph Tolstoi » und Dostojewskis und neuerdings als Verfaster des„Fauche"(Verlag Grastet) kein Unbekannter mehr, so ist inzwischen auch der Anregung des Literatur- Historiker» F�lix Berteaux entsprochen worden, das. Werk Jakob Wassermanns für Frankreich zu erschließen.„Die Juden von Zirn- darf"(Verlag Albin Michel).„Golowin "(Verlag Stock) und„Der Fall Maurizlu»"(Verlag Plön ) hoben«ine äußerst dankbare Presse gefunden, und di« erst kürzlich verösfenrtichten Bände dürften von weiteren Kreisen gelesen werden. Bon Arthur Schnitzler Ist soeben „Therese"(Derlag Llbin Michel) im Handel erschienen. Dagegen haben Gerhart Hauptmann . Jakob Schaffner . Hermann Hesse ,
Klabund und einige andere bekannt« deutsche Autoren zu Frankreichs Leserpublikum noch immer keinen Zugang gefunden. Von jüngeren deutschen Romanschriftstellern sind Max Rene Hesse ?„Partenau"(Verlag Albin Michel) und die„Nächte eines alten Kindes" von Heinz Liepmonn(Verlag Grastet) sehr günstig auf- genommen worden. Sieburgs„Gott in Frankreich ?" hat eine Riesen- scnsation erweckt, und sein schief Übertragenet Titel— das Werk heißt auf französisch:„Oieu est-il fravyais?"(Verlag Grastet)— hat soeben auch wieder einen jungen Autor zu einer Replik inspiriert, die mit»dlon. Dien est allernand!" überschrieben ist. Bon Emil Ludwig (Verlag Payot) und Hermann Keyserling (Verlag Stock) sind sämtliche Werte in französischer Sprache zu haben, und ihr« Verfasser selbst versäumen keine Gelegenheit, sich den Parisern durch Vorträge und Interview» al» Protagonisten de» deutschen Geistes- lebcns zu erkennen zu geben.„Der Untergang de» Abendlandes" von Oswald Spengler gehört zu den nächsten Publikationen de« Verlags Gallimard und sein Erscheinen wird mit Interesse erwartet. Daß die Memoiren de« Fürsten Pulow(Verlag Plön ), von denen die wichtigsten Abschnitt« in der Zettschrift„LPillustratton" schon zum Vorabdruck gelangt waren, in Fraiitreich durch alle politisch Jnter- essierten verschlungen worden sind, ist ebenso selbstverständlich wie die Spannung, mit der man Stresemann » Denkwürdigkeiten er- wartet. Auch minder wichtige deutsche Erinnerungsbücher haben in Frankreich Verleger gesunden:„Der falsche Prinz" von Harry Domela (Verlag Gallimard ) wi«„Der König" von Karl Rosncr (Verlag Plan) haben ebenfalls ihre— wenn auch beschränkt«— Leserschaft gefunden. Die reine Unterhaltungslektüre nimmt im Rahmen der ftanzö- stZihen Publikationen aus Deutschland «inen weit geringeren Raum ein.als den. den Deutschland dem leichten.französischen Roman noch immer konzediert.„Die Frau, die getötet Hot" von Fritz Reck- Malleczcwen(Verlag„Nouvelle Societe d'Editions") und„Menschen im Hotel " von Vicky Baum (Derlag Stock) sind auf diesem Gebiete unter den letzten Veröffentlichungen zu nennen. Im Bühnenleben beschränkt sich die Zahl der au« dem Deutschen übersetzten Werke— von klassischen und den in der Vorkriegszeit gespielten Dichtungen abgesehen— noch auf«ine Minimum. Gespielt wurden in Pari» bekanntlich seit dem Kriege nur„Kolportage" und „Brand im Opernhaus" von Georg Kaiser . Leonhard Franks.Karl und Anna". Tollers„Hinkemann", Bruckners„Verbrecher", Brecht- Weills„Dreigroschenoper " und Herzog-Rehfisch»„Affäre Dreyfus ". Im Herbst sollen nunmehr Leonhard Frank ».Hufnagel", Bruckners „Elisabeth von England " und— außer„Grand-Hotel"�— noch Angermeyer»„Kommödie um Rosa" gegeben werden. Gtrüchtweise verlautet, daß ferner Iocque» Dopoigny, der Autor der Bühnen- dichtungen„dtaroisse" und„Coniment Tesprit vTpnt aux ?arcons", ein Werk von Wcdekind—„Karl Hetmann" oder„König Nicola"— für di« Pariser Bühne bearbeiten und daß sich Gui Bernard de la Pierre an die Erschließung Raimunds für dos französche Theater heranwagen werde. Wenn dies« beiden letzten Pläne Wahrheit werden, so wäre auch im dramatischen Austausch zwischen Deutschland und Frankreich ein nennenswerter ziffern- mähiger und— künstlerischer Fortschritt zu verzeichnen.
Verliebe und Tierquälerei Unser« Gegner von rechts haben ein Wort, mit dem sie alles benennen, wo» über ihren Horizont geht, und mit dem sie ihrem Gefühlsleben, soweit der klein« Vorrat reicht, nicht fertig werden: da» ist da» Wort„Kulturbotschewismus"! Flache Dächer, Psycho- analyse, Baden in Badehose statt im Badeanzug, moderne Kunst, alle» da» versehen sie mit diesem Stempel, der ihre Führer der fach- lichen Polemik enthebt und den Anhängern das eigene Denken er- spart. Besonder» haben sie e» bekanntlich auf die„Intelligenz» besti«n" abgesehen und aus die Leute, die i-hrem rauhen Kämpferton Irrationale» entgegensetzen. Dahin gehört auch die Liebe zu Tieren und anderen Lebewesen der mchtmenschlichen Welt. Man kann nicht gut annehmen, daß die Horden, di« des Nachts ausziehen, um ftied- liche Pastanten mit Schlagringen, Revolver und Dolch zu bearbeiten, irgendwelche Hemmungen haben, die sie daran hinderten, einen Hund,«in Pferd, ein« Katze zu oerprügeln. Jener Geist, der aus dem Ausruf des Muschkoten Detering in Remarques„Im Westen nicht? Neues":„Es ist di« allergrößt« Gemeinheit, daß Tiere im Krieg stndl" spricht, ist ihnen im tiefsten zuwider. Die entsetzlichen Zahlen der im Feld gebliebenen Pferde— für Deutschland waren es allein 560 000— macht nicht den geringsten Eindruck auf sie. Dies« Einteilung ist«« auch, aus der eine solche Aeranstoitunz geboren werden konnte, wie sie kürzlich aus Hamburg berichtet wurde. Dort gibt es einen Verein für Jagd- und Gebrauchshunde, der sich mit der Aufgabe befaßt, Hund« zu dressieren. Um sie nun möglichst natürlich an die Begebenheiten der Jagd zu gewöhnen, hat man herumirrende Hauskatzen eingejangen. t0 bis 12 dieser Tiere wurden mehrer« Tage ohne jede Nahrung in ihrem eigenen Unrat in einem Sack gelassen, von denen zu jeder Prüfung mehrere auf dem Gelände de» sauberen Verein? bereit lagen. Wenn nun die Hunde zur Stell» waren, wurden di« Säcke geöffnet, die halbver- hungerten Tier« davongejagt und di« Hunde hinter ihnen hergehetzt, die«in»«ach der ooderen totbisien. Drei Jahre haben die edlen
Hubcrtusjünger diesen Sport getrieben und es sollen in dieser Zeit mehr als MX) Katzen auf dies« Art zu Tod« gequäll worden sein. Erst dem tapferen Eintreten eine? Mannes aus der Tierfchutzbe- wegung war es zu verdanken, daß dem Treiben ein Ende gesetzt wurde. Was nütze» alle Forschungen, die ergeben, daß da? Tier bis hinunter zum einzelligen Wesen, ja bis zur Pflanze, auch eine Art von Gefühlsleben hat und sehr wohl Schmerz empfindet, wenn in einem kultivierten Land noch solche Ungeheuerlichkeiten vortom- men können? Aber wo Menschenleben nichts gellen, gilt erst recht dos Leben eines Tiere? nichts. Allerding? geht auch, genau wie in der menschlichen Gesellschaft, ein Trennungsstrich zwischen dem Tierproletarier, wenn man so sagen darf, und dem Haustier der besitzenden Klassen. Kostbare Schoßhunde und Siamkatzen genießen dort eine Behandlung, wie man sie jedem Arbeiterkind wünschen möchte. Veranstaltungen, die da heißen:„Die Dame und ihr Hund!" oder„Die Dame und die Katze!" verschlingen Tausende von Mark und sind doch zu nichts anderem da. als den Hintergrund für die Langeweile unbeschäftigter junger Damen zu geben. Hier artet die Tierliebe In einen Kuft des Tieres au?, der genau ja verkehrt ist wie der Sadismus ge- wiffcr Jäger in der eben geschilderten Art. Aber«? ist ein wahre» Wort, das da heißt:„Man erkennt den Menjchen daran, wie er mit Tieren und Kindern umgeht." Was hat Shakespeare verdient? Ein Profestor der Universität Illinois hat sich der Müh« unterzogen, die Einkünfte Shakespeares nachzurechnen. Er will herausgebracht hoben, daß der große Dichter im Durchschnitt ein Jahreseinkommen aus seinen Werken von 250 Pfund hatte, wobei zu berücksichtigen ist, daß er Autor, Schau- spieler und Theaterdirektor war. Ein unbekaunter Marx-Lries. Der am 1ö. Juni zum ersten Male veröffentlichte Brief von Karl Marr an Wilhelm Alexander Freund ist nicht durch H. Paechert veröffentlicht worden, wie es durch einen Druckfehler hieß, sondern durch den Genostea Dr. Heinz Pächter,.,...-