Nr. 299 48. Jahrgang
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2. Beilage des Vorwärts
Dividende statt Kapitalschnitt.
Unverantwortliche Finanzpolitik der Schwerindustrie.
Die Gelsenkirchener Bergwerks A.-G., die Holding| 200 Millionen Mark nicht zu hoch beziffert sein dürften, noch hinzu, Gesellschaft Friedrich Flicks für die Majorität des Stahl wenn auch erst für die ganze Periode bis 1942. Dereins, legt für das Geschäftsjahr 1930/31 einen Jahresabschluß vor, der einen Reingewinn von 15,4 Mill. Mark ausweist, aus dem an die Aktionäre 6 Proz. Dividende verteilt werden sollen. Damit folgt die Gesellschaft rein rechnerisch dem Vorgehen der Vereinigten Stahlwerke A.-G., ihrer Tochtergesellschaft, die für das Geschäftsjahr 1929/30 den Dividendensaz ebenfalls um 2 auf 4 Proz. herabgesetzt hatte. Die Grundlage der Gewinnausschüttung ist die Bilanz von Gelsenkirchen .
Diese Bilanz enthält jedoch unsichtbare große Verluste, deren Abschreibung auch aus volkswirtschaftlichen Gründen dringlicher erscheint als die Dividenden- Aus= schüttung, über die noch einiges zu sagen sein wird. 252 Millionen Aktien der Vereinigten Stahlwerke A.-G. stehen mit rund 100 Pro3., also zu Pari, rund 82 Millionen Phoenix- Aktien das. wichtigste Aktivum des Phoenig sind wiederum Aktien des Stahlvereins stehen sogar mit etwa 110 Pro 3. zu Buch. Schon nach den Dividendenfäßen der beiden Unternehmungen sind die Buchwerte ihrer Aktien überhöht. Dies gilt jedoch noch weit mehr, wenn man berücksichtigt, in welcher fritischen Lage sich die Vereinigte Stahlwerke A.-G. befinden.
Vor dem Enquete- Ausschuß
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hat Generaldirektor Dr. Vögler, der nach außen noch als einer der führenden Ruhrleute gilt, wenngleich seine Funktionen schon fo meitgehend repräsentativ geworden zu sein scheinen, daß er als Kandidat für das Reichswirtschaftsministerium genannt wird mit nicht mißzuverstehender Deutlichkeit ausgesagt, daß der eigent: liche Sinn der Gründung des Stahlvereins es war, Die Kapitalzusammenlegung der Gründergesellschaften zu vermeiden; d. h. also, daß in die Bilanz des neuen Unternehmens Anlagewerte übernommen wurden, die schon zum Zeitpunkte der Gründung sich als überhöht erwiesen hatten.
In den Jahren guter Konjunktur von 1926-1929 hat gleichwohl der Stahlverein 6 Proz. Dividende verdienen fönnen. Mit dem Ausbruch der Krise erwies sich jedoch, daß der ursprüngliche Fehler noch nicht behoben war. Für das Jahr 1929/30 mußte die Dividende herabgesetzt werden; für das Jahr 1930/31 erwartet man allgemein einen Ausfall der Dividende, wenn nicht einen offenen Berlust. Der Kapitalverlust, der schon 1926 eingetreten war und den man hoffte, durch den Zusammenschluß zu vermeiden, tritt heute in der Form der Ertraglosigkeit erneut in Erfcheinung.
Erzverträge als Hauptquelle laufender Berlufte. Maßgeblich für die Ertraglosigkeit sind aber keineswegs Die Steuer und Soziallasten, wie der repräsentative Herr Vögler und seine Kollegen gern verkünden, sondern ganz andere Gründe. Vor dem Enquete Ausschuß hat der Roheisen- Sachverständige der Schwerindustrie, Klotzbach, ausgesagt, daß die Erzkosten in den westlichen eisenerzeugenden Ländern je Tonne Roheisen nur etwa 25-30 Pro3. der Kosten in den deutschen Werken betrügen, daß mit anderen Worten die Rohstoffkosten in der deutschen Eisenindustrie um 30-40 m. je Tonne über denen des Auslands liegen. Auf die Tonne Stabeisen berechnet wird diese Selbstkosten differenz natürlich noch größer.
Diese Sachlage hätte die deutschen Werke zur allergrößten Vorsicht bei ihren Erzdispositionen veranlassen müssen. Statt dessen ließen sie sich von dem eingebildeten Gespenst einer ErzInappheit schrecken, und ohne Rücksicht auf die wohlbegründeten Hinweise des Enquete- Ausschusses, daß mit der Gefahr einer solchen Knappheit nicht zu rechnen sei, schlossen die Werke langfristige Lieferungsverträge über schwedische Eisenerze zu Festpreiser. ab, die zum Teil bis zum Jahre 1942 die Werke binden.
Dabei dienten als Grundlage die Preise des Hochtonjunttur
jahres 1927!
Der durchschnittliche Jahresverlust, der sich heute aus diesen Verträgen ergibt, beläuft sich auf mindestens 25 Mil lionen Mark, wovon über die Hälfte auf den Stahlverein entfällt. Für die Zeit der Geltung dieser Verträge dürfte sich beim Stahlverein bei unveränderten Erzpreisen ein voraussichtlicher Verlust von mindestens 200 Millionen Mark ergeben; ein Biertel des Aktienkapitals der Vereinigten Stahlwerke wäre also aus diesem Grunde allein als verloren anzusehen. Dieser Verlust tritt zu den Kapitalverlusten, die bei der Gründung des Stahlvereins bereits abschreibungsbedürftig waren und mit ebenfalls
Statt den mehr als erfolglosen Führern dieses Unternehmens die Notwendigkeit der Sanierung aufzuzeigen und sie so rück fichtslos des Glanzes jener unfehlbarkeit zu ent= kleiden, mit der sie der deutschen Wirtschaft und der Reichsregierung Vorschriften zu machen sich erlauben, trägt die Reichsregierung ihrer schwierigen selbstverschuldeten Lage Rechnung. Das geschah einmal durch die Garantieübernahme für die neuen Russenlieferungen, deren Ingangkommen die Schwerindustrie gefördert hat, weil sie in dem russischen Abnehmer einen Kunden zu finden glaubte, der gegen Kredit jene überhöhten Preise zu zahlen bereit sein werde, deren die Schwerindustrie bedarf; eine Annahme übrigens, die sich nicht verwirklicht hat. Den Fehlern der Schwerindustrie wird in unzuläffiger Weise auch Rechnung getragen durch die Subventionen der neuen Notverordnung, nach denen die Reichsbahn wieder einmal viel zu teure Schienen einkaufen soll. Der Reichsfinanzminister ist sogar soweit gegangen, diese Subvention mit den schwedischen Erzverträgen der Schwerindustrie zu begründen!
Im Vertrauen darauf, daß die Reichsregierung sie über die Folgen der eignen Fehler hinweghelfen werde, sieht daher die Schwerindustrie an den Folgen der Mißwirtschaft ihrer Führer vorbei.
Sie weigert sich, die Konsequenzen zu ziehen: Rapitalzusam der Direttoren, die in so unwirtschaftlicher Weise in den menlegung und Sanierung sowie die Beseitigung Nachkriegsjahren die Werke verwaltet haben. Statt dessen verteilen ihre Direktoren Dividenden, um den Majoritätsbesitzern die Bezahdrohen, und entnehmen aus den schwachen Unternehmungen dazu lung ihrer Bankkredite zu ermöglichen, die sonst notleidend zu werden noch, wie es nach Pressemitteilungen scheint, Mittel zur Bestreitung ciner regierungsfeindlichen Propaganda.
Dienstag, 30. Juni 1931
Wichtig ist schließlich noch die Mitteilung, daß eine Liqui dation der Berginann- Werke nicht in Erwägung gezogen und auch in Zukunft nicht zu erwarten sei. Wenn man aber so starte Stillegungen vornimmt, wie sie im Inter= esse der ganzen Elektroindustrie notwendig sind, dann ist es voltswirtschaftlich nicht zu verantmorten, daß der volle Kapitalanspruch bestehen bleibt, dann muß das Kapital bei Bergmann ( 44 Mi11) zusammengelegt werden. Der Verlustabschluß ( im Vorjahr noch 9 Proz. Dividende!) wurde schließlich einstimmig genehmigt.
Der Karstadt- Skandal.
Die Spekulationen der Großaffionäre auf Kosten der Kleinaftionäre.- Die Rolle der Banken.
Auf der Generalversammlung der Rudolf Kar= stadt- A.- G. in Hamburg wurde wieder einmal eindeutig klar, wie in Deutschland die Kleinaktionäre die Kosten für die fehlgeschlagenen Spekulationen der Großaktionäre zu tragen haben. Die Banken, im Aufsichtsrat zahlreich vertreten, haben auch in diesem Falle bei ihrer Aufsicht" restlos versagt; sie sind von einer eigenwilligen sie haben sich anVerwaltung hinters Licht geführt worden- scheinend sehr leicht hinters Licht führen lassen.
Die Quellen für die überraschenden Verluste des letzten Abschlusses( im Vorjahr rund 15 Millionen Reingewinn, 12 Proz. Dividende) sind zwei: einmal die überaus schnelle und starke Expan= sion des Karstadt - Konzerns, zum andern die privaten Abmachungen der Vorstandsmitglieder bei Uebernahme des LindemannKonzerns. Der kleinere Teil der Verluste( etwa 10 Millionen Mart) entfällt auf Abschreibungen infolge der verfehlten Erpansionshohe Bankkredite, die einmal die Erfolgsrechnung bei Karstadt politik; die zahlreichen Angliederungen und Neubauten erforderten stark belasteten, zum andern aber den Banken große Zins- und Provisionsgewinne einbrachten. Doppelt so hohe Verluste, daß die Vorstandsmitglieder Rudolph Karstadt und Kommerzienrat etwa 20 Millionen Mark, entstanden für die Gesellschaft dadurch, Schöndorff( beide zugleich Großaktionäre) den Lindemann- Aktionären gegenüber einen Kurs von etwa 220 bis 230 Prozent für die Karstadt- Aktie( heute steht sie nur 25 Broz.!!) garantierten. Bon dieser Kursgarantie wußte der Aufsichtsrat zunächst nichts. Im
Bergmann- AEG.- Siemens Samuar 1930 hat dann der Gesamtvorstand der Karstadt- A.- G. ſeinen
Das Ende von Bergmanns Selbständigkeit?- Keine Liquidation. Und fein Kapitalschnitt?
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Die Erklärungen und Vorgänge auf der Generalver sammlung der Bergmann Elektrizitätsmerte 2.-G. haben mit hinreichender Deutlichkeit gezeigt, daß es mit der Selb ständigkeit des Bergmann- Unternehmens zu Ende ist. Die Großaktionäre AEG. und Siemens haben ihren Besitz an Bergmann- Aktien noch erheblich vergrößert. Als Vertreter dieser beiden Konzerne ist Dr. Peierls in den Aufsichtsrat gewählt morden und überraschenderweise ist zugleich der langjährige Generaldirektor von Bergmann, Hiffint, von seinem Posten zurüd getreten; sein Nachfolger dürfte von den Großaktionären bestimmt werden.
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Ueber die Lage bei Bergmann wurde mitgeteilt, daß die stillen Reserven zum großen Teil verbraucht seien; man werde in der Stillegung unrentabler Abteilungen fortfahren. Die Rationalifierung werde so betrieben, wie es im Interesse der gesamten deutschen Elektroindustrie liege. Die beiden Großaktionäre seien so ſtart an Bergmann interessiert, daß eine Verfolgung von Sonderrationelle Zusammenarbeit der drei Großkonzerne interessen nicht in Frage kommen. Wie aber soll man sich eine
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anders vorstellen, als daß bei einem Unternehmen( das kann nur
Bergmann sein) Anlagen stillegt, damit die der beiden anderen voll ausgenutzt werden können!
Die Umsätze im neuen Jahr sind weiter zurückgegangen; in der letzten Zeit sei eine Besserung durch Rußlandaufträge spielte in der Debatte eine große Rolle, da auf diese Beteiligung eine eingetreten. Der Erwerb der Aktienmehrheit der R. Frister A.-G. hohe Abschreibung notwendig geworden war. Der Vorstand ver= teidigte sich damit, daß die Frister A.-G. bei 6 Mill. Mart Kapital für 24 Mill. Mart Aufträge gehabt habe; die Angliederung des Gasapparatebaues von Frister sei also sehr reizvoll gewesen. Uebrigens ist das Recht zum Bezuge der restlichen 4 Mill. FristerAftien noch nicht ausgeübt worden. Auch die Beteiligung an der David Grove A.-G.( Heizungsanlagen usw.) hat Abschreibungen erfordert. Sehr verlustreich scheint das Südamerika geschäft gewesen zu sein. Die Filialunternehmungen dort werden aufgelöst; man will nur noch Handelsgeschäfte in Südamerika betreiben.
beiden Mitgliedern Kredite eingeräumt, durch die sie ihre Verpflichtungen aus der Kursgarantie erfüllten. Dieser Kredit ist zunächst bei einem Privatvermögen von 14 Millionen Mark des Herrn Karstadt durchaus sicher gewesen. Das Privatvermögen beider Großaktionäre ist nunmehr auch in Anspruch genommen worden; darüber hinaus erleidet die Gesellschaft die oben angeführten Berluste- ein wesentlicher Teil davon ist dem neu in den Vorstand eingetretenen Herrn Lindemann zugeflossen! Daß die Verluste so hoch wurden, hat noch einen anderen Grund der Vorstand hat bestimmten Leuten Kredite in Höhe von 10 Millionen Mark erteilt( ohne Wissen des Aufsichtsrates!), damit sie an den Börsen Stüßungstäufe in Karstadt - Aktien vornähmen. Das hatte feinen Erfolg, und auch dies Geld ist verloren. Uebrigens ist es interessant, wie unerhört die Vorstands= mitglieder bei Karstadt verdient haben( jedenfalls bis 1929); neben Gehältern von 30 000 bis 120 000 Mart erhielt der gesamte Vorstand eine Tantieme von 30 Prozent des Reingewinns; das sind bei einem ausgewieſenen Reingewinn
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von 15 Millionen Mark für 1929 etwa 6,3 millionen Mark
antieme; bei einem Vorstand von etwa einem Dugend Herren
pro Kopf eine halbe Million Mark durchschnittlich, wozu die Großaktionäre noch ihre Dividende erhielten.
Daß die Karstadt- A.- G. mit diesem Abschluß und diesen Abschreibungen noch nicht über den Berg ist, geht daraus hervor, daß mit den Banken über einen neuen Sonderkredit verhandelt wird. Ob man damit die Reorganisation des Unter-. nehmens, die Verminderung des Warenlagers und schließlich die Vermeidung der Kapitalzusammenlegung schafft, muß be= Opfer gebracht: sie übernehmen von den Großaktionären 20 Milzweifelt werden. Die Banken haben ja scheinbar schon ein
lionen Mark Aktien zum Kurse von 50 Proz. und zahlen 50 Proz. in bar( also insgesamt 10 Millionen Mark an die Gesellschaft. Für den Kursverlust bei dieser Uebernahme lassen sie sich aber die Aktien in Vorzugsaftien mit fefter 7prozentiger Berzinsung umwandeln. Vorläufig wird Karstadt sicherlich keine Dividende auf Stammattien verteilen; die Banken erhalten stets 7 Proz. und
Zucker nährt
und ist billig!
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Halt!
Für die Reise
12
50
14.50
1650
50