Tobfüchtiger am Büschingplak. Leidtragende der Krise.
Er zertrümmerte 30 Fensterscheiben.
Die Umgebung der Büschingstraße; unweit des Alexanderplatzes, wurde gestern abend durch einen Tobfüchtigen furz vor Geschäftsschluß in helle Aufregung verfeht. Der mit zwei großen Hammern bewaffnete Geisteskranke lief durch die Büsching- und Weinstraße und zertrümmerte im Verlaufe von knapp 10 Minuten etwa 30 Schaufensterscheiben.
Der Tobsüchtige, ein 29 Jahre alter Monteur Otto Schmidt, wohnt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Hause Büsching ſtraße 16. Schmidt, der seit drei Jahren arbeitslos ist, hat mehrere Jahre in der Fremdenlegion gedient. Er wurde aber in die Heimat entlassen, als sich bei ihm, vermutlich durch das Tropen flima, geistige Störungen zeigten. Sch., ein sonst nicht zu Gewalt tätigkeiten neigender Mensch, gerät beim geringsten Alkoholgenuß in Erregung, die sich häufig zu schweren Ausschreitungen steigerte. Gestern abend hatte Schmidt mehrere Glas Bier getrunken. Als er in seine Wohnung zurückkehrte, befam er plöglich einen schweren Tobsuchtsanfall. Er wollte Frau und Kinder umbringen. Nur durch schleunige Flucht konnten sich die Bedrohten in Sicherheit bringen. Der Tobsüchtige ergriff zwei Hammer und eilte damit auf die Straße. Unter großem Tumult schlug Schmidt sämtliche Fensterscheiben der umliegenden Geschäfte ein. Im Augenblick hatten sich mehrere hundert Menschen an= gesammelt, niemand wagte es aber, sich dem Tobenden entgegenzustellen.
Inzwischen erschien das Ueberfallkommando auf dem Schauplatz der Verwüstungen, und nur mit großer Mühe konnte der Tobsüchtige, der mit den Hammern wie wild um sich schlug, überwältigt und in Gewahrsam gebracht werden. Schmidt soll heute einer Anstalt überwiesen werden.
Die Brieftasche in der Aftenmappe. Ein Sechzigjähriger unter der Anklage des Diebstahls.
Die Verhandlung beginnt mit Ermahnungen des Einzelrichters. An den Zeugen: Ich warne Sie ganz besonders davor, die Unwahrheit zu sagen. Von Ihrer Aussage hängt es ab, ob dieser alte unvorbestrafte Mann ins Gefängnis geht. Sagen Sie die Unwahrheit, so werde ich nicht zurückschrecken, Sie sofort wegen Meineides der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
An den Angeklagten: Ihnen rate ich, sagen Sie, wie es fich wirklich zugetragen hat; noch können Sie Ihren Einspruch zurücknehmen. Sie haben wegen Diebstahls einen Strafbefehl über 35 M. oder 7 Tage Haft erhalten. Die Strafe tann unter Umständen erhöht werden. Sie fahren vielleicht besser, wenn Sie den Einspruch zurücknehmen; natürlich nur, wenn Sie schuldig find. Der Sechzigjährige unter Tränen: Ich will, daß verhandelt wird. Der Richter: Es ist ja sehr traurig für Sie, aber wir wollen die Sache in Ruhe abmachen. Erzählen Sie, wie es war. Sie sollen am 22. Mai eine Brieftasche mit 147 Mart gestohlen haben. Der Sechzigjährige: Es war wohl zwei Tage vor Pfingsten. Ich habe meinen festen Tagesstand in der Dircksenstraße und handle mit Gemüse. Neben mir hatte ein junger Mann seinen Stand aufgeschlagen. Er hielt sich darüber auf, daß ein anderer alter Händler Kopffalat auf der Straße feilbot und machte den Oberauffeher darauf aufmerksam. Ich sagte zum jungen Mann: Wissen Sie, junger Mann, Sie sollten sich schämen, der größte Lump im ganzen Land ist der Denunziant. Um halb elf Uhr habe ich aus meiner Aktentasche meine Stullen genommen, habe die Tasche wieder an den Nagel gehängt, darüber hing ein Jackett und ein Regenmantel; und dann wurde die Brieftasche mit 147 Mart in meiner Aktentasche gefunden. Zeuge, ein sehr ordentlich aussehender 26jähriger Mensch, will an einen Auftritt mit dem Angeklagten am fraglichen Tage sich zuerst nicht erinnern. Dann aber entsinnt er sich; er hat dem Wortwechsel mit dem Alten keine besondere Bedeutung beigemessen. Ueber das Verschwinden des Geldes erzählt er wie folgt: Es war elf Uhr, ich wollte mein Geld nachzählen, entnahm dem Apfelfinenfasten meine Brieftasche, wurde durch einen Kunden abgelenkt und ließ die Tasche in den Apfelfinenkasten zurückgleiten. Als ich mein Geld nachzählen wollte, war der Kasten nicht mehr da. Ich sah, wie der Alte einen Kasten wegräumte; es mag sein, daß die Tasche aus dem Kasten herausgefallen ist und daß der Alte sie aufgehoben hat. Der Staatsanwalt: Ich bitte den Angeklagten freizusprechen. Der Zeuge hatte selbst zugegeben, daß sich noch andere Leute in der Nähe befunden haben.... Der Richter sprach den. Sechzigjährigen frei.
Die Handhabung bei der Hauszinssteuer.
Ein Parteigenosse schreibt uns:
Seit dem 1. April 1930 bin ich erwerbslos, und mir wurde die Hauszinssteuer vom Juni 1930 ab mit monatlich 18,30 M. gestundet bzw. niedergeschlagen. Jeßt, am 18. Juli 1931, erhalte ich von meinem Hauswirt eine Aufstellung, wonach die Stundung ab 1. April 1931 nur noch 12,10 M. beträgt und ich mithin sofort 24,80 M. nachzuzahlen habe. In ziemlich unhöflicher Form wurde mir auf der Steuerkaffe auf eine Rückfrage hin einfach erklärt: Die Aufstellung stimmt.
Die erschwerenden Auslandsverkehrsbestimmungen.
Mit am schwersten betroffen sind von den Ausreisebestimmungen, übertritt wird außerdem dadurch erschwert, da die Artisten nicht die Geschäftsreisenden, seien sie mun selbständige Gewerbe- immer wissen, wo sie die Grenze passieren werden. treibende oder Angestellte einer Firma.
Der Geschäftsverkehr mit dem Ausland steht und fällt heute mehr denn je mit dem persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten. Der Reisende muß auf der Tour ständig gewärtig sein, ganz plötzlich auf dem schnellsten Wege irgendeinen ausländischen Kunden aufsuchen zu müssen. Die Bestimmung, die den Inhaber einer GewerbeLegitimation( laut§§ 44 und 44a der RGD.) von der Baßgebühr befreit, sieht nun vor, daß diese Befreiung von Fall zu Fall von der Beibringung einer Bescheinigung durch die zuständige Polizeibehörde nach Anhören der Handelskammer abhängig gemacht wird. In der Praxis wirkt sich diese Bestimmung nun so aus, daß der Reisende, der beispielsweise in Aachen arbeitet, von feiner Berliner Firma Anweisung erhält, sofort nach Holland zu reisen; die Erledigung seines Antrages um Einreise nehmen immerhin einige Tage in Anspruch und es besteht hierbei die Gefahr, daß der Auftrag, um den es fich handelt, durch die Verzögerung hinTäglich laufen eine Unzahl von Telegrammen ein, monach Reisende ihre Tätigkeit unterbrechen. oder die Reise, da der Auftrag hinfällig wurde, ganz aufgeben müssen. Selbständige Reisende, wie auch Firmenangestellte sind außerdem durch den ge= drosselten Ueberweisungsverfehr faum mehr in der Lage, auf die Reise zu gehen, weil sie ja die notwendigen täglichen Spesen nicht befizen. All dies wirft sich am stärksten in der Maschinenbranche, bei den Textilien, der chemischen Industrie und der Konfektion aus. Auch die Artisten mit Auslandsengagements haben unter den Bestimmungen zu leiden. Auf der einen Seite, weil nicht genau präzisiert wurde, ob der Auslandsvertrag an sich die Paßgebührbefreiung darstellt, oder ob es beftimmter Stempel bedarf, wie und wo diese eingeholt werden müssen, ob beim Verband, bei der zuständigen Polizeibehörde usw. Der Grenz
fällig wird.
Der diesjährige Rhön - Segelflug- Wettbewerb wurde von Profeffor Georgii, dem Direktor der Rhön - Roffitten- Gesellschaft, eröffnet. 55 Maschinen nehmen an dem Wettbewerb feil. Bei dem ersten Fluge ereignete sich leider ein Unfall. Der bekannte Segelflieger Otto Fuchs stürzte mit der„ Startenburg" über dem Löffelstein ab. Seine Maschine wurde völlig zerstört. Otto Fuchs erlitt einen Oberschenkelbruch. Sein Befinden ist, natürlich den Umständen entsprechend, gut.
Verkehrsunglück in der Moßstraße. Straßenbahn gegen Autobus. - Mehrere Berletzte.
Im Berliner Westen, an der Ede Ansbacher und Mohftraße, ereignete fich gestern ein folgenschwerer Zusammenstoß zwischen einem Straßenbahnwagen der Linie 91 und einem Autobus der Linie 19. Mehrere Fahrgäste des Autobus erlitten leichte Verletzungen.
Wie die bisherigen Ermittlungen ergeben haben, versuchte der Führer des Autobus die Straßenkreuzung noch vor der in langfamer Fahrt herantommenden Straßenbahn zu überqueren. Die Entfernung war jedoch zu kurz, und der Autobus wurde von dem Triebwagen an der hinteren Achse gerammt. Bei dem Zusammenprall wurden zahlreiche Scheiben zertrümmert. Mehrere Fahrgäste erlitten zum Glück nur leichtere Verlegungen. Der Autobus mußte später aus dem Verkehr gezogen werden. Durch den Unglücksfall wurde eine Verkehrsstörung verursacht.
Falscher Kriminalbeamter.
Plündert hilflosen Armenier aus.
Einen tollen Streich haben sich zwei Unbekannte mit einem sprachunkundigen Ausländer geleistet. In der Prinzenstraße wohnt ein armenischer Händler K., der außer Tabakwaren auch Wäsche und Strümpfe vertreibt. In seiner Wohnung erschienen zwei unbekannte Leute, von denen der eine sich für einen Kriminalbeamten aus gab und seinen Begleiter als seinen Festgenommenen" bezeichnete. In Gegenwart des Händlers, der nur die Hälfte von dem Gerede verstand, legte der Festgenommene" dem falschen Beamten ein
Eine weitere Kalamität erwächst den Artisten daraus, daß Fas milienmitglieder, die nicht auf der Bühne mittätig, also im Engagementsvertrag nicht mit angeführt sind( Ehefrauen, Kinder), in dieser Bergünstigung nicht miteinbezogen werden. Abgesehen davon, daß diese Begleitpersonen ja in den meisten Fällen für die Reisenden notwendig sind, wissen die ins Auslandsengagement Reisenden, die ja fast stets den letzten Aufenthaltsort nur als Durchgangsstation benußen und dort kein festes Heim befizen, nicht, wo sie mit ihren Angehörigen hin sollen, besonders wenn es sich um Kinder handelt, die vielleicht sogar im Abreiseort völlig fremd find. Hunderte von Anfragen in jeder Form laufen bei der Artistengewerkschaft jetzt täglich ein.
Die Auswanderer in der Notverordnung.
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Die Reichsregierung hat die Auswanderer, die ohnedies mit vielen Sorgen und Unkosten belastet sind, erfreulicherweise von der Zahlung der Ausreisegebühr von 100 m. be= freit. Die Befreiung erfolgt durch die deutsche Paßstelle( in Berlin durch das Polizeipräsidium), also nicht durch die Grenzstelle, auf Grund der Bescheinigung einer größeren Auswandererberatungsstelle. Diese Bescheinigung wird in Berlin von der Ge= meinnügigen öffentlichen Auswandererbera= tungsstelle( Bereinigung für Deutsche Siedlung und Wanderung), Berlin W. 9, Linkstr. 15, II, ausgestellt. Selbstverständlich muß jeder, der die Freistellung beansprucht, durch Vorlage von Papieren wie polizeiliche Abmeldung, Einreisesichtvermerk des Einwanderungsstaates, Schriftwechsel über Aufnahme im Zielland usw. glaubhaft nachweisen, daß er wirklich Auswanderer und nicht nur Reisender ist.
reumütiges Geständnis ab und bezeichnete alle möglichen Gegenstände als von ihm gestohlen. Sie sollten von ihm an den Armenier verkauft worden sein. Der Kriminalbeamte" schritt nun zur Beschlagnahme. Alle Proteste des Händlers waren vergeblich, die ,, Amtshandlung" nahm ihren Fortgang. In den großen Koffer eines Untermieters verstaute er 5000 3igaretten, 100 3igarren, feidene Damenstrümpfe und Schlüpfer, Herrensocken, mehrere Anzüge usw. Zum Schluß nahmen sie dem Armenier noch 52 M. bares Geld ab, angeblich, weil das Erlös von Hehlerware sei. Der Ausgeplünderte mußte noch mit anfassen und den Koffer des Untermieters zu einer Droschke bringen. Der Kriminalbeamte" fuhr mit dem Festgenommenen" angeblich nach dem Polizei präsidium. Der Händler sollte ,, morgen" das weitere hören. Man hat bisher von den frechen ,, Genossen" noch keine Spur finder
fönnen.
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Proviantamt in Flammen.
2200 Zentner Heu verbrannt.
3m Proviantamt der Reichswehr in Alt damm bei Stettin brach heute vormittag ein Feuer aus, das rasch großen Umfang annahm.
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Das Feuer entstand vormittags gegen 10 Uhr in einem großen Schuppen, in dem 110 Tonnen Heu untergebracht waren. Troß sofortigen Eingreifens der freiwilligen Feuerwehr von Altdamm und der Reichswehrtruppen ist der Schuppen bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Es besteht noch immer die Gefahr, daß weitere in der Nähe gelegene Proviantspeicher ebenfalls von den Flammen ergriffen werden.
Besuch deutscher Schüler in Spanien .
Bon der spanischen Republik sind 20 deutsche Schüler nach La Granja eingeladen worden. Die deutschen Schüler sind beim Ueberschreiten der spanischen Grenze in San Sebastian vom Magistrat empfangen worden und von dort nach La Granja meitergereist, wo sie bereits eintrafen.
Den Schwiegervater niedergeschossen.
Im Verlaufe eines Streites wurde gestern um 22 Uhr der 57 Jahre alte Kutscher Georg Bethte in seiner Wohnung in der Bodestraße 19 in Neukölln von seinem 33jährigen Schmiegerjohn niedergeschossen. Mit einem lebensgefährlichen Bauchschuß wurde Bethke ins Budower Krankenhaus gebracht. Der Täter iſt von der Kriminalpolizei festgenommen worden.
Erziehung im Gefängnis?
Nun frage ich: Soll man es für möglich halten, daß in Not- Zwei Zwanzigjährige zur ,, Erziehungsstrafe" verurteilt.
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zeiten eine Regierung es fertig bekommt, auf 33 Proz. des Hauszinssteueranteils zu verzichten, um sie dem Hausbesig zuungunsten der Aermsten der Armen Erwerbslosen, alten Leuten usw. in den Hals zu werfen? Wie stellt man sich vor, von Erwerbslosen, deren Unterstützung praktisch nur dazu langt, die Miete und die sonstigen Unkosten zu decken, eine Nachzahlung, die sich über vier Monate erstreckt, zu erhalten? Wie wäre es, wenn ein Kaufmann nach vier Monaten für gelieferte Waren eine Nachzahlung verlangen würde?
Uniformierte Lebensmittelplünderer.
An zwei verschiedenen Stellen der Stadt brangen gestern nach mittag wieder jüngere Burschen in Lebensmittelgeschäfte ein und raubten größere Mengen Wurstwaren. Sechs uniformierte Kommunisten hatten es auf das Buttergeschäft von Hoffmann in der Caprivi Allee Ede Delbrückstraße abgesehen. Die Täter bedrohten das Personal und raubten, was ihnen gerade in die Hände fiel; dann suchten sie das Weite. Bon der zweiten Plünderung wurde ein Lebensmittelgeschäft in der Anzengruberstraße in Neuföln betroffen. In beiden Fällen gelang es den Tätern, zu enttommen. Die Verfolgung durch Beamte des Ueberfallkommandos verlief ergebnislos.
Die filberne Hochzeit beging der in Röntgental, Elisabeth straße 9, wohnende Genosse Tischler August Brüggebrecht. Der Jubilar ist seit 25 Jahren Mitglied der Partei und Mitbegründer des Reichsbanners( Ortsgruppe Röntgental).
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Vor dem Schöffengericht stehen zwei Freunde. Die Freund, Urteilsbegründung fagte der Richter u. a., daß der moderne Strafschaft ist erst jüngsten Datums. Sie hat ihren Ausgangspunkt auf vollzug, insbesondere das Jugendgefängnis, an den beiden jungen dem Arbeitsamt wie so viele Freundschaften, die dann beiden Leuten vielleicht die Erziehungsarbeit vollbringen werde, die bis Freunden verhängnisvoll werden. X., der weichere und labilere, hat jetzt an ihnen nicht gelungen jei; acht Monate Gefängnis wären sich dem willensstärkeren V. voll und ganz untergeordnet; er geht zwar eine schwere Strafe, fie feien aber erforderlich, um den Ermit ihm durch dick und dünn und hat jezt gewissermaßen das ausziehungszweck zu erfüllen. Die Untersuchungshaft von zulöffeln, was jener für sich und ihn eingebrockt hat. X. ist noch 2 Monaten wurde den jungen Leuten angerechnet. unbestraft. Er wohnte bis vor kurzem bei seinen Eltern in einem wohlgeordneten bürgerlichen Heim. V. hat sich bereits in seinem jungen Leben eine Kleinigkeit zuschulden kommen lassen; er hat auf seiner Arbeitsstelle verschiedene Schwindeleien begangen und ist vom Richter zu zwanzig Mart Geldstrafe verurteilt worden, hat sozusagen eine ernste Verwarnung erhalten.
Eines Tages begaben sich beide, heimlich von ihren Eltern, auf Wanderschaft. In Sachsen suchten sie eine Verwandte des V. auf, übernachteten hier, entwendeten siebzig Mark und kehrten nach Berlin zurüd. Nach Hause zu gehen fürchteten sie sich. Man mußte leben und Y. fand Mittel und Wege. Er eignete sich in einem Männerheim Papiere eines jungen Mannes an, mietete sich unter dessen Namen bei einer Bekannten ein und besta hl fie. Er entwendete bei zwei früheren Freunden die Fahrräder, indem er ihnen vorschwazte, er wolle eine fleine Probefahrt machen, betrog einen Bekannten um einige Mark und wurde schließlich mit seinem Freund perhaftet und ins Untersuchungsgefängnis gesteckt. Das war vor zweieinhalb Monaten. Das Schöffengericht verurteilte beide Zwanzigjährigen zu je acht Monaten Gefängnis. In der
Die Absicht dieses Richters, eines durchaus sympathischen Menschen, war bestimmt. gut. Er hätte aber das, was er über den Strafvollzug gesagt hat, nicht geäußert, menn er den Jugendstrafvollzug wirklich gefannt hätte. So ist ihm anscheinend nicht bekannt, daß die Angeklagten überhaupt nicht ins Jugendgefängnis Rottbus tommen, da sie nur noch meniger als sechs Monate zu verbüßen haben, und daß in Gefängnis in der Lehrter Straße , in dessen Jugendabteilung sie die Strafe verbüßen werden, von erzieherischen Einwirkungen vorläufig noch keine Rede fein fann. Die Bergehen der beiden Zwanzigjährigen, so schlimm fie auch an und für sich sein mögen, unterscheiden sich jedoch von der üblichen Kriminalität dadurch, daß ihre Opfer nur ihre Befannten waren. An fremdes Eigentum im eigentlichen Sinne wagten sie sich noch nicht heran. Das werden sie nun im Gefängnis lernen. So wäre es vielleicht richtig, ihnen in ganz furzer Zeit Bewährungsfrist zuzubilligen- besonders gilt das für X., nachdem die Jugendgerichtshilfe für sie durch Bermittlung der Eltern Unterkunft und vielleicht auch Arbeit gefunden haben wird.