Korruptionen! Die vergeßliche„Deutsche Tageszeitung4'. Das Blatt der Agrarier, die„Deutsche Tageszeitung", ist auf den im Zeitalter der Lahusen, Devaheim, Raiffeisen usw. wahrhaft klassischen Gedanken gekommen, den Volksentscheid mit dem Geschrei„Korruption" zu machen. Sie kommt dabei über die alten Ladenhüter Barmat, Kutisker und Sklarek nicht heraus, wobei übrigens zu bemerken ist, dah sogar die D e u t s ch n a t i o- n a l e n seinerzeit im Untersuchungsausschuß feststellen mußten, daß der Fall Kutisker mit Politik oder politischer Korruption nicht das mindeste zu tun hat, sondern einen ganz gewöhn- lichen Betrugsfall darstellt. Um so etwas wie eine L i st e zusammen zu bekommen, fügt dann die„Deutsche Tageszeitung" noch eine Anzahl Unterschlagungen bei Sparkassen bei, die auch gewöhnliche Kriminalfälle sind, und von denen nach unserer Kenntnis mindestens die Hälfte auf deutschnationale Kassenange st eilte und De- fraudanten fallen. Was die„Deutsche Tageszeitung" in chrer Liste an angeblicher Korruption in zwöls Iahren zusammenzählen kann, erreicht knapp den Betrag von 5l> Millionen Mark. Das heißt: es beträgt alles zusammen 20 Millionen Mark weniger als der einzige Totalverlust von 70 Millionen Mark, der durch die Mißwirtschaft der deutschnationalen Direktoren, Reichstagsvize- Präsident Dietrich und Landtagsabgcordnelcr Seelmann-Eggebert, bei der Raisseisenbank herbeigeführt worden ist. Obwohl die Raiffeisenlcute politisch und wirtschaftlich der„Deutschen Tageszeitung" besonders nahestehen, sucht man den Fall Raifseisen vergeblich in ihrer Liste. Natürlich hat sie auch die übrigen agrarischen Korruptionsfälle, so die nach Feststellung des Untersuchungsausschusses von den ihr besreundsten Landvolk- genossenschaften verpulverten 7 Millionen Mark, die Mil- lionen der Landbank und der O st b a n k vollkommen„vergessen". Und gemessen am Fall Lahusen. am Verlust der Rordwolle von 300 Millionen Mark beträgt die Gesamtiiste der„Deutschen Tageszeitung" gerade ein Sechstel hiervon. Wir sind gern bereit, der„Deutschen Tageszeitung" folgende Gegenrechnung der deutschnationalen Korruption nur aus den letzten Iahren aufzumachen, wobei wir den mehr voltsparteilichen St i nn es-Fall noch außer Ansatz lassen: Nordwolle-Lahusen.... 300 Millionen Mark Raiffeisenbank...... 70„„ Landvolkgenossenschaften. 7„„ Landbank, Ostbant usw.... 3„„ Devaheim(vorläufig)..... 10„„ 390 Millionen Mark Hätte die„Deutsche Tageszeitung" nicht besser getan, vor der eigenen Tür zu kehren?! Der Siahthelmer nahm... Gesinnung schuht nicht vor Defiziten. Sletlin, 8. August.(Eigenbericht.) Im Kreise Greisenhagen(Pommern ) ist man Unterschleisen eines strammen S t a h l h e l m m a n n e s auf die Spur ge> kommen. Der Kassierer Schröder der dortigen landwirtschaftlichen Kreisgenossenschast ist nach Feststellung eines Fehlbetrages von 9245 M. in der Genossenschaftekasse sofort seines Amtes enthoben worden. Er sitzt setzt in Untersuchungshost.
Der„�egierungspalast" in Wiesbaden . Llnwahre Behauptungen über den Regierungspräsidenten. Der Amtliche Preußische Pressedienst schreibt: Eine Reihe von Blättern bringt das folgende von den lokalen Ausschüssen für den Volksentscheid unterzeichnete Inserat, resp. Notiz: „Die neue Dienstwohnung des Regierungspräsidenten in Wies- baden, des sozialdemokratischen Ehrler, kostete 230 000 M. Der alte Vorkriegspräsidcnt wohnte in der 3. Etage des Regierungs- gebäudcs. Nur dies Beispiel von Berschwendung. Sic lag nie in„Preußens Sendung". Doch so ist die„Neue Zeit". Stopp sie ab beim Bolksentscheid!" Der Regierungspräsident in Wiesbaden hat diesen Blättern folgende Berichtigung auf Grund des Z 11 des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 zugehen lassen: „Es ist unwahr, daß der Regierungspräsident Ehrler in einem für 2-10 000 M. errichteten Dienstwohngebäude wognt. Er bewohnt vielmehr den 2. Stock eines Prioathauses in einer über- aus belebten Straße. Das Haus ist ein Reihenhaus, keine Villa. Ein Dicnstwohngebäude für den Regierungspräsidenten gibt es in Wiesbaden überhaupt nicht. Es befindet sich auch kein solches in Bau. Der„alte Vorkriegspräsident" bewohnte nicht nur die 3. Etage des Regierungsgebäudes, sondern auch die meisten und größten Zimmer der 2. Etage. Er war, was Zahl und Größe der Räume angeht, bedeutend besser untergebracht als der jetzige Regierungspräsident."
Arzttragödie.
Die eigene Frau unter den Händen verblutet. Weimar , 8. August. (Eigenbericht.) Vor einigen Tagen verschied die Ehefrau des praktischen Arztes Dr. S t r e i t b e r g e r in Sitzendorf auf mysteriöse Weise. Die 27 Jahre alte Frau wurde am Morgen des 4. August in ihrem Schlafzimmer tot aufgefunden. Ihr Ehemann war nirgends auf- zufinden. Im Kraftwagen entsandte Beamte der Londeskriminal- polizei nahmen mit der örtlichen Gendarmerie sofort den Tatbestand auf. Da äußere Gewaltanwendung nicht festzustellen war und An- zeichen für eine Krankheit auch nicht vorlagen, wurde zunächst Tötung durch Bergifhing angenommen. Die weiteren Erörterungen und die vorgenommene Sektion durch die zuständigen Gerichtsärzte haben ergeben, daß der Tcd durch einen verbotenen Eingriff, den der Arzt an seiner schwangeren Ehefrau vorgenommen hatte, ein- getreten ist. Dr. Streitberger hat seine Wohnung gegen 3.30 Uhr morgens im eigenen Kraftwagen verlassen unter Mitnahme einer Wäsche- leine in der Absicht, sichln Berggrundstück seiner Eltern in Saal- feld zu erhängen. Sein Vorhaben hat er jedoch nicht ausgeführt, sondern er ließ den Kraftwagen auf dem Grundstück stehen und ist zu Fuß nach der Aumühle bei Volkmannedorf gegangen. Dort ist er noch im Laufe des 4. August gegen 16 Uhr festgenommen worden. Dr. Streitmann hat die Tat zugegeben, er ist daraufhin in das Kerjchtssejängnls nach Rudolltadt emgetlejett worden. � � ZjgSfaßad 5- A''t-**'•W
Die Volksbühnen— der anderen
Nichts als Pleiten und Versager
Tas neueste Heft der„B o l k s b ü h n e", der Zeitschrift für soziale Theaterpoliük und Kunstpflege, gibt eine lehrreiche Zu- samnienstellung, was aus den mit großem Tamtam und kühnsten Versprechungen ausgemachten Volksbühnen der Nazis und Kom- munisten geworden ist. Die Nationalsoziali st ische Volksbühne in Berlin soll nach Mitteilungen eines oppositionellen nationalsozialistischen Blattes zusammengebrochen sein. Ein besonderer Nekrolog erübrigt sich, weil der Verstorbene ein sehr unrühmliches Leben geführt und schon im frühesten Kindesalter das Zeitliche gesegnet hat. Aber ein paar Anmerkungen sind doch nicht zu umgehen. Die NS. -Volksbühne war der Versuchsballon für die Schaffung einer neuen Volksbühnenbewegung, die sich über das ganze Reich erstrecken sollte. Die Berliner Gründung war so ge- dacht, dah zunächst in der Reichshauptstadt die Mutterzelle sich ent- falten, Berlin erobern und gleichzeitig Auftrieb nach außen geben sollte. Die NS. -Volksbühne brachte in Berlin mit einer eignen Truppe eigene Inszenierungen heraus. Die Berliner Besucher reichten gerade aus, um an vier oder fünf Abenden pro Monat die Vorstellungen zu füllen. Die restlichen Abends sollten und wollten in der Provinz untergebracht werden, so lange, bis das Berliner Ensemble am Ort selbst täglich spielen konnte. Dieser Fall ist nicht eingetreten, und es besteht jetzt nach dem Fiasko der gesamten Ein- richtung auch keinerlei Hoffnung mehr, als ob im nächsten Winter ein Wiederaufbau möglich würde. Man hat sich die Sache etwas zu leicht vorgestellt. Zunächst ist es, rein objektiv gesehen, in Berlin wirtlich kein spaßiges Unter- fangen, eine Bühne neu ins Leben zu rufen. Und die„rauhen Kämpfer" der NSDAP , mögen wohl für die Theatralik einer Sportpalast-Versammlung, nicht ganz so selbstverständlich aber für einen Theaterabend oder gar für eine ganze Serie solcher Abende zu gewinnen sein. Hinzu kommt als zweites, daß für die NS. - Volksbühne weder das ideelle Fundament noch das künstlerische Material vorhanden war. Ein reines Partcitheater ist nun einmal ein Ding der Unmöglichkeit, und das heute erst recht. So etwas lassen sich selbst verbissene Parteigänger ein paarmal, nicht ober aus die Dauer gefallen. Und schließlich: Was sollte die NS.-Volks- bühne denn auch spielen? Es gab da etliche gesinnungstüchtige Werkchen, wohl auch hin und wieder einige Qualität: aber damit läßt sich ein neues Unternehmen künstlerisch niemals finanzieren. Herr Goebbels selbst hatte ein Stück geschrieben und gedroht, daß
weitere folgen würden. Es ist nicht mehr so weit gekommen. Die NS. -Volksbühne. wenn sie nicht finanziell zerborsten wäre— sie wäre künstlerisch wahrscheinlich sehr bald verhungert. Inzwischen oersucht sich der„Kampfbund für Deutsche Kultur " in München in einer mehr theoretischen Behandlung des Themas vom neuen deutschen Volkstheater. Er untersucht dramaturgische und andere Fragen und wird wohl so etwas wie ein oberstes künstlerisches Partcigericht in theatralischen Dingen schaffen. Auch dieser Versuch, dessen Erfolge zwar erst abgewartet werden müssen, wird von vornherein zur Ergebnislosigkest verurteilt bleiben. Man kann ein neues Theater nicht in die Welt setzen ohne geistige Not- wendigteit— genau so, wie das„alte" Theater nicht einfach durch Dialektik und Diskussion in seinen Grundfesten zu erschüttern ist.
Was hier über die NS. -Volksbühne gesagt wurde, gilt ohne Einschränkung für die kommunistische„Junge Bolks- bühne" in Berlin . Sie sollte nach chrer Gründung vor bald einem Jahr in Anlehnung an die P i s c a t o r- B ü h n e eine reue Aera im Theater, die proletarische Kampfbühne, bringen. Das revolutio- näre Proletariat sollte in hellen Haufen in diesen Kunsttempel stürmen und der„alten" Volksbühne zeigen, was eine Harke ist. Das revolutionäre Proletariat hat das nicht getan, sondern es ist fein stille zu Haufe geblieben, weil die proletarische Kampfbühne vermutlich auch nicht mehr an Theater versprach als ein Zahlabend oder eine der täglichen Demonstrationen. Die Pisccator-Bühne hätte verhungern müssen, wenn sie sich allein auf die„Junge Volksbühne" verlassen hätte.(Wahrscheinlich tut sie das ohnehin: ihr Chef leitet in Moskau ein Theater, und die Berliner Truppe ist im Augenblick Heimat- und führerlos). Die„Junge Volksbühne" bat es trotz ungeheurer Anstrengungen auf nicht mehr als 3000 Mitglieder gebracht, von denen wiederum ein Teil nur auf dem Papier vor- Händen war. Und das trotz des gigantischen Kampfes gegen die Berliner Volksbühne, trotz der Unterstützung durch den größeren Teil der Berliner Presse, trotz vieler Ausrufe und Werbeveranstal- tungen! Es fehlte auch hier die Substanz: die organisatorische, die idcel'c, die künstlerische. Diese beiden Experimente waren votwendig. Sie haben eine Diskusürn, die lange genug vollkomme» unfruchtbar geführt worden war, mit einem Male entschieden. Man wird daraus manche Schlußsolgerungen ableiten müssen.
Samoilowiisch über die Arktissahri. Der kleine, rundliche, freundliche Mann mit der polierten Tatarenkuppel, der der wissenschaftliche Leiter der Zeppelinfahrt in die nordischen Regionen war. Prof. Samoilowitsch. plaudert im B a ch s a a l über die Fahrt und ihre Ergebnisse mit einer vorbild- lichen Nonchalance. Er kennt offenbar die Schwäche der Deutschen für Vortragende, die mit ihrer Sprache jonglieren.(Marc Henry , der Conferencier der 11 Scharfrichter, verlor ollen Charme, wenn er korrektes Deutsch sprach, und es war ihm daher direkt oerboten.) Prof. Samoilowitsch macht seinen Mangel auch nicht etwa durch ein sorg- fältig präpariertes Manuskript weit. Ein Mann mit soviel arktischer Erfahrung geht frisch und fröhlich jeder Gefahr entgegen: ee wird schon gehen. Und es geht! Er kann uns natürlich nicht viel Neues mehr sagen. Aber e» ist alles aus erster Hand und mit dem ganzen Reiz der Unmittelbarkeit (sozusagen naturburschig). Die Polarsorschung— das ist der Eindruck— ist industrialisiert. Wozu man früher Monate und Jahre braucht«, mit Schiffsexpeditionen und Hundeschlitten und Ueber- wintern, das macht man jetzt mit Hilfe des Luftschisses in einigen Tagen. Die kartographischen Aufnahmen, die automatisch erfolgen, sind dabei genauer und zuverlässiger als die früheren. Trotz der Kürze der Zeit 13 000 Kilometer in 110 Stunden— ♦ sind außerordentlich viele wissenschaftliche Beobachtungen vorgenommen worden. Es wird vieler Monate bedürfen, um sie zu verarbeiten. Klingt es nicht wie ein Wunder, wenn Versuchsballons, die nach ihrem Er- sinder M o l t s ch a n o w benannten Regjstrierapparate aus 7 bis 12 Kilometer Höhe mittels Radio ihre Resultate mitteilen? Nächstes Mal wird man vielleicht schon eine automatische Expedition mit einem unbemannten Boot probieren können, das der Eisdrift überlassen radiotelegraphisch seine Wetterbeobachtungen meldet. Jules Berne ist längst übertrofsen! Man erfuhr mancherlei interessante Einzelheiten. Samoilowitsch sah nach Iahren seinen Assistenten Iwanow bei der Landung auf Frauz-Iosess-Land wieder: ober da das Treibeis den Zeppelin ge- fährdete, ging es schon nach 15 Minuten weiter. Wer weiß, auf wie lange die kleine Forscherschar dort jetzt keinen neuen Menschen wieder sieht. Die Pakete und Briefe, die man für eine andere Station an Bord hatte, konnte man nicht landen, weil man sie im Nebel nicht fand. Dos zum Schluß gezeigte Bildmaterial ergänzte den Vortrag aufs glücklichste. Geographisch ist viel Neue» entdeckt worden: aber olles ist eisig und öde: Treibeis. Packeis, Binneneis, Gletscher, die ins Meer stürzen, vergletscherte Berge von 1000. Meter und mehr Höhe. Die Russen wissen den wissenschaftlichen Wert dieser Expe- dition zu würdigen: sie haben nicht umsonst 20 000 Dollar dafür aus- gegeben(was billig genug ist). Die meteorologische Erforschung des hohen Nordens wird für unsere ganze Welterforschung von größter Bedeutung sein und die notwendigen Vorarbeiten für eine künftige Luftschiffsverkehrsroute über den Pol liefern. Dos nächste Jahr wird ein Polarforschungsjahr. Die Russen wollen sich daran mit Eisbrechern, die Flugzeuge ausschicken werden. beteiligen. Prof. Samoilowitsch soll uns willkommen sein, wenn er darüber wieder so nett— hoffentlich wieder in einer Veranstaltung der„U r a n i a"— berichtet. D. Beuischwnds größte Geeschleuse. Die Entwicklung des Weltverkehrs hat in den verschiedenen europäischen Häfen nach dem Krieg große Erweiterungsbauten not- wendig gemacht. Auch Deutschland ist, allen Schwierigkeiten zum Trotz, die sich dem Wiederausbau entgegensetzten, nicht zurück- geblieben. Bremerhaven hat in den letzten Iahren eine Reihe gewaltiger AnkoZen geschaffen. Die 100 Meter lange C o l u m b u s- k a j e mit dem„Bahnhof am Meer" hat sich für die schnelle, reibungslose Abwicklung der großen Passagierdampfer vorzüglich bewährt. In diesem Monat wird die Rordschleuse, das gewalligste Bauwerk deutscher Häfen, dem Betrieb übergeben. Seit mehreren Iahren schon baggern, pumpen, rammen und bauen tausend Men- lchen mit den modernsten Geräten der Tiefbautcchnik auf dem Hafengelände Bremerbavens. Auf einem dem Meer abgerungenen Boden läßt Bremen Deutschlands größte Seeschleuse erstehen. Die g««Me HtaMu»g der SHiKsKröben macht«Weitete. Zugäsge
zu den Höfen und Dockanlagen notwendig. Die vielgenannten Schleusen des Panamakanals, die Londoner Tilbury-Docks werden in ihren Ausmoßen durch das Bauwerk an der nordwestdeutschen Waterkante übertrossen. Rur die kürzlich vollendete Schleuse in Pmuiden, am Nordfeeausgang des Seekanals von Amsterdam , zeigt in der Kammerlänge und in der Einfahrtbreite größer« Maße, während in der Gesamtgröße der Kammer die Nordschleuse an erster Stelle steht. Die Kammer der Nordschleuse zeigt hier, so schreibt die„Um- schau", eine Länge von 372 Meter und eine Breite von 60 Meter. An den beiden Enden der Kammer erwuchsen aus der Tiefe die riesigen Torhäupter, das Außen- und das Innenhaupt, zwischen denen sich die Schiebetore bewegen werden. Tagaus, tagein ergoß sich der Strom der flüssigen Betonmasse zwischen das eiserne Gerüst- werk. Ueber ein Jahr lang wurde allein gearbeitet, um diesen Betonmassen das Fundament im nachgiebigen Schlick zu verschaffen. 25 000 Pfähle bis zu 25 Meter Länge mußten gerammt werden: das ist ein Wald von 100 Morgen. Erst auf diesen, bis in die tragfähige Sandschicht getriebenen Stelzen konnten die Kaimauern des Vorhafens, die Torkammern und die Schleusenwände errichtet werden. Heute sind die Riesenbauten, die gleich Wolkenkratzern aus dem Schlickboden hervorragten, in die Tiefe versunken: die Erd- aufschüttungen und die Wassereinlässe verbergen dem Auge die gewaltigen Fundierungen und die gigantischen Betomnassen. Um welche Arbeitsleistung es sich bei dem Vau handelt, zeigt folgende Berechnung: allein für die Hcranschaffung der Baustoffe und für die Bodenbewegung waren 5788 Güterzüge notwendig.
Weizen gegen Anzüge. In den Vereinigten Staaten hat man zwar noch keine Rot» Verordnungen über den Zahlungsmittelverkehr erlassen: dafür ist man zur Lösimg der Schwierigkeiten, die das klassische Land des Kapitalismus heimgesucht haben, im Handel zu ganz ungewohnten und für längst überwunden gehaltenen Formen übergegangen. In den mittleren und südwestlichen Staaten der Union steht der Tausch- Handel zwischen Stadt und Land in vollster Blüte. Die schwere Krise, die in einigen Gegenden durch Dürre und Mißwuchs, in anderen wieder durch Ueberfluß an Getreide entstanden war, hat eine für die Farmer unerwartete Lösung gefunden: in Anbetracht des Mangels an Bargeld fanden sich die Städte bereit, Weizen im Aus- tausch gegen Waren aller Art, Kleider, Nahrungsmittel, Automobile usw. anzunehmen. In den Städten der getreideproduzierenden Staaten sieht man heute schon unzählige Garagen, die in Getreide- spcicher umgewandelt sind. In vielen Städten und Ortschaften kann man beobachten, wie die Frauen der Farmer mit Lastautos, die mit Getreidesäcken beladen sind, vor den Geschäften halt machen und gegen einen Aufschlag von 10 Prozent auf die Marktpreise das Ge- treide im Austausch gegen Kleider und Stoffe verkaufen. Dank diesem weitverbreiteten Zahlungssystem sind die Farmer an vielen Orten vor dem völligen Ruin bewahrt geblieben. Sie hoffen, auf diese Weise bis zum Jahre 1932 durchhalten zu können.
Kolgen der Bewährungsfrist. Im Laufe der letzten beiden Mcnschenalter ist die Kriminalität in England stark zurückgegangen: der Zustrom in die Gefängnisse hat demgemäß abgenommen. Diese erfreuliche Entwicklung ist aus die Hebung der allgemeinen Lebensoerhältnisse und auf die Erziehungs- einflüsse zurückzuführen. Freilich würden diese beiden Ursachen nicht ausreichen, um einen so auffälligen Wandel zu erklären. Bor 50 Iahren verschwanden von 10 000 Engländern 600 jährlich hinter Gefängnismauern. Im Jahre 1914 waren es nur noch 370. heute sind es nur noch 120. Es steht außer Zweifel, daß dieser Erfolg größtenteils auf das Gesetz des Jahres 1907 zurückzuführen ist, das Strafaufschub und Bewährungsfrist vorsieht. Der englische Jurist Robert Wallace war einer der ersten, der in der Oeffentlichkeit dafür Verständnis erweckte, daß man einem Rechtsbrecher, der zum ersten- mal mit den Gesetzen"!» Konflikt geraten ist, eine Möglichkeit geben muh, auf den rechten Weg zurückzufinden. Das Gefängnis ist fast in allen Fallen das sicherste Mittel, einen Menschen, der einmal gc> strauchelt ist, in einen hartgejofteven Verbrecher zu verwandeln.