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Nr. 143.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt. pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Desterreich­Ungarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt. pr. Monat. Eingetr. in der Post Beitungs- Preisliste für 1896 unter Nr. 7277.

Vorwärts

13. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 fg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet.

Eernsprecher: Amt 1, Nr. 1508 Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sonntag, den 21. Juni 1896.

Bum Bürgerlichen Gelehbuch. versammlung, Krankheit verhindert ist. Die Abänderungen, welche die Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch dem Entwurf gegenüber vorgenommen hat, bestehen im wesentlichen in folgendem:

Jm privatrechtlichen Vereinsrecht ist das Auflösungsrecht, das der Entwurf einschmuggeln wollte, gestrichen; im übrigen sind ja unsern Lesern die für die Arbeiterklasse trotz ihres rückschrittlichen Juhalts gleich giltigen Beschlüsse der Kommission aus den Verhandlungen bekannt.

Das Prinzip der Vertragsfreiheit hat zunächst im allgemeinen Theil eine erhebliche Einschränkung erlitten. Es ist zu§ 134 folgender zweiter Absatz beschlossen:

" Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das Jemand unter Ausbeutung der Nothlage, des Leichtsinns oder der Un­erfahrenheit eines Anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Bermögensvortheile versprechen oder gewähren läßt, welche den Werth der Leistung dergestalt übersteigen, daß den Umständen nach die Bermögensvortheile in auffälligem Miß­verhältnisse zu der Leistung stehen."

Diese Bestimmung läßt sich anwenden, um statt eines jammervollen Arbeitslohnes wenigstens den ortsüblichen Lohn zuzusprechen. Selbstverständlich sind die Freifinnigen lebhafte Gegner dieser Bestimmungen; ihnen sekundirt der mecklenburgische Großgrundbesitz.

Die Vertragsfreiheit ist auf dem Gebiete des Miethsrechts insoweit eingeschränkt, daß Verträge nichtig sein sollen, durch welche sich jemand verpflichtet, auch dann einen Miethsvertrag nicht aufheben zu dürfen, wenn bie Wohnung, der Laden, die Wertstätte u. s. w. die Ge­sundheit gefährden. Unsere Genossen haben weitergehende Anträge auf diesem Gebiete vergeblich gestellt.

Nun hat die Kommission beschlossen, daß Mätler Löhne, z. B. für Beschaffung von Arbeitsgelegenheit für Kellnerinnen, Gesinde u. f. w. durch Urtheil auf einen an gemessenen Betrag herabgesetzt werden können. Demselben Gebiete gehört das von der Kommission beschlossene Ver­bot der Klagbarkeit eines Versprechens an, das für die Ausbietung ehelichen oder außerehelichen Menschenfleisch­.genusses abgegeben ist.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Beit ohne sein Verschulden, z. B. durch Kontroll-! Bu gunsten der Frau hat die Kommission das Recht des Ehemannes nicht bestätigt, nach welchem der Ehemann Neu ist auch die Bestimmung, daß dem Arbeitnehmer jedes Arbeits- und Dienstverhältniß sollte auflösen tönnen, nach Kündigung eine angemessene Zeit zum das seine Frau eingegangen ist. Aufsuchen von Arbeitsgelegenheit gegeben Auf dem Gebiete des Ehegüterrechts hat sich werden muß. Zu gunsten des Gesindes ist folgendes die Kommission zur Einführung des getrennten Ehegüter­beschlossen: rechts nicht aufgeschwungen; aber sie hat in Besserung des Zunächst soll das Büchtigungsrecht auf bestehenden Rechts als Alleineigenthum der Frau, das der foll bas gehoben werden. Ferner soll durch den nachfolgenden Mann nicht zu verwalten hat, festgesetzt: das, was die Frau § 609 a, der an sich mangelhaft ist, eine reichsgeset durch ihre Arbeit oder durch den Betrieb eines Erwerbs­fiche Krankenversicherung des Gesindes angeschäftes erwirbt und die zum persönlichen Gebrauche der gebahnt werden: Frau bestimmten Sachen und Arbeitsgeräthe.

" Ift bei einem dauernden Dienstverhältnisse, welches die Die elterliche Gewalt hat die Kommission leider Erwerbsthätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich nur in sehr beschränkter Weise auch der Mutter zugestanden. in Anspruch nimmt, der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hatte der Dienstberechtigte ihm im Falle der Dem unehelichen Kinde soll nach den Beschlüssen Erkrankung die erforderliche Verpflegung und ärztliche Be- der Kommission der Vater Alimente bis zum 16. Lebens­handlung bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über jahre zahlen. Auch soll die Mutter bereits vor der sofern nicht die Erkrankung von dem Verpflichteten vorfäßlich Monate flagen tönnen. die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, zu gewähren, Entbindung auf Hinterlegung von Alimenten für drei oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt worden ist. Die Verpflegung und ärztliche Behandlung fann durch Aufnahme des Preußen der Verführer dem von ihm erzeugten außerehelichen Sämmtliche Einwendungen, welche im junkerlichen Verpflichteten in eine Krantenanstalt gewährt werden. Die Stoften tönnen auf die für die Zeit der Erkrankung ge- Rinde gegenüber erheben kann, sind bis auf eine beseitigt. schuldete Vergütung angerechnet werden. Wird das Dienst. Diese eine Einwendung besteht darin, daß, wenn mehrere verhältniß wegen der Erkrankung von dem Dienstberechtigten nach Männer in der kritischen Zeit der Mutter beigeschlafen § 617 gekündigt, so bleibt die dadurch herbeigeführte Beendigung haben, auch das Kind seine Rechte verlieren soll. Na­des Dienstverhältnisses außer betracht. türlich haben unsere Vertreter gegen diese Ungerechtigkeit Stellung genommen, doch bisher vergeblich.

für die Verpflegung und ärztliche Behandlung durch eine Ver­Die Verpflichtung des Dienstberechtigten tritt nicht ein, wenn ficherung oder durch eine Einrichtung der öffentlichen Kranken­pflege Vorsorge getroffen ist."

Auch folgende Bestimmung ist ein Fortschritt auf dem Gebiete des Gesinberechts:

Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Ge­räthschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen bat, so einzurichten und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung so zu regeln, daß der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und es geftattet.

Ueber die Eheschließung und Ehescheidung läßt sich kurz sagen, daß das katholische Cherecht mit geringen Ausnahmen durchgedrungen ist und dadurch die Ehescheidung erschwert ist.

Schließlich mögen die Resolutionen wörtlich an geführt werden, die die Kommission beschlossen hat: Der Reichstag wolle beschließen:

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I. es werbe die Erwartung ausgesprochen, daß in der gleich zur Zivilprozeß Ordnung folgende Borschriften aufgenommen seitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in traft tretenden Novelle

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1. im§ 621: Die von dem zu Entmündigenden an­gebotenen Gegenbeweise sind zu erheben; zu dem Antrag auf Entmündigung wegen Trunksucht ist die Staatsanwalt­schaft nicht befugt; II. den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei dieser Novelle welchen zur Zivilprozeß- Ordnung Vorschriften in Erwägung zu nehmen, 1. eine schleunigere Beitreibung des ver­dienten Arbeitslobnes ermöglicht wird; 2. in einem auf Räumung einer Wohnung lautenden Urtheil eine angemessene Frist zur Räumung werden muß;

nach

werden: Ist der Verpflichtete in die häusliche Gemeinschaft auf­genommen, so hat der Dienstberechtigte in Ansehung des Wohn und Schlafraumes, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu Der gesetzliche Binsfuß ist von der Kommission treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit auf 4 pCt.( bisher 5-6 pCt.) herabgesetzt worden. Die und die Religion des Verpflichteten erforderlich sind. beiden gegen die persönliche Freiheit der Arbeiterklasse ge- und der Gesundheit des Verpflichteten obliegenden Verpflichtungen Erfüllt der Dienstberechtigte die ihm in Ansehung des Lebens richteten Bestimmungen- Möglichkeit der Einsperrung bei nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatze die Etreits und Lebenslänglichkeit eines Arbeitsverhältnisses- für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der§§ 826-830 find von der Kommission gestrichen. entsprechende Anwendung." Auf dem Gebiete des Wildschadens hat die Kom­mission die von uns schon besprochenen Verbesserungen Der Arbeitnehmer, und zwar auch der Akkordarbeiter, dem Entwurf gegenüber angenommen. Die Konservativen, soll seines Anspruchs auf Vergütung nicht verlustig Jagdliebhaber von Geburt und Stellung, laufen gegen diese gehen, wenn er für eine verhältnißmäßig nicht erhebliche Bestimmungen Sturm.

Aus dem Gebiete des Arbeitsvertrages heben wir ferner folgende Bestimmungen hervor:

1]

Rienzi.

Der letzte der römischen Volkstribunen. Roman von Edward Lytton Bulwer. *) Erstes Buch: Zeit, Ort, Menschen. Erstes Kapitel: Die Brüder.

An einem Sonnabend in der ersten Hälfte des vier­zehnten Jahrhunderts wandelten zwei Jünglinge am Ufer des Tiber entlang, nicht weit von jenem Theil deffelben, der den Fuß des aventinischen Berges bespült.

gewährt

3. der Kreis der unpfändbaren Sachen er­weitert, mindestens auf alle für den Gre werb oder Beruf des Schuldners uns

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gebieterischer Gestalt, und in seiner Erscheinung lag auf mich, als ob ich ihnen schöne Dinge aus einem Buche etwas Ausgezeichnetes und Edles trok der Einfach sagte, und meine geliebte Mutter, der Himmel möge fie heit seiner Kleidung, die aus einem langen Mantel segnen! wischt sich die Augen und sagt: Horch, wie gelehrt aus bestand und einer Tunika, welche beide aus er ist! Wenn ich von meinem Livius aufblicke und rufe: dunkelgrauem Zwillich hergestellt waren. Es war das die Noch einmal sollte Rom frei werden! so staunen die Kleidung jener Klosterschüler, welche damals jahrelangen Mönche, gaffen und runzeln die Stirn, als ob ich eine Fleiß anwenden mußten, um für angestrengte Arbeit mit Reßerei ausgesprochen hätte. Du aber, geliebter Bruder, recht ungenügenden Kenntnissen belohnt zu werden. Des sympathisirst, wenn Du auch meine Gedanken nicht Jünglings Züge waren schön und würden mehr den Aus- theilst, so mit allen ihren Dit ihren Erzeugnissen druck der Heiterfeit als des Nachdenkens getragen haben, scheinst meine wilden Pläne zu billigen, meine ehr­wenn dieser Ausdruck nicht verändert worden wäre geizigen Hoffnungen zu ermuthigen daß ich bisweilen Der Fußpfad, den sie gewählt hatten, war abgelegen durch jene schwärmerische Träumerei der Augen, die unsere Geburt, unsere Vermögensumstände vergesse und und menschenleer. In einiger Entfernung erblickte man am gewöhnlich eine Neigung zur stillen Betrachtung bekundet von so kühnen Gedanken ergriffen werde, als ob das Blut Ufer des Flusses zerstreut liegende und unansehnliche Häuser, und andeutet, daß die Vergangenheit oder Zukunft dem des teutonischen Kaisers in unseren Adern flösse." unter denen sich hohe Dächer und gewaltige Thürme er Geist mehr zusage, als der Genuß und das Handeln in der Es scheint mir, lieber Cola," sagte der jüngere Bruder, daß die Natur uns einen bösen Streich gespielt hat. hoben, welche die befestigten Schlösser des römischen Adels Gegenwart. erkennen ließen. An der einen Seite des Flusses stieg Der Jüngere hatte in seiner Erscheinung oder seinem Auf Dich verpflanzte sie den königlichen Geist, den wir, hinter den Fischerhütten der mit dichtem Gebüsch be- Benehmen nichts Bemerkenswerthes, man müßte denn den wenn auch auf dunklen Wegen, von unserem Vater erbten, tleidete Berg Janiculus empor, von welchem die grauen Ausdruck großer Sanftmuth und Freundlichkeit so nennen; und auf mich nur das ruhige, duldende Gemüth des wenig Mauern manches mit Thürmen mit Thürmen versehenen Palastes und es lag fast etwas Weibliches in der zärtlichen Ergeben- angesehenen Standes meiner Mutter." und die Thurmspißen und Säulen vieler Kirchen heit, mit der er seinem Gefährten zuzuhören schien. Seine herabschauten. Auf der anderen Seite sah man den Kleidung war die der unteren Volksklassen, wenn auch viel steilen Aventin, von dessen Spize aus zahlreichen meist in leicht etwas zierlicher und neuer; und die liebevolle Eitel­Bäumen versteckten Klöstern der harmonische Klang der feit einer Mutter ließ sich in der Sorgfalt entdecken, mit Glocken über die stille Landschaft, und die plätschernden welcher die langen und reichen Locken, die unter seiner Wogen herüberbrang. Müze hervordrangen und auf die Schultern herabrollten, geordnet und auf der Stirn gescheitelt waren. Während sie so an dem flüsternden Schilf des Ufers Ich werde es erleben, Dich als berühmten Mann zu einher gingen, jeder den Gefährten mit dem Arm umschlin- sehen, und das wird mir genügen," jagte der Jüngere freund­gend, sprach soviel Anmuth und Gefühl aus den Brüdern- lich lächelnd. Jedermann hält Dich schon für einen großen das waren sie nämlich welche die Niedrigkeit ihres Gelehrten: unsere Mutter weissagt Dir immer Glück, wenn scheinbaren Standes bedeutend erhöhten. oste hört, wie gütig Du bei den Colonnas aufgenommen Geliebter Bruder", sagte der ältere, ich kann Dir wirst." nicht sagen, wie sehr diese Abendstunden mich beglücken." Die Colonnas," sagt Rienzi mit bitterem Lächeln, Ich fühle, daß Du allein mich nicht für einen Schwärmer die Colonnas- die Pedanten! Die albernen Menschen und Träumer hältst, wenn ich von der dunklen Zukunft rede rühmen sich, die Geschichte Noms zu kennen, sie spielen die Red. des V.". und meine Luftschlösser baue. Unsere Eltern hören Gönner und zitiren über ihren Bechern falsche Stellen aus

Von den beiden jungen Männern war der ältere, der sein zwanzigstes Jahr zurückgelegt hatte, von hoher, selbst

) Rienzi, der letzte der römischen Boltstribunen, von dem berühmten englischen Romanschriftsteller Bulwer , behandelt eine der interessantesten Episoden des Mittelalters. Eine vollständige Uebersehung des Romans, der für einen der besten Bulwer's gilt, würde heute vielleicht nicht ganz zeitgemäß sein; wir haben des halb für den Vorwärts" eine Bearbeitung veranstaltet, welche die Schönheiten des Werkes zur Geltung bringt und von der wir boffen, daß sie den Beifall unserer Leser finden wird.

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Nein," erwiderte Cola schnell, Dir wäre dann das glänzendere Loos geworden denn auf mich wäre der barbarische, auf Dich der römische Ursprung übertragen. Es war eine Beit, in der es für edler galt, ein römischer Bürger als ein nordischer König zu sein. Doch wir wir ab werden großes erleben, gleichviel von wem stammen."