Terror der Schwerindustrie. Der Langnam'Verein gegen den preußischen Staat. Die Zentrumsfraktion des Preußischen Land» ioges hat folgende Große Anfrage eingebracht: „Aus Anlaß der Agitation für den Volksentscheid ist von Zechenverwaltungen des Ruhrgebiets ein u n- moralischer Druck auf die Arbeiter und Ange» stellten ausgeübt worden. Die Angestellten wurden beauf- tragt, die Arbeiter nach chrer Einstellung zum Volksentscheid aus- zuhorchen und auf dieselben einzuwirken, ihre Stimme für den Volksentscheid abzugeben. Die Grubenbeamten erhielten den Auf- trag, die Namen der Bergarbeiter zu notieren, die sich abfällig zum Volksentscheid äußerten. In einer Auflage von über V* Million Exemplaren wurde von den Grubenbeamten eine illustrierte Schrift an die Bergarbeiter verteilt. Die Beamten mußten Liste über die Empfänger der Schrift führen. Diese Schrift wurde im Auf- trag des„Langnamvereins" hergestellt und stellt eine demagogische Hetze gegen den Staat, die Sozialpolitik und die Ge- werkschaften dar, um die Bergarbeiter für den Volksentscheid zu beeinflussen. In den„Zechenzeitungen", die den Bergarbeitern ausgezwungen werden, wurden die Gegner des Volksentscheids als unnationale Elemente hingestellt, die keine Besserung der heutigen Wirtschaftslage wollten. Auch auf die untergeordneten Be- a m t e n wurde ein starker Terror ausgeübt. Es wurde ihnen er- klärt:„Wer nicht für den Voltsentscheid ist, den können wir im Betrieb nicht mehr gebrauchen." In Datteln saßen am Wahltage Grubenleute in den Wahl- lokalen und führten Liste über die an der Abstimmung teilnehmen- den Belegschaftsmitglieder. Wir fragen deshalb das Staatsministe- rium: 1. Sind ihm diese Dinge bekannt? 2. Was gedenkt da» Staatsministerium zu tun, um zu verhindern, daß die Großindu- strie bei politischen Wahlen wieder einen solchen Terror ausübt, wie er vor 30 Jahren im Ruhrgebiet allgemein üblich war?
Abstimmungen inThüringerGemeinden Tldzi-Pleite in Schwarza , Nazi-Rückgang in Breitungen Weimar, 3. September. (Eigenbericht.) In Schwarza in Thüringen fand ein Gemeindeentscheid über die Auflösung des Gemeinderats statt. Er wurde von Haken- kreuzlern und Kommunisten gemeinsam betrieben, die eine völlige Pleste erlebten. Von 1530 Wählern hatten sich am Gemeinde- begehren 634 beteiligt. Am Gemeindeentscheid nahmen nur 5 88 Wähler teil und davon stimmten noch 84 mit Rein. In Breitungen (Werra ) wurde der Gemeinderat neu gewählt. Die Wahl hatte folgendes Ergebnis: Nationalsozialisten 367 Stimmen(4 Sitze), Nationale Arbeiter- und Angestelltenliste 305 Stimmen(3), Landbund 151 Stimmen(1) und Sozial- demokraten 304 Stimmen(3). Ein Vergleich mit der letzten Reichstagswahl'am 14. September vorigen Jahres ergibt, daß die Nationalsozialisten einen wesentlichen Stimmenrückgang zu oerzeichnen haben. Bei der Reichstagswahl erhiesten sie 548 Stimmen, und unter Hinzu- rcchnung der Großdeutschen Liste Schmalix 600 Stimmen. Die Sozialdemokraten hatten am 14. September 256 Stimmen. Ihr Stimmenzuwachs dürfte darauf zurückzuführen sein, daß ein Teil der Kommunisten, die keine eigene Liste ausgestellt hatten, für die Liste der SPD. stimmten. Listenverbindung war nur die Nationale Arbester- und Angestelltenlistr und der Landbund eingegangen.
Oer Prozeß Motilin. Warum de Broucköre geschwiegen hat. Brüssel , 3. September. lEigenberirht.) Ter sozialdemokratisch« Senator de Brouckere hat dem Prozeß gegen Monlin vor dem faschistischen Sonder- gericht in Rom als Vertreter des Brüsseler „Peuple " beigewohnt. Te Brouckere hat seinem Blatt keine Berichte über die beiden Verhandlungstage aus Rom geschickt. Erst heute, nachdem er Italien wieder verlassen hat, tele- praphiert er aus Lugano den Grund seines bisherigen Stillschweigens sowie seine ersten Eindrücke vom Prozeß. Erst jetzt wqfde er frei sprechen können und auch die Gründe für das nach faschistischen Begriffen milde Urteil von zwei Jahren Zuchthaus aufdecken. In Rom , so führt de Brouckere aus, wollte man den belgischen Pressevertretern zu verstehen geben, daß sie durch ihre Zulassung Gäste der italienischen Regierung geworden seien und damit die Verpflichtung zur maßvollen Beurteilung des Gerichtsver- fahrens auf sich genommen hätten. Selbstverständlich Hot de Brouckere dieses Ansinnen energisch zurückgewiesen »nd sich vorbehalten, nichts zu oerschweigen. Die Zensur wurde in diskreter Weise. ausgeübt. Telephonische Verbindung mit dem Aus- lande wurde ohne weiteres erteilt, obschon die gleichzeitig im Tele- phon vorgenommene Uebersetzung des Textes durch den üb« r- wachenden Polizisten störend wirkte: ober die Pressever- ireter waren vorher darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Erlaubnis zum Telephonieren nur denen erteilt werden würde, die einen diskreten Gebrauch davon machen würden. De Brouckere konnte sich nicht dazu verstehen, derart eine verstümmelte Wahrheit zu oerbreiten und den Eindruck zu erwecken, als handelt« es sich um ein normales Gerichtsverfahren und Urteil, denn in Wirklichkeit lauerte hinter der äußeren Form die finstere Will- kür. De Brouckere war in diesem Prozeß fast der einzige, der nicht Faschist, noch in der Gewalt der Faschisten ist. Das angebliche Publikum bestand aus Polizeikreaturen. Selbst der Vater Moulins , der nach Rom gekommen war. durfte der Verhandlung nicht beiwohnen. De Brouckere verspricht, alles zu erzählen, was er gesehen, sowohl was man ihm zeigen wollte, als auch das, was man ihm zu verheimlichen versuchte.
Generalstreit in Barcelona . Vorspiel Gefängnismeuterei. Madrid , 3. September. (Eigenbericht.) In Barcelona ist ein syndikalistischer Generalstreik ausgebrochen. Verlangt wird sofortige Absetzung des Zivilgouverneurs und Frei- lassung der polstischen Gefangenen. Die Lage ist sehr e r n st. Präsident Maria hat sofort seinen Urlaub abgebrochen und kehrt nach Barcelona zurück. Ein wüster Skandal im Gefäng- n i» war der Austakt. Wahrend eines Besuche; des Zivil- gouverneurs zündeten politische Gefangene Matratzen an, verwüsteten die Bibliothek und die Kapelle und waren 20 Minuten lang Herr de; Gefängnisses. Durch Polizei, Guardia Clvil, Militär und Feuer- wehr wurde die Ordnung wiederhergestellt. Der Direktor des Ge- jänzpuHes wurde sofort«b g-e s e sft.
Auch ein Nachfolger Christi.
Christus nahm 5 Brote, segnete sie und gab Tausenden von hungrigen Menschen zu essen.
Pastor Cremer bekam 1 Million Mark für hungrige Sinder. Pastor Cremer kümmerte sich nicht um sie, sondern nahm das Geld und spekulierte damit.
Ein Blick ins Dritte Reich. Wie die Hakenkreuzler Parteibuchbeamte suchen.
Zwickau , 3. September. (Eigenbericht.) Der Unterbezirksleiter der Nazipartei in Zwickau hat an die Ortsgruppenleiter des Unterbezirks das folgende Rundschreiben ver- schickt: NSDAP. , Unterbezirk Zwickau. Zwickau , den 7. August 1931. Sehr wichtig. Hauptmarkt 5, Ruf 6302. An alle Ortsgruppenleiter des Unterbezirks Zwickau . Werter Parteigenosse! Sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Lag« in Deutsch - land hat sich hauptsächlich in den letzten Wochen dermaßen zuge- spitzt, daß binnen kurzem mit demSturz desheutigen Systems gerechnet werden muß. Es muß nun unsere Hauptausgabe sein, im Falle der Ueber- nähme der Regierungsgewalt durch unsere Bewegung all« Be- Hörden sofort mit vertrauenswürdigen Beamten zu besetzen und alle Gegner sowie unfähig« Leute an die frische Luft zu befördern. Aus diesem Grunde ist schon jetzt festzustellen, wie die Beamten in den einzelnen Behörden(Ge- meindeoerwaltungen, Gendarmerie, Schulen, Amtsgerichte usw.) po- litisch eingestellt sind bzw. wie sie sich zum Nationalsozialismus ver- halten. Bei der Aufstellung ist gleichzeitig zu berücksichtigen, daß Beamte, die wohl nicht unserer Bewegung angehören, sonst aber
auch keine Gegner und vor allen Dingen tüchtig in ihrem Beruf sind, besonders zu kennzeichnen sind. Da es uns nicht möglich ist, die Ausstellung von hier aus zu machen, wenden wir uns an Sie mit der Bitte, uns hierin tatkräftig zu unterstützen und uns möglich st umgehend eine g«- naue Liste der zuständigen Behörden ihres ge- samten Arbeitsgebietes zuzustellen. Die Listen müssen folgendes enthalten: 1. Vor- und Zuname der Beamten und An- gestellten: 2. Dienstgrad: 3. Eignung als Beamter: 4. Spezial- fach: 6. politische Zugehörigkeit: 6. falls unpolitisch, wie ist die Stellung zur NSDAP : 7. waren irgendwelche Vergehen gegen die NSDAP , zu verzeichnen. In der angenehmen Hoffnung, bald im Besitze der Listen zu sein (Ortsgruppen haben sie bestimmt innerhalb acht Tagen einzureichen) zeichnet mit Hitler-Heil Schönherr, Unterbezirksleiter. N. B. Borstehendes Schreiben ist mit den Listen wieder zurück- zugeben. Wer schreit am lautesten über die„Parteibuchbeamteu"? Di« Nationalsozialisten! Wer will selber Parteibuchbeamt«? Die Ztatios nalsozialisten! Wer kann lange warten, bis der Tag zur Durch- führung dieser sauberen Pläne kommt? Ebenfalls die National- sozialisten!
Oie englische Krisis. Ein Vortragsabend. In einer Kundgebung der Deutschen Liga für Menschenrecht« sprach gestern im ehemaligen Herrenhaus der Vorsitzende der eng- lischen Unabhängigen Arbeiterpartei Fenner Brockway- London . Er verurteilte nicht nur jede Koalition mit bürgerlichen Parteien, sondern äußerte sich auch dahin, daß jede Zusammenarbeit mit ihnen zu verurteilen sei, wie sie das Arbeiterkabinett Macdonald getrieben hat. Heut sei nicht Macdonald, sondern der Präsident der Bank von England , Montagu Norman , der wirtliche Minister- Präsident. Der revolutionäre Kamps gegen die Bank- und Finanz- kreise sei die Ausgabe der sozialistischen Arbeiterbewegung. Für ihn werben, sei seine Aufgabe, und die Erkenntnis von dieser Notwendig- keit möge die Lehre sein, die aus der englischen Krisis gezogen werde. Brockway schloß seine Rede mit einem Appell für den Völkerftieden. In seiner Einsührungsrede leistete sich der Vorsitzende Ernst Toller eine unglaubliche Beschimpfung gegen den Bezirksvorstand der Berliner Sozialdemokratie. Darüber wird noch einiges zu sagen sein. Oer chilenische Flottenaufstand. Die ganze Marine aufständisch. Tie ganz« Ehileflotte ist aufständisch. Nach einer Meldung der Associated Preß aus Valparaiso hat sich die gesamte chilenisch« Marin« der revolutionären Be- wegung angeschlossen. Eine Anzahl der Kriegsschiffe von Valparaiso sowie von der Marinestation Taloahuano ist in See gegangen, um sich mit der vor Coquimbo ankernden Flott« der Aufständischen zu vereinigen. Im Ministerium find verschiedene Aenderunge« vor- genommen worden. Zum Außenminister wurde Luiz Ezgnirdo ernannt. Die Regierung hat wegen eines Transportarbeiterstreiks den Belagerungszustand ver- hängt.
Volkerbund und Minderheiten. Worte des Präsidenten Lerroux . Geus. 3. September. Auf«ine Ansprach« des Präsidenten des Minderheitenkongreffes, Dr. Wilson, der die Entschließung oiefts Kongresses überbracht«, antwortete der spanische Außenminister Lerr�ux als Präsident des, Völkerbundsrates:„Ich Hobe bald fünf Jahrzehnte sür die Freiheit gekämpft und meine Ansichten haben sich während d�r kurzen Zeit meiner Regierungsarbeit wohl nicht ändern tonnen. Mit aller Sympathie ftche ich dem Schicksal der Minder- heit«n gegenüber, das nur auf dem Wege der Achtung ihrer
Rechte verbessert werden kann. Die Katalonier haben ein« har- manische Lösung des katalanischen Problems mit vorbereitet. Di« Vereinbarungen von San-Sebaftion werden eingeholten werden. Nach der Lösung des katalanischen Problems wird man auch an die Lösung der anderen Fragen gehen. Als Journalist Hab« ich all die Jahre die Entwicklung der Minderheitenkongresse verfolgt und feststellen können, wie das anfängliche Mißtrauen ihnen gegenüber wachsend gewichen ist." Oer Oeutschtumsbund-prozeß unter Anklage. Genf . 3. September. Der Prozeß gegen die Führer des Deutschtums in Posen und Pommerellen, der zu einer Berurieilung der Angeklagten geführt hat, ist Gegenstand einer Petition beim Völkerbund, die der Sejmobg. Graebe dem Völkerbiindssekretoriat überreicht hat. Darin wird hervorgehoben, baß derartige Prozesse, bei denen legale Arbeit für das eigene Volkstum als ftrajwürdig befunden wird, den Minder- heitenschutz illusorisch macht. Es werben Gutachten hervor- ragender Rechtsgclehrter angefordert und der Nachweis erbracht, daß die in der Urteilsbegründung des polnischen Gerichts angeführten Delikte keine strafbare Handlung darstellen. Di« polnischen Maßnahmen im Deutschtumprozeß stellen somit eine Verletzung der in dem Artikel 93 des Berfailler Vertrages und in den Artikeln 7 bis 9 des Minderheitenschutzvertrages von Polen übernommenen Verpflichtung dar. Ergänzung des britischen Kabinetts. Fast keine Labovr-Slbgeordnete. Londov. 3. September. Der König hat folgenden Minifterernennungen feine Ge- nehmigung erteilt: Generalpostmeister: Ornsby-Gore(kons.), Ruhegehälter: Tryon(kons.). Transport: Pybus(Hb.), Soticitor general: Infkip(kons.), Attorney general: Jowitt(Arb.), Lordadvokot für Schottland : Aitchistm(Arb.). Unter den neuernannten Unterstaatssekreiäre» bs, finden sich größtenteils Konservative, weil Macdonald offenbar überhaupt keine weiteren La b o u r- Ab g« ordnete» gefunden hat, die bereit waren, in sein Kabinett einzutreten. Vi« einzige Ausnahme ist sein eigener Sohn Malcolm, der Unter- staatssekretär sür die Dominien geworden ist. Lloyd George » Sohn Hot ebenfalls ein Unterstaatssekretariat angenommen. Der Iustizminister Jowitt war erst nach den Wahlen zur ollgemeinen Ueberraschung von den Liberalen zur Arbeiterpartei hinübergesottelt, die Trennung von ihr dürft« ihm nicht allzu schwer fallen. A i t ch i s o n hat in der Labour Party nie«in» besondere Rolle gespielt.