IT, Schifchhoiv:
3)ie taiarifche �Manier
Senta Moloduchin brach plötzlich in ein Gelachtsr aus, v«r- schluckte sich an der Grütze, warf den Löffel hin und begann zu husten. „Mein Gott, was hast du nur", sagte seine alte Großmutter. „Die Grütze ist dir wohl in die falsch« Kehl « geraten? Ist dir was Lustiges eingefallen?" „Ja. was Lustiges, Großmutter Agafja", antwortete der Bursche und wischte sich die Tränen aus den Augen. Der Eisenbahner Senka ist ein breitschulteriger lockiger junger Wann, er hat Grübchen in den roten Backen und einen zum Lächeln neigenden Mund mit rötlichem Schnurrbärtchen. Cr hat für die Feiertage zwei Wochen Diensturlaub genommen und läßt es sich jetzt auf dem Dorfe bei der Großmutter, seiner einzigen Ver- wandten, gut gehen. � „Was ist es denn, das dir so lustig vorkommt, he?" fragte die Großmutter lächelnd.„Wart, ich bring dir ein Krüglein Milch." Senka blies gewaltig auf die Milch, daß die toten Fliegen nur so an die Ränder stoben, und saugte am Krug wie ein Kälbchen am Euter. „Na. also denn", begann er mit Stentorstimme und blickte dabei die Alte stolz an.„Wie dir nicht unbekannt sein dürfte, Großmütterchen, bin ich auf dem zwanzigsten Streckenabschnitt das Oberhaupt der Draisine. Wieso ich das Oberhaupt bin? Weil ich hier oben", der Bursche klopfte sich an die Stirn,„viel drin habe. Und eben deshalb unterstehen meinem Oberbefehl fünf bärtige Muschiks. Nun wohnt aber an demselben Streckenabschnitt der älteste Streckenmeister Obormotow— ein bärtiger dicker Mann, das Fett quillt nur so aus ihm wie aus einem Hammelbraten. Nun gut. Gut. aber doch nicht sehr gut. Warum? Darum, weil der Strecken- meister sich durchaus noch eine zweite Frau zulegen wollte. Hier- auf machte seine erste Frau eine Gegendemonstration, so daß es zwischen den Weibern fast zu einer Ohrfeigerei gekommen wäre. Iwan Petrowitsch zog jedoch dies alles mit in Erwägung und schrie seine Frau an:„Skandal hin, Skandal her, eine zweite Gattin werde ich nun aber doch haben. Hat sich was", schrie er,„heut- zutage dürfen sich das selbst die hochwürdigen Bischöfe erlauben!" Kurz und gut, er ließ sich nicht einschüchtern und erkor ein Mords- weib, stramm wie ein Roh, die rothaarige Soldatenwitwe Anna Mitrewna. Die aber, nicht dumm, verlangte sicherheitshalber die Eheschließung nach dem Sowjetgesetz." „Sieh mal einer an!" unterbrach ihn die Großmutter und rückte, die Lippen zusammenpressend, ärgerlich das Tuch auf ihrem greisen Haupt zurecht.„Der hätte ich eine Ehe gegeben! Hast du übrigens schon gehört, daß unser Kolka jetzt an Stelle des Popen steht... Er besorgt die Trauungen nach Sowjetart in ein Buch hinein..." „Weiß schon", sagte Senka, blies die Fliegen und schlürfte aus dem Milchkrug.„Der Kolka hat sie ja auch getraut. Nun gut. Gut, aber doch nicht so ganz. Warum? Darum, weil es zwischen den zwei Weibsbildern zu Unstimmigkeiten kam. So zum Beispiel wegen des Pfingstkleides. Es sollten beide Kleider aus einem Tuch- stück genäht werden, die zweite Frau aber, Arina, die Rothaarige, verlangte überdies eine Spitze um den Hals. Warwara Timo- fejewna dagegen ging mit aller Heftigkeit ihres Charakters vor, sie stampfte mit dem Fuß aus Zorn über die Rothaarige, schrie und brock in Tränen aus, denn sie ist so eine Art Zigeunerin. Dann wieder gab es einen Konflikt wegen der Enten, weil man die nicht reöllch geteilt hatte. Der Hauptkonflikt aber drehte sich um die Be- quemlichkeit, von wegen des Schlafens. Und da geschah es nun. daß Iwan Petrowitsch selber, nachdem er lange still zugesehen hatte, plötzlich wie ein Stier losbrüllte:„Ich bin doch kein Expreß- zug, der sich nach dem Fahrplan zu richten hat!" und zu der Rot- haarigen ging. Na, klar« Sache, nun hatte die Rothaarige ihre Be- quemlichkeit, die Schwarze aber heulte. Dann kam allmählich Frieden zwischen die beiden Weiber. Tagsüber ging alles gut— sie arbeiteten, unterhielten sich—, kaum aber näherte sich die Nacht, so machte auch schon die Schwarze ihren Konflikt geltend. Eines Tages nun haut Arinka nach einem Wort- konflikt der Warwara Timofejewna eine hinters Ohr; die aber ergreift sofort die Angriffstaktik, packt ein Bügeleisen, schmeißt es— und trifft daneben, packt ein Tintenfaß— und platscht es ihr in die rothaarige Fresse. Gerade zur selben Zeit aber klopft ihrer beider Gemahl an die Flurtür, zusammen mit dem Bevollmächtigten von der Gewerkschaft, Lytschkin ist sein Name— sie kamen gerade von der Bahnstrecke zurück.„Da", zeterte Arina,„sehen Sie sich das mal an, blutig geschlagen hat sie mich, die Nase hat sie mir zer- trümmert und auch auf dem Boden ist Blut!" Unglücklicherweise war es nämlich ausgerechnet rote Tinte gewesen.„Beim Volks- gericht werde ich sie oerklagen, die läufige Hündin!" schrie Arina Mitrewna. Das war dem Iwan Petrowitsch sehr peinlich, und er suchte den Skandal zu vertuschen. Der Genosse Lytschkin jedoch sagte: „Wenn Sie schon von der tartarischen Manier Gebrauch machen, so ersuche ich Sie. Ihre zwei Frauen räumlich zu trennen."—„Zu Befehl!" sagte Iwan Petrowitsch und rief mich am nächsten Tag zu sich.„Hören Sie mal, hochverehrter Genosse Semjon Afa- nasjewitsch Moloduchin: so höslich redete er mich höchstpersönlich an, Grohmütterchen, da du das Oberhaupt der Draisine bist, so schaffe bitte die Arina Mitrewna zu meinem Schwiegervater, denn sie benötigt den Genuß frischer Luft, dort aber befindet sich ein Wäldchen, und die Maulbeerbäume blühen gerade." Ich sage: „Ihr Sowjetschwiegeroater, der Papa der Arina Mitrewna, ruht doch längst auf dem Friedhof." Iwan Petrowitsch aber sagt:„Zu meinem richtigen Schwiegervater, meine ich, zum Vater der War- wara Timofejewna." Hieraus sage ich:„Der ist aber doch ein Greis mit Charakter, er könnte mir also für so eine lebendige Fracht eins in die Fresse hauen, belieben Sie darum, bitte, mir einen Frachtbrief oder eine Instruktion mitzugeben."—„Das macht nichts", sagte er,„ich habe mit ihm hierüber schon ein telephonisches Sujet gehabt" Kurz und gut, ich setze Arina Mitrewna auf weiche Kissen und rolle mit den vier meiner Führung anvertrauten Muschiks los. Ich selber also, als Oberhaupt der Draisine, habe die Hände in den Hosentaschen und pfeife mir eins vor mich hin, während die Mu- schiks die Kurbel drehen. Immer feste drauflos, keine Stockung— so schießen wir dahin. Und da sage ich:„Nun sehen Sie, Arina Mitrewna, wohin Sie es mit Ihren ewigen Konflikten gebracht haben: jetzt ist mir schon befohlen worden, Sie sechsunddreihig Werst weit fortzuschaffen."—„Was ist denn da weiter dabei", er- widerte sie,„so werde ich wenigstens meine Ruhe haben. Und in einer Woche komme ich zu meinem Gemahl zurück, während War- wara statt meiner fort muß. So wird das nun jede Woche ge- macht. Das werden Sie doch selbst sagen müssen, hochverehrter schöner Semjon Afanasjewitsch, daß ich gar keine Ruhe mehr hatte...'Ach, was für schöne Blümchen! Könnten Sie nicht die Draisine halten lassen?"—„Für andere ginge das eigentlich nicht, Ihnen zuliebe aber wohl", antwortete ich. meiner Pflichten wohl bewußt,„denn die Draisine steht im Staatsdienst und die Arbeiter
«benfall»." Ich befahl den Arbeitern, sich irgendwohin zu«nt- fernen, ich selber aber ging mit Arina ins Wäldchen, als hätten wir ein Sträußchen pflücken wollen. Hier nun erksckte ich mich, sie in die Hüfte zu zwicken. Sie aber ließ sich nicht» anmerken.„Ach", sagte sie.„wie wenig angenehm mir doch der Iwan Petrowitsch ist. nur meine Armut trieb mich ja zu ihm." Darauf sage ich:„Sie sind sehr schön, und sowohl im Hinblick auf Körperwuchs als auch auf andere Trophäen kann sich jene Zigeunerschnauze, die Schwarz- haarige, mit Ihnen nicht messen." Sie lächelte, ich aber kniff sie in die andere Hüfte. Doch sie ließ sich wieder nichts anmerken. Darauf begann ich. mit ihr gleichsam auf leichte Manier zu resü- mieren, und wir begaben uns danach wieder zur Bahnstrecke. Dann nahmen wir Platz und rollten dahin. Ich saß da als Oberhaupt, die Arbeiter kurbelten. Am Ziel angekommen, nahm ich nun a», der Vater der War- wara Timofejewna werde, diese Rothaarige beuteln, daß die Federn nur so fliegen würden. Der aber sagte, statt Beutelei oder über- Haupt eines Konflikts:„Das macht nichts... Wir haben jetzt ganz neue Lebenssitten, sehr gute Lebenssitten, und ich beginne sogar, an der Echtheit der Heiligengebein« zu zweifeln." Ich bestärkte ihn sofort in seiner Denkungsart, sagte:„Auf Wiedersehen!", während Arina, die Rothaarige, mir noch das Geleit gab mit den Worten: „In einer Woche, Senja, fahre ich wieder mit dir, den Gesang der Nachtigallen zu resümieren." Und sie zwinkerte dazu und formte die Lippen zu einem Röhrchen. Nun gut. Ich kehrte zurück, und ein Wöchlein darauf schaffte ich Warwara Timofejewna fort, als Tauschware für die Arina. Als wir achtzehn Werst weit fortgerollt waren, sagte ich:„Hier er- folgt die Ablösung der mir anvertrauten Arbeiter. Hätten Sie viel- leicht Lust, etwas abseits rosa Blümchen zu pflücken oder ein wenig Pilze zu suchen?" Wir begaben uns also ins Wäldchen, wobei ich
mich bemühte, immer wieder aufs gleiche zu zielen.„Ich kann gar nicht begreifen", sagte ich.„was Iwan Petrowitsch an der rot- haarigen Ziege finden konnte. Die ist doch eine Vogelscheuche, Sie aber sind im Besitz von allem, was man nur verlangen kann: schöne Augen, rote Wänglein, süße Lippen", und so weiter in der gleichen Art. Sie hört« mich ruhig an, löchelte entgegenkommend, ihr An- blick war sehr lieblich, nur im Wuchs war sie etwas zu kurz geraten, ihre Beinchen jedoch sühlten sich mollig an. Wie ich nun sah, daß die Sache auf Rädern stand wie ein Eisenbahnwagen, da sprach ich voll inbrünstiger Leidenschaft:„Immerhin, ich bin das Oberhaupt der Draisine, Sie hingegen sind ein« verflossene Gemahlin, und so bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als mit mir zu resümieren, soviel Sie nur wollen." Und nachdem ich diese Parole verkündet hatte, legte ich meine Pratzen um sie und gab ihr einen Schmatz auf die Lippen.„Ach", sagte sie, doch schon war es zu spät. Ueber die Schlußfolgerungen ober, hochwertes Großmütterchen, schweigt sich die Geschichte aus. Nun gut. Ich brachte also die Zigeunerin zu ihrem leiblichen Papa, übernachtete und sagte am Morgen:„Belieben Sie mir, bitte, die Arina Mitrewna zu übergeben." Mit dieser fuhr ich dann auf die gleiche Manier: Fahrtunterbrechung, Blümchenpslücken, Schmähreden über die Schwarzhaarige, was das Zeug hält. Nach der Rückkehr lieferte ich meinem Vorgesetzten die Ware ab.„Alles in bester Ordnung?" fragt mich Iwan Petrowitsch. „In allerbester Ordnung sogar", antworte ich,„es könnte gar nicht besser stehen." Für mich selber aber dachte ich: Du dickwanstiger Esel, hast so eine Stohtruppgemahlin und gelüstet dich noch nach der lumpigen Arina. Jagst zwei Häsinnen nach und läßt dir beide entgehen. Alle beide haben sie dir Hörner aufgesetzt, du feister Dummkopf." „Und was für ein Ende nahm das alles?" fragte die Groß- mutter. „Gar keins... Aber die Milch im Krug geht zu Ende", sagte Senka, blies in den Krug, schlürfte den Milchrest, schnitt eine Fratze und spie aus:„Verdammt noch mal!... Jetzt habe ich eine Fliege oerschluckt." (Au» dem R uiüschen itbcrteazcn von Hans Ruoff .)
SS«. 100 tJahre
Wenn große Ereignisse der Menschheit, die Meilensteine der Ent- Wicklung, vom Staub der Kulturgeschichte bedeckt werden, was mag sie dann wieder zu neuem Leben erwecken?— Ein blasser Schimmer der„dankbaren" Erinnerung, den Jubiläen, Jahrzehnt- und Jahr- hundertfeierlichkeiten von sich ausstrahlen. Das ist alles. Und auch das verschwimmt in Tagen und Wochen. Entschwindende, ferne Kometen der Menschheitsgeschichte haben dann wieder ein Jahr- hundert zu warten, bis ihr einstiges Gleißen in unserem Gedächtnis aufdämmert. Es gibt wohl nicht viele Jahrhundertfeiern, die 25 Jahre lang dauern. Ein solches seltenes Zentenarium soll in diesem Jahre zu Ende gehen. Seit einem Vierteljahrhundert feiern wir dieses Iubi- läum. Im stillen nur, kaum bemerkbar, ja, kaum daß es jemand wüßte, denn es gab viel wichtigere Dinge, die der Menschheit in dieser Zeitspann« den Atem raubten... Allerdings, als vor 25 Iahren die Feier anfing, galt sie nur dem Entdecker allein und noch nicht seiner Entdeckung- Sie galt dem jugendlichen Pharmazeuten Friedrich Wilhelm Adam Sertürner , der es im Jahr» 1805 im ärmlichen Laboratorium der Adler-Apo- theke zu Paderborn unternommen hat. das Opium einer ein- gehenden Analyse zu unterwerfen. Bei diesen chemischen Unter- suchungen vollzog sich die Geburt des Morphiums. Sie war aber eine Frühgeburt— wie sich sehr bald herausstellte—, und es dauerte nicht weniger als 12 Jahre, bis das Neugeborene einen Namen erhielt. Es war ein« Frühgeburt, wie so viele andere Geisteskinder ihrer Art. um deren Existenz man kämpfen mußte, und gegen deren Ausnahme in den Kulturschatz die Menschheit sich so lange wehrte. Selbst nach der Namensgebung war es diesem neuen Geisteskinde Sertürners nicht vergönnt, von der menschlichen Ge- sellschaft freudig aufgenommen zu werden. Es oergingen noch über dreizehn Jahre, ehe das Morphium alo Heilmittel seinen Einzug hielt in die Wissenschaft und mit Blitzesschnelle auf der ganzen Welt An- erkennung fand. Dies geschah im Jahre 1831, von dem erst die eigentliche Gebuxt des Morphiums datiert. Sertürner war kaum 22 Jahre alt, als ihm die Großtat seines Lebens, die Entdeckung des Morphiums, gelang, das ein Segen und zugleich ein Fluch der Menschheit geworden ist. Bei seinen Unter- suchungen ging er von dem Gedanken aus, das im Mohnsaft ent- halten«„schlafmachende Prinzip" als kristallinischen Körper zu Iso- lieren. Als er später die physiologische Wirkung dieses Körpers genauer studierte, gab er ihm nach dem griechischen Traumgotte Mor- pheus den Namen Morphium. Durch seine Morphiumstudien wurde aber selbst die wissenschaftliche Chemie ein gutes Stück vorwärts gebracht, da er im Morphium die erste organische Base auffand und dadurch der Chemie eine neue Provinz erschloß. Ein weiterer Fort- schritt war die Reindarstellung des Prinzips einer Droge, nämlich des im Opium enthaltenen Morphins. Damit wies Sertürner neue Wege; die Auffindung der Prinzipien der Drogen wurde zu einem Leitstern für die Chemie, sowohl für die wissenschaftliche wie für die angewandte. Der leitende Gedanke Sertürners, daß in jeder Pflanze, die sich durch besondere Wirkungen auf den Organismus auszeichnet, ein dem Morphium verwandter Körper enthalten sein müsse, er- wies sich als ungemein fruchtbar. Er führte zur Auffindung z. B. des Strychnins und Chinins . Und in ihrer letzten Auswirkung reicht die Sertllrnersche Entdeckung auch in die biologische Giftlehre hinein. die eins der Fundamente der modernen Serumtherapie bildet. Ueber den Lebenslauf Sertürners ist nicht viel zu sagen. Im Jahre 1783 zu Neuhaus bei Paderborn als der Sohn eines In- genieurs geboren, wurde Sertürner zunächst für den Beruf des Vaters bestimmt. Nach dessen frühzeitigem Tode jedoch ging er mit Iii Jahren aus Rücksicht auf die mittellose Familie zur Pharmazie über. Bei dem Hofapotheker Gramer in Paderborn ging er 5'A Jahre lang in die Lehre. Im Jahre 1806 Übersiedelle er nach Einbeck , und erst 1823 brachte er es so weit, daß er in der Weser - staöt Hameln in den Besitz einer eigenen Apotheke gelangte. Zu dieser Zeit war er aber kein alltäglicher kleiner Pharmazeut mehr, sondern Doktor der Philosophie, zu dem ihn die Universität Jena 1817 für seine hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten ernannt hatte. Wenn es der Menschheit Los ist, einen guten Teil Schmerz zu ertragen, so ist derjenige sicher ein Wohltäter der Menschheit, der es vermocht hat, diese Summe von Schmerzen zu vermindern. Ein solcher Wohltäter war Sertürner , der Entdecker des Morphiums, zu dessen Ehren in Hannover in diesen Tagen ein bescheidenes Denk- mal errichtet wird. Von den Wermutstropfen, die sich der Freude dieser großartigen Entdeckung beimengten, von dem vielen Unheil, das dieses zum Segen der Menschheit aufgefundene Mittel bei den der Wirklichkeit zu entfliehen suchenden Menschen gestiftet hat, soll nicht gesprochen werden. Es ist ein Stück Geschichte der Rauschsucht menschlichen Unglücks, was das Morphium mit seinen giftigen Brüdern Opium, Kokaiy, Haschisch u. a. im Lause von Jahrzehnten
und Jahrhunderten vollbracht hat. Nicht ganz grundlos stand schon in seinen Entdeckungsjahren die Aerzteschaft dem neuen Mittel ob- lehnend gegenüber, wovon 0,3 Gramm genügen, um den Tod herbei- zuführen, und namhafte Aerztekonztlien haben es wegen seiner Ge- fährlichkeit bekämpft. Noch in seinem späteren Lebensalter geriet Sertürner oft in einen heiligen Zorn, wenn er an die ihm für die Entdeckung des Morphiums gezollte Behandlung dachte. Seine eigenen Landsleute zeigten gegen seine Entdeckung ein größeres Widerstreben als das Ausland. Das Schicksal Sertürners war nicht sehr oerschieden von dem anderer großer Entdecker und Erfinder. Doch nicht nur dies, auch noch andere Umstände trübten seine Verdienste. Im Jahre 1814 er- schien eine von dem französischen Chemiker S e g u i n verfaßte Ab- Handlung über Opium, die der Verfasser bereits Ende 1804 der Pariser Akademie vorgelegt hatte. Bei der Untersuchung war auch von ihm — auf ähnliche Weise, wie es Sertürner geglückt war— ein kristallinischer, stickstoffhaltiger Körper ausgefunden worden. Als nun Ser- türner nach wiederholten Experimenten die gleichen bestätigenden Er- gebnisse seiner Untersuchungen von 1805 über den neuen Stoff— nachgewiesenermaßen, ohne den Aufsatz Seguins gelesen zu haben— 1817 erneut veröffentlichte, hielt ihn ein französischer Chemiker, der seine Arbeit von 1805 nickst gekannt hatte, fiir einen Plagiator und warf 1818 die Frage auf, wer in Wirklichkeit der Entdecker des Morphiums und der Mekonsäure sei. Die Frage war jedoch sehr bald entschieden. Im Jahre 1831 hat das Institut de France Sertürner einen Preis von 2000 Franken für sein« Entdeckung zuerkannt, und in den folgenden Jahren wurde er von nicht weniger als acht gelehrten Gesellschaften zum Mitglied ernannt.,
TO/c rrrrden Stefanien gefangen? Am meisten wird diese Kunst in Indien geübt, wo es sogar besondere Elefantenjäger gibt. Manchmal gehen nur zwei von ihnen in den Wald, und sie benehmen sich dabei so schlau, daß es ihnen gelingt, aus einer ganzen Herde einen einzigen Elefanten zu fangen, indem sie ihm eine feste, dehnbare Schlinge aus Hirsch- oder Büffelhaut um den Fuß werfen. Gewöhnlich aber bedient man sich eines anderen Verfahrens. Man lockt eine ganze Herde in einen eigens zugerichteten Platz und hält sie dort fest. Erst müssen oft auf einer viele Kilometer langen Strecke Treiber auf- gestellt werden, die sowohl durch Geschrei wie auch durch Fackeln und Feuer die Elefanten nach einer bestimmten Richtung hinzuleiten suchen. Inzwischen ist eine Umzäunung. Khedda genannt, an einer besonderen Stelle angelegt worden. Ein Wassergraben querj de» abgeschlossenen Raum, weil das Wasser die Elefanten besonders anzieht: von dort werden die Tiere durch ein oder mehrere Tore, die durch Fallgatter verschlossen werden können, in einen eng um- schlossenen Kreis geleitet, aus dem sie nicht mehr entfliehen können. Auf dem eigentlichen Fangplatz müssen die Elefantenjäger ein Tier nach dem anderen einfangen und fesseln. Sie nehmen dabei zahme Elefanten mit. und mit diesen zerren sie die unschädlich gemachten wilden Artgenossen hinaus in den Wald. Erst hier beginnt dann- die Zähmung. Die Tiere werden an Bäume gekettet, und hier toben sie wochenlang aus, bis sie vor Ermattung niedersinken. Allmählich gewöhnen sie sich an die zahmen Elefanten als auch an die Menschen. So wird z. B. ein wilder Elefant zwischen zwei zahmen Kameraden gefesselt geführt. Erst wenn die gefangenen Tiere die ursprüngliche Wildheit nach einigen Wochen abgelegt haben, werden sie nach einem Gehöft verbracht, wo sie vollends abgerichtet werden.
Das Auto rottet den Schaß aus. Die englischen Sperlinge, die in den Oststaaten der Union früher in Scharen auftraten, sind in raschem Verschwinden begriffen. Die Ursache dieser Erscheinung sieht Austin Clark, der Biologe des Nationalmuseums der Vereinigte,> Staaten, in den ununterbrochenen Angriffen, denen die Sperlinge durch die Auspuffgase der zahllosen Automobile ausgesetzt sind. Die Sperlinge suchen in der Hauptsache ihre Nahrung aus der Straße und kommen dadurch ständig in Berührung mit dem Kohlenoxydgas der Auspuffdämpse, das als schweres Gas die Neigung hat, sich bei windstillem Wetter am Erdboden anzusammeln. Er genügt schon eine winzige Menge dieses Kohlenoxyds, um einen kleinen Vogel zu töten oder ihn doch mindestens so zu schwächen, daß er eine leichte Beute der Katzen, Habichte und anderen Raubzeugs wird. Die englischen Sperlinge wurden seinerzeit aus Europa eingeführt, als man die modernen Vernichtungsmittel gegen die Jnsektenschädlinge noch nicht kannte. Sie dienten in der Hauptfache dem Zweck die den Baumkrebs verursachenden Insekten zu fressen, die den Bestand der amerikanischen Ulmen mit völliger Zerstörung bedrohten. Die berühmteste und größte Turmuhr der Welt ist die Big Ben in London , deren Schlag man im Radio auf der aanren Erde hören kann. Das Zifferblatt der Uhr befindet sich in 50 Meter Höj,�