Sajonettiven geübt.— Bors.: Hnben Sie die Mißhandlungdeuicrkt?— Zeuge: Nein.— Vors.: Hätte es Ihnen ent-gehen können?— Zeuge: O ja, das ist schon möglich.—Vors.: Hoben Sie den Ruf Menschenschinder gehört?—Zeuge: Ich habe auf dem Dache den Radau gehört, das Wortitt wohl auch gefallen.— A» g e k l.: Sind Sie von Tobolleckgemißhandelt worden oder Kameraden von Ihnen?— Zeuge:Kleinigkeiten kommen vor.— Vors.: Was wollen Sie damitsagen?— Zeuge: Angeschnauzt hat uns Tobolleck, aber nichtgeschlagen.— Vors.: Es giebt noch andere Mißhandlungen alsSchläge, wenn man zum Beispiel jemanden neben demheißen Ofen Griffe üben läßt oder ihn mitdem Suppentopf in der Hand die Treppehinauf langsamen Schritt machen läßt, so källtdas auch unter den Begriff der Mißhandlung. Haben Sie soetwas einmal erlebt?— Zeuge: Nein.Zeuge Vizefeldwebel Hoope war auch auf demKa,ernenhofe zugegen. Er hat den Ruf nicht gehört, aber dieAufregung auf dem Dache bemerkt. Alle sahen nach oben. Erhat in der Nähe Tobolleck's gestanden, aber nicht wahrgenommen,daß dieser einen Soldaten gestoßen hat, es hätte ihm nicht gutentgehen können.Vors.: Wollen Sie denn jetzt nach einem Jahre bestimmtsage», Sie hätten es sehen m iissen; war Ihre Aufmerksamkeitnicht ab und zu abgelenkt?— Zeuge: Ich glaube nicht, daßTobolleck gestoßen hat.— Vors.: Ich zweifle nicht an derRichtigkeit Ihrer Aussage, aber ich muß doch die Zeugen-aussagen in Einklang zu bringen versuchen, sonst kommt man zudem bedauerlichen Ergebniß, daß aus einer Seite einfalscher Eid geschworen ist.Zeuge Schutzmann Vetter ist seit dem l. Oktober I89SSchutzmann, war vorher Unteroffizier beim 4. Garde-Regiment z. F. Am fraglichen Tage beaufsichtigte er eineAbtheilung Soldaten beim Springen. Er hat von einer Miß-Wandlung seitens Tobolleck's nichts bemerkt.Zeuge W e st p h a l ist im letzten Termin noch nicht ver-eidigt worden und jetzt vom Militär entlassen. Er hat eine»Ruf vom Dache gehört, aber ihn nicht verstanden. Er war beiTobolleck, will von ihm aber nie mißhandelt worden sein; auchniemals eine Mißhandlung bei Kameraden wahrgenommen haben,auch am fraglichen Tage nicht.Zeuge Maurer Düring war am 2. Juli noch Soldat inder Abtheilung Tobolleck's: Ich bin am 2. Juli nicht gemiß-handelt worden, habe an diesem Tage auch keine Mißhandlunga» anderen bemerkt.— Vors.: Steht Tobolleck in dem Rufe,die Leute zu mißhandeln.— Zeuge: Jawohl, ich selb stbin von ihm häufig geschlagen worden, auchins Gesicht.— Vors.: Wann?— Zeuge: Vor undnach dem 2. Juli.— Vors.: Hat Tobolleck mit dem Kolbengestoßen.— Zeuge: Daß er es am 2. Juli gethan, kann ichnicht bestimmt sage», sonst hat er es oft gethan. Ich selbsthabe von ihm einmal einen Stoß mit dem Kolben erhalten.—Vors.: Wissen Sie, iver den Ruf Menschenschinder ausgestoßenhat.— Zeuge: Nein.Zeuge Hausdiener Gerhardt war am 2. Juli noch Unter-offizier beim Regiment. Er hat den Ruf gehört; wer gerufenhat, kann er nicht sagen. Aus dem Dache waren zwei Ar-beiter, der Ruf schien ihm oben vom Dach zu kommen. Erwar ander, veitig mit dem Exerziren von Soldaten beschäftigt,hat nichts von einer Mißhandlung gesehen.— Vors.: Nun,Sie achteten doch gewiß auf Ihre Abtheilung. Gilt Tobolleck alsgeivaltthätig?-i- Zeuge: Davon ist mir nichts bekannt.Zeuge Arbeiter R e b e n t i s ch ist nicht Soldat ge-wesen, war auf dem Neubau beschäftigt, hat den Ruf Menschen-schinder gehört, weiß aber nicht, wer ihn ausgestoßen hat. DieMißhandlung hat er auch nicht gesehen, da er an einer anderenStelle des Daches gearbeitet hat.— Vors.: Wissen Sie etwasvon einem Zettel, der über die Kasernenmauer geflogenist?— Zeuge: Jawohl, auf dem Zettel hat der NameTobolleck gestanden. Der Zeuge bekundet weiter: AngeklagterNoack habe noch an demselben Abend gesagt, er gehe aufsRegimentsbureau. Der Schutzmann sei erst an, folgenden Tagegekommen.— Zeuge D a ch decker Witte hat den eben erwähntenZettel gefunden.— Vors.: Wo haben Sie ihn gefunden?—Zeuge: Auf dem Grundstück des Neubaues am Tage nachdem Vorfall. Es flog ein in Papier eingewickelter Stein überdie Kasernenmauer. Außen auf dem Papier stand auf beidenSeiten das Wort„Achtung". Innen stand:„Es war derUnteroffizier Tobolleck, ein gefährlicher Nauke".— Vors.: DasWort Nauke ist ein Berliner Ausdruck und bedeutet wohl sovielals Kunde. Wie kam übrigens der Zettel in die Hände des An-geklagten?— Zeuge: Ich habe ihm den Zettel gegeben, weiler ihn von mir verlangte.— A n g e k l.: Der Zeuge Zadl sagte mir.daß Witte den Zettel gefunden hatte, und ich ging zu Witte und batihn drum. Ich bemerke, daß ich schon auf den, Reginieutsbureauwar rurd der Hauptmann auch schon die Kompagnie hattezusammentreten lassen und die Mannschaften gefragt hatte, wergeimßhandelt worden sei. Auf die Frage hat sich niemand ge-meldet, nachmittags aber wurde der Zettel über die Mauer ge-worfen.— Zeuge Zahl bestätigt, daß er dem Augeklagle»Mittheilung von dem Fund gemacht habe.— ZeugeGrenadier Wüste war in der Korporalschnft des Tobolleck,hat den Ruf nicht verstanden, auch keine Mißhandlung wahr-genonunen.— Vors.: Sie selbst sind nicht mißhandeltworden, haben auch nie gesehen oder gehört, daß ein andererSoldat von Tobolleck mißhandelt worden ist?— Zeuge: Nein.Die folgende» Zeugen sind sämmtlich noch dienende Soldaten,ihre Aussagen lauten bezüglich der Mißhandlungen völligkonform der des Wüste; sie haben wohl den Ruf gehört, aberden speziellen Ausdruck Menschenschinder nicht verstanden.— ZeugeGrenadier Trübe ist erst seit dem 19. Oktober Soldat und weißnichts von Mißhandlungen.— A n g e k l.: Sie haben mirdoch aber selbst gesagt, daß Tobolleck die Leute schlägt.— Vors.: Wer hat Ihne» das erzählt?— A» g e k l.: Ichwar mit ihm in einer Kneipe zusammen.— Zeuge: TerAngeklagte hat mich aus der Kaserne herausrufen lassen und mirBier und Zigarren geschenkt; was ich da gesagt habe, weiß ichnicht mehr, ich bin halb betrunken gewesen.— Vors.: Das isteine merkwürdige Art, Zeugen herbeizuschaffen. Angeklagter,Ihnen mag diese Art ja geeignet erschienen sein, Sie schadensich damit aber mehr, als Sie sich nützen.— A» g e k l.: Ichhabe dem Mann zwei Zigarren. zwei Glas Bierund einen Kognak bezahlt. Davon ist er doch nichtbetrunken gewesen.— Vertheidiger Rechtsanwalt H e r z s e l d l:Der Zeuge hat übrigens bei seiner letzte» Vernehmung kleineStöße des Tobolleck zugegeben. Er ist deshalb auch nocheinmal militärgerichtlich vernommen worden.— Zeuge b e-stätigt dies.Es werden nun Protokolle verlesen über Aussagen, diemehrere kommissarisch vernommene Zeugen gemacht haben. DieZeugen waren am 2. Juli noch Soldaten, sind jetzt in ihreHeimath enttassen, wo sie auch vernommen worden sind. ZeugeFranz Z anzer hat unter seinem Eid zu Protokoll gegebe»:„Ich habe 1893— 9ö bei der 3. Kompagnie des 4. Garde-Regiments z. F. gedient. Am 2. Juli war ich als Ordonnanzin, Bataillonsbureau kommandirt und habe also nicht beobachtenkönnen, ob Tobolleck gestoßen hat. Dagegen kann ich aus deriseit, wo ich noch in der Front Dienst that, bekunden, daß unsTobolleck häufig ohne jede Veranlassungge mißhandelt hat. Ich selb st habe häufigSchläge von ihm erhalten. Ich mußte mit meinemKameraden Koenen am geheizten Ofen eine ganze Zeitlaug in Kniebeuge Schemel strecken und ans den Schemel hatteTobolleck eine Waschschüssel gestellt. Als Grunddafür gab Tobolleck an. wir hätte» die Griffe nicht gut genuggemacht. In der ganzen Korporalschaft bestand Angst vorTobolleck. weil er gleich die Leute an der Gurgel packteund stieß.Zeuge W i l e ck i hat ebensallS von 1893—95 beim 4. Garde-regiment gedient. Er hat unter Tobolleck gedient, als diesernoch Gefreiter war, ist später in seine Korporalschaft gekommen.Die unter Eid abgegebene Aussage lautet: Ich kann keine Miß«Handlungen Tobolleck's bekunden. Der betr. Soldat hatte dieGriffe nicht kapirt und Tobolleck hat ihm nur die Griffe gezeigt.Ich selbst bin nie von Tobolleck gemißhandelt worden.Zeuge Brauer Krause, der ebenfalls am 2. Juli nochSoldat war, hat folgendes eidlich bekundet: Ueber de» Vorfallam 2. Juli kann ich aus eigener Wissenschaft nichts bekunden.Grenadier Strauß aus Sachsen und Grenadier Wohlfarth ausBaden haben aber gesehen, daß Tobolleck beim Bajonettiren dieLeute an diesem Tage gestoßen hat. Ich bin von Tobolleckim Jahre 1894 niit der Faust einmal so heftigins Gesicht geschlagen worden, daß ichan das Spind flog. In gleicher Weise hat Tobolleck denGrenadier Rüchle aus einem Dorfe bei Frankfurt a. M. de-handelt. Wir sollten die Stube nicht gut genug gereinigt haben.Ferner hat Tobolleck die Kameraden Düsing, Quast, Lünsen,Meyer, Göpen, Bumann, Jaeob, Just, Klave und Brusins ge-mißhandelt. Auf welche Weise, ist mir nicht mehr erinnerlich,auch kann ich den Tag nicht angeben. Von Kolbenstößen habeich nichts bemerkt, ich selbst bin auch aus solche Weise nicht miß-handelt worden. Tobolleck hat mir zwei Postkartenin Sachen Noack geschrieben und mich ge-beten, ich möchte doch, wenn ich nach Berlin komme,meinen alten Korporal e i n m a l b e s u ch e n. Ich bin aber nichtnach Berlin gekommen.Zeuge Zimmermann Quast hat vor dem Amtsgericht inRathenow folgende eidliche Aussage abgegeben: Ich warim Dienst vom November 1893 bis Herbst 1395 bei derdritten Kompagnie des vierten Garderegiments zu Fuß.Ich gehörte bis zur ersten Kompagnie- Vorstellung derKorporalschaft des Unteroffiziers Tobolleck an. Währenddieser Zeit ist es s e h r häufig vorgekommen, daß Tobolleckmich und die übrigen Soldaten seiner Korporalschaft mit derflachen Hand sowohl, wie mit der Faust in das GesichtundvordieBrust gestoßen und geschlagen hat,so daß wir gegen die Spinden flogen. Diese Mißhandlungen er-eigneten sich auf der Mannschafisstube außerhalb des Dienstesoder wenn Tobolleck uns in den Stuben Instruktionertheilte. Den Anlaß zu den Mißhandlungen boten regelmäßig Dienst-Widrigkeiten, Unordnung, Nachlässigkeit und dergleichen. Tobolleckhat auch außerhalb der Stube Mannschaften mißhandelt; sie ins-besondere mit dem Gewehrkolben heftig in dieS e i t e g e st o ß e n. Es kam dies vor, wenn wir auf demKorridor übten und der den Dienst überwachende Offizierbezw. Feldwebel nicht zugegen war. Von der Mißhandlungam 2. Juli 1395 ist mir nichts bekannt. Meine Abtheilungübte ziemlich entfernt von Tobolleck. Ich weiß nur, daß andiesem Tage der Kompagniechef die Kompagnie zusammentretenließ und fragte, ob jemand von Tobolleck gemißhandelt sei. Esmeldete sich aber niemand und der Hauptmann erklärte,daß er die Sache weiter verfolgen wolle.Ich bemerke noch, daß mir Tobolleck gegen Weihnachten 18943 M. abgeborgt hat und ich seitdem Mißhandlungen vonihm nicht mehr zu erdulden gehabt habe. Die 3 M. habe ichvon Tobolleck erst zirka 8 Wochen vor dem Manöver des Jahres 1895zurückerhalten.Letzter Zeuge ist der Unteroffizier Tobolleck.— Vors.:Ich hoffe, Sie werden hier streng bei der Wahrheit bleiben. BeiFragen, durch deren Beantwortung Sie sich belasten könnten,dürfen Sie das Zeugniß verweigern. Haben Sie den Ruf„Menschenschinder" gehört?— Zeuge: Was gerufen wordenist, habe ich nicht verstanden. Ich habe nur den Radau auf demDache gehört.— Vors.: Haben Sie die Mißhandlung verübt?Ich weiß recht wohl, daß die Soldaten nicht im Mädchenpenfionatsind, daß es beim Militär nicht so zart abgehen kann, sagenSie also die Wahrheit und machen Sie sich nichtunglücklich. Haben Sie einem Soldaten das Gewehr aus derHand genommen und ihn damit gestoßen, daß er zurückgetaumeltist? Sie können Ihr Zeugniß verweigern.— Zeuge: Daßich das Gewehr aus der Hand genommen habe, ist wohl möglich,aber gestoßen habe ich nicht.— Vors.: Konnte es aber vonoben so aussehen, als wenn Sie den Mann recht kräftig gestoßenhätten?— Zeuge: Das ist wohl möglich.—Vors.: Es wird Ihnen nun nachgesagt, daß Siegeneigt wären, Mißhandlungen zu begehen. DieZeugen haben eine ganze Anzahl Fälle bekundet.—Der Zeuge verweigert hierüber seine Antwort.— V o r s.:' Entsinnen Sie sich, die Soldaten Düsing. Bumann,Jacob und Just geschlagen zu haben?— Zeuge: Jchweiße s nicht mehr.— Vors.: So etwas in u ß man doch wissen,wenn es nur selten vorgekommen ist. Daß S i e es nicht wissen,spricht gegen Sie, denn es liegt die Annahme nahe, daß Siees sehr oft gethan haben. Seien Sie doch vorsichtigin Ihrer Aussage. Ich möchte Sie vor einer Anklagewegen Meineids behüten.— Zeuge: Ich verweigerem e i n Z e u g n i ß.— Vors.: Haben Sie die P o st k a r t e ngeschrieben?— Zeuge(nach einigem Zögern): Das habeich gethan.Hieraus wird die Beweisaufnahme geschlossen.Staatsanwalt Stachow II: Es kommt hier ledig-lich der Vorfall am 2. Juli in betracht. Daß der Angeklagte,als er die Anzeige machte, von der Unrichtigkeit der-selben überzeugt war, ist nicht nachgewiesen, es kommtalso nicht wissentlich falsche Anschuldigung, sondern dertz 186, Beleidigung des Tobolleck durch nicht erweis-lich wahre Thatsachen in betracht. Ich bitte den An-geklagten auf diesen veränderten rechtlichen Gesichtspunkt aus-merksam zu machen.Ter Vorsitzende thnt das und der Vertheidiger Rechts-anwalt H e r z s e I d t behält sich einen Vertaguugsantrag unddie Beschaffung neuer Zeugen vor, sallS das Gericht nicht zu derUeberzeugung komnien sollte, daß die behaupteten Thatsachenwahr seien.Staatsanwalt(sortfahrend): Daß der Angeklagte dasWort Menschenschinder gerufen bat, ist ebenfalls nichterwiesen. Aber ebenso wenig ist die Mißhandlung eriviesen.Selbst der Zeuge Naumeister hat nicht von Mißhandlung, sonder»nur von In struktions Widrigkeit gesprochen. DerSln geklagte war zu der Eingabe in keine in Falleberechtigt. In anbetracht des Umstandes, daß er ingutem Glauben gehandelt hat, beantrage ich vier MonateGefängniß!?! Das, was vorher oder nachher an Miß-Handlungen passirt ist, gehört nicht hierher.Vertheidiger Rechtsanwalt Herzfeldt: Ich be-antrage die Freisprechung des Angeklagten. Die Be-leidigung durch den Ruf Menschenschinder scheidet wohl aus;dafür, daß der Angeklagte das Wort gerufen hat, liegt nicht dermindeste Anhaltspunkt vor. Dafür, daß er in gute inGlauben gehandelt hat, ist alles erwiesen, was zu eriveife»möglich war. Der Angeklagte wollte mit seiner Anzeige ein gulesWerk vollbringen, Mißstände zu beseitigen helfen, und er wärehier bereit, den Inhalt seiner Anzeige zu beschwören,wen» man von feiten des Militärkommandos den Spieß nichtumgedreht hätte und den„Zeugen Noack" auf die Anklage-dank gebracht hätte. Ich meine aber, der Zeuge Naumeisterhat genügend beschworen. sodaß auch die Sache selbst erwiesenist. Es kommt hinzu, daß der Zettel über die Mauer geworfenworden ist. Es kommt hinzu, daß nach dem Zeugniß des Quastdie Grenadiere Strauß und Wohlfahrt von der Mißhandlunggesprochen haben.Es kommt schließlich hinzu, daß Tobolleck den Brief ge-schriebe» hat. Hätte er sich sicher gefühlt, er hätte das nichtgethan. Ist der Ausdruck„gefährlicher Nauke" nicht durch dieBeweisausnahme b e st ä t i g t worden? Eine» solche» Mann,der die von Janzen bekundete raffinirte Quälerei mit demSchemelstrecken am heißen Ofen verübt hat, ist daSzuzu«trauen, was in der Anzeige gesagt ist. Die»och imDienst befindlichen Soldaten wissen sämmtlich nichtsvon einer Mißhandlung. Glaubt Ihnen das aber nur einMensch? Ihre Abhängigkeit bringt es mit sich, daß überMißhandlunge», die in den Kasernen gang und gäbe sind, soselten etwas herausdringt. Ich hoffe, der Gerichtshof wird auchdie Frage der Schuld durch Beleidigung verneinen und den Vor-fall für e r>v i e s e n erachten.Der Angeklagte beantragt seine Freisprechung undbittet, auch seine Kosten der Staatskasse aufzuerlegen. Er könneals Arbeiter nicht ein paar hundert Mark bezahlen.Nach kaum halbstündiger Berathung verkündetder Vorsitzende folgendes Urtheil: Das Gericht hat dieSchuld des Angeklagten nach keiner Richtung für er-wiesen gehalten. Im zweiten Fall kann ebenso wenig voneiner wissentlich falschen Anschuldigung wie von einer Beleidigungdie Rede sein, weil das Gericht dieVorgänge alserwiesen ansieht. Unteroffizier Tobolleck ist geneigt zuUebergriffen; er ist gegen die Soldaten derber vor-gegangen, als es nach der Instruktion zulässig ist.Es kommt hinzu, daß außer dem Angeklagten und demZeugen Naumeister noch eine Mehrheit von Arbeitern,die nicht ermittelt sind, sich über den Vorfall empört haben.Wenn die Soldaten sämmtlich bekundet haben, daß sie die Miß-Handlung nicht bemerkt haben, so schließt das die Mißhandlungselbst nicht aus. Der Begriff„Mißhandlung" ist auch imwesentlichen ein Urtheil und der Widerspruch zwischen denAussagen der Soldaten und Nichtsoldaten ist immer nochso zu erklären, daß der an eine rauhe Behandlnngs-weise Gewöhnte das noch nicht für Mißhandlunghält, was ein anderer schon als solche ansieht. Der An-geklagte mußte freigesprochen werden. Die Kostendes Verfahrens fallen der Staatskasse zur Last; dem Antrag desAngeklagten, auch seine persönlichen Kosten auf die Staats-lasse zu übernehmen, konnte nicht entsprochen werden, weil, wiedie Sache anfangs lag, die Staatsanwaltschaft zur Erhebung derAnklage berechtigt war und sich die Unschuld des Angeklagtenerst im weiteren Verlaufe der Verhandlung herausgestellt hat.Ich schließe die Sitzung.Soziale Xleberstchk.Die Kottbuser Unteruehmer von einer andern Seite kennenzu lernen, als die Arbeiter, das Glück ist dem Herrn R u h m a n n,Direktor der Firma C. S. Elias beschieden. Unser Partei-organ zu F r a n k f u r t a. O. ist in der Lage folgendes Schreibenzu veröffentlichen:KottbuS, den 28. September 1394.Herrn Robert Ruhmann, Kottbus.Ihr Salair vom 1. Oktober 1894 bis 39. Sept. 1895beträgt.............. M. 24 000,—ab bis 31. August ct. bezahlt laut dem Ihnen über-gebenen Auszuge........,,.„ 8 306,15mithin kommen Ihnen noch........ M. 15 694,85zu, welchen Betrag ich Ihnen durch die Direktion der Diskonto-Gesellschaft, Berlin, zusenden lasse, und ersuche ich nach Empfangum Quittung.Für die in diesem Monat laut Quittungsbuch empfangeneKasse habe ich Sie für neue Rechnung belastet.C. S. Elia?.Diese für Herrn R u h m a n n recht angenehme Mittheilungdürfte wohl dazu beitragen, die„unzufriedenen Elemente" unterden Arbeitern, die„Hetzer" und die„Aufwiegler" darüber auf-zuklären, daß die Nnternehmer nicht in der Lage waren, denArbeitern ein Paar Pfennige zuzulegen.Ei» Fabrikinspektor nach dem Wunsch der Unternehmerscheint der von Leipzig zu sein. Er bespricht die LeipzigerLohnbewegungen im Jahre 1395, und er schildert fast keinenFall, ohne von„ausrührerischem Verhalten", von„unruhigem,zur Widersetzlichkeit neigenden Verhalten", von„Anstiftern zurllnzufriedenheit", von„Umtrieben" und ähnlichem im Stile derUnternehmerpresse zu sprechen, wo es sich um offene, ehrliche nndgesetzlich erlaubte Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen handelt.— Diese Auslaffungen des Herrn Fabrikinspektors, der imInteresse der Arbeiter thätig sein sollte, übertreffen noch beiweitem das, was von unseren deutschen Zopfgelehrten als sozial-politische Weisheit verzapft zu werden pflegt.In einer peinliche» Untersuchung soll, wie unser Partei-blatt in Wilhelmshaven mittheilt, die dortige Werftverwallungversuchen, diejenigen Arbeiter zn ermitteln, die am 1. Mai ge-feiert haben. Die Werftverwaltung hat eingehende Nach-forschungen angestellt darüber, was diejenigen, die am 1. Maientschuldigt oder unentschuldigt gefehlt haben, getrieben haben.Zumeist sind die Fehlenden beim Wohnungswechsel begriffengewesen. Die Herren müssen viel Zeit haben. Uebrigens sindunsere Parteigenossen keine Freunde davon, unter nichtigen Aus-reden von der Arbeit wegzubleiben. Sie wissen aber auch, wenneinzelne feiern, würden diese nur die Folgen trage» müssen;damit wäre in diesem Falle der Gesammtheit kein Dienstgeleistet.In der Filiale AdlcrShof des Allgemeinen Arbeiter- undArbeiterinnen- Vereins fand am 20. Juni eine Mitglieder-Versammlung statt. Genosse Mentzel hielt einen Vortrag über5iapilalisttius nnd Sozialismus. An der Diskussion beiheiligtensich die Genossen Schilde, Hildebrand nnd Schlächter. UnterVereinssachen wurde ein Vergnüge» angeregt, dessen Arrangementdem Vorstand überwiesen wurde.Depesiszen und lvkzke LtechvichtemAachen, 24. Juni.(W. T. B.) Die Stadt Aachen hat dieAnstalt Mariaberg von der Alexianer- Genossenschaft für850 000 M. angekauft.Hamburg, 24. Juni.(W. T. B.) Das Schwurgericht ver-nrtheille heute den Photogrnphengehilsen Punde wegen Münz-Verbrechens, begangen durch Anfertigung nnd Verausgabungfalscher Ein- und Zwei-Markstücke, zu 5 Jahren Zuchlhaus. DieMitangeklagten Kellner Beckmann und Maler Görlitz erhieltenje 8 Monate Gesäugniß. Der Händler Wehl wurde sreige-sprochen.Koustantinopel, 24. Juni.(W.T.B.) In Wan fandengestern neue Nuruhen statt, bei welchen sehr viele Armenier ge-tödtet wurden. Zahlreiche Armenier flüchteten sich>» das eng-tische Konsulat. Auf Ersuchen von türkischer Seite»nterveiürteader englische und der russische Konsul, deren Schritte von Erfolgbegleitet waren.Jndiauopoliö, 24. Juni.(W. T. B.) Die von der demo-kratischen Konvention des Staates Indiana gewählten Vertreterzur Nationalkonvention in Chicago sind sämmtlich Eilberan«Hänger.iLergnlwvrtticher Redakteur:«ngnft Jacobe»),«erlin. Für den Jnseratentheil verantwortlich: Jh. Glocke in Bcrlju. Druck und Verlag von Mar«adj„g j,, Berlin. Hierzn 2«eilageu.V