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Nr. 575 48. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Rund um die Einheitsfront.

Von Kalkberge- Rüdersdorf   zum Wedding.

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selbe und es dauerte nicht lange, da hatte man sich in den Haaren. Die Nazis waren gleich dabei, Kabelenden aus der Tasche zu einige Zeugen wollen auch Revolver beobachtet haben ziehen und nur weil gerade eine Polizeistreife vorbeikam, unterblieb eine Schlägerei. In einem anderen Falle sollten Flugblattverteiler der freien Gewerkschaften von den Nazis provoziert werden. Die Gewerkschaftskollegen ließen sich aber nicht provozieren. Die Folge von all dem war, daß die Kommunisten sofort forderten, endlich über die Köpfe der Führer hinweg die rote Einheitsfront zu ver­wirklichen". Der nächste Morgen sollte allerdings eine Illustration dazu bringen, wie sich die Kommunisten die Einheitsfront" vor­

In der Nacht nach der Reichstagswahl vom 14. September 1930| straße und verteilten Flugblätter. Die Kommunisten machten das 30g ein Trupp Nationalsozialisten aus Kaltberge Rüders dorf vor das Haus des dortigen sozialdemokratischen Amts­vorstehers und sang unter anderem: Mit dem Pfeil, dem Bogen, tommt ein Stein geflogen." Das bezog sich auf die Fensterscheiben des Amisvorstehers. Darauf holte sich der Amtsvorsteher seinen Drilling und eine Handvoll Patronen und die Nazis ließen das Steinbombardement sein. Bei diesem Rückzug der Nazis blieb es aber nicht. Eines Tages überfielen sie die Uebungsabteilung eines Arbeiter Turnvereins. Deshalb erwog die Arbeiterschaft von Kaltberge Maßnahmen, um dem Terror der SA.- Leute einen Damm entgegenzusetzen.

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Vor einigen Wochen nun traten kommunistisch orientierte Gewerkschaftsmitglieder an den Vorsitzenden des ADGB.  - Orts­ausschusses, einen Sozialdemokraten, heran und ersuchten um die Bildung einer Einheitsfront aller örtlichen proletarischen Organi­sationen. Die tommunistischen Arbeiter hatten dabei etwas frause Vorstellungen von einer Abwehrfront gegen den Faschismus. Aber als die Sozialdemokraten erflärten, daß für sie am Beginn einer Aftion nicht die Parole stehen könne: Pfeift auf die bestehenden Gesetze" und als sie dann vorschlugen, eine große Kundgebung im Gesellschaftshaus Glüdauf" zu veranstalten, stimmten die Kom­munisten dem zu. Diese Kundgebung, auf der Polizeimajor Seinrich sprach und die der Vorsitzende des Kalkberger Gemert­schaftsfartells leitete, nahm einen imposanten Verlauf. Die Nazis mertten sofort, daß ein schärferer Wind weht und ihr 100- Mann­Trupp, der noch in die Bersammlung gekommen war, um über den Margismus zu triumphieren, mußte geschlagen abziehen, und zwar fehr plöglich, sonst hätte man ihnen Beine gemacht. Nun begannen schon in dieser Bersammlung die Kommunisten zu manövrieren". Jur der Diskussion sprach ein Berliner   Kommunist, der nichts Besseres zu tun hatte, als über die Sozialdemokratie herzufallen. Nachher schworen die Kaltberger Kommunisten Stein und Bein, den Mann aus Berlin   nicht geholt zu haben dann ist er also wohl vom Himmel gefallen! und sie blieben auch dabei, im Hinblick auf die starrköpfige Haltung ihrer Zentrale zu erklären: Wir machen hier, mas mir wollen!

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Mittwoch, 9. Dezember 1931

gehen. Es bildeten sich Gruppen, die nach und nach die Beamten einzutreisen versuchten. Die Landjäger sahen sich darauf genötigt, die Passanten mit dem Gummiknüppel auseinander zu treiben. Die Menge, ungefähr 150 Personen, nahm eine drohende Haltung ein. Die Beamten wurden mit Steinen bombardiert und mit Rufen wie Schlagt die Zörgiebelhunde tot!" ,,, Arbeiter Alt- Lands bergs, geht nicht auseinander!" und Der Tag der roten Rache kommt!" bedacht. Branig hatte von der Umzäunung eines Blazes einen Pfahl entfernt und diesen in die Menge geworfen, wodurch ein Arbeiter und eine Frau getroffen und erheblich ver­legt wurden. Die bedrängten Beamten hatten einen schweren Stand. Nachdem einer der Landjäger zwei Schüsse abgegeben hatte, konnten sie sich endlich Luft verschaffen.

Das Gericht verurteilte Branig und Tesch zu je einem Jahr, Friedrich, Wesselkowski und Flügge zu je zehn Monaten, Sonned und Freudenhammer zu je neun Monaten und Boldt und Michalke zu je sechs Monaten Gefängnis. Sämtliche Angeklagte gehören der Kommunistischen Partei an.

Die erste Fütterung war ausschlaggebend.

ſtellen. Um dieſe Stunde standen Gewerkschaftskollegen vor dem Sachverständiger im Calmette- Prozeß. Eingang und verteilten ihrerseits Flugblätter, die zu politischen Tagesfragen Stellung nahmen. Ohne jeden Grund fielen plöglich Rommunisten über die Flugblattver breiter her und raubten ihnen einen Teil der Blätter. Das war der Beginn der Einheitsfront. Einmütig verurteilt die Belegschaft den kommunistischen   Ueberfall. Selbst tommunistische Betriebsratsmitglieder sprachen sich in einer Sigung Aber auch andernorts lassen gegen dieses schandbare Treiben aus. sich die Arbeiter durch noch so vieles Manövrieren" nicht über

den Löffel barbieren.

Raubüberfall am Arfonaplah.

Handtasche mit 200 Marf erbentet.

Um Arkonaplak, im Norden Berlins  , wurde gestern abend auf offener Straße ein frecher Raubüberfall verübt. Als gegen 19% Uhr die 31jährige Portierfrau Charlotte Swierblatt, die am Engelufer 22 wohnt, den Arfonaplaz passierte, murde sie von einem jungen Burschen angefallen. Der Mann warf der Frau eine Handvoll Pfeffer ins Gesicht, entriß ihr die Handtasche und flüchtete. Auf die Hilferufe der Ueberfallenen nahmen Passanten die Verfolgung des Straßen­räubers auf. Leider konnte der Täter, dem 200 Mart in die Hände gefallen sind, in einer Seitenstraße entkommen. Frau Sc. hatte im Hause Engelufer 22 die restlichen Mieten kassiert und gestern abend wollte sie das Geld zu dem am Arfonaplay wohnen­den Hausverwalter bringen. Der Ueberfall hatte sich so schnell ab­gespielt, daß nicht einmal eine Beschreibung des Täters gegeben werden kann.

Landfriedensbruch und Aufruhr.

Die Rote Fahne   dachte aber darüber anders. In der Nr. 215 vom 25. November 1931 bekamen die Kallberger Kommunisten schwer eins auf den Kopf. Es heißt da:., Ein Beispiel, wie man die Einheitsfront nicht herstellen fann, bietet das Verhalten unserer Genossen in Kaltberge... Die Folge dieses vollkommen opportu­nistischen Verhaltens zeigte sich in der gestrigen Versammlung. Die SPD.   beherrschte völlig die Bersammlungsleitung..." Man fennt die Walze. Aber abgesehen davon, soll das ,, opportunistische Ver­brechen" der Kaltberger Kommunisten darin bestanden haben, die 9 Kommunisten zu insgesamt 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Einheitsfront von oben gebildet und mit einer Gewerfichaftsspize rerhandelt zu haben. Und diese Gemertschaftsspitze" ist der Werkschlosser Preuße von einem der Kalkbergwerke, Vorsitzender des Gewerkschaftstartells, ein einfacher Arbeiter. Bei dem sollen die Kalkberger Kommunisten die Linie verbogen haben. Im übrigen marschiert die Einheitsfront in Kaltberge auch ohne die Strategen aus dem Karl- Liebknecht- Haus.

Keilerei oder Einheitsfront?

Auch im Wert Seestraße der Bergmann Elettri. zitätswerte bemühten sich die Kommunisten um die Herstellung einer Einheitsfront. Denn seitdem die Nazis auf dem Wedding  ihre Stützpunkte haben, bepflastern sie nicht nur die Brotfabrik von Wittler mit ihren Flugblättern, sondern auch die Berg­mann Elektrizitäts- Berfe. So rückten sie am Mittwoch, dem 2. Dezember, in Stärke von zirfa 25 Mann vor das Werk See

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Familie Lovist

Roman von Else Möbus

,, Ja, er hat mir wohl ein paar höfliche Zeilen geschrieben und" bedauert, eine so begabte Schülerin verloren zu haben durch den Krieg, er schrieb mir auch von zwei deutschen  Studenten, die in Genf   geblieben sind. Aber Mama- jegt versteh ich dich erst, du denkst wohl, da stecke eine un­

glückliche Liebe dahinter, und ich heiratete deshalb nicht, meil ich den Herrlichsten von allen nicht friegen fonnte. Germaine lachte hell und fröhlich. Nein, zur unglücklich Liebenden habe ich wohl noch weniger Talent els zur Ehe­frau!" Die Telephonklingel läutete. Germaine hob den Hörer ab. ,, Hier Loriot. Ja, ich selbst. Guten Tag, Herr Direttor!" Aber natürlich, mit Bergnügen. Ja, in zehn Minuten bin ich zur Stelle! Auf Wiedersehen!"

Fräulein Bergmann ist erfranft, nun soll ich die französische   Stunde in la geben- paßt mir sehr gut, ich habe doch heute zu nichts Luft. Dieses Etel, dieser Herbert hat mir doch den Tag richtig verdorben." Sie warf einen Blick auf die Uhr. Gleich drei ich werde mich rasch aufs Rad schwingen, dann komme ich noch zurecht."

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Lübeck  , 8. Dezember. Als erster Sachverständiger wurde Professor Dr. Ludwig Die Warmung ange vom Reichsgesundheitsamt vernommen. des Reichsgesundheitsamies bezeichnete der Sachverständige eher als eine Stellungnahme. Man könne darin keine Fahrlässigkeit er­blicken, daß die Herren die Richtlinien des Reichsgesundheitsamtes nicht beachtet hätten. Es wäre aber besser gewesen, wenn sie sich noch einmal an das Reichsgesundheitsamt oder an das Robert- Koch­Institut gewandt hätten. Bei der Frage, ob der Sachverständige Tierversuche in Lübeck   für notwendig hielt, ging Professor Lange von dem Gedanken aus, daß Professor Dr. Dende der Anschauung war, der BCG. jei unschädlich. Unter diesen Ilm­ständen fönne man Dr. Deycke vielleicht zustimmen, daß er einen Tierversuch nicht für notwendig hielt. Allerdings hätte es doch nahegelegen, vielleicht aus privatwissenschaftlichen Gründen eine Tierversuch zu machen. Das Unterlassen dieser Versuche könne von ihm, dem Sachverständigen, nicht als Fahrlässigkeit bezeichnet werden, wenn man auf dem Standpunti Dr. Deyckes und Dr. Altstaedts ſtehe.

Zur dritten Frage, ob vom Beginn der Fütterung an eine genaue Beobachtung der Säuglinge hätte erfolgen müssen, erklärte der Sachverständige, es sei ja in Lübeck   eine Untersuchung inner­halb der ersten sechs Monate geplant gewesen, aber es wäre richtiger gewesen, wenn man zu Anfang eine genaue Beob­achtung angestellt hätte. Die Frage, ob die gesundheitliche Schädigung der Kinder durch die ersie oder auch durch die zweite und dritte Fütterung erfolgt ist, beantwortet der Sach­verständige dahin, daß die erste Fütterung ausschlag gebend gewesen sei, daß aber auch die zweite und dritte alleinschädigende Wirkungen hätte hervorrufen tönnen, wenn man von der Annahme ausgehe, der Impfstoff ſei fchädlich gewefen. Die Frage, ob eine Möglichkeit bestand, die

Erfrankungsgefahr für die gefütterten aber noch nicht erkrankten Kinder herabzumindern, verneinte der Sachverständige. Die Bernehmung wurde dann unterbrechen und die Sizing auf Mittwoch vertagt.

In der Nacht zum 9. August war es in dem Städtchen Altbereits ertranften Kinder therapeutifey zu behandeln, bzw. die Landsberg   in der Mark, unweit Berlin  , zu schweren Aus­schreitungen gekommen, die den Gegenstand einer Verhandlung Die vor dem erweiterten Schöffengericht Lichtenberg   bildeten. Arbeiter Sonned, Friedrich, Tesch, Freudenhammer, Boldt, Flügge, Branig und Michalte und der Schrankenwärter Wesseltowski waren des schweren Landfriedensbruchs und des Aufruhrs angeklagt.

In der betreffenden Nacht hatte in dem Hotel Deutsches Haus" ein Sommernachtsball stattgefunden, an dem die Angeflagten teilgenommen hatten. Dabei war besprochen worden, den Landjäger Grimm diese Nachtfertigzumachen". Davon hatte die Polizei rechtzeitig Nachricht erhalten, so daß vier Beamte vor dem Eingang des Hotels darüber wachten, daß es zu keinen An­sammlungen tam. Kurz nach Beendigung des Festes strömten die Menschenmassen ins Freie, machten aber keine Miene, weiter zu

vorderste Bant, auf der ein Plaz frei war und betrachtete aufmerksam die jungen Gefichter.

,, Ja, die 1a ist jegt geradezu berüchtigt geworden. Aber wenn ich Sie mir so ansehe, habe ich eigentlich gar keinen schlechten Eindruck. Mir tommt es vor, als sähe ich mich selbst, als ich in Ihrem Alter war. Und ich fann mir nicht denken, daß ich mich mit Ihnen nicht vertragen fann."

Niemand antwortete. Erstaunte, erwartungsvolle, ver­legene, mißtrauische Augen sahen Germaine an.

,, Nun, wir werden ja sehen. Herr Direktor sagte mir, daß Sie die Lektüre der Zaire  " von Voltaire   begonnen haben ich möchte allerdings jetzt nunächst nicht mit Ihnen weiterlesen, sondern wir wollen uns einmal über Voltaire selbst unterhalten.

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Freund Friedrichs des Großen."" Er war ein französischer Einige Finger flogen in die Luft. Voltaire   war der Philosoph.  " Er hat auch Romane geschrieben." Germaine wollte gerade antworten, da sprang ein junges Mädchen in die Höhe. Wir wollen fein Französisch mehr haben", sagte sie heftig, damit Sie es nur gleich wissen. Und deshalb ist auch der ganze Streit zwischen uns und Fräulein Bergmann. Wir wollen Deutsch   und Englisch  dafür."

Einige stimmten zu. Andere verneinten. So sei doch still, Erifa!" Sie fängt schon wieder an, und wir müssen alle dafür büßen." Doch, sie hat recht, laßt sie doch, ihr Feiglinge!"

,, Na, nun muß ich mich woh! auf den Richterstuhl setzen", sagte Germaine und stieg auf das Trittbrett, auf dem sich das Ratheder befand. Denn ich soll doch wohl Schieds­richter sein.. Und ich muß sagen, die Frage, um die es hier geht, interessiert mich."

Sie wandte sich zu dem blonden Mädchen, das immer noch erregt inmitten ihrer Freundinnen stand. ,, Begründen Sie mir doch bitte kurz, weshalb Sie fein Französisch haben wollen aber die anderen bitte ich, in zwifchen ruhig zu sein. Sie sind ja keine Kinder, sondern erwachsene Mädchen, und ich behandle Sie auch nicht als Schulkinder." Tiefe Stille trat ein.

Der Direktor begleitete Germaine hinauf in den dritten Stod, wo die jungen Mädchen bei der Ankündigung, daß Gefahr im Anzug sei, schleunigst auf ihre Plätze stürmten und eine geradezu musterhafte Haltung einnahmen. Aber der Direktor sah mißtrauisch von einer zur anderen. tein Wunder bei dem Fräulein Bergmann ist ertranft vielen Berger, den sie mit Ihnen hatte. Fräulein Dr. Loriot wird sie vertreten. Ich hoffe sehr, daß Sie nicht wieder Anlaß zu Klagen geben ich müßte sonst ganz energisch eingreifen und auch vor Betragensnoten im Abgangszeugnis nicht zurückscheuen!" Er verließ das Klassenzimmer. fie find seit Jahr Erwartungsvolle Stille herrschte. 24 Augenpaare verhunderten unsere Feinde gemesen. Sie sind schuld an diesem folgten jede Bewegung der Neuen". Aber Germaine stieg furchtbaren Frieden, den wir jetzt schließen mußten", fagte nicht auf das Katheder, sie öffnete auch nicht das Klassenbuch, das junge Mädchen erregt. Germaine lächelte. Aber Englisch   mollen Sie haben." nje man etmortet hatte, fondern sie lehnte sich an die

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,, Die Franzosen sind unsere Feinde

Todessturz auf Zeppelin- Werft.

Friedrichshafen  , 8. Dezember. Dienstagvormittag ereignete sich in der Neuen Luftschiffhalle der Zeppelin- Werft ein tödlicher Unglücksfall. Der 32 Jahre alte Schlosser Markus Bisinger arbeitete in einer Höhe von 50 Meter an der Entlüftungsanlage des Hallendaches. Aus bis jetzt noch nicht bekannter Ursache stürzte Bisinger plöglich in die Tiefe und blieb mit zerschmetterten Gliedern tot liegen. Bisinger war erst 14 Tage verheiratet.

,, Ja, die Engländer haben zwar auch gegen uns ge­fämpf, aber wir sind rassemäßig mit ihnen verwandt. Aber die Franzosen sind auch ihrer Rasse nach unsere Todfeinde."

,, Ja, Fräulein Bergmann hat uns das während des Krieges so oft gesagt, und da haben wir so oft Französisch ausfallen lassen, obwohl wir noch gar nicht viel fonnten, und jetzt, wo wir so weit sind und wo wir erwachsene Mädchen sind, da sagt sie, es steht auf dem Stundenplan und wir hätten überhaupt nichts zu sagen."

,, Ja, und einmal hat sie es sogar abstreiten wollen, sie hätte nicht gesagt, daß die Franzosen unsere Todfeinde seien, sondern bloß Feinde! Und dabei weiß ich es noch ganz genau."

,, Ja, ja, ich auch, ich auch..."

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hören Sie mich einmal ruhig an. Ich glaube, ich weiß jeht, Germaine sah ernst in die erregten Mienen. Nun was hier los ist, und ich kann mir auch denken, wie Ihnen zumute ist. Aber ich will Ihnen zunächst etwas aus meiner eigenen Jugend erzählen. Als mein Vater noch lebte, da fuhren wir jedesmal in den Ferien weit weg von hier, nicht nur irgendwohin in Deutschland  , sondern auch ins Ausland. Wir sind in Italien   gewesen, mir sahen, wie die Bewohner in glühender Sonne auf den Feldern arbeiteten, während die Tiere die primitiven Schöpfräder zogen, die zur Be­wässerung dienen. Wir lernten sie in den Städten kennen, besuchten sie in ihren einfachen Wohnungen fie find so anspruchslos, so heiter, so findlich, was haben wir mit ihnen gelacht und gescherzt! Wir waren auf Capri   und sprachen mit den Fischern, die ihr schweres Brot durch den Korallenfang verdienen, mir sahen die jungen Mädchen, die ungezählte Male am Tag die Treppe von Anakapri hinab zum Strand schwere Steine schleppten. Und dabei sangen fie. Sehen Sie, diese Menschen sind durch den Weltkrieg unsere sogenannten Feinde geworden. Ihr Charakter hat sich nicht verändert, aber wir nennen sie seitdem treulos, ver­räterifd), falsch. Und doch haben sie den Krieg so wenig gewünscht und so wenig veranlaßt als Sie oder ich! Und genau das gleiche Bild treffen Sie in Frankreich  , überall in der Welt! Ueberall wird gearbeitet, werden Werte ge­schaffen, überall mühen sich die Menschen, der eine auf diese, der andere auf jene Art. lleberall treffen Sie Gute und Böse, Ehrliche und Unehrliche, Leichtsinnige und Gewissen­hafte bunt durcheinander." ( Fortfehung folgt)

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