föelloge Montag, ZI. Dezember 1931
SfinJaiiiyn&e Jjg l/orufäsk
Mindestens so abstoßend wie die Blutrünstig ke it in dem Geschwätz der Nazisührer wirkt auf jedes gesunde Empfinden ihre Großmäuligkeit. Kraststoffelei aller Ecken und Enden, um den geistig Minderbemittelten zu imponieren. Au, soll das Echo lauten, sind das aber Kerle! Die gehn aufs Ganze! Die marschieren sreiweg aufs Ziel los! Die schmeißen den Laden! Aber sind es wirklich Löwen, die Getreuen Hitlers , die die Luft durch den Donner ihres Bierbasses erschüttern? Ach, vom Löwen haben sie sich nur ein mottenzerfressenes Fell in irgendeiner historischen Maskcnverleihanstalt ausgeborgt, und nicht einmal ihr Gebrüll ist echt und ursprünglich, ist vielmehr platteste Nachahmung wie alles und jedes an der Partei von.�Deutschlands Erneuerung". Denn noch das Originalste, was die großen Hakenkreuzkanonen verzapfen, ist bis zum Ueberdruß an den Stammtischen der raunzenden„patriotischen" Rauschebärte vorgekaut worden. Das gehört ja gerade zum Geheimnis des Erfolgs der Nationalsozialisten, daß sie gewagt haben, was keine Partei vor ihnen gewagt hat: das kenntnislose, verständnislose, verantwortungs- lose, hemmungslose Gestammel der politisch Unmündigen zum politischen Programm zu erheben. In den Phrasen der Nazi- Versammlungsredner erkennt auch der trübste Kannengießer bt-- glückt das-wieder, was„er immer gesagt hat", und heftet sich stolz das Hakenkreuz an die Männerbrust. Da aber Wilhelm II. von seinem Kanzler B ü l o w, der ihm durch die bunten Lappen ins Herz schaute, die unüberwindliche Neigung zum Kannegießern bescheinigt erhielt, nimmt es nicht wunder, daß die Nazis IHM auch noch die dümmsten Redensarten papageienhaft nachplappern: kaum ein Schlagwort in ihrer Agitationskiste, das nicht schon der Hohenzoller durch mehr oder minder häufigen Gebrauch„geadelt" hätte. Schon den blöden Rassenwahn, der die Menschheit in höhere und niedere Völker einteilt und als höchstes die nordische Edelingsrasse ä!a Goebbels austrompetet, ließ sich Wilhelm willig von Houston Stewart Chamberlain eintrichtern: diesen eingedeutschten Engländer erkor sich der Kaiser zum„Streitkumpan und Bundesgenossen im kämpf für Germanen gegen Rom , Jerusalem v'w.": im gleichen Brief, In dem er sich zu diesem„Ideal" bekannte, lieferte er mit der Feststellung:„Der deutsche Michel wird wach' die Schablone für den Ruf: Deutschland , erwache! Was Wilhelm II. sein« auswärtige Politik nannte, war ebenso sehr ein Hin- und Hertaumeln zwischen Irrealitäten und Illusionen wie das, was die Nazis ihre auswärtige Politik nennen. Wenn sie die Franzosen eine minderwertige Bastardrasie schmähen, die es auf die„Bernegerung" Europas anlegten, so schimpfte auch er sie„ein sinkendes Volk mit entschiedener Niedergangstendenz". Bei anderen Nationen wiederum wie bei den Engländern ein steter Wechsel: einmal sind sie ver- fluchte Krämer, die Gott strafen soll, das andere Mal, Angehörige der langschädiigen und blauäugigen Herrenrasse, die man zu Bundes- genossen gewinnen muß: Wilhelm und Herr Rosenberg in London — es ist dasselbe würdelose Schauspiel. Immer aber wiederholt sich die unsagbar kindliche und kitschige Leierkastenwalze, daß die Deutschen als Erbpächter aller irdischen und himmlischen Tugenden gegen die anderen Völker als ausgesprochene Sachwalter des Teufels grimmen Strauß bestehen müßten: Wilhelm faßte allen Ernstes den Weltkrieg als„Kamps zwischen zwei Weltanschauungen auf: der germanisch-deutschen für Sitte, Recht, Treu und Glauben, wahre Humanität, Wahrheit und echte Freiheit, gegen Mammonsdienst, Geldmacht, Genuß, Landgier, Lüge, Verrat, Trug und nicht zuletzt Meuchelmord": ungefähr wörtlich so sagt's der„V ö l k i f ch e B e o b a ch t e r" auch. Begrüßte Wilhelm das Kabinettssystem des 18. Jahr- Hunderts mit seinen stumm kuschenden und gehorchenden Unter- tanen als Ideal einer Regierungsform, so machen auch die National- sozialisten kein Hehl daraus, daß der Staat des mit dem Krückstock die Bürger verprügelnden Friedrich Wilhelm I. ihr Vorbild ist. Desgleichen huldigte der Kaiser in schroffster Form dem „Fllhrergedanken", der in der Hakenkreuzlerischen Ideologie eine so große Rolle spielt:„ICH allein bin der Herr und Meister der deutschen Politik, und mein Land muß MIR folgen, wohin JC5) gehe", und mit seiner Zynischen Verachtung der„S ch w a tz b u d e" des Parlaments, seiner hochmütigen Abneigung gegen die „Hunde" von Reichstagsabgeordneten gab der Hohenzoller nicht minder den Nazis die Stichworte. Aber selbst die Gewaltmittel, die die legalitätsbegeisterten Jünger Hitlers für ihre politischen Gegner bereit halten, stammen von IHM. Aushängen? Die Laternsnpsähle vollhängen? An seinen„lieben Niki" von Ruhland schrieb Wilhelm von den Reichstagsparteien,„die möglichst bald verdienten, gehängt zu werden". Köpfe werden rollen? Als die konservativen Agrarier gegen seinen Stachel lecken, drohte Wilhelm:„Wenn die Hunde es wagen sollten, aus irgendeinem Anlaß sich gegen mich zu wenden in offenkundiger, systematischer. gefährlicher Weise, so fliegen mehrere Köpfe, so wahr ich hier stehe" � Nicht einmal das Hetzwort von der„P e st d e s M a r x i s m u s" ist auf dem Mist der Nazis gewachsen, denn vor dem Branden - burgischen Provinziallandtag wütete Wilhelm am 26. Februar 1897 gegen die„Pest der Sozialdemokratie". Und Aus- rottung der Marxisten? In derselben Rede erklärte der gekrönte Kannegießer frisch und forsch:„Die Sozialdemokratie muß aus- gerottet werden bis auf den letzten Stumpf." In einem Brief an A ü l o w lieh er seiner Sehnsucht Worte,„die Sozialisten a b- zuschießen, zu köpfen und unschädlich zu machen", und wieder bei anderer Gelegenheit schwadronierte er:„Ehe nicht die sozialdemokratischen Führer durch Soldaten aus dem Reichstag herausgeholt und füsiliert sind, ist keine Besserung zu er-
hoffen. Wir brauchen ein Gesetz, wonach es genügt, Sozialdemokrat zu fein, um nach den Karolinen verbannt zu werden." Hat Wilhelm II. es so gut gekonnt wie Adolf 1.? Und sind es nicht armselige Nachplapperer, die Fr ick und Gö rin g und S t r a ß« r und K i l l i n g e r, wenn sie vom Verbannen und Ausrotten und Hängen und Köpfen der Marxisten reden? Aber selbst in der Aufreizung zur individuellen Gewalttat gegen politisch Mißliebige wirkte Wilhelm als Muster der Nazis. Eine Kritik des„Vorwärts" an Wilhelm 1. brachte ihn so in Harnisch , daß er gegen die allen Begleiter und Adjutanten seines Großvaters tobte, die„für die beleidigte Ehre des allen Kaisers persönlich hätten eintreten müssen:„Würden sie Herrn Bebel und Konsorten in dem Redaktionslokal des„Vorwärts" über den Kopf geschlagen haben, so hätten sie die Stimmung von ganz Berlin für sich gehabt, und würde das patriotisch erregte Volk durch Zertrümmerung der Druckerei zum ersten Male der Sozialdemokratie einen Schrecken beigebracht haben." Hier ist alles beisammen, was echten
und rechten EA.-Leuten das Herz höher hüpfen läßt: das„Ueber den Kopf schlagen",„das patriotisch erregte Volk" uno die„Zer- trümmerung" eines marxistischen Geschäfts! Wird jetzt der Andrang der Generale, Obersten und Hauptleute Wilhelms II. zu Hitler begreiflich? Beim Schmettern der„völkischen" Phrasen haben sie Lustgefühle wie der ausgediente Trompeterschimmel, der altvertraute Signale oernimmt, und auch Prinz A u w i, der in der„Nationalsozialistischen Arbeiterpartei" vermutlich das Ar- beiterelement vertritt, wird lebhaft an Papa erinnert, wenn die Naziführer den Mund ausreißen. Doch das Dritte Reich, das keine ungelösten Probleme kennt und Arbeit und Brot in Fülle für alle Deutschen hat? Wilhelm II. hat es auch am 21. Februar 1892 pomphaft angekündigt: „Herrlichen Tagen führe ich euch entgegen!" Diese„herrlichen Tage" durchleben wir heute, denn all unser Elend ist ja nichts anderes als das Auslöffeln der Suppe, die ER uns eingebrockt hat. Welch„herrliche Tage" würden dem deutschen Volk erst in dein verheißenen Dritten Reich erblühen?!
Srilher Wie sehr der Begriff Kleinstadt sich verflüchtigt, beweist am besten die Tatsache, daß z. B. der Berliner unter Abwanderung in die Kleinstadt den Bevölkerungszuwachs der Städte von etwa 39 069 Einwohnern versteht. Die Städte von unter S999 Einwohnern— bis zur Nachkriegszeit volkswirtschaftlich und kul- turell durchaus wichtig— sind aber die eigentliche Kleinstadt. Jetzt, wo sie in einen Prozeß des Absterbens geraten, lohnt es noch ein- mal, ihren Wert und ihr Wesen zu verdeutlichen. Der Großstädter hat fast nie ein richtiges Bild von ihnen besessen. Durch eine lite- rarische und malerische Fehldarstellung von flacher Bürgerlichkeit verleitet, sah er an der Kleinstadt immer nur das Idyllische und das Komische. Namentlich die Stille und die enge Ver- bundenheit zwischen Kleinstadt und Landschaft wurde gar zu leicht und gar zu gern mit dem sogenannten Idyll verwechselt. Das Aufgehen in der Landschaft war aber gerade das einzig Monumentale der klemen Stadt. Der Wechsel der Jahreszetten ging als ein Ereignis von ursprünglicher Wucht über die Inseln der kleinen Städte hin, deren Gärten sich in die freie Landschaft selbst auflösten. Die Landschaft sah von den Enden der armen kleinen Gassen und Straßen her bis in das Herz der Stadt. Sie bedrängte es von allen Seiten als fast einzige Einwirkung von außen her. Wie die Naturereignisse wuchsen die Erlebnisse der wenigen Mitbürger ins Riesengroße. Sie gehörten nicht mehr dem Träger des besonderen Schicksals. Die nahe Umwelt stürzte sich auf sie, weil sie sonst nichts erfuhr. Das war ungleich mehr als der Klatsche durch den man sonst die kleinstädtische Lebens- weise zu kennzeichnen sucht. Fast nirgends berührte einen Tragik stärker als in den weiten, einsamen Häusern der kleinen Städte. Die Weite, in der ein Kleinstadtmensch zu leben gewohnt war, ferner die Absperrungen von allen Einwirkungen der Außenwelt, hatten ihn seine Individualität in einem dem Großstädter ungewohnten Maße entwickeln lassen. Und wenn das Komische im Kleinstadtleben einen Raum hatte, dann war es, wenn die Eigen- art zu einer Absonderlichkeit sich steigerte, die von aller angleichenden Großstadtzioilisation nie geduldet worden wäre. Viel eher als dem„Kauz" begegnete man aber in der Kleinstadt dem Menschen von betonter Gepflegtheit und gewählter Bildung. Soll man die große Reihe der berühmten Namen anführen, deren Träger aus der Kleinstadt stammen? Unter ganz eigenen Bedingungen stand die G e s e l l i g k e i t. Es gab in der Kleinstadt keine söge- nannte„Gesellschaft", sondern nur je einen Vertreter der verschie- denen„höheren Berufe". Mit dem Begriff der Honoratioren» schaft kam man etwas weiter. Die Grenzen zwischen den Klassen waren aber noch viel dehnbarer bis zu einer ausgesprochen sozial vorurteilslosen Gemeinschaftsbildung hin. Diese ermöglichte auch ungleich mehr als in der Großstadt einen finanziellen Aus- gleich. Denn man kannte den einzelnen Bedürftigen und seine besondere Notlage: und der hartherzige Reiche wäre zu persönlichen Angriffen ausgesetzt gewesen, er hätte sich vor allzu Bekannten schämen müssen. Wir verherrlichen die Kleinstadt nicht, im Gegenteil, wir ent- zaubern ja nock) soviel an ihr— in der Stunde ihres Sterbens. Aber gerade diese gesellschaftliche Ordnung wird immer wieder so falsch dargestellt, wo vom kleinstädtischen Kastengeist geredet wird. Ging es z. B. darum, ein kleines Hausorchester zu begründen, um sich ein wenig Kunst vorzutäuschen, konnte man nur den kleinsten Teil der Stimmen mit Angehörigen der Gesellschaft besetzen und mußte hinzuziehen, wer nur musizieren konnte. In der Art dieses Verkehrs lag also allenfalls etwas Idyllisches. Aber durch die Um- st e l l u n g e n, von denen wir im folgenden zu reden haben werden, geht auch das Jetzt zu Ende wie alles wesenhaft Kleinstädtische: die Bedeutung der Landschaft, das Ausmaß des privaten Schicksals und seine Auslieferung an die nahe Umwelt, die Individualkultur srcicr, unbeeindruckter Menschen. Meule Sieben Umstände haben die Umprägung des Kleinftadtcharakters bewirkt: die Siedlungsbauten, die Konfektion, die Zusammen- ziehung der Arbeitskräfte in der Großstadt, das Auto, das Kino, der Rundfunk und der Sport. Die Wohnungsnot in der Kleinstadt kam ganz unver- mitteit. Sie erschien geradezu paradox. Hervorgerufen war sie in erster Reihe durch die Niederlassung der aus den abgetretenen Gebieten übergesiedelten Menschen. Als sich dann die Sied- lungsgesellschaften und die Bausparoereine auf- taten, appellierten sie sehr bald auch an die Kleinstadt. Denn hier
waren die Siedlungspläne am leichtesten zu verwirklichen, weil sich die Grundstücke so billig erwerben ließen. Die Folge war, daß die Grundziige des kleinstädtischen Bauplanes und der Uebergang von Gärten zu Landschaft zerstört wurden. Die kleinen Städte erhielten samt und sonders einen Ring genormter Siedlung?- bauten. Nicht mehr ein Wald, ein Hügel, ein Fluß und ein Weinberg bilden den Abschluß der Straßen, sondern an iedem Stadtende steht nun der nämliche Komplex neuer Häuser, die in einem großstädtischen Architektenbüro entworfen und ohne Be- ziehung sind zum Charakter einer Kleinstadt von bestimmtem iand- schaftlichen Gepräge. Die Großstadt wird im Gegensatz dazu durch die Siedlungsanlagen gerade wieder in die Landschaft aufgelockert, die Kleinstadt aus ihr herausgeschnitten. Die Wohnbedingun- gen des Kleinstädters sind jetzt genormter. Das Freiheitliche und Besondere hat sich verloren. Hochantennen, Telephonleitungen, Schilder für Kraftwagen. Reklameplakate, Tankstationen machen zudem das Stadtbild fremd und zerrissen. Neben den alten Türmen, die nur in dieser einen Stadt in dieser einen Art dastehen können, finden sich Fabrlkschornsteine und Mästen'dek�lleberlandzentraten. wie sie überall sein müssen. Gleichzeitig mit der Wandlung des Wohnwesens und des Stadt- bildes ging die Veränderung des Geschäftsbetriebes vor sich. Das großstädtische Zwischenhändlertum schaltete sich ein. Obst und Gemüse, das die Agrarstädte so billig„stellen" konnten, war nicht mehr unter großstädtischem Marktpreis aufzutreiben, während der allgemeine Verdienst in der Kleinstadt noch weit unter großstädtischem Tarif lag. Der Einbruch von Vertretern groß- städtischer Unternehmungen, die Absatzgebiete in der Provinz suchen mußten, begann. In der Konfektion wirkte er sich am aus- fallendsten aus. Durch das sofortige Eindringen der Stapel- wäre wurde der Abstand zwischen Großstadt- und Kleinstadtmode ausgehoben.(Es darf nicht übersehen werden, daß— wohl nach der Regel vom künstlerischen Abstand— sehr bedeutende Mode- schöpfer aus der Kleinstadt hervorgegangen sind.) Die Angleichung erfolgt aber noch auf weit wichtigeren Gebieten. Die nächstliegenden Großstädte hatten eine Weile die Arbeitskräfte der kleinen Orte aufgesogen, um sie nur zu bald als erwerbsloses Groß- stadtproletariat, von Grund auf verändert, zurückzuwerfen. Die reicheren arbeitgebenden oder freiberuflichen Persönlich- leiten— von„Kreisen" kann man nach wie vor nicht sprechen— aber können sich jetzt, wo sie Tarifen angepaßt arbeiten, meist ein Auto leisten und müssen es auch, weil ein Teil ihrer Erwerbs- arbeit sich auf dem Lande abspielt. Die Folge dieser Slutoanschaffung ist das„Wochenende verkehrt", die gelegentliche sonnabendliche Auto- fahrt in die Großstadt. Man verkehrt auch seitdem außerhalb seines Arbeits- und Wohnortes mit der dem eigenen Stand entsprechenden Gesellschafteschicht, meist am dritten Ort. So hörte die oben gekenn- zeichnete asoziale Geselligkeit auf wie die Anteilnahme am einzelnen Geschick. Die Ebene und der Gegenstand der groß- und klein- städtischen Interessen wurde angeglichen, ohne daß die gleichen Mög- lichkeiten der Befriedigung dieser Interessen geboten gewesen wären. Die Kleinstadt hatte— bis der für sie unerschwingliche Tonfilm kam— dieselben Filme wie die Großstadt, wenn auch in einigem zeitlichen Abstand, sie hat durch den Rundfunk dieselben Schlager— die sofort—, die gleiche Tanzmusik aus dem eleganten Großstadtbctrieb, die gleichen Meldungen über die Tagesereignisse. Die Anregungen und Ablenkungen der kleinen Stadt erwachsen nicht mehr aus heimischem Boden, sie ähneln denen der Großstädter, nur daß sie von Tantalusqualen begleitet sind. Der Kleinstädter lebt von den Brosamen, die von den Tischen der Großstädter fallen. Er kennt nur noch die Kopie, wo er sonst Eigenes besaß. Er hat nicht mehr das Geschlossene, sondern begnügt sich mit Bruchstücken. Das Radio und die Belieferung der Klein- stadtprcsse mit großstädtischen Zeitungskorrespondenzen brachten es auch mit sich, daß die mitunter sogar rein ländlichen Bewegung?- und Reiterspiele der kleinen Stadt nach dem Muster großstädtischen Sports aufgezogen wurden. Die Rekord- einstellung ist heut hier wie dort dieselbe. Auf sämtlichen Gebieten sind alle Maßstäbe von der Großstadt übernommen, ohne den Gegenständen und der Lage entsprechen zu können. Die Situation der Kleinstadt ist bestimmt durch die nächste größere Stadt zur Rechten und zur Linken. Welche Werte der Kleinstadt durch diese Wandlungen fraglos vermittelt werden, liegt klar zutage. Aber es ist hier nicht zu entscheiden. Denn uns geht es nur um die Art, nicht um die Wertoeränderung. Die Umstellung kleinstädtischen Denkens und Handelns, Wesens und Lebens aber ist grundlegend und unwiderruflich.