Georg mn der Dring:
tUriegsgefangemfchafi
Der Beschützer. Bor der Mairie. Der Platz wimmelt von Autoz. Auch unser Auto HÄt. Es ist ein kleiner Sanitätswagen. Wir hocken mit fünf Verwundeten darauf Der lange Fahrer steigt aus. Verschwindet in einem Gebäud.- mit sehr vielen Fenstern. Der Neger bleibt mit unbeteiligtem Gesicht sitzen und bewegt den Tabak zwischen seinen mächtigen Kiefern im Takt des pochenden Motors. Zwischen den Autos treiben sich ganze Gruppen von halb. wüchsigen Franzosen herum. Ein paar haben uns entdeckt. Bald sammelt sich ein schreiender und gestikulierender chaufe um unser Auto. Einer ruft aus dem Gedränge:.Eh. les Boches!" Da schreien sie alle:„Boches! Boches!" Ein besonders Dreister, mit einer schönen weihen Marinemütze keck auf dem Ohr, kommt ganz nahe heran. Wir können uns denken, was er will. Da dreht sich der Neger ganz ruhig um und spuckt dem lieber- eifrigen eine dicke, braune Brühe Tabak auf die Mütze. Der weich zurück. Schwenkt den vordem sauber gewesenen Schmuck seines Hauptes. Und zetert. Der Neger blinzelt regungslos weiter über den Platz. Wenn einer uns zu nahe kommen will, blickt er mit seinen sanften Augen rückwärts. Es kommt uns keiner zu nahe. W e i n t r i n t e r. Der Oberstleutnant von dem Fettzh hat einen Freund, das ist der Leutnant Ehrlich. Dieser ist zwar nur ein Leutnant, aber da beide gleich alt sind und sich gut und vernünftig zusammen unter- halten, so sind sie Freunde. Auch trinken sie ihren Wein zu- sammen. Zweimal im Monat gibt es Wem. Heute vormittag— Gluthitze draußen und drinnen— wurde für joden ein« Feldflasche voll ausgegeben. Uno jedermann ist froh, schraubt sorgfältig den Deckel aus die Flasche, steckt sie in kaltes Wasser und denkt— na, was man so denkt. Mittags keim Esten fragt von dem Fettzh den Chrsich:„Herr Ehrlich, kommen Sie heute abend zu mir herauf? Wir können ja den Wein wieder zusammen trinken."(Der Oberstleutnant wohnt nämlich im„Ehäteau".) Und Ehrlich antwortet: jawohl, gerst Herr Oberstleutnant." Nach dem Essen haut sich von dem Fettzh auf sein« Falle. Wie gesagt: Gluthitz« drinnen und draußen. Tausend Fliegen gebärden sich wie toll. Er deckt ein Handtuch über sein Gesicht. Schläft. Wacht auf, sehr ourstig. Denkt nach. Holt die Flasche aus dem Wassereimer. Schenkt sich ein. Trinkt.(Ein edler Tropfen!) Schenkt wieder ein. Trinkt. Schenkt nochmals ein. Trinkt. Schüttelt die Flasche. Na, halb leer? Denkt nach. Geht an den Hrcrn, füllt Master nach. Deckel wieder drauf. Wieder in den Eimer. Geht spazieren. Abends kommt der Ehrlich mit feiner Feldflasche. Begrüßung. Sodann wird der Wein in einem berätgestellteu Bowlengefäß zu. sam mengegossen. Man setzt sich. Schenkt ein. Entzündet«ine„Colon". Raucht. Trinkt. Schweigen. Fünfhundert Fliegen brummen. Endlich sagt der Ehrlich:„Finden Herr Oberstleutnant nicht auch, daß Der Wein etwW komisch schmeckt?" Äon dem Fettzh:„Eigentlich— ja." Ehrlich:„Ich hatte nämlich heute mittag einen derartigen Durst. Da habe ich die Hälfte von meinem Wein getrunken und dann— wieder Master nachgefüllt." Von dem Fettzh:„Ich auch." Freiübung. Schöne Nachmittagssonne aus dem Rajen. Die Alte-Herren- Riege ist angetreten. Plan hat Lie Oberkleider abgelegt; lauter stämmige allere Männer. Auch Grauköpfe sind darunter. Der Große am rechten Flügel dort unter dem blühenden Apfel- bäum ist der Herr Pfarrer. Der Herr Pfarrer könnte schon längst in der Heimat sein. Aber er will nicht. Er will lieber dableiben. denn er ist sehr um unser Seelenheil besorgt. Man hat ihm aus Konservenbüchsen und aus Kalkstein einen War gebaut. Uno so 'st alles schön und gut. Doch sieh! Die Uebungen der alten Herren beginnen. l— 2— 3— 4— 5— 6— 7— 8____ Wie sich sich quälen!„Mft jedem Puff und mit jedem Stoß werden sie«ine Sorg« los", sagt Hubrich. Ach, sie möchten auch gern noch ein bißchen jung fem, wenn sie aus der Gefangenschaft heimkommen. Doch nun kommt eine neue Uebung. Der Herr Heuschreck turnt vor. Erst Drehen des Oberkörpers nach links und rechts mft seit- wärts gehobenen Armen. Dazwischen wirb dann der Rumpf zur Erde gebeugt. Daraus wieder Drehen des Oberkörpers. Und so sort, bis Herr Heuschreck aufhören läßt. Eine schwierige Uebung. Nun geht's los. Siehe da, die Allen Herren machen es schon . ichtig. 1— 2— 3— 4— 5— 6— 7— 8.... Nur— ach! Der Herr Pfarrer! Wer nein! Der Herr Pfarrer hat ganz das Rumpfbeugen vergessen! Während die anderen sich schaukelno und schnaufend auf 5— ö— 7— 8 in der Rümpft«ug « der Erde nähern, bückt der Herr Pfarrer durch die kleinen weißen Apfelblüten ins Himmelblau und .'reht sich nach links und nach rechts mit seitwärts gehobenen Armen. 'Als segne er alle, die da unten sich quälten. Segnet— segnet. Links— rechts.... 7is der Heuschreck aus dem Grafs vor ihm aufwächst. Di« Verwandelten. Wir werden in der Umgebung des Lager» fpazierengeführt. Etwa fünfzig Mann. An der Spitze geht ein zugeknöpfter ameri- tanifcher Offizier, hinter uns ein Sergeant,«ine gelbe Rose im Munde. Wir laufen in 0er Herbstsonne eine lange Pappelchaustee hinunter. Gleich hinter der Lafayettebar, zu der der Sergeant verstohlen hinüberblinzell, wimmell es links in dem gelben Felde von schwarzen Truthühnern. Rechts auf der Straßenböfchung steht ein kleiner Franzosenjungs bei einer Ziegs. Ms wir an ihm vorbeikommen, blicken seiP großen blauen Wgen angestrengt beiseite. Und er spuckt aus. Wir trollen uns weiter. Kommen uns wie gemaßregell vor. Gegen Mittag kommen wir zurück. Wieder vorlei an dem gelben Felo« mft den Truchühnern. Auch der kleine Franzosen - junge steht noch bei seiner Ziege. Er lacht uns zärtlich ins Gesicht. Siehe da! Er lacht, der kleine Junge! Alles ist auf einmal leichter. Es klingt uns in den Ohren. Wir fangen an, im Gehen zu hüpfen. Wir haben«n Kind lachen gesehen!
Wir sehen uns lachend um. Seht, wie er winkt! Wie er winkt! Wahrhaftig, er winkt noch immer! Du Helles Gesicht. Liebes Gesicht. Ueber die ganze Erde hin gibt es viele Menschen mit hellen Gesichtern. Der Apfelbaum. Nr. 613 sitzt in einem Zimmer. Um ihn herum noch sechs andere Leute. Sie sitzen um den Ofen. Keiner spricht. Sie sitzen schon den ganzen Winter bort am Ofen. Nicht immer haben sie geschwiegen. Jetzt denken sie aber lieber ein bißchen vor sich hin. 613 denkt heute an einen Apfelbaum. Der stand«inst vor seinem Stubensenster. Es war Winter. Der Baum stand im leeren Garten. Vielleicht erzähll er den anderen sechs Leuten von diesem Apfelbaum. Denn sie sitzen da und schweigen. Sie sitzen am Ofen. Auch regnet es bort nicht durch. Früher hatte jeder noch etwas Neues, was er erzählen konnte. Jetzt aber hat jeder feine Geschichten längst erzählt. We kennen einander genau. Wenn einer den Mund zum Sprechen öffnet, wissen die anderen schon, was er sagen wird Deshalb' schweigen alle. Ein paar halten die Hände nach �>em Ofen, die Pfeifen verbissen zwischen den Zähnen. Zwei spielen Schach . Schon seft vier Tagen, ohne zu reden. Wenn sie eine Partie beendigt haben, drehen sie schweigend das Brell um und bauen die. Figuren wieder auf.. 613 fängt plötzlich an zu erzählen; erzählt von diesem wunder- schönen knorrigen Apfelbaum. Er stand inmitten kahler, niedriger Sträucher. Mit verzweifell gewunüenen Aesten. Sein Gezweig war gegen den Winterhimmel gezeichnet. Unten zwischen den Stauden war oft eine Schwarzdrossel. Sie kam und ging. Er erzählt von diesem Garten. Er war damals fünfund- zwanzig Jahre. Von den Blumen auf der Fensterbank. Sie waren meistens rosa. Aber manchmal waren sie auch gelb. Gewiß, er tonnte gehen, wohin er wollte. Das Land war so groß und flach. So ungeheuer groß— gedehnt, daß man nur mit dem schärfften Glase den Horizont hätte erblicken können. Wer er ging nicht fort, sondern sah den Apfelbaum an. Zu- letzt schweigt er. Keiner antwortet. Jeder saugt an seiner Pfeife.
Eine Viertelstunde vergeht. Endlich blickt einer der Schachspieler auf uno sagt mft einem kleinen Lächeln:„Wegen Ihres Apfelbaums werde ich diese Partie verlieren!"
Die Aurignacraffe in S)eulfchland Unweit des Dorfes Stetten auf der Schwäbischen Wb, in einem kleinen Seftental der Von«, werden gegenwärtig durch das Urgeschicht- liche Institut der Universität Tübingen prähistorische Ausgrabungen unter Leitung von Dr. Rick vorgenommen. Es ist ja nichts Neues, daß auf der Schwäbischen Alb Ueberreste von vorgeschichtlichen Kulturen und Menschen gefunden werden; aber diese jüngsten Stetten«: Funde haben Ergebnisse gezettigt, die nicht nur der urgeschichtlichen Forschung ganz neue Ausblicke eröffnen, sondern als Ausgrcftiungs- Material an sich bisher einzigarttg in Deutschland dastehen. Man hat eine oerschüttete Höhle ausgegraben, und in einer mächtigen Brandschicht einen vollständig erhaltenen Schädel der bisher in Deutschland nicht feststellbare» Aurignacrosse entdeckt. 15 Zentimeter tiefer fand sich auch noch der U/iterkiefer zu diesem Schädel. Kullurreste der Aurignacrasse sind zwar schon vorher im Sirgenstein im Aachtal und in der Vocksteinhöhle im Lonetal freigelegt wordm; aber Funde, durch die sich die Anwesenheft des Wrignacmenschen in Deutschland unmittelbar nachweisen läßt, sind nickst gar häufig. Nur in dem höhlenreichen Gebiet der Dordozne, in Eompe-Eapelle, Ero-Magnon, M entern«, Brünn konnten Schädelüberrests der Wrigriacraste bisher gefunden werden. Nun ist auch in Deutsch land diese hochstehende Raste einwandfrei festgestellt: jene Mensftcn mft schlankem Sckstidel und Knochenbau, hoher Sttrn und ohne die starken Augenbrauenwülste der kulturell viel tiefer stehenden, früher lebenden Necmtertallasse. Dieser Steltener Fund bestätigt auch die Annahme, zu deren genauem Beweise immer das deutsche Bindeglied fohlt«, daß die Aurignacraste vom Osten zu uns nach Deutschland und von da weiter nach Westen gewandert ist. Rötelftücke, die in der Nähe des wahrscheinlich weiblichen Schädels gesunden wurden, lasten den Schluß zu, daß die Frauen dieser Rasse sich schon damals irgendwie bemallen. Ein wefterer hochinteressanter Fund wurde in derselben Brandschicht gemacht. Ein kleines, menschenähnliches Figürchen aus Stein läßt deutlich die Merkmal« künstlerischer Bcarbeittmg er- kennen. Daneben sind Tierplastiken von bewundernswert feiner Ausführung ausgegraben worden, so z. B. eine Löwenplasiit aus Elfenbein mft Verzierungen sowie ein Mammut und ein WiDpferd.
Alired Siein: Auf Qoelhes Spuren im Siarm Eirde November 1777 machte der 28jährige Goethe eine seiner seltsamsten Reisen, seine plötzliche heimliche Fahrt in den Harz . Jene unendlich fein erzitternde Harfe, die seine Seele war, läßt ihn plötzlich die Einsamkeit und einen düsteren Menschen suchen, dem er mft seinem„Werther" das Herz verbfttert, er, der noch eben„wunderbar fröhlich und rührend" den zweften Jahrestag seines Weimarer Glücks begrüßt hatte. Die weiße Einsamkeit des Harzgebirges sucht er nun, alles Freudige ist verschüttet. Ein ernster Arzt der Seele, wünscht er den vom Wertherfieber ergriffenen Sohn des Super- imendsnten Plessing in Wernigerode ins Hefters Leben zurückzuführen, dessen hilfeflehende Briefe ihn anfänglich ergötzt haben, dann aber er- kennen ließen, daß Plessing Menschenhaß aus der Fülle jener Liebe trank, die doch im Grunde genommen den„Werther " erfüllte. Sell- sam, dachte Goethe, für mich ist längst die reine Sonn« einer anderen Lotte im Herzen aufgegangen, indessen Menschen noch immer sich aufwühlen lassen von meiner Novelle, die schon erstarrt war zum Monument der Erinnerung in seinem Herzen: ohne jedes Erbeben oder Bedrücktsein für ihn zu betrachten. Das Leben war giftig zu ihm, andere faßt es ungestümer an. So sehr seine Gedanken sich mft dem wertheroergisteten Plessing beschäftigen, oerließ Goethe auch aus dieser Reste nicht die Ruhe. Er läßt vor den Höhlen bei Rübe- land hallen und kriecht einen ganzen Tag, nichts als Naturforscher, in den Tropfsteingrotten herum. Am 1. Dezember war er berells in Ielseld mitten im Harz angelangt; erst am 3. Dezember heißt es in seinem Tagebuch kurz;„Nach Wernigerode . Mft Plessing spazieren in die Berge." Am 4. Dezember schreibt er berefts an Frau von Stein von Goslar und nur eine einzige Stelle des Brisfes erinnert, wahrend er sonst schon von den„Mauern und Dächern des AUertums" entzückt ist, an sein gestriges Erlebnis:„Wie sehr ich wieder, auf diesem dunklen Zug, Liebe zu der Elaste von Menschen gekriegt habe, die man die niedre nennt! die aber gewiß die höchst« sttt Da sind doch alle Tugenden beysammen, Beschränktheit, Genüg- samkeit, gerader Sinn, Freude über das leiblich« Gut, Harmlosigkeit, Dulden..." Bei dieser Beschreibung denkt er schon an seinen Wort, nicht mehr cm Plessing. Ueberhaupt in keinem seiner Harzbriese erwähnt Goethe Plessing. Seine Reise, dem unglückseligen Wertherjüngling zu Helsen , dieser „dunkle Zug" in das, ach, so heiter leuchtend« Gebirge im Schnee war vergebens. Plessing ließ sich vom Dichter auf jenem einsamen Spaziergang am 3. Dezember nicht trösten. Heute wissen wir, daß es eine Selbstgefälligkeft in gewissen Menschen gibt, die sich nur vom Unglück verbrämt interessant fühlen. Jenem Goethes Leben einen Tag lang ergreifenden Plessing war im Grunde genommen gar nicht zu helfen; den hatte der Wercher so ergriffen, weil ein Liebeserlebnis ähnlicher Art chn zu gleicher Zeft mft der Lektüre bewegte, das viel» leicht ohne das Buch keine phantastische Nahrung erhalten hätte, mft dem Buch aber plötzlich den Weg sah, auf dem es sich so furchtbar interessant und so schrecklich entzückend ins Unglück schreiten ließ. Wer wollte damals in Deutschland unter verschwärmten jungen Leuten nicht Werthers oder Lottes Schicksal haben? O glücklich« Zeiten, da man allen Ernstes noch glaubte, tief unglücklich verliebt zu fein, ohne zu wissen, daß fast immer das größte Lieöesglück ein« unglückliche Liebe bereftet, die sich nicht alltäglich erfüllt und nicht wie alles schließlich im Leben, was nicht Sehnsucht bleibt, nach einem Naturgesetz langweilig wird. Wer ich glaube, daß selbst Goethe nicht so weft die Zusammenhänge sah, sonst hätte er diesen Schwärmer gehellt, wie man es heute mit jedem Hysteriker macht: indem man den dunklen Purpur des Unglücks ihm von den Schultern nimmt durch die klare Schilderung der körperlichen Bedingheft seiner schein- bar so unglückseligen Neinung. Wer die Harzreise wird nach seinen vergeblichen Bemühungen nur heiliger Selbstzweck. Sie beglückt ihn wie ein talles Bad. das einem aus einer bürgerlichen Wspaimung wieder zu neuem kräftigen Leben zusammenzieht. Er wird sogar übermütig: schon am 6. De- zember 1777 schreibt er aus Goslar an Charlotte: „Mir ist's eins sonderbare Empfindung, unbekannt in der Well herumzuziehen, es ist mir, als wenn ich mein Berhällniß zu den Menschen und den Sachen weft wahrer fühlte. Ich Heise Weber, bin ein Maler, habe jura studiert, oder ein Reisender überhaupt, betrage mich sehr höilich gegen jedermann, und bin überall wohl ausge- nommen. Mft Frauens Hab ich noch gar nichts.zu schaffen gehabt.
Eine reine Ruh und Sicherheft umgibt mich, bisher P mär noch alles zu Glück geschlagen." Und am 10. Dezember steigt er vom Torfhaus auf de» Brocken. Er stt so ergriffen von dem Erlebnis d«r weißen Berg«, bei dem er nicht eine Strophe zu formen vermag, wo ihm alle Prosa zur Poesie und alle Poesie zur Prosa wird, daß er an Charlotte schreibt:„Wie gern« schrieb ich jetzt nicht." Nur träumen, träumen das hoch- beglückende, von keinem Wort zu eroberift»« Geheimnis, diese einsam- weißen Berge und Wälder. Ich bin im Sommer diesen Goethe-Weg gegangen; die Ein- Wirkung des Weges ssiner Seele war aber so stark, daß sich die Tannen und Steine mft Schnee bedeckten und ich«in faustisches Wehen um muh fühlt«. Ein Förster begegnete mir bei dem Aufstieg zum Brocken und ich dacht«, vielleicht ist dies ein Nachfahr jenes Försters vom Torshaus, der Goethe zunächst nicht hinaufgeleften wollte, da der Brockenzipfel voller Nebel stand, denn damals gab es noch keine Wegzeichen, weil es nicht als Vergnügen gall, auf» Berge zu steigen. Der Förster und Goethe warteten im Tors Hause. Stunden um Stunden hingen Nebel grau über dem verschneften Gebirge. Und Goethe„war still, bat die Götter, das Herz dieses Menschen zu wenden und das Wetter, und war still". Nur ein freudiger Bergwanderer kann Goethe diese Gipfelsehnsucht nach- fühlen. Da knurrt der Förster:„Der Brocken ist klar. Ich werde Sie führen, Herr Weber." Und Goethe ritzt zum Zeichen seiner Frcudentrönen ein großes C ins Fenster des Torfhauses, durch das er den plötzlich wolkenklaren Himmel erblickte, m diesem Augenblick des unerwarteten Glucks der geliebten Frau in Weimar gedenkend. Em jeder Dichter vermag seine tiefsten Beglückungen nicht niederzuschreiben. Keusch trägt er das Geheimnis unbefleckter Empfängnis ihn zu tiefst erschütternder Dinge durch sein Leben, nur das mystisch dunkle Gedicht„Harzreff« im Winter" wird die erste lyrische Ernte dieser Reffe. Wenn man die wenigen Briefe Goecheo von seiner Harzreffe liest, so vergeht ihm auch immer wieder, wenn er seine innigste Zwiesprache mft der Natur beschreiben soll das Wort.„Und wär's nicht an Sie, hisll ich für Sünde es zu schreiben". heißt es, am 11. Dezember nach dem Brockenaufftteg, an Charlotte. Gar nichts möchte er in diese Erhabenheft hineinreden, es ist ja nur alles halb. Wortlos hat er auf des Teufels Allar seinem Gott den liebsten Dank geopfert. Ganz schlicht sogt er am Abend nach der Feier des Gipfelausstiegs:„Nun, Liebste, trete ich vor die Tür hin- aus, da liegt der Brocken in hohem herrlichen Mondschein über den Fichten vor mir..." In diesem hohen, herrlichen Mondschein wogten schon unter- bewußt Ursaustwosen. und erst Jahrzehnte später wird das tvunder- bare Erlebnis Wort im„Faust", da das Irrlicht spricht: In die Traum» und Aaubersphäre sind wir, scheint es. eingegangen. Führ uns gut und mach dir Ehre! Daß wir vorwärts bald gelangen in den weüen, öden Räumen. Seh ich Bäume hinter Bäumen. wie sie schnell vorüberrücken. und die Klippen, die sich bücken, und die langen Felsennasen, wie sie schnarchen, wie sie blasen! Durch die Stein«, durch die Rasen, eilet Dach und Büchlein nieder. Hör ich Rauschen? Hör ich Lieder? Hör ich holde Liebesklage. Sttmmen jener Himmelstage? Was wir hoffen, was wir lieben? Und das Echo, wie die Sage aller Zeiten, hallet wid«r. Scheu schritt ich dies« Pfade nach So wie er sich von Plessing? Düsternis durch die einsame Schneewanderung befrofte, wurde es mir frei ums Herz, nur befangen von der jubelnden Natur und dem immer noch webenden Odem seines Geistes. Der Brocken schien mir der Sarkophag seiner ungeschriebenen Werke, die quellübersMten. steinigen Wege waren kristallrein zu Sinnbildern der Jenseftigkeft seiner ehrfurchtsvoll verstummten Seele.