Seit die Rechte vor furzem ihre Liebe zur Demokratie und zur Weimarer Verfassung entdeckt hat, treibt diese Leidenschaft immer neue Blüten. Bemerkenswert bleibt da bet, daß die Treue zur Verfassung bis auf den letzten Buch staben immer erst dort in Erscheinung tritt, wo man pon ihr Vorteile für die eigene Sache erwartet.
Im Vordergrund des Interesses steht jetzt das weitere Schicksal des preußischen Kabinetts. In Ländern mit einem besonderen Staatsoberhaupt( Monarchen oder Staatspräfi denten) erfolgt die Ernennung des Premier. ministers( Reichskanzlers, Ministerpräsidenten) oder auch aller Kabinettsmitglieder in der Regel durch das Staatsoberhaupt. Da Preußen im Interesse des Ansehens des Reiches bewußt auf die Institution eines Staatspräsidenten verzichtet hat, entstand die Notwendigkeit einer anderweiten Regelung. Nach Ablehnung mehrerer anderer Vorschläge( Ernennung durch den Präsidenten des preußischen Staatsrats oder den Landtagspräsidenten) entschied man sich dafür, diese Aufgabe dem Landtag zu übertragen, eine ausgesprochene Ber-. legenheitslösung, die den Aufgaben eines Parlaments wefens fremd ist.( Näheres hierzu fiehe Protokolle des Verfassungsausschusses der Verfassunggebenden Preußischen Landesver jammlung S. 133, 136, 270). ie mesensfremd, geht rein äußerlich auch schon daraus hervor, daß nach ausdrücklicher Verfassungsbestimmung( Artikel 45) eine Aussprache über die Wahl unzulässig ist, eine wohl für ein Parlament recht eigenartige Bestimmung. Diese wesensfremde Aufgabe wurde nun in die übrigen Verfassungsbestimmungen eingepreßt, die schon deshalb auf die Wahl( richtiger wäre ,, Ernennung") des Ministerpräsidenten nicht zugeschnitten sind, weil noch der Regierungsentwurf der Verfassung die Ernennung des Ministerpräsidenten durch den Landtagspräsidenten vorgesehen hatte.
Nach Artikel 22 faßt der Landtag seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Ausnahmen fann... für die Wahl die Geschäftsordnung zulaffen. Bon dieser Möglichkeit hatte die alte Geschäftsordnung Gebrauch gemacht. Nach ihr( Artikel 20) war gewählt, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhielt. Ergab sich keine solche Mehrheit, so sollten die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl fommen, so daß alsdann im zweiten Wahlgang endgültig gewählt wäre, wer von ihnen beiden die höhere Stimmenzahl hatte. Diese Bestimmung der Geschäftsordnung ist, wie befannt, ord nungsgemäß aufgehoben worden. Die derzeitige Rechtslage ist also die, daß die Wahl des Ministerpräsiden ten, so mie es Artifel 22 der preußischen Berfaffung vorfieht, mit Stimmenmehrheit erfolgt.
Nachdem der radikalen Rechten die einzige Chance, die das deutsche Verfaffungsleben fennt, mit relativer Mehrheit an die Macht zu fommen, nämlich die Reichspräsidentenwahl, verlorengegangen ist, nachdem das heiße Bemühen, in Preußen burch Erringung ber Majorität die Macht über den größten Berwaltungsapparat zu befommen, gescheitert ist, versuchen Stimmen aus dem 2Lager der Rechten gegenüber Ber der vorstehend gekennzeichneten flaren Rechtslage wirrung zu stiften. Diese Stimmen behaupten, daß entgegen dem flaren Tert der geltenden Geschäftsordnung die Wahl des Ministerpräsidenten, da eine absolute Mehrheit nicht zu= stande kommt, durch die stärkste Gruppe erfolgen könne.
Wenn auch bei der flaren Rechtslage ein Erfolg dieser Berwirrungsversuche von vornherein ausgeschloffen ist, muß boch aber auch jeder Versuch, Unsicherheit zu schaffen, von vornherein entschieden zurückgewiesen werden. Die Argumente, die von ihnen angeführt werden, sind verschiedener Art. Eines weist auf den Artikel 17 der Reichsver faffung hin, monach jedes Land eine freistaatliche Berfassung haben muß und die Landesregierung des Vertrauens der Bolksvertretung bedarf. Vorschriften, die dieser Bestim mung der Reichsverfassung widersprächen oder ihre Durch führung erschwerten, seien nichtig. Hieraus wird gefolgert, daß, falls im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit für einen Kandidaten zur Ministerpräsidentschaft nicht zustande fommt, der Minister in der Stichwahl des zweiten Wahlganges mit relativer Mehrheit zu bestimmen sei. Diese Aus führungen enthalten eine starke und grundsägliche Ber tennung der Bedeutung des Grundprinzips des Parlamen farismus, monach die Regierung das Bertrauen der Bolksvertretung haben muß. Sie übersehen nämlich, daß die Wahl mit nur relativer Mehrheit gerade dasjenige schaffen würde, was im Sinne des Parlamentaris mus angeblich vermieden werden soll: nämlich eine Regierung, die nicht das Bertrauen des Parlaments genießt, ja die gerade erst eingesezt wird, nachdem der vorhergehende Wahlgang gezeigt hat, daß die Mehrheit des Parlaments diese Regierung ablehnt. Wohl befigt jetzt auch die Regie rung Braun nicht das Bertrauen; jedoch ist sie durch das Bertrauen des Landtags in ihr Amt seinerzeit berufen und wiederholt bestätigt worden. Nachdem sie ihre bisherige Mehrheit verloren hat, ist sie verpflichtet und bereit, einer Regierung die Geschäfte zu übergeben, die hierzu durch das Vertrauen des Parlaments berufen wird, aber auch nur einer solchen. Sich auf die Grundsäße des Parlamen tarismus zu berufen, um zu folgern, daß eine durch absolute Parlamentsmehrheit berufene Regierung die Geschäfte einer Regierung übergeben muß, die überhaupt noch nie eine Parlaments mehrheit hinter sich hatte, ja offensichtlich gegen eine solche ans Ruder tam das per rät immer noch eine starte Fremdheit mit den Grundsätzen Dieses Parlamentarismus.
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Bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten und bis zur Ernennung der Minifter durch ihn, führen laut ausdrück licher Lerfassungsbestimmung die zurückgetretenen Minister die laufenden Geschäfte bis zu deren llebernahme durch die neuen Minister weiter. Es ist daher glattmeg falsch, wenn
smenos
15165
Der Fünfzigjährige.
B
Seneer
3a, was hat diefer junge 20 jährige Serr eigentlich für Berdienste, daß er sich herausnehmen kann, in diesem Zon von der deutschen Sozial demokratie zu sprechen?"( August Bebel am 22.1.03 im Reichstag.)
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August Bebel : Run ist er mittlerweile fünfzig, auf seine Verdienste wartet die Welt immer noch!"
Petrus : Zut nichts, er sieht doch dem Alten Fritz sooo ähnlich!"
Die„ Brecher der Zinsknechtschaft" verteidigen den Großbetrüger.
Wiederholt haben wir barauf hingewiesen, daß der Mammut betrüger 3par Kreuger den Nationalsozialisten lange Zeit als ber 3de altyp des, fchaffenden" Rapitalisten gegolten hat. Selbst nach seinem Zusammenbruch hat ein Teil der Nazipreffe an den Sturz ihres Jools nicht glauben wollen, sondern hartnädig die Persönlichkeit Ivar Kreugers verteidigt. Für die Nazipreffe war nicht Ivar Kreuger der Betrüger, sondern wer seinen Betrug ans Licht brachte! Der Freiheitstampf", das Dresdener Blatt der Nationalsozialisten, brachte z. B. am 8. April einen Verteidigungs artifel für Kreuger mit der schönen Ueberschrift ,, Diesmusige Wäsche der Juden". Darin heißt es:
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Die Tattit der internationalen jüdischen Hochfinanz wird im Fall Kreuger immer verleumberischer unb nieber= frächtiger. Alle Mittel find diesen Burschen recht, um die an und für sich schon gefallenen Kreuger Bapiere durch Lügenmeldungen aller Art noch tiefer finten zu lassen... Man bezichtigt den toten Kreuger der Bilanz fälschung. Um des schnöden Mammons willen machen die internationalen Großschieber und Gauner night einmal halt vor einem Toten... Immer und immer wieder find es, die Juden, die die Schiebungen und Gaunereien engros vornehmen und die Bölfer bis aufs letzte aussaugen."
Kreuger blieb für die Nazis eine Lichtgestalt. Die Meldungen über seine Betrügereien waren nichts als schmutzige Börsenmanöver
Genatspräsident Dr. Deerberg in Nr. 205 der Deutschen Allgemeinen Zeitung" schreibt, daß die Geschäftsordnung in ihrer heutigen Fassung die ,, Neubildung" der Regierung nicht der stärkeren, sondern der schwächeren Gruppe überträgt und dies als mit den demokratischen Grundsägen unvereinbar be zeichnet. Auch hier ist nur darauf hinzuweisen, daß es piel undemokratischer wäre, wenn eine nach demokratischen Grundfäßzen gewählte Regierung vor einer Regierung, die gegen den Willen der Mehrheit des Parlaments zustande fam, zu rückweichen müßte. Bon einer Neubildung der Regierung fann aber keine Rede sein. Es handelt sich lediglich um die Wahrung der Kontinuität in der Führung der Staatsgeschäfte, die jedem Statsbürger am Herzen liegen muß. Aus eben diesem Grunde gehen auch die Ausführungen Deerbergs fehl, in denen er die Wahl durch relative Mehrheit fordert, meil ,, eine Regelung, die die Möglichkeit zuläßt, daß im End ergebnis fein Kandidat als gewählt gilt, unzulässig ist". Die Folgen der Deerbergschen Forderungen, der Wahl einer Minderheitsregierung, wäre doch nur, daß diese Regierung, wenn sie das nach Artikel 57 erforderliche Vertrauen des Barlaments nicht besitzt, sofort zurücktreten müßte. Will dann Deerberg auch dieser Regierung das Recht absprechen, die Geschäfte weiterzuführen? Oder sollen seine Grundsäge nur für die derzeitige Regierung der Mitte gelten?
Daß der Ministerpräsident unbedingt der Wahl durch die Mehrheit des Barlaments bedarf, geht auch daraus hervor, daß der preußische Ministerpräsident im Gegensaz zum Reichspräsidenten, wenn der von ihm ernannte Reichsfanzler durch das Parlament abgelehnt wird, nicht berechtigt ist, von
Staatstheater.
Wedekind: Der Liebestrant.
Wedekinds geistreichfte Groteske murde wieder aufgeführt. Die Borstellung, von Jürgen Fehling inszeniert, war pompos, und außerdem heiter und bunt. So blieb der große Erfolg nicht aus, Das Staatstheater holt beinahe nach, was es im Winter verfäumt hatte, und es ist augenblicklich doch ohne Oberhaupt.
M. H.
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des raffenden" Kapitals, um dem Werke dieses edlen Schaffenden" den Garaus zu machen.
Am 12. April schrieb der Freiheitstampf" einen neuen Artifel zum Fall Kreuger, in dem er frohlodte: Die jüdischen Gau16. April versicherte das Naziblatt wiederum, daß es sich bei allen ner fommen mit ihren Lügenmeldungen nicht weit." Am Melbungen über Kreugers Machenschaften nur um„ Börsen. gaunereien " handelte, um die Kurse zu drücken. Wörtlich war zu lesen:
leber den Kreuger Konzern schwirren augenblicklich die toll. ften Gerüchte durch die Breffe und werden. mit einer unnatürlichen Leidenschaft aufgegriffen... Anzunehmen ist, daß das internationale jüdische Bankfapital versucht, durch Ausffreuung folcher Rachrichten die Kurie der Kreuger- Papiere weiter abjaden zu laffen, um dann einen gehörigen Schnitt zu machen."
Das Braune Haus hat zwar die Meldung, daß sich in den hinterlassenen Papieren Kreugers auch eine Quittung Hitlers über 100 000 mr. befände, prompt dementiert. Bei dem Feuereifer, den die Nazipresse in der Verteidigung des Riefenbetrügers an den Tag gelegt hat, liegt aber der Gedanke nicht fern, daß die Beziehun gen Streugers zu den Nationalsozialisten doch recht enger Art. gemesen sein müssen.
Eins ist jedenfalls sicher: im Falle Kreuger hat die Nazipresse ihre eigene Theorie vom schaffenden“ und„ raffenden" Kapital gründlich ad absurdum geführt.
sich aus den Landtag aufzulösen. Diese Möglichkeit steht in Preußen nur einem besonderen Dreimännerkollegium zu. Interessant ist, daß nicht nur auf Artikel 57 der preußischen Verfassung hingemiesen wird, sondern auch auf Artifel 17 der Reichsverfassung, die beide inhaltlich das gleiche besagen. Warum denn Heranziehung der Reichsverfassung? Weil nach Artikel 13 der Reichsverfassung Reichsrecht Landrecht bricht! Es scheinen Pläne zu bestehen, auf jeden Fall im Landtag nach der wie vorauszusehen gescheiterten Wahl eines neuen Ministerpräsidenten eine zweite natürlich jeder Rechtsgrundlage entbehrende Wahl eines Ministerpräsidenten durchzuführen und den, der dann die meisten Stimmen erhalten hat, zum Ministerpräsidenten nach der Art eines mittelalterlichen Gegenpapst es auszurufen. Durch Hinweis auf Artikel 13 der Reichsverfassung soll dann versucht werden, die Amtsübernahme für diesen Prätendenten durch das Reich im Wege der Reichsexekution zu erzwingen!
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Diese Pläneschmiede übersehen, daß die Stellen, die über den Einsatz der Reichserefutive entscheiden, zugleich berufen sind, die Verfassung nach allen Seiten zu wahren, nicht, aber sie mißbrauchen zu lassen, wie das dem Machtstreben einzelner Gruppen entspricht.
Der Herr Reichspräsident empfing am Freitag den Reichswirtfchaftsminister Dr. Warmbold in Abschiedsaudienz.
Die kommunistische Reichstagsfraktion hat zur bevorstehenden politischen Aussprache im Reichstag einen Mißtrauensantrag gegen das Kabinett Brüning eingebracht, ferner besondere Mißtrauensanträge gegen die Minister Groener und Stegerwald. Die Rechtsparteien haben bisher eine Entscheidung über die Einbringung von Mißtrauensanträgen nicht getroffen; das wird voraussichtlich erst in den Fraktionsfizungen, die am Montag stattfinden, geschehen.
Hungerdemonftrationen in Chemnih. Größere Trupps von Demonstranten durchzogen Freitag gegen Mittag die Hauptstraße der Stadt mit dem Ruf Hunger"! Vor dem Rathaus griff die Polizei mit dem Gummifnüppel ein und zerstreute die Menge, wobei einige Verhaftungen vorgenommen wurden.
Merkys hat sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Der Gouverneur des Memelgebiets Merfys hat dem Bräsidenten der Republik sein Rüdtrittsgesuch zugehen laffen.