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Morgenausgabe
Nr. 243
A 123
49. Jahrgang
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Donnerstag 26. Maí 1932
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Saalschlacht im Landtag.
Nazis prügeln die Kommunisten aus dem Gaal.- Zahlreiche Verletzte. Trümmer bedecken das Schlachtfeld.
Nach der Präsidentenwahl kam es gestern im Landtag zu einer ungeheuren Saalschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Die National sozialisten schlugen mit Stühlen, Tischen und allen erreichbaren harten Gegenständen auf die Kommunisten ein und trieben sie aus dem Saal.
In dem Tumult wurde der Geschäftsführer der
sozialdemokratischen Landtagsfraktion, der Genosse Jürgensen, von einem schweren Stuhl am Kopf getroffen und brach besinnungslos zusammen. Er mußte in die Klinik in der Ziegelstraße gebracht
werden.
Im Plenarsaal des Landtags wurden große' Verwüstungen angerichtet, er bildete nach dem Ende der Schlägerei ein wirres Durcheinander. Die nächste Sihung des Landtags findet am 1. Juni statt.
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von Hückeswagen der Staatsanwalt Zuchthausstrafen| fönnen und auch erhalten, zumal ihnen ja soeben das Präs von 7 bis 9 Jahren gegen die Täter beantragt habe. Dieser Antrag des Staatsanwalts sei so ungeheuerlich, daß noch heute dagegen das Parlament Stellung nehmen müsse. Dies trug er inmitten einer Flut von Beschimpfungen der Justiz vor.
Gegen diesen Antrag nahm Genosse Heilmann als Führer der sozialdemokratischen Fraktion das Wort. Obwohl er mit geradezu vorbildlicher Ruhe und Sachlichkeit sprach und jede Schärfe des Ausdrucks unterließ, wurde seine Rede von den Nationalsozialisten systematisch nieder gebrüllt. Nach jedem Satz mußte Genosse Heilmann minutenlang pausieren. Er führte aus: Die Angeklagten, von denen Freisler redete, hätten den Tod von drei Menschen verursacht, darunter den Tod des Bruders unseres, hier anwesenden Fraktionskollegen Fries- Köln. Schon dieser Umstand hätte Herrn Freisler zu etwas mehr Zurückhaltung veranlaffen sollen.( Johlendes Gelächter der Nazis.) Ueber die Schuld der Täter würde in den nächsten Stunden das Gericht entscheiden. Was aber die Nationalsozialisten hier vom Landtag verlangten, sei ein ungeheuerlicher Eingriff in die Rechtspflege, in ein schwebendes Verfahren. Darauf ergriff der Nationalsozialist Kube das Wort zu einer noch viel wüsteren Hezrede. Um deren Geist festzustellen, genügt es, den Saz niederzuschreiben, mit dem dieser künftige Ministerpräsident" seine Ausführungen schloß:„ Neunzig Prozent aller preußischen Staatsanwälte verdienten, wegen Rechtsbeugung selber auf die Anklagebant gesezt zu werden."
Gib nur erst acht, die Bestialität Wird sich gleich herrlich offenbaren! Faust I, Auerbachs Keller . Die Bestaltität hat sich gar herrlich offenbart. Vierundzwanzig Stunden lang hat die SA.- Kolonne des Preußischen Landtags , zum Schein nationalsozialistische Landtagsfraktion genannt, so etwas wie Manieren und Disziplin geheuchelt. Bis die Präsidentenwahl vorbei war und sie man muß es aussprechen dank einer übergroßen Vertrauensseligkeit des Zentrums und dank der scheinrevolutionären Verranntheit der Kommunisten das Landtagspräsidium in der Tasche Der nächste Redner war der Kommunist Bied. hatten. Dann ging der Spektakel los, und er nahm Dimen- Beim zweiten oder dritten Satz seiner Rede brach der Tumult sionen an, die auch den ärgsten Pessimismus übertrafen! Die zweite Sigung des Preußischen Landtags ist ausein los. Pieck erklärte, daß Kommunisten viel härter bestraft andergeflogen mit einer Saalschlacht, bei der es drei würden als Nationalsozialisten. Uebrigens hätten die NatioSchwerverlette und eine Anzahl Leichtver- nalsozialisten selber mehrere Arbeitermorder in ihren Reihen. letzte gegeben hat, an deren Ende der Sizungssaal des Landtags einem Trümmerfeld glich und einen Anblick bot, der wahrlich als Symbol gewertet werden darf: so sieht das aus, was der Faschismus aus den Parlamenten
machen will.
Hierzu riefen die Kommunisten:" Feme- Schulz, Heines!" Darauf erhoben sich zahlreiche Nationalsozialisten und drängten gegen die Rednertribüne vor, bis unmittelbar zu Pied hin. Die Kommunisten, die ihren Redner in dieser Situation bedroht glaubten, gingen nun gleichfalls auf die Rednertribüne und stellten sich um Pied auf. Soweit war ihr Verfahren durch die Situation gerechtfertigt. Oben gab es dann eine erregte Schimpferei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, in deren Verlauf ein Kommunist dem Nationalsozialisten Hinkler einen Schlag versetzte.
Zur Zeit sind die politischen Folgen dieses vandalischen Aftes noch ungeklärt. Dagegen bestehen über den Hergang selber keinerlei Zweifel. Er begann mit einer ungeheuren Provokation der Nationalsozialisten, und wenn auch das kommunistische Verhalten nicht ohne Mitschuld an der Entwicklung der Dinge gewesen ist, so zeigt doch das ganze Wären die Nationalsozialisten eine disziplinierte und Vorgehen der Nationalsozialisten, daß es von ihrer parlamentarische Fraktion, so hätten sie für diesen UeberSeite von vornherein auf Provokation angegriff ohne weiteres parlamentarische Sühne verlangen legt war.
Nach der Erledigung der Präsidentenwahl behandelte der Landtag die Festsetzung der Mitgliederzahl einer Anzahl von Ausschüssen und die Ueberweisung verschiedener dringlicher Anträge zur sofortigen Behandlung an diese Ausschüsse. Eine völlig harmlose Angelegenheit, über deren sachliche Erledigung um so weniger Differenzen bestanden, als sie am Vormittag im Aeltestenrat zwischen allen Parteien vereinbart
worden war.
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fidium zugefallen war. Statt dessen war für sie dieser Vorfall das Signal zur allgemeinen Schlägerei. Die gesamte nationalsozialistische Fraktion von 160 Mann, fast durchweg jüngere und anscheinend hauptsächlich- nach förperlichen Qualitäten ausgesuchte Männer, setzte sich in Bewegung, stürmte über die Bänke der Mittelparteien hinweg auf die Kommunisten zu und schlug mit allen erreichbaren Gegenständen auf die in hoffnungsloser Minderzahl befindlichen Kommunisten ein. Dabei wurden Bultschubladen und Pult deckel, sogar die schweren, auf der Miniſterestrade stehenden Ledersessel, von denen ein halbes Dugend nachher demoliert im Saale lag, als Waffen verwandt. Leider erhielt bei dieser Gelegenheit auch der gänzlich unbeteiligte sozialdemokratische Fraktionssekretär Genosse Jürgens Jürgensen, wäh rend er sich bemühte, das Material der Fraktion in Sicherheit zu bringen, durch Wurfgeschosse außerordentlich schwere Kopfverletzungen, die feine Ueberführung in das Sanitätszimmer und von dort in das Krankenhaus notwendig machten. Zeitweilig hatte Genosse Jürgensen die Besinnung verloren.
Kommunisten aus dem Saal zu prügeln, sammelten sie sich Nachdem es den Nationalsozialisten gelungen war, die und stimmten unter Führung des Abgeordneten Lohse( bekannt durch den Fall Franzen) das Horst- Wessel- Lied an und brachen in Heilrufe aus. Die Mitglieder aller anderen Barbrachen in Heilrufe aus. Die Mitglieder aller anderen BarVorkommnisse erfüllt, nach und nach den Saal verlassen. Beteien hatten, von Scham und Ekel über diese schmachvollen sonders auf das Zentrum hatten die Vorgänge tiefsten Eindruck gemacht, und vielfach hörte man Zentrumsabgeord nete untereinander die Frage aufwerfen, ob auch nur der Gedanke oder die Möglichkeit eines Zusammenarbeitens mit dieser barbarischen Horde bestehe.
Die Sozialdemokratie berief sofort eine Fraktions sizung ein, in der die Vorgänge, wie hier dargestellt, durch völlig übereinstimmende Aussagen der Fraktionsmit glieder festgelegt wurden. Die Sitzung endete mit dem Beschluß, eine Erklärung gegen die Roheitserzeffe zu veröffent
lichen.
Eins steht jedenfalls fest: Am Mittwoch hat sich der Faschismus in seiner nackten Gestalt der Brutalität gezeigt, das von Gregor Straßer proklamierte Faust recht" ist von den Nazis dazu auserkoren, das parlamentarische Recht und jede parlamentarische Gesittung zu ersetzen. Weiten Kreisen des preußischen Volkes dürften allgemach die Augen aufgehen, was sie mit dieser Wahl vom 24. April angerichtet haben!
Das Landtagspräsidium.
Nationalsozialist Kerri Landtagspräsident.
Gegen die Roheitserzesse.
Erklärung der Sozialdemokraten.
Im Landtag wurde gestern das Landtagspräsidium in der Ziegelstraße gebracht werden. Glücklicherweise ist seine BérPlötzlich meldete sich der nationalsozialistische Abgeord- gewählt. Die Sozialdemokraten stimmten bei der Wahl| letzung nicht so schwer, wie es zuerst den Anschein hatte. nete Roland Freisler zur Geschäftsordnung und ver langte die sofortige Konstituierung des von den National- des Präsidenten für den Gnossen Wittmaad. Bei der sozialisten schon vor einigen Tagen beantragten Unter- Wahl des ersten Vizepräsidenten enthielten sich die suchungsausschusses über die Justiz. Schon an sich war dieser Nationalsozialisten der Stimme. Antrag ein Bruch der Vereinbarungen, da im Aeltestenrat ausdrücklich ausgemacht worden war, daß alle Anträge, deren sofortige Behandlung gewünscht wurde, bis 1 Uhr eingereicht sein sollten, tatsächlich es aber schon inzwischen auf 6 Uhr nachmittags ging. Mit keinem Wort hatten die Nationalsozialisten im Aeltestenrat das jetzt von Herrn Freisler mit wilder Pathetik vorgetragene Verlangen erwähnt!
Noch provozierender aber war die Art, wie Freisler seinen Antrag begründete: Er habe eben ein Telegramm er
Das Präsidium jetzt sich folgendermaßen zusammen: Präsident: Kerrl ( Nsoz.).
1. Vizepräsident: Wittmaack( Soz.). 2. Vizepräsident: Baumhoff( 3.). 3. Vizepräsident: v. Kries( Dnat.).
Das Befinden des Genoffen Jürgensen. Genoffe Jürgensen wurde von einem schweren Stuhl am Unterhalten, daß in dem Prozeß gegen die Totschläger tiefer getroffen, so daß er zufammenbrach. Er mußte in die klinik
Die sozialdemokratische Fraktion des Preußischen Landtags trat nach der Aeltestenrats- Sitzung zusammen. Nach Schluß der Situng wurde folgende Erklärung be kanntgegeben:
,, Die sozialdemokratische Landtagsfraktion verurteilt aufs schärfste die brutalen Roheitsegzesse, deren Schauplak heute der Preußische Landtag gewesen ist und deren Opfer auch unser völlig unbeteiligter Fraktionssekretär