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Morgenausgabe

Nr. 243

A 123

49. Jahrgang

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Der Borwärts erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgabe für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Juustrierte Sonntagsbeilage Bolt und Zeit".

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Donnerstag 26. Maí 1932

Groß Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die ein palt. Millimeterzeile 30 B. Reklamezeile 2.- M. ,, Kleine An zeigen" das fettgedruckte Wort 20 Bf. zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pf. Rabatt It. Tarif. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Millimeter. zeile 25 Pf. Familienanzeigen Milli. meterzeile 16 Pf. Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr. Der Verlag behält sich das Recht der Ab. lehnung nicht genehmer Anzeigen vor!

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Saalschlacht im Landtag.

Nazis prügeln die Kommunisten aus dem Gaal.- Zahlreiche Verletzte. Trümmer bedecken das Schlachtfeld.

Nach der Präsidentenwahl kam es gestern im Landtag zu einer ungeheuren Saalschlacht zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Die National sozialisten schlugen mit Stühlen, Tischen und allen erreichbaren harten Gegenständen auf die Kommu­nisten ein und trieben sie aus dem Saal.

In dem Tumult wurde der Geschäftsführer der

sozialdemokratischen Landtagsfraktion, der Genosse Jürgensen, von einem schweren Stuhl am Kopf getroffen und brach besinnungslos zusammen. Er mußte in die Klinik in der Ziegelstraße gebracht

werden.

Im Plenarsaal des Landtags wurden große' Ver­wüstungen angerichtet, er bildete nach dem Ende der Schlägerei ein wirres Durcheinander. Die nächste Sihung des Landtags findet am 1. Juni statt.

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von Hückeswagen der Staatsanwalt Zuchthausstrafen| fönnen und auch erhalten, zumal ihnen ja soeben das Präs von 7 bis 9 Jahren gegen die Täter beantragt habe. Dieser Antrag des Staatsanwalts sei so ungeheuerlich, daß noch heute dagegen das Parlament Stellung nehmen müsse. Dies trug er inmitten einer Flut von Beschimpfungen der Justiz vor.

Gegen diesen Antrag nahm Genosse Heilmann als Führer der sozialdemokratischen Fraktion das Wort. Ob­wohl er mit geradezu vorbildlicher Ruhe und Sachlichkeit sprach und jede Schärfe des Ausdrucks unterließ, wurde seine Rede von den Nationalsozialisten systematisch nieder gebrüllt. Nach jedem Satz mußte Genosse Heilmann minutenlang pausieren. Er führte aus: Die Angeklagten, von denen Freisler redete, hätten den Tod von drei Menschen verursacht, darunter den Tod des Bruders unseres, hier an­wesenden Fraktionskollegen Fries- Köln. Schon dieser Um­stand hätte Herrn Freisler zu etwas mehr Zurückhaltung ver­anlaffen sollen.( Johlendes Gelächter der Nazis.) Ueber die Schuld der Täter würde in den nächsten Stunden das Gericht entscheiden. Was aber die Nationalsozialisten hier vom Land­tag verlangten, sei ein ungeheuerlicher Eingriff in die Rechtspflege, in ein schwebendes Verfahren. Darauf ergriff der Nationalsozialist Kube das Wort zu einer noch viel wüsteren Hezrede. Um deren Geist festzustellen, genügt es, den Saz niederzuschreiben, mit dem dieser künftige Ministerpräsident" seine Ausführungen schloß: Neunzig Prozent aller preußischen Staatsanwälte verdienten, wegen Rechtsbeugung selber auf die Anklagebant gesezt zu werden."

Gib nur erst acht, die Bestialität Wird sich gleich herrlich offenbaren! Faust I, Auerbachs Keller . Die Bestaltität hat sich gar herrlich offenbart. Vierund­zwanzig Stunden lang hat die SA.- Kolonne des Preußischen Landtags , zum Schein nationalsozialistische Landtagsfraktion genannt, so etwas wie Manieren und Disziplin geheuchelt. Bis die Präsidentenwahl vorbei war und sie man muß es aussprechen dank einer übergroßen Vertrauensseligkeit des Zentrums und dank der scheinrevolutionären Verrannt­heit der Kommunisten das Landtagspräsidium in der Tasche Der nächste Redner war der Kommunist Bied. hatten. Dann ging der Spektakel los, und er nahm Dimen- Beim zweiten oder dritten Satz seiner Rede brach der Tumult sionen an, die auch den ärgsten Pessimismus übertrafen! Die zweite Sigung des Preußischen Landtags ist ausein los. Pieck erklärte, daß Kommunisten viel härter bestraft andergeflogen mit einer Saalschlacht, bei der es drei würden als Nationalsozialisten. Uebrigens hätten die Natio­Schwerverlette und eine Anzahl Leichtver- nalsozialisten selber mehrere Arbeitermorder in ihren Reihen. letzte gegeben hat, an deren Ende der Sizungssaal des Landtags einem Trümmerfeld glich und einen Anblick bot, der wahrlich als Symbol gewertet werden darf: so sieht das aus, was der Faschismus aus den Parlamenten

machen will.

Hierzu riefen die Kommunisten:" Feme- Schulz, Heines!" Darauf erhoben sich zahlreiche Nationalsozia­listen und drängten gegen die Rednertribüne vor, bis un­mittelbar zu Pied hin. Die Kommunisten, die ihren Redner in dieser Situation bedroht glaubten, gingen nun gleichfalls auf die Rednertribüne und stellten sich um Pied auf. Soweit war ihr Verfahren durch die Situation gerechtfertigt. Oben gab es dann eine erregte Schimpferei zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, in deren Verlauf ein Kommunist dem Nationalsozialisten Hinkler einen Schlag versetzte.

Zur Zeit sind die politischen Folgen dieses vandalischen Aftes noch ungeklärt. Dagegen bestehen über den Hergang selber keinerlei Zweifel. Er begann mit einer ungeheuren Provokation der Nationalsozialisten, und wenn auch das kommunistische Verhalten nicht ohne Mitschuld an der Ent­wicklung der Dinge gewesen ist, so zeigt doch das ganze Wären die Nationalsozialisten eine disziplinierte und Vorgehen der Nationalsozialisten, daß es von ihrer parlamentarische Fraktion, so hätten sie für diesen Ueber­Seite von vornherein auf Provokation angegriff ohne weiteres parlamentarische Sühne verlangen legt war.

Nach der Erledigung der Präsidentenwahl behandelte der Landtag die Festsetzung der Mitgliederzahl einer Anzahl von Ausschüssen und die Ueberweisung verschiedener dring­licher Anträge zur sofortigen Behandlung an diese Ausschüsse. Eine völlig harmlose Angelegenheit, über deren sachliche Er­ledigung um so weniger Differenzen bestanden, als sie am Vormittag im Aeltestenrat zwischen allen Parteien vereinbart

worden war.

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fidium zugefallen war. Statt dessen war für sie dieser Vor­fall das Signal zur allgemeinen Schlägerei. Die gesamte nationalsozialistische Fraktion von 160 Mann, fast durchweg jüngere und anscheinend hauptsächlich- nach förperlichen Qualitäten ausgesuchte Männer, setzte sich in Bewegung, stürmte über die Bänke der Mittelparteien hin­weg auf die Kommunisten zu und schlug mit allen erreichbaren Gegenständen auf die in hoff­nungsloser Minderzahl befindlichen Kom­munisten ein. Dabei wurden Bultschubladen und Pult deckel, sogar die schweren, auf der Miniſterestrade stehenden Ledersessel, von denen ein halbes Dugend nachher demoliert im Saale lag, als Waffen verwandt. Leider erhielt bei dieser Gelegenheit auch der gänzlich unbeteiligte sozialdemokratische Fraktionssekretär Genosse Jürgens Jürgensen, wäh rend er sich bemühte, das Material der Fraktion in Sicher­heit zu bringen, durch Wurfgeschosse außerordentlich schwere Kopfverletzungen, die feine Ueberführung in das Sanitäts­zimmer und von dort in das Krankenhaus notwendig machten. Zeitweilig hatte Genosse Jürgensen die Besinnung verloren.

Kommunisten aus dem Saal zu prügeln, sammelten sie sich Nachdem es den Nationalsozialisten gelungen war, die und stimmten unter Führung des Abgeordneten Lohse( be­kannt durch den Fall Franzen) das Horst- Wessel- Lied an und brachen in Heilrufe aus. Die Mitglieder aller anderen Bar­brachen in Heilrufe aus. Die Mitglieder aller anderen Bar­Vorkommnisse erfüllt, nach und nach den Saal verlassen. Be­teien hatten, von Scham und Ekel über diese schmachvollen sonders auf das Zentrum hatten die Vorgänge tiefsten Eindruck gemacht, und vielfach hörte man Zentrumsabgeord nete untereinander die Frage aufwerfen, ob auch nur der Gedanke oder die Möglichkeit eines Zusammenarbeitens mit dieser barbarischen Horde bestehe.

Die Sozialdemokratie berief sofort eine Fraktions sizung ein, in der die Vorgänge, wie hier dargestellt, durch völlig übereinstimmende Aussagen der Fraktionsmit glieder festgelegt wurden. Die Sitzung endete mit dem Be­schluß, eine Erklärung gegen die Roheitserzeffe zu veröffent­

lichen.

Eins steht jedenfalls fest: Am Mittwoch hat sich der Faschismus in seiner nackten Gestalt der Brutalität gezeigt, das von Gregor Straßer proklamierte Faust recht" ist von den Nazis dazu auserkoren, das parlamentarische Recht und jede parlamentarische Gesittung zu ersetzen. Weiten Kreisen des preußischen Volkes dürften allgemach die Augen aufgehen, was sie mit dieser Wahl vom 24. April angerichtet haben!

Das Landtagspräsidium.

Nationalsozialist Kerri Landtagspräsident.

Gegen die Roheitserzesse.

Erklärung der Sozialdemokraten.

Im Landtag wurde gestern das Landtagspräsidium in der Ziegelstraße gebracht werden. Glücklicherweise ist seine Bér­Plötzlich meldete sich der nationalsozialistische Abgeord- gewählt. Die Sozialdemokraten stimmten bei der Wahl| letzung nicht so schwer, wie es zuerst den Anschein hatte. nete Roland Freisler zur Geschäftsordnung und ver langte die sofortige Konstituierung des von den National- des Präsidenten für den Gnossen Wittmaad. Bei der sozialisten schon vor einigen Tagen beantragten Unter- Wahl des ersten Vizepräsidenten enthielten sich die suchungsausschusses über die Justiz. Schon an sich war dieser Nationalsozialisten der Stimme. Antrag ein Bruch der Vereinbarungen, da im Aeltestenrat ausdrücklich ausgemacht worden war, daß alle Anträge, deren sofortige Behandlung gewünscht wurde, bis 1 Uhr eingereicht sein sollten, tatsächlich es aber schon inzwischen auf 6 Uhr nachmittags ging. Mit keinem Wort hatten die National­sozialisten im Aeltestenrat das jetzt von Herrn Freisler mit wilder Pathetik vorgetragene Verlangen erwähnt!

Noch provozierender aber war die Art, wie Freisler seinen Antrag begründete: Er habe eben ein Telegramm er­

Das Präsidium jetzt sich folgendermaßen zusammen: Präsident: Kerrl ( Nsoz.).

1. Vizepräsident: Wittmaack( Soz.). 2. Vizepräsident: Baumhoff( 3.). 3. Vizepräsident: v. Kries( Dnat.).

Das Befinden des Genoffen Jürgensen. Genoffe Jürgensen wurde von einem schweren Stuhl am Unter­halten, daß in dem Prozeß gegen die Totschläger tiefer getroffen, so daß er zufammenbrach. Er mußte in die klinik

Die sozialdemokratische Fraktion des Preußischen Landtags trat nach der Aeltestenrats- Sitzung zusammen. Nach Schluß der Situng wurde folgende Erklärung be kanntgegeben:

,, Die sozialdemokratische Landtagsfraktion verurteilt aufs schärfste die brutalen Roheitsegzesse, deren Schau­plak heute der Preußische Landtag gewesen ist und deren Opfer auch unser völlig unbeteiligter Fraktionssekretär