Oer Beschwerer.
„Hier liegt die Z�eichsverfassung." „Llnd diese Figur?" „Dient als Briefbeschwerer."
Woher des Wegs, wohin? Durch Arbeitskampf zur Arbeiterregierung! Vor» Otto Friedlaender. ®tr geben dem nachdenklichen Aufsatz des Genossen Friedländer als anregenden Beitrag zu einer Diskussion über die Aufgaben der Partei gern Raum, ahne uns alle Einzel- heiten zu eigen zu machen. Red. d.„Vorwärts". In einzelnen Menschen und an einzelnen Tagen ge- Winnen historische Entwicklungen plötzlich so stark an Gehalt und Gestalt, daß der Beobachter geneigt ist, von ihnen aus einen Umschwung des Geschehens zu datieren. Zu solchen Daten wird auch der 20. Juli gehören. Denn an diesem Tage wurde erfolgreich der Versuch gemacht, jenen Waffen- still st avd aufzukündigen, den, sozial gesehen, die Berfas', ang von Weimar zwischen der Arbeiterschaft und An- gest�lltenschaft und den bürgerlichen Kreisen errichtet hatte. Mehrfach bereits hatte die Reaktion an das Tor der Republik gepocht: beim Kapp-Putsch , zu Zeiten der Regie- rung Cuno, beim Sturze des Kabinetts Hermann Müller und zuletzt und am dringlichsten bei der eigenartigen Kürung der„obrigkeitlichen" Papen -Regierung. Mit dem 20. Juli ahfx miirhe offenkiindig. was Viele feit Iahren hatten kommen sehen. Unter dem Druck der Krise und der Zutreiberarbeit der Nationalsozialisten für die Kaders der antidemokratischen Mächte zerbrach eine Herr- s ch a f t s o r d n u n g, die für die Arbeiterschaft Großes geleistet hatte, aber dank der Zersplitterung des Proletariats von ihr nicht so gehalten wurde, wie man sein eigenes Ich zu erhalten trachtet. Mögen die Kritiker kommen und feststellen, daß bereits feit geraumer Zeit in Preußen eher verwaltet als regiert worden ist, daß ein bedauerlicher Mangel an Macht- wille und Phantasie von Anbeginn der Revolution an solche Fehler, wie die Preisgabe der Reichswehr durch die kampfmüde Arbeiterschaft, eine allzu nachgiebige Koa- litionsfreudigkeit und ein zu wenig kampfbewußtes Per- halten während der an sich richtigen Tolerierungsperiode er- zeugt hatten. Sie werden damit nicht entschuldigen können, daß am 20. Juli jener Massenwillen nicht bestand, der allein Massenaktionen hätte gebären können. War von der einen Seite gegen die Preußenregierung bis zum letzten Tage ihres Seins unermüdlich Sturm gelaufen worden, so war auf der anderen Seite der Kampfesmut durch die Jahre des Krieges, der Inflation und die lange dauernde Krise zer- mürbt worden, wobei allerdings auch nicht vergessen werden darf, daß es psychologisch als ausgeschlossen erscheinen muß, jahrelang zu dämpfen, um plötzlich zu kämpfen. Zwecklos wäre es, über diese Tatsachen in langwierige Grübeleien zu verfallen und sich in der Aufrollung persön- licher Schuldfragen zu gefallen, so wenig von der Hand zu weisen ist, daß Jugend, die nicht immer eine Sache des zahlenmäßigen Altersstandes, sondern eher das Merkmal einer gewissen Frische der Entschlußkraft und Kühnheit des Denkens ist, Menschen gefehlt hat, die es gelernt hatten, Partei und Gewerkschaften zu verwalten, den Zeiten aber längst entwöhnt waren, wo es galt, sie als Kampfmittel mit jäher Stoßkraft einzusetzen. Das Schimpfen darüber aller- dings, daß eine solche Entwicklung erst in neuerlicher Zeit frisch sprudelnde Quellen zum Versiegen gebracht habe, geht fehl, denn, wer darüber Klage führt, daß wir zeitweilig mehr Organisation denn Bewegung gewesen seien, müßte mit seiner Klage auch bereits die Sozialdemo- kratie der Vorkriegszeit treffen, in der der G e i st des„W a h l v e r e i n s" oft so stark war, daß er nicht nur die Kritik von Marx und Engels, sondern vieler Parteitags- debatten erzeugte. Für die wenig revolutionäre, dafür aber beharrliche und treue Geisteshaltung des deutschen Arbeiters, sind die Jahrhunderte seiner militärisch-feudalen Erziehung nicht weniger maßgebend gewesen, als die ge- samten Lebensumstände, die zwischen die religiöse Weite des Ostens, die herbe Realistik des Nordens und die nach Klar- heit und Befreiung strebende Geistigkeit des Westens die „organisierte Unordnung" des deutschen Menschen stellte. Eine wirkliche Revolution, die auch eine Revolutionie- rung der Herzen ist, und sich nicht in äußerlichen Emblemen erschöpft, sind wir der Geschichte noch schuldig geblieben. Und was man 1918 durch einen Zusammenbruch erhalten hatte, war nicht erkämpft genug, um beständig zu sein. Der Weg, den wir zu gehen suchten, war kein F e h l w e g, selbst wenn er unter den Unwettern der Krise sich als nicht weiter gangbar erweisen sollte. Die Mitarbeit der Sozialdemokratie am Staate von Weimar hat ein sozial- politisches Werk geschaffen, das in der Welt mit Fug und Recht seinesgleichen suchen konnte. Experimente andererseits, wie sie kommunistische Sektierer erhofften, waren für Deutsch - land von Anfang an unmöglich, und die wirtschaftliche Selbstgenügsamkeit Rußlands , die breite agrarische Basis, auf der ein jahrelanges Stillegen des Industrieapparates noch erträglich scheinen mochte, war für Deutschland ebenso ausgeschlossen, wie die gewaltsame Ablösung von Gläubiger- ländern, deren raschen Zugriff wir, wie der Ruhrkonflikt zeigte, ganz anders ausgesetzt waren, als das unendlich weite, durch eisige Winter geschützte Moskowiterreich. Dazu kam, daß in Deutschland es nicht genügen konnte, einige wenige Machtzentren zu besetzen, so wie es die 1917 waffentragen- den Arbeiter in dem Lande der unermeßlichen, unorganisier- baren und daher widerstandslos ihrer Herrschaft preis- gegebenen Weiten tun konnten. Wer in Deutschland herrschen will, muß herrschen von Tilsit bis Konstanz , von Eckernfärde bis Dinkelsbühl . Damit ergab sich auch von vornherein die Sinnlosigkeit all jener Putschversuche, auf deren Boden in Bayern , in Thüringen und in Sachsen der Nationalsozialis- mus erst seine Hakenkreuze aufzurichten vermochte. Ist also die kommunistische politische Weisheit, weil sie von Moskau dirigiert wird und der deutschen Eigenart nicht gerecht zu werden vermag, abzulehnen und jedem von ihr gewollten Einheitsfrontmanöver der schärfste Kampf anzu- sagen, so ist doch der Gedanke einer Einheitsfront selbst so zeitgemäß und im tiefsten Sinne notwendig, daß die
Sozialdemokratie ihre größte Aufgabe darin sehen muß, auch all jenen Wählermassen, die heute noch dem Scheinradikalis- mus nachlaufen, eine lebendige politische Heimstätte zu bieten. Die Sozialdemokratie kann das um so eher tun, als die Erkenntnis, die leider noch nicht in alle Parteikreise gedrun- gen ist, daß das, was sich zur Zeit in Deutschland vollzieht, nicht nur ein„seltsames Zwischenspiel" ist, sondern einen wirklichen Wendepunkt bedeutet, dazu führen muß, unsere Haltung gegenüber dem Staat neu festzu- legen. Nicht etwa in jenem jämmerlichen Sinne, daß man gewissermaßen aus dem Staate herauszulaufen trachtet und der Regierungsgewalt gegenüber reagiert mit einem knecht- seligen:„Betrifft mich nicht", sondern derKampfumdie Eroberung der Staatsmacht muß geführt werden in der Erkenntnis, daß, wenn irgend möglich, auf dem Boden von Weimar , wenn er aber von anderen erschüttert sein sollte, auf neuem Boden derKampfumdie ganze Macht der Arbeiterschaft geführt werden muß. Es ist dabei nicht notwendig, daß e? sich nur um die Herrschaft unserer eigenen Partei handele, auch Koalitionen mit anderen Gruppen sind möglich. Aber eines müssen wir als unveräußerliche Erkenntnis aus unseren historischen Er- fahrungen erlangt haben: Regierungen können nur regieren, wenn ein einheitlicher Klassen- wille gegenüber allen sozialen und wirt- schaftlichen Fragen sie trägt! Der Klassenkampf im Kabinett ist der Todeskeim im Willensnerv einer jeden Regierung! Eine Arbeiterregierung, genauer ge- sagt, eine Regierung jener überwiegenden Teile der deutschen Bevölkerung, die zur Arbeiterschaft und Angestelltenschaft ge- hören, ist das Ziel, zu dessen Erreichung es nicht unbedingt der eigenen Mehrheit derer bedarf, die die Herrschaft er- streben, die aber auf keinen Fall gegen eine aktiv handelnde Mehrheit Andersdenkender regieren können. Die tiefste Weisheit der Demokratie heißt;fi diesem Sinne nicht Mehrheit der Stimmen,'jondern Mehrheit der Zustimmungen! 1918 wäre, wenn außenpolitisch die Situation es ge- stattet hätte und die Kraft der Arbeiterschaft nicht durch Bruderkämpfe gelähmt worden wäre, mit weniger als 50 Proz. der Stimmen mehr zu erreichen gewesen, als in den letzten Iahren mit 60 Proz. der Stimmen, denn nicht allein, wen man für sich hat, ist von Belang, son- dern von größerer Bedeutung ist, wer gegen den Willen des Regierenden steht. Die alte Lassallesche Erkenntnis, daß die Verfasiung nicht nur ein Stück Papier sei, sondern auch auf der Macht der Fabrik- Herren, der Bankmagnaten und der Bajonette beruhe, hat die Regierung v. Papen erkannt, die an sich aus jener schmalen Herrenschicht besteht, die der Hader zwischen klassenbewußtem und klasienunbewußtem Proletariat in
Reue Bankenfanierung? Bankrott der privaten Unternehmerinitiative. Die„Frankfurter Zeitung " bringt eine höchst sensationelle Meldung. Danach steht die Gründung einer„Amortisations- lasse" bevor, welche alle eingefrorenen Forderungen der Banken und bei Sanierungen anfallenden Aktienpakete über- nehmen soll. An der Amortisationskasse sollen sich die Gold- diskontbank, die Akzeptbank und die Bant für Deutsche Industrieobligationen beteiligen; die Reichsbank soll einen Rückhalt für die Finanziening gewähren. Mit Sachver- ständigen aus Bankkreisen sei für die Entwicklung des Planes bereits Fühlung genommen. Als Begründung wird ange- führt, daß man die kommende Bilanzausstellung der Banken und die Rückgewinnung ihrer Liquidität erleichtern wolle,
gegenseitigem Druck jäh nach oben gepreßt hat. Sie stützt sich allein auf diese Mächte und ist gewiß Vorkommendenfalls bereit, aus jener Fibel der Berfassungsver- l e tz u n g, die ihr der Staatsrechtler Carl Schmitt kürzlich geschrieben hat, die entsprechenden Folgerungen zu ziehen. Dann werden wir vorkommendenfalls ihr gegenüber die Rechte des arbeitenden Volkes verteidigen, zugleich aber aus ihrem Handeln für unser Verhalten die notwendigen Schlüsse zu ziehen haben, so wie es Otto Wels bereits vor Iahren gefordert hat.— Wenn gegen diese Regierung des Neufeudalismus das Proletariat unter unserer Führung den Kampf aufnehmen soll, so wird es in Zeiten der stärksten Wirtschaftserschütterung gewiß richtig sein, gegenüber den Phantomen vom Dritten Reich und vom Sowjetparadies unseren Weg zu einer sozialisti- schen Planwirtschaft aufzuweisen. Es wäre aber verfehlt, wenn wir dem Gedanken Nahrung geben würden, daß wir uns aus Ohnmacht in der Gegenwart in den Ge- dankenreichtum der Zukunftsphantasie flüchten wollten. Zukunftsbilder auszumalen, sind Nationalsozialisten und Kommunisten noch nie verlegen gewesen, und der Mangel an realem Wissen macht ihre Bilder nur um so kühner, phan- tastischer und verheißungsvoller. Diesen Expressionisten der Politik gegenüber sind wir aber stark inder Sachlich- k e i t unserer Kenntnis und in der Realität unserer Waffen. Die Regierung v. Papen hat durch ihre Notverordnung ge- zeigt, wo das Feld unseres Kampfes liegt. Es liegt im täglichen Ringen um Lohn und Gehalt und um soziale Rechte. Der Aufruf zum Volks- entscheid ist darum neben dem wirtschaftlichen Umbau- Programm eine der begrüßenswertesten Meinungsäuße- rungen der Partei, und wenn der Kampf um die Besser- stellung der Arbeiterschaft, der jetzt wieder— dank Herrn v. Papen — stärker als Jahre zuvor in den einzelnen Be- trieben geführt werden muß, auch die Aktivität jedes einzel- nen Arbeiters erfordert, dann ist für uns die richtige Platt- form gefunden, auf der wir wieder vorankommen können.— Stärkste Heranziehung der I u g e n d zur Werbung und Agitation, aber auch zur verantwortlichen Mit- arbeit an der Führung der Partei wird auch der großen Masse der außenstehenden Jungarbeiter beweisen, daß wir die Sprache dieses Jahrhunderts sprechen und von einer mit- unter naiv anmutenden Fortschrittsgläubigkeit des 19. Jahr- Hunderts zum Formungswillen unserer Zeit den Anschluß gefunden haben. Mögen dann bürgerliche Besserwisser von hier und dort mit Rezepten herangeeilt kommen, dann werden wir ihnen die Losung entgegenzustellen vermögen, die bei uns jung und alt als Parole nicht nur dieses Wahl- kampfes, sondern als Wegweiser kommender Tage eint: Durch Arbeitskampf zur Arbeiterregierung!
um den Banken damit die Gewährung neuer Kredite an die Wirtschaft zu ermöglichen. Was hier angekündigt wird, ist eine neue Sanierung, besonders der deutschen Großbanken in einem die Sanierung vom Februar wahrscheinlich noch übersteigendem Maße. Der Kern dieser Sanierung würde wahrscheinlich die Bereinigung der Bankdebitoren, das heißt eine Industriesanierung von Riesenumfang sein. Der vollständige Bankerott der privaten Unternehmerinitiative kann nicht deutlicher bewiesen werden als durch diesen neuerlichen Versuch des Staates, in die privatkapitalistische Wirtschaft wieder Ordnung zu bringen. Das Papen-Programm will die Leiche der privatkapitalisti- schen Initiative mit Kampferspritzen zu neuem Leben erwecken. Die deutsche Oeffentlichkeit muß erkennen, daß es gegenüber diesem im tiefsten Grunde versagenden kapitalistischen System nur noch einen Weg gibt, nämlich den grundsätzlichen Umbau der Wirtschaft!