Preußenkasse und neue Staatsführung
Neue 500 Millionen Staatsopfer für junkerliche Miẞwirtschaft
Die grundsätzlich neue Staatsführung hat es in fich. Allein Gott und sich selbst verantwortlich, sorgt sie für eine neue Harmonie der Klassen. Sie nimmt dem Arbeiter und schenkt dem Unternehmer. Sie nimmt den Verbrauchern und Steuerzahlern und schenkt den Kartellmonopolisten und Junkern. Demokratische Kontrolle mit ihrem Plebejergeruch ist von Uebel. Dieser Klassenausgleich ist etwas einseitig, gewiß. Die Rechtsgleichheit wird abgeschafft. Aber das ist die Schuld der Rechtsgleichheit, nicht des lieben Gottes und seiner adligen Stellvertreter im verfassungsmäßig heute noch demokratischen Deutsch land
.
Papen hat in Paderborn die Verreichlichung der Preußenkasse angekündigt,
und man erwartet alle Tage eine entsprechende Verordnung. Ein zentraler Spizenausgleich der Finanzierung in der landwirtschaftlichen Produktion für das ganze Reich ist sicher eine gute Sache. Aber auch hier werden Klassengegenfäge ,, ausgebügelt" im Namen der grundsätzlich neuen Staatsführung: Die Sicherungsbetriebe des Ostens, d. h. in erster Linie die bankrotten Großbetrieve der Junker, werden von ihren Schulden größtenteils befreit. Das ist nämlich der Sinn dieser Verreichlichungsaktion. Natürlich auf Staatskosten, d. h. auf dem Rücken des Steuerzahlers. Man spricht von 70 Proz. der genossenschaftlichen Kredite, die bei Sicherungsbetrieben faul sind, man spricht heute noch von 200 Mil= lionen, die der Sanierung der Genossenschaften im Zuge mit der Verreichlichung der Preußenkasse zugeführt werden sollen.
Herrn von Krosigk, dem Säckelmeister der Gott allein verantwortlichen Reichsregierung, ist übrigens auch deshalb nicht bange. Er ist Ritte über den Bodensee gewöhnt; siehe die 2,2 Milliarden Steuergutscheine und das Loch in den fünftigen Etats. Aber was foll man sagen? Wenn bankrotte Großgrundbesizer von ihrem angestammten Besitz heruntermüßten, mürde zwar, wie die Dinge heute liegen, der Landwirtschaft gedient, aber nicht ,, der Landwirtschaft", wie sie die Regierung der Barone auffaßt. Wirtschaftliche Vernunft ist eine plebejishe Angelegenheit; sie hat bei den Maßnahmen der grundsätzlich neuen Staatsführung nichts mitzureden.
Aber es sieht so aus, daß aus der Umwandlung der Preußenkasse in ein Reichsinstitut, hinter der die Besitz- und Machterhaltung der Junker verschämt verborgen wird, eine
Subventionsaffäre von phantastischen Ausmaßen
werden wird. Nicht 200 oder 250 Miltionen, sondern das Doppelte icheint zur Besitzerhaltung zugunsten der Junker aufgewendet werden zu sollen. Einzelheiten darüber berichtet die sonst gut informierte ,, Deutsche Ge= treidezeitung" am 19. Oktober. Für die Sicherungsbetriebe im Osthilfegebiet rechnet sie zunächst mit einer Summe von 200 millionen. Daß die Genossenschaften 60 Millionen davon selbst übernehmen sollen, hält sie für hypothetisch, da schließlich doch das Reich bezahlen werde. 90 Millionen zahlt das Reich( Schatzscheine) direkt aus Steuern, 50 Millionen möchte das Reich bei den Landwirten später noch kassieren. Die ,, Getreidezeitung" glaubt nicht daran, wir auch nicht. Dazu kommen aber weitere 150 Millionen Genossenschaftsverluste im Osthilfegebiet, die ebenfalls das Reich tragen soll. Dazu kommt ferner ein genossenschaftlicher Sanierungsbedarf von rund 100 millionen im übrigen Reich; denn kriegt der Osten was, darf der Westen und der Süden nicht zurückstehen. Summa summarum also 450 Millionen Mark!
Den tatsächlichen neuen Geldbedarf schäzt die Getreidezeitung" auf 290 Millionen, aber nur dann, wenn 50 Millionen Abschrei= bungen bei dem Kapital und den Reserven der Breußenfasse gemacht, die Genossenschaften tatsächlich ihre 60 Millionen selbst zahlen würden und das Reich die 50 Millionen von den Landmirten noch herausholen würde. Der Bedarf ist aber auf mindestens 400, mahrscheinlich aber nahe an 500 Millionen zu schätzen, wenn die beiden legten unsicheren Voraussetzungen nicht eintreffen und der Preußenkasse neue Betriebsmittel zu=
geführt werden müssen, die schließlich nur der Staat stellen kann. Es bleibt also wahrscheinlich bei den 500 Millionen, die gelegentlich der Verreichlichung der Preußenkasse, hauptsächlich der junkerlichen Befizerhaltung auf Reichskosten ge= schenkt werden sollen.
Wenn wir von der Papen - Regierung nicht durch eine Auflagenachricht eines anderen belehrt werden, befinden wir uns in der schwersten Wirtschaftskrise, hat das Reich ein Riesendefizit und die Worte Armut" und" Pleite" werden auch volkswirtschaftlich heute noch groß geschrieben. Und doch 500 Millionen neue Geschenke? Und das zu dem volkswirtschaftlich nicht vertretbaren Zweck, bankrotte Landwirte an Stelle von besseren weiterwursteln zu lassen? Und das zu einer Zeit, wo man gerade zugunsten der Landwirtschaft die Zinsen abgebaut hat und den Export als Steuerquelle zu ruinieren auf dem besten Wege ist?
Aber die politische Geschichte ist da, um aus ihr zu lernen.
Wäre der 20. Juli in Preußen gekommen, wenn Preußen nicht solchem finanziellen und agrarpolitischen Wahnsinn
entgegengestanden
hätte, wie er hier bevorsteht? Wenn nicht befürchtet worden wäre, daß die preußische Regierung in Erfüllung selbstverständlicher staatspolitischer Pflichten der rein subventionellen Befiz- und Machterhaltung der feudalen Junkerkaste eine ehrliche Sanierung der Landwirtschaft mit ver
nünftigen Mitteln vorangestellt hätte? Wir denken ferner an die Stinkbomben der vereinigten Rechten gegen den ehemaligen Leiter der Preußenfasse Klepper, mit dessen persönlicher Infamierung man nur die verdienstvolle und reinliche Politik der Preußenkasse zu treffen und zu vernebeln hofft, um so um so sicherer die Besitzund Machterhaltung der Junker durchführen zu können, die freilich wichtig ist, wenn der Feuda
widelt, wie man bei Aufgabe des Goldstandards gehofft hatte. Der Einfuhrüberschuß hat sich zwar im ganzen vermindert; aber infolge der im Herbst saisonmäßig ansteigenden Einfuhr mußte die Bank von England erhebliche Devisenbeträge( oder Gold) abgeben. Außerdem hat die große Anleihefonversion, an sich zweifellos ein Erfolg, zu erheblichen Rückzahlungen von England an das Ausland geführt. Schließlich sollen in den letzten Tagen europäische, besonders französische Banken wieder in größerem Umfange Guthaben aus London abgezogen haben.
Für die Sozialdemokratie ist diese Politik des finanziellen und politischen Wahnfinns feine leberraschung. Sie weiß aber auch, daß diese Reichsregierung und diese neue Staatsführung kein langes Leben haben fönnen. Sie kämpft für den Sturz dieses Systems und dieser Staatsmethoden, weil sie das arbeitende Volk der Städte und die Bauern auf dem Lande nicht wieder zum Fußschemel herrschender Kasten machen lassen will. Sie kämpft für die Ver= staatlichung des Großgrundbesizes, um mit der Sicherung demokratischer Freiheit in Stadt und Land auch der agrarpolitischen Vernunft in Deutschland eine dauernde Stätte zu bereiten. Wie die Stinkbomben gegen die Preußenkasse sich schließlich gegen die richten, die sie zu werfen versuchten, so wird es auch vergeblich sein, wenn die jetzige Reichsregierung die Junker durch Besizerhaltung in Machtpositionen zurückführen will, die durch die Geschichte überholt find. Der 6. November wird für die Sozialdemokratie und das arbeitende Volk nur eine Etappe auf diesem Wege sein.
Der Kontingentswahn
Immer schärfere Proteste
Der Sturm gegen die Kontingentspolitik der Regierung wird immer heftiger; er ist durch die Tatsachen, die oft groteske Formen annehmen, nur zu gerechtfertigt. Wir zählen heute nur auf:
Der Reichsverband des deutschen Groß- und leberseehandels stellt fest, daß schon die ersten Wirkungen der Kontingentierungspolitik einen bisher nicht bekannten plötz lichen Rückgang der einlaufenden Exportaufträge bei den deutschen Erporthäusern zur Folge gehabt habe. Besonders scharfe Ablehnung haben die Vertreter in Norwegen , Schweden , Dänemark , Finnland , Holland und Italien erfahren, den besten bisherigen Kassakunden Deutschlands . Wegen der herrschenden Stimmung bleiben selbst billigste Preistaltulatio nen unberücksichtigt.
Der dritte Vierteljahresbericht der IG.- Farben meldet schlimmste Auswirkungen der Kontingentspolitik. Auf den nordischen Märften habe schon deren Ankündigung zu solchen Absatzverlusten geführt, daß alle gegen Ende des dritten Vierteljahres festgestellten Belebungsanfäge beim Export mehr als ausgeglichen wurden.
Es sieht in der Tat so aus, daß große Teile der bisherigen ausländischen Käufer auch dann von Deutschland nicht kaufen, wenn Deutschland billiger ist. Ein holländischer Kauf= mann hat unserem dortigen Vertreter gesagt, daß die deutschen Reisenden besser zu Hause bleiben, denn sie können kaum Aufträge bekommen. Die deutsche Politik sei einfach unerträglich.„ Wir kaufen heute von England, auch wenn wir dafür mehr zahlen, obwohl wir immer deutschfeindlich waren und nie besondere Sympathien für England hatten. Wenn Deutsch land jetzt unsere Produkte verfaulen lasse, dennoch aber bei uns verkaufen will, so muß auch der einfache Mann in Holland heute, nachdem Holland im Kriege Deutschland zu essen gegeben habe, das deutsche Vorgehen einfach als Undankbarkeit empfinden." Diese Stimmung ist allgemeins Sie bildet den Rückhalt für die Boykottstimmung gegen Deutschland , die selbst dann dauernde Wir= fungen hinterlassen würde, wenn Deutschland von seiner Kontingents politif wieder zurückträte.
Das„ Berliner Tageblatt" veröffentlicht aus einem Brief eines dänischen Kaufmanns an einen deutschen Textilindustriellen folgendes:„ Da das Geschäft mit Deutschland leider schwerer und schwerer wird, weil Deutsch
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Immer tollere Folgen
land so wenig bei uns kauft, müssen wir uns allmählich englisch umstellen. Mit Deutsch land haben wir jetzt fast nur Warenaustausch. Durch die hiesige britische Ausstellung habe ich in meiner Branche leider nichts finden können. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie durch Ihre englischen Verbindungen mir eine leistungsfähige Firma für meine Artikel angeben tönnten; eventuell wollen Sie vielleicht veranlassen, daß diese mir gleich Muster für eigene Rechnung mit billigsten Preisen sendet."
Eine ehemaliger deutscher Käufer in Dänemark bittet also seinen früheren deutschen Lieferanten, ihm eine englische Firma zum Einkauf zu emp= fehlen. Gibt es noch Tolleres?
Plötzlicher Pfundsturz Stabilisierung aufgegeben- Dunkle
Hintergründe
Am Mittwoch ist der englische Pfundkurs überraschend start gefallen. In Berlin wurde das Pfund am Dienstag mit etwa 14,50 Mart, am Mittwoch mit nur 14,25 Mark bezahlt. Dieselbe Erscheinung zeigte sich an allen Weltbörsen und vor allem in London . Der Kurs ist damit wieder auf den tiefste n Stand gesunken, den er in diesem Jahre gehabt hatte.
Monatelang schien es, als sollte der Pfundkurs auf dem Stande 3,50 Dollar je Pfund gehalten, d. h. faktisch stabilisiert werden. Die Schwankungen des Kurses waren weitgehend ausgeschaltet dank der Tätigkeit der Bank von England , die aus einem Valutaausgleichs= fonds Pfunde gegen fremde Währungen kaufte oder verkaufte. Die englischen Minister haben nicht ohne Stolz des öfteren auf diesen Erfolg" des
nationalen Kabinetts hingewiesen. Am Dienstag und Mittwoch hat nun die Bank von England plötzlich ihre Kursstügungstätigkeit eingestellt, was den Sturz des Pfundkurses zur Folge hatte.
Warum das geschah, ist bis jetzt nicht klar. Tatsache ist, daß in den letzten Monaten ein erheblicher Devisenbedarf vorhanden war. Einmal hat sich die Handelsbilanz nicht so ent
Finanzierung endgültig gesichert
Die Finanzierung der Reichsbahnaufträge in Höhe von 280 Millionen Mark, die im Zusammenhang mit dem Papenfchen Wirtschaftsprogramm vergeben werden, ist jetzt endgültig flargestellt.
Von dem Gesamtbetrag von 280 Millionen Mark werden 180 Millionen mit Hilfe der Steuergutscheine aufgebracht, die die Reichsbahn auf Grund der Beförderungssteuer erhält. Zur technischen Durchführung der Finanzierung hat das Bankinstitut der Reichsbahn, die Verkehrskreditbank, eine Gesellschaft gegründet, die Reichsbahnbeschaffung G. m. b. H., deren Kapital 10 Millionen Mark beträgt. Die Aufgabe der Gesellschaft ist, die Steuergutscheine durch Wechsel vorzufinanzieren. Praktisch sieht die Sache so aus, daß die Reichsbahnliefe= ranten Wechsel auf dieses neue Reichsbahnunternehmen ziehen und sich verpflichten, bis zur Flüffigmachung der Steuergutscheine die Wechsel verlängern
Die Reichsbahnbeschaffung G. m. b. H. wird diese Wechsel bei der Verkehrskreditbank vistontieren lassen, die ihrerseits wieder einen Teil der Wechsel bei der Reichsbank rediskontieren lassen wird. Diese Technik der Vorfinanzierung ermöglicht es der Reichsbahn, die volle Summe von 180 Millionen aus den Steuergutscheinen für die Arbeitsbeschaffung einzusetzen. Bei einer Lombardierung der Steuergutscheine würde die Reichsbahn nur 75 Proz. des Börsenwertes erhalten und für Arbeitsbeschaffung einsehen können.
Außerdem wird die Reichsbahn Aufträge in Höhe von 100 Millionen aus eigenen Mitteln bestreiten.
Mehr Kohlen
Größere Förderung im September
In den deutschen Steinkohlen revieren murden im September 8,49 Mill. Tonnen ge fördert gegen 8,35 Mill. Tonnen im Auguft. Die Steigerung beträgt 1,6 Proz., arbeitstäglich aber 5,6 Proz. In den mitteldeutschen und rheinischen Braunkohl en gebieten erhöhte sich die Briketterzeugung von 2,55 auf 2,63 Mill. Tonnen. Die arbeitstägliche Brikettherstellung stieg um 6,9 Proz. Die Gründe für die vermehrte Förderung bzw. Briketterzeugung sind saisonmäßig, da sich die Abrufe für Hausbrandzwede verstärkt haben. Einige Bezirke melden für Steinkohle allerdings auch eine geringe Belebung beim Industriebedarf.
Macdonald wird Vorsitzender der Weltwirtschaftskonferenz, nachdem er um die Uebernahme des Vorsizes ersucht worden ist. Er hat im englischen Unterhaus die Annahme der Einladung mitgeteilt.
Die Firma Opel hofft auch in diesem Winter die Gesamtbelegschaft von 6000 Mann durch= zuhalten, nachdem seit 15 Monaten Arbeiterentlassungen nicht erfolgt seien. Die Firma Opel bestreite nicht nur ihren Anteil am Inlandsmarkt und am deutschen Export, sondern exportiere auch in steigendem Maße nach Uebersee, wo die Verkaufssaison Don der europäischen ver= schieden sei.
Die englische Luftfahrtgesellschaft, die Imperial Airways Ltd. in London , will für 1931/32 wie im Vorjahr wieder 6 Proz. Dividende, verteilen, nachdem das am 30. März beendete Geschäftsjahr eine Verkehrszunahme gebracht hatte. In den sechs Monaten von April bis September 1932 find im europäischen Verkehr 37 465 Passagiere befördert worden gegen nur 30 624 im ganzen vorhergehenden Jahre und 28 499 im Jahre 1930/31.
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