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Awer Lebende und ein Toter

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Rognos lächelte ein müdes, nachsichtiges Lächeln. Ja", sagte er ,,, er wurde entdeckt. Ein kleines Mädchen hatte ihn gesehen und wiedererkannt. Er hat später erzählt, daß im ganzen Postbüro er selber sicher die meiste Angst gehabt habe. Wir aber hielten die Sache für spielend leicht, wenn man nur vor­fichtiger zu Werke ging. Es war für uns also mehr ein phantastisches und tollkühnes Aben­teuer, als ein Raubmordversuch. Es war wohl unsere eigene kindische Unerfahrenheit, die uns verleitete. Daß es ein Menschenleben foften tönne, fiel uns nicht im Traum ein."

Sie schienen aber doch die Verhältnisse an unsrer Bost sehr gut zu fennen? Sie wählten die richtige Zeit, auch fanden Sie die Hinter­tür, die nicht ganz leicht zu finden ist?"

Ich kannte das alles aus Bemerkungen, die Lüdersen dann und wann fallen ließ. Wir hatten doch ein paar Jahre in derselben Benfion gewohnt.

Und das furchtbare Wagnis machte Ihnen nicht angst?"

Rognos schüttelte den Kopf. Mein", ant­wortete er. Wir rechneten aus, daß wir absolut fein Risiko liefen. Und das war auch an sich richtig. Es ist noch heutigentags nicht aufgeklärt."

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Roman von Sigurd Christiansen  

Wieder machte er eine Bause, und beide waren jezt sehr blaß geworden. Berger zog sich etwas scheu zusammen.

,, Quisthus?" fragte er leise.

,, Ja, Quisthus. Der lag hinter uns, und wir wußten nicht, lebte er oder war er tot?" Wie kam das alles?"

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,, Das weiß ich kaum. Ich sah bloß, wie die beiden vor meinen Augen unerwartet aufeinanderprallten. Quisthus, ohne Ahnung einer eigentlichen Gefahr, vertrat ihm den Weg. Später erfuhr ich, daß er ihm den Revolver zur Seite geschlagen hat. Diesen Diesen Schlag bekam er zurück. Wie hart er war, weiß ich nicht, aber getroffen hat er ja, und zwar unglücklich. Er trug ja seine Kasse unterm Arm und mit der ist er wohl aus= gerutscht und zu Boden gestürzt, ohne sich an etwas festhalten zu können.

Da

war der ,, Mord". Nach ihm zu sehen, hatten wir feine Zeit. Wir mußten fort um jeden

Preis. Wir hätten selbstverständlich sofort entfliehen können. Wir taten es nicht. Ich weiß nicht, warum wir uns nicht einigten. Möglich, daß wir ohne uns darüber klar zu fein meinten, wir wollten nun auch wenigstens was davon haben."

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Berger betrachtete ihn ungläubig. ,, Sind Sie ganz sicher, daß es sich mit Quisthus so zugetragen hat?"

Rognos nickte furz. Ja", antwortete er. ,, Stimmt es nicht mit dem, was die Zeitun gen berichteten? Sie sahen ihn doch selbst. Er lag mit dem Geficht zur Erde, mit zer­schmetterter Stirn. Von dem Schlag selbst hatte er nur ein paar ganz unbedeutende Berlegungen abgefriegt."

Berger strich nervös mit der einen Hand über die andere.

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,, Sie haben recht", sagte er. Und dann dann tam also Lüdersen?"

,, Eigentlich tam er ja nicht. Wir famen. Und er war überraschter als Quisthus. Und sehr viel ängstlicher. Er hat sich weiß Gott  nicht aus Heldenmut gewehrt und sicher mit feinem Gedanken an die Kasse gedacht.- Es mag verrückt flingen, aber diese Ueber­zeugung hat mich später am allermeisten an ihm geärgert."

Berger schüttelte verständnislos den Kopf. ,, Aber warum hat er denn gekämpft?" ,, Aus Furcht. Die Panik, die ihn ergriffen hatte, war ebenso groß wie unfre." ,, Darum also?"

,, Darum!"

Sie hatten sich jetzt beide in eine fieber­hafte Nervosität hineingesteigert. Jezt näher­

Karriere

Berger sah ihn verwundert und verständ- Novelle aus den Anfängen Sowjetrußlands/ Von J. Babel

nislos an. Ja, aber wie?"

,, Ganz einfach. Was wir zunächst als ausgemacht betrachteten, war, daß keine Menschenseele darauf fommen würde, uns beide zu verdächtigen."

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,, Wie konnten Sie da so sicher sein?"

Fragen Sie lieber, warum wir nicht ficher sein sollten. Wenn Sie heute nacht hier in Oslo   einen Geldschrank aufbrechen und nicht die kleinste Spur hinterlassen, glauben Sie, es wird einem einzigen Menschen ein­fallen, Sie mit dem Verbrechen in Berbin­dung zu setzen?"

Berger war einen Augenblid verblüfft über die Richtigkeit der Schlußfolgerung. ,, Sie haben recht", murmelte er. Das habe ich nicht bedacht."

,, Nun ja. Und das taten auch andre nicht. Es galt also, unsern Putsch durchzuführen, ohne das jemand jah, wer wir waren. Danach galt es, zu verschwinden, ohne die leiseste Spur zu hinterlassen. Letzteres erschien uns als das schwierigste. Es foſtete wenigstens eine Masse Nachdenken. Wir mußten, ehe wir uns entschieden, die Durchführbarkeit unsrer Pläne allen erdenklichen Eventuali­täten gegenüber ausprobieren. Und das er= wies sich auch als sehr nüglich. Nein, was uns unter den Händen zerbrach, war die Tat an sich."

,, Sie hatten nicht auf Widerstand ge rechnet?"

Nein, und auch nicht damit, daß wir felber von Banif ergriffen werden sollten." Bergers Stimme zitterte: Und das ge­Schah?"

Rognos erhob sich schwer atmend. Ja, fagte er ,,, das fann man wohl sagen."

Er ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, während Berger, den Rücken ihm zuge­wandt, wartete, ohne sich zu rühren. Dann fegte er sich wieder. Und er sah Berger mit seinem reglosen und tödlich ernsten Gesicht an. Ist nicht der Raubmörder Rognos ein fürchterlicher Mensch?"

Berger sah ihn unverwandt an, vermochte aber nicht zu antworten.

,, Weiter", sagte er. Die Kehle war ihm trocken und die Spannung benahm ihm die Kraft, irgend etwas außer den nackten Tat­sachen zu denken.

Rognos zudte mit den Augenbrauen, dann freuzte er die Arme über die Brust und sah mit leicht gesenktem Kopf vor sich hin.

Was sich auf dem Postamt zutrug, wissen Sie", sagte er. Oder besser gesagt: Sie glauben es zu wissen. Es ging nämlich nicht so vor sich, wie die Zeitungen es nach­her refonstruierten."

Eine Falte des Unwillen flog über Bergers Stirn.

,, Sie meinen, wir haben übertrieben?" Rognos schüttelte abwehrend den Kopf. Das nicht. Was Sie anbetraf, hatte alles seine Richtigkeit. Zum Teil auch Lüdersen. Nein, ich meine den Mord". Es war nämlich fein Mord, es mar fahrlässige Tötung."

Fahrlässige Tötung?"

,, Glauben Sie denn noch immer, daß wir vorhatten, zu töten?"

,, Ja, ich glaube noch immer, daß Sie mich erschossen hätten."

Das Halsstarrige dieser Antwort machte Rognos einen Augenblick verstummen.

,, Darauf fommen wir später noch zurück", fagte er. Inzwischen war nämlich etwas Entscheidendes geschehen, was das Ber­brechen verschlimmert hatte, so daß wir ent tommen mußten es fofte, was es wolle."

Ich verließ die auseinandergefallene Front im November des Jahres siebzehn. Zu Hause richtete mir meine Mutter die Wäsche, pacte mir zwie­bad ein. Nach Riem geriet ich am Bortage des Bombardements durch die Weißen. Mein Beg führte nach Petersburg  . 3wölf Tage faßen wir in einem Gasthausteller. Den Passierschein für die Ausreise bekam ich vom Kommandanten des somjetistischen Riem.

Drei Tage vergingen, bevor der erste Zug ab­fuhr. Zuerst blieb er nach jedem Kilometer stehen, dann nahm er Anlauf, die Räder ratterten heißer, stimmten ein starkes Lied an. In dem geheizten Viehwagen hat das uns alle glücklich gemacht. Schnelle Fahrt hat im Jahre achtzehn die Men­fchen glücklich gemacht. In der Nacht zuckte der 3ug und hielt. Die Tür des Wagens wurde auf­gerissen, das grüne Leuchten des Schnees schim­merte hindurch. In den Wagen tam ein Bahn telegraphist herein, in einen Schafspelz gehüllt, der mit einem ledernen Strid zusammengebunden war, und in weichen faukasischen Stiefeln. Der Tele­graphist streckte die Hand aus und klopfte mit dem Finger auf den offenen Handteller:

,, Die Ausweise hierher

Ein Bauer mit einer dreieckigen Belzmüze, deren Schnüre fich gelöst hatten, führte mich hinter einen vereisten Holzstoß und begann mich zu unter­suchen. Aus Wolken hervor leuchtete uns der Mond. Die bläuliche Wand des Waldes rauchte. Klamme, erfrorene Finger frochen auf meinem Körper herum. Der Bauer näherte mir sein zer­tnülltes, besorgtes Gesicht, riß von der Unterhose vier goldene Zehnrubelstücke meg, die Mutter für den Weg eingenäht hatte, zog mir die Stiefel und den Mantel aus, drehte mich um, klopfte mit der Handkante auf meinen Nacken und sagte: Lauf..."

Ich ging barfuß über den Schnee. Eine Schieß­scheibe schien sich auf meinem Rücken zu entzünden, der Mittelpunkt der Scheibe lag über der Rippe. Der Bauer schoß nicht. In den Säulen der Fichten, in der überwölbten Tiefe des Waldes wankte ein Flämmchen im Kranze purpurnen Dunstes. Ich lief auf ein Wärterhäuschen im Walde zu, das vom Dunst der Korneelkirsche umgeben war. Der Waldwärter stöhnte als ich in die Bude eindrang. Mit Streifen umwickelt, die aus Pelzen und Militärmänteln herausgeschnitten waren, saß er auf einem samtenen Bambusstühlchen und zer= trümelte Tabak auf seinen Knien. Der Wärter stöhnte, stand auf und verbeugte sich tief vor mir: ,, Geh weg, Väterchen... Geh weg, lieber Bürger..."

Er führte mich auf den Pfad und gab mir einen Lappen, um die Füße einzuwickeln. Ich schleppte mich am späten Morgen in ein Städtchen. Im Krankenhaus gab es niemind, um meine er­frorenen Füße abzuschneiden.

Als die Füße geheilt waren, machte ich mich weiter auf den Bettelweg.

Der Lauf einer Haubize diente mir als Deckung auf der Strecke Nomo- Sokolniki- Lochnia. Wir fuhren auf einer offenen Plattform. Fedjucha, zufälliger Beggenoffe, der ben großen Weg der Deserteure zurücklegte, war ein Märchenerzähler, Bizbold und Spaßmacher. Wir schliefen unter dem mächtigen, furzen, hochgefippten Kanonenlauf und wärmten uns einander in einer Sackleinen­grube, die mit Heu ausgelegt war wie ein Tier­lager. Hinter Lochnia stahl Fedjucha mein Köffer­chen und verschwand. Zwei Tage- wir näherten uns Petersburg  - mußte ich hungern. Auf dem Zarstoßjelski- Bahnhof machte ich die letzte Schießerei mit. Ein Absperrungs- Detachement schoß zum Willkomm des anfahrenden Zuges in die Luft. Schieber wurden auf den Bahnsteig ge= führt, man riß ihnen die Kleider vom Leibe her­unter. Auf dem Asphalt, neben echten Menschen,

stürzten menschliche Gummiglieder, die mit Spiritus vallgefüllt waren. Um neun Uhr schleuderte mich der Bahnhof aus seinem heulenden Gefängnis auf die Sagorodny- Perspektive heraus. An der Wand, über die Straße, vor einer vernagelten Apotheke, zeigte das Thermometer vierundzwanzig Grad Frost. Im Tunnel der Gorochomaja- Straße donnerte der Wind; über dem Kanal verhauchte ein Gas­brenner. Das basaltene, vereiste Benedig des Nordens stand reglos. Ich kam in die Gorocho­maja mie auf ein felsenbestreutes Eisfeld.

Im Hause Nummer zwei, im ehemaligen Ge­bäude der Stadthauptmannschaft, befand sich die Ticheta. 3mei Maschinengewehre, zwei eiserne Hunde, standen mit hochgehobenen Mäulern im Vestibül. Ich zeigte dem Kommandanten einen Brief von Wanja Kalugin, meinem Unteroffizier aus dem Schujffi- Regiment. Kalugin mar Unter­juchungsrichter in der Tscheta geworden; er for= derte mich in seinem Brief auf, zu ihm zu kommen.

,, Geh ins Anitschkoff- Palais," sagte der Kom­mandant ,,, er ist jetzt dort..."

,, Ich tomme nicht mehr hin," und ich lächelte zur Antwort.

Die Milchstraße der Newsti- Perspettine floß in die Ferne. Ein Greis, der wie ein Gardesoldat aussah, zog einen spielzeugartigen, geschnitten Schlitten an mir vorbei. Mit Anstrengung rammte er lederne Füße ins Eis ein, auf seinem Scheitel jaß ein Tirolerhütchen, ein Bindfaden hielt den in ein Halstuch hineingestopften Bart zusammen.

Ich komme nicht mehr hin," sagte ich ihm. Er blieb stehen. Sein zerfurchtes Löwengesicht war voller Ruhe. Er dachte über sich nach und schleppte den Schlitten meiter.

An der Anitschkoff- Brücke setzte ich mich auf den Vorsprung einer Bildsäule. Mein Ellbogen schob sich unter den Kopf, ich streckte mich auf der po­lierten Platte aus, aber der Granit versengte mich, stieß mich in die Höhe und schoß mich ab. Ich stürzte zum Palais.

In dem preißelbeerfarbenen Seitenflügel stand die Tür auf. Ein blauer Gasbrenner glänzte über einem im Sessel eingeschlafenen Lakai. Vom runzeligen, aschfahlen Geficht fiel die Unterlippe herab, lichtübergossenes Militärhemd ohne Gürtel bedeckte die mit einer Goldborte benähte Hofhose. Ein zottiger Tintenpfeil zeigte den Weg zum Kom­mandanten. Ich stieg die Treppe hinauf und ging durch leere, niedrige Zimmer. Frauen, schwarz und düster bemalt, spielten Reigen auf den Pla­fonds und Wänden. Metallische Bitter verdeckten die Fenster, an den Rahmen hingen abgebrochene Gardinenstäbe. Am Ende der Zimmerflucht, be leuchtet wie auf der Bühne, saß am Tisch mit rundgeschnittenem, strohfarbenen Bauernhaar- Kalugin. Vor ihm, auf dem Tisch, lag ein Berg Kinderspielzeuge, bunte Läppchen, zerrissene Bilder= bücher.

,, Da bist du ja," sagte Kalugin, den Kopf hebend, ,,' n Tag... Du hast uns hier gefehlt..."

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Ich schob mit der Hand das Spielzeug beiseite, legte mich auf die glänzende Tischplatte und wachte es pergingen Augenblide oder Stu den auf einem niedrigen Dipan auf. Die Strahlen eines Lüfters spielten über mir im gläsernen Bafferfall. Die non mir abgeschnitte nen Lumpen lagen auf dem Fußboden in an gelaufenen Pfützen umher.

,, Baden", sagte Kalugin, der am Divan stand. hob mich auf und trug mich in die Badewanne. Die Wanne war altertümlich, mit niedrigen Rän­dern. Aus den Hähnen floß kein Wasser. Kalu­gin begoß mich mit einem Eimer. Auf creme­gelben Atlaspüffen, auf geflochtenen Stühlen ohne Lehne war Kleidung ausgebreitet: ein Morgen­rod mit Häfchenverschluß, ein Hemd und Soden

ten sie sich dem Punkt, der für sie beide der entscheidende war

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Berger atmete schwer.

,, Und dann tamen Sie zu mir?" sagte er. ,, Ja dann famen wir zu Ihnen. Aber, θα wären Sie nicht zuerst in der Tür erschienen, hätten wir uns sicher nicht die Zeit ge= nommen, Sie zu suchen. An der einen Tür hatte ich schon vergebens gerüttelt. Und wir mußten fort. Da rief mir mein Freund zu denn nur er hatte Sie gesehen nebenan wär' noch einer. Und da stürzte ich zu Ihnen hinein. Das übrigen wissen Sie." Berger wandte sich halb um und sah ihn erregt an. ,, Hätten Sie geschossen?" fragte er. Rognos preßte beide Handflächen gegen die Stirn und sah müde vor sich hin, ehe er antwortete.

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,, Das habe ich mich auch gefragt", sagte er. ,, Und was haben Sie sich geantwortet?" Das tam mit einer fast irrsinnigen Ge­spanntheit heraus.

Da hob Rognos sein Gesicht.

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,, Am liebsten würde ich Nein antworten", sagte er. Aber wenn ich ehrlich gegen mich sein will, muß ich antworten: Ja ich hätte geschossen Sie zögerten so lange, und wir hatten keine Sekunde zu verlieren bei all den verbrecherischen Dingen, in die wir uns bereits verstrickt hatten. Wenn ich mir vorstelle, in welcher wahnsinnigen Er­regung ich war und wie fieberhaft ich aufs Wegkommen drängte, ist es mir noch heute unfaßlich, daß ich nicht losgedrückt habe." ( Fortsetzung folgt.)

aus gewickelter, doppelter Seide. Die Unterhose ging mir über den Kopf, der Morgenrod war auf einen Giganten zugeschnitten, mit den Füßen trat ich mir auf die Aermel.

,, Mit dem war nicht zu spaßen, mit Alexander Alexandrowitsch", sagte Kalugin, meine Aermel hochrollend, der Knabe wog gute drei Zentner."

Wir haben den Morgenrod des Kaisers Aler ander III. irgendwie hochgesteckt und kehrten in das Zimmer zurüd, in das ich zuerst gekommen war. Es war die Bibliothek der Kaiserin Maria Feodorowna, ein parfümiertes Schächtelchen mit an die Wände gedrückten, vergoldeten, himbeer­farbenen Schränken.

Wir tranken Tee, in den kristallenen Wänden der Gläser zerschmolzen Sterne. Wir aßen dazu Burst aus schwarzem und feuchtem Pferdefleisch. Von der Welt trennte uns die dichte und leichte. Seide der Gardinen; die in die Decke eingelassene Sonne glizerte und leuchtete; schwüle Hize hauchte von den Röhren der Dampfheizung.

Aber jetzt", sagte Kalugin, als wir mit der Burst fertig wurden. Er ging irgendwo weg und fam mit zwei Riften zurück: einem Geschenk des Sultans Abdul- Hamid   für den russischen Kaiser. Die eine Kiste war aus Zink  , die andere eine Zigarrenschachtel, die mit Bändern und Papierorden überklebt war. ,, A Sa Majesté, l'Empereur des toutes les Russies"( Seiner Majestät, dem Kaiser aller Reußen) war auf dem Zintdeckel eingrabiert ,, vom wohlwollenden Better".

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Maria Feodorownas Bibliothek füllte sich mit einem Aroma, das ihr vor einem Vierteljahr­hundert vertraut war. Die Zigaretten, zwanzig Zentimeter lang und fingerdid, waren mit roja­farbenem Papier umwickelt; ich weiß nicht, ob noch jemand in der Welt außer dem russischen Alleinherrscher solche Zigaretten geraucht hat, aber ich habe eine Zigarre gewählt. Kalugin sah mich lächelnd an.

Greif nur zu", meinte er, sie sind ja nicht gezählt. Die Lakaien haben mir erzählt, Aleg. ander III. jei ein leidenschaftlicher Raucher ge­mesen, liebte Tabak, Kwas   und Champagner. Und auf dem Tisch bei ihm, schau Groschenaschen­becher aus Ton, und auf den Hosen

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Flicken."

In der Tat, der Morgenrod, mit dem man mich bekleidet hatte, war fettig, glänzend und viel= fach geflict.

Den Rest der Nacht verbrachten mir beim Sor­tieren der Spielzeuge Nikolaus II  ., seiner Trom­meln und Lokomotiven, seiner Taufhemdchen und Hefte mit kindlichem Gekrizel. Aufnahmen der in frühem Kindesalter verstorbenen Großfürsten, ihre Haaloden, Tagebücher der dänischen Prin­zeffin Dagmar, Briefe von ihrer Schwester, der englischen Königin, atmeten Parfüm und Moder, zerbröckelten in unseren Fingern. Auf den Titel­jeiten der Evangelien und der Werte Lamartines nahmen Freundinnen und Hoffräuleins Töch ter von Bürgermeistern und Staatsräten in schrägen, sorgfältigen Zeilen Abschied von der nach Rußland   verreisenden Prinzessin.

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Bis zum Tagesanbruch fonnten wir uns von dieser Chronik nicht losreißen. Die Zigarre von Aboul- Hamid war zu Ende geraucht. Am Mor­gen führte mich Kalugin in die Tscheka   in der Gorochowajastraße. Er sprach mit Urizki. Ich stand hinter einem Borhang, der in Tuchwellen zu Boden fiel. Fezen von Worten brangen zu mir hinüber.

,, Der Junge ist gut, unfereiner", erzählte Kalu­gin, der Bater, ein Krämer, handelt, aber her Junge ist zu uns gestoßen... Kennt Sprachen." Der Kommissar für Innenangelegenheiten ber Kommunen des Nordgebietes trat in seiner wackelnden Gangart aus dem Arbeitszimmer. Hinter den Gläsern des Zwickers quollen von Schlaflosigkeit versengte, gelockerte, gedunsene Lider hervor.

Man machte mich zum Dolmetscher bei der Fremdenabteilung. Ich erhielt Soldatenuniform und Anweisungen auf Mittagessen.

( Deutsch   von 3. Amburski- Schubert)