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Morgen- Ausgabe

Nr. 37 A 19 50. Jahrg.

Redaktion and Berlagi Berlin   SW 68, Lindenstt. 3

Sermprecher 7 Amt Donhoff 292 bis 297 Telegrammabrefie: Sozialbemotrat Berlin

Vorwärts

BERLINER

VOLKSBLATT

SONNTAG

22. Januar 1933

In Groß Berlin   15 Pf. Auswärts....... 20 Pf.

Bezucsbehingungen und Anzeigenpreise febe am Schluß bes rebuttionellen Teils

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Ein kritischer Tag!

Anflage und Aufruf

Die Regierung trägt die volle

Verantwortung!

Man darf immer noch hoffen, daß die Be sonnenheit der Arbeiter und der Schutz­polizisten heute das Schlimmste verhüten wird. Für die ungeheure Verschärfung der politischen Gegenfäße, für die tiefgehende Beunruhigung des öffentlichen und wirt­schaftlichen Lebens. die von diesem Tag auf alle Fälle ausgeht, trägt die Regie rung die volle Berantwortung.

Hoffentlich nicht für noch mehr! Denn menn es heute noch schlimmer kommen sollte, die Regierung trüge die Verantwor tung auch dafür!

Jeder Angriff auf die marschierende SA. und gegen die sie befehlsmäßig schützenden Schußpolizisten wäre eine politische Tor­heit. Er würde zur Verwirrung führen, wo im Interesse der Arbeiterschaft vollste Klarheit notwendig ist. Nicht die marschie renden Jungen, so üble Gesellen sich auch. unter ihnen befinden mögen, nicht die Schußpolizisten, sollte auch einer oder der andere die Nerven verlieren, sind die Hauptverantwortlichen. Hauptverantwort­lich ist die Regierung.

Was will die Regierung? Soll die Kom­ munistische Partei  , indem man die Garde Hitlers   provokatorisch vor ihrem Partei­haus aufmarschieren läßt, in eine Falle gelockt werden? Wollte man hinter den Er­eignissen der legten Tage eine politische Ab­ficht vermuten, so fönnte es faum eine andere fein als dieje. Aber verschiedene Um­stände geben eher Anlaß zu der Vermutung, daß sich die Regierung über die Konse­quenzen ihres Verhaltens überhaupt gar nicht im flaren gewesen ist und erst gestern deffen gewahr wurde, was sie ange= richtet hat.

Welche von diesen beiden Möglichkeiten die ehrenvollere für sie ist, läßt sich schwer entscheiden. Die wahrscheinlichere ist die zweite. Denn was man zu sehen bekam, machte in feiner Weise den Eindrud einer zielsicheren Energie, vielmehr den der inneren Unsicherheit und des sch'echten Gewissens.

Seit dem Sturze Brünings macht die 3erbröckelung an Staatsauto­rität rapide Fortschritte. Kaum hatte man fich dazu aufgeschwungen, die SA. zu verbieten, so wurde sie auch schon wieder erlaubt Seitdem hat sie ungezählte Gewalt­taten begangen. ohne daß die ihr strahlende Sonne der Regierungsgunft auch nur einen einzigen Tag durch vorüberziehende Wolken getrübt gewesen wäre.

Adolf Hitler   wünscht den Bülowplay als Ererzierplay zu benutzen Seinem Wunsche gehorchend sperrt die Polizei den Kommu­nisten ihr Parteihaus und macht es frag­lich, ob 2000 friedliche Mitglieder der Bolfsbühne ohne Gefahr für Leib und Leben ihr Vereinshaus und ein dort statt­findendes Konzert befuchen fönnen. Sie ver­meigert flare Auskünfte, läßt die Frage offen, ob das Konzert stattfinden wird oder nicht und verfucht flöaliche Ausrede!- die Kommunisten für die bestehende Unsicherheit verantwortlich zu machen. Nein, diese Unsicherheit ist von der Bolizei und ihren Vorgesenten geschaffen worden, und sie ist so groß, daß sie diese selber schon er­faßt hat

Bolfsbühnenbesuch unmöglich?

Zweideutige Haltung der Polizei- Klare Auskunft verweigert!

Die Bolfsbühne auf dem Bülow­platz hatte seit Wochen ein Konzert von Maria Ivogün   angekündigt, das heute um 12 Uhr beginnen und gegen 2 Uhr beendet sein soll. Das Konzert ist seit einer Woche so gut wie ausver­tauft. Die Boltsbühne hat sofort nach Ankündi­gung der nationalsozialistischen Demonstration das Polizeipräsidium

auf die Gefährlichkeit dieser Beranstal­fung aufmerksam gemacht, ohne zunächst irgendwelchen Bescheid zu erhalten. Im Laufe des gestrigen Tages wurde ihr dann sowohl vom Kommando der Schußpolizei als auch vom Reviervorsteher versichert, für das Konzert bestehe nicht die geringite Gefahr, da die Demonstranten feinesfalls vor 2 Uhr erscheinen würden, das Konzert bis dahin aber längst be endet sein würde.

Später gab die Theaterobteilung des Polizei­präsidiums der Leitung der Bolfsbühne in vorfich­tiger Form die Anregung, ob sie nicht von sich aus das Konzert absagen wolle. Ihr murde er­widert, es sei faum noch möglich, bie rund 2000 Besucher von der Absage zuverlässig und rechtzeitig zu unterrichten. Auch müsse die Frage geprüft werden, ob die Bolksbühne für den ihr entstehenden schweren Schaden nicht die Bolizet zivilrechtlich haft bar machen fönne. Die Theaterabteilung zog darauf ihre An­regung schleunigst wieder zurüd.

Gegen Abend wurde dann in den Berliner  Lofalnachrichten von WTB. folgendes bekannt gegeben:

Das Polizeipräsidium zieht die Sperrung des Bülowplates für den Berkehr am Sonntag in Erwägung. Auf mehrfache Anfragen teilt der Polizeipräsident mit: Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß angesichts der Haltung der Kommunisten und der Schreibweise ihrer Presse die Möglichkeit sehr groß ist, daß die Polizei morgen vormittag gezwungen sein wird, den Bülowplatz im Interesse der öffent­lichen Sicherheit für den Verkehr zu sperren. Je nach dem Zeitpunkt des Eintritts diefer poli­zeilichen Maßnahme fann es also geschehen, daß den Besuchern der auf dem Bülowplatz ge­legenen Boltsbühne" und des am Bülow­ platz   gelegenen Lichtspieltheaters Babylon  " der Zutritt zu den Mittagsveran­staltungen der Theater oder das Ber­laffen derselben unmöglich sein wird.

Organisation, Reorganisation, Desorgani­

fation!

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Man hat die rechtmäßige preußische Re­gierung mit Gewalt aus ihrem Amt ent­fernt, angeblich um blutiger Hohn! Ordnung und Ruhe zu sichern! Man hat von autoritärer Staatsführung gesprochen, von einer Regierung über den Parteien, aber noch nie hat es so wenig wirkliche Autorität gegeben, noch nie haben Regie­rungen so unter bestimmten Parteien gestanden, wie die Regierungen Papen   und Schleicher  . Herr v Papen   hat deswegen als Kanzler dennoch keine Gnade gefunden, er wird nur noch als Briefträger zwischen Schleicher   und Hitler verwendet. Gegen Herrn von Schleicher nehmen die National­sozialisten im Auswärtigen Ausschuß,

Die Redaktion des ,, Borwärts" richtete im Laufe des gestrigen Abends an das Polizeipräsidium die Aufforderung, sich klar und deutlich darüber zu erklären, ob es einen ungehinderten Zu- und Abgang der Besucher zur und von der Volksbühne zusichern könne, oder ob es die Absicht habe, den Platz für die Konzertbesucher zu sperren. Eine bestimmte Auskunft war jedoch nicht zu erhalten, obwohl die Redaffion das Polizeipräsi­dium in allerdeutlichster Form auf die ihm daraus entspringende Verantwortung aufmerksam machte!

Reaktionäre Zweckmeldungen

Die Telegraphen- Union teilte gestern ſpät abends mit:

,, Die KPD. ließ in den Sonnabend- Abend­stunden in den Arbeitervierteln Berlins  , befon

ders im ehemaligen Barrikadenviertel von Neu­tölln, Flugblätter verteilen, in denen die ,, wehr­haften Arbeiter des roten Berlins  " aufgefordert merden ,,, Schulter an Schulter mit den Kame raden des RFB. das Eigentum der Partei, den Siz der KPD  .", zu verteidigen und am Sonntag­nachmittag zu Zehntausenden am Bülowplay zu erscheinen. Mehrere Flugzettelverteiler, die mit derartigem umfangreichen Propagandamaterial ausgerüstet waren, fonnten von der Polizei in der Hermannstraße in Neukölln bereits verhaftet werden.

Auch in den östlichen Vororten wurden am Sonnabendabend kommunistische Flugblätter ver­teilt, in denen die Arbeiter aufgefordert werden, schon am Sonntag früh auf dem Posten zu sein, um die einzeln oder in kleinen Gruppen nach dem Bülomplag marschierenden Nationalsozialisten an ihrem Vorhaben zu hindern."

Mandschukuo- Premier ermordet?

Gerüchte in Peking  

Schanghai   über London  , 26. Januar( Reuter)

Nach einem Gerücht soll durch einen Bombenanschlag auf die Eisenbahnstrece bei Tschangtschun der Ministerpräsident des Stantes Mandschukuo getötet wie seinerzeit Marschall Tschangtsolin und der jaqanische Botschafter schwer verlett worden sein.

am

Nach anderer Darstellung soll 18. Januar in Tschantschun der man dschurische Ministerpräsident beim Betre­ten seiner Wohnung von einem unbe­tannten Koreaner durch einen Dolchstich getötet worden sein.

Genfer   Vermittlung gescheitert?

In der Neunzehnertommiffion hat Japan   erklärt, daß es auch bei Streichung der Einladung Amerikas aus dem Berständigungs­vorschlag den Tert nicht annehmen könne, ohne daß die Nichtanerkennung Mandschu= fuos und andere wesentliche Punkte ge= strichen würden. China   hat dagegen energisch erklären lassen, daß es auf Einladung Amerikas  und Sowjetrußlands zu Verständigungsverhand­lungen sowie Nichtanerkennung Mandschutuos den

brüderlich vereint mit den

Untermenschen

der roten Mordkommune", impertinente Re­folutionen an. Aber das alles tut der Liebe feinen Abbruch.

Reine parlamentarische Regierung ist je= mals einer Partei in so würdeloser Weise nachgelaufen, wie die autoritären" Regie­rungen Papen   und Schleicher   der NSDAP  . nachgelaufen sind. Noch eine Weile weiter so ,, autoritär" und mit jeglicher Autori­tät ist es zu Ende.

Jetzt schon ist es so weit, daß man sich nicht scheut, eines Kuhhandels wegen, den man nicht gefährden will, Menschenleben aufs Spiel zu fezen.

Im Sommer vorigen Jahres fam die au­toritäre Staatsführung den Nationalsozia: listen im Bettlauf um die Regierungsmacht

entscheidenden Wert lege. Bei fo scharf entgegengesezten Forderungen lonnte die Kom mission nur feststellen, daß es unmöglich sei, eine für beide Parteien annehmbare Lösung vorzu­schlagen und daß besonders die Aenderungsvor schläge Japans   unmöglich annehmbar sind. Unter diesen Umständen konnte nur das Scheitern der Verständigungsprodezur nach Artikel 15 Ab­fag 3 festgestellt werden. Da anzunehmen ist. daß auch die Völkerbundsvollversammlung das gleiche tun muß, beschloß die Kommission ferner, sofort den Entwurf eines Berichtes mit Lösungs­vorschlägen auszuarbeiten auf Grund Artikel 15 4. wonach die Zustimmung der Parteien nicht mehr erforderlich ist und die Lösung mit Zwangsmaß­nahmen solidarisch von allen Völkerbundsmit gliedern durchgesetzt werden muß. Diese Arbeit beginnt am Montag. Die Eröffnungsfizung der Ratstagung wird auf Dienstag verschoben.

Achtung, feine Leute! Exherzog von Coburg   am Werke Auf Anregung des Erherzogs Carl Eduard   von Coburg  , der als Geldgeber der Nationalsozialisten feit langem befannt ist, hatte in Hamburg   ,, Der Deutsche Ring" zu einer Besprechung ein

zuvor. Jezt vollzieht sich bei beiden der Ver­fall, bei der Regierung aber viel schnel­ler als bei den Nationalsozialisten. Die Folge ist wieder wachsende Ge fahr des Faschismus, obwohl sich auch der Faschismus schon im Niedergang befindet.

Gegen diese Gefahr hilft kfein tommu­nistisches Einheitsfront man över, gegen fie fann nur eine echte Einheitsfront helfen, die allen fleinlichen Streit beiseite schiebt und ihre Waffen einzig und allein gegen den Feind kehrt

Gegen die feudale, gegen die faschistische Reaktion angetre ten, Sozialdemokraten! Ange­treten, Eiserne Front!