Kr. 7 Ii. Mi 1925
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öeilage Ües vorwärts
Volkswirtschaftslehre.
Kork Renner: Die Wirtschaft als Gesamtprozeh und die Sozialisierung: populärwissenschaitlich dargestellt nach Karl Marx ' System. Berlin 1924, I. H. W. Dietz Nachf. 391 Seiten. Preis geb. 8 M. Jeder Sozialist, der die Jahre nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte leidend miterlebt hat, wird das Buch aus der Hand legen mit dem Bewußtsein, es ist um die Sache des Sozialismus gut bestellt. Das proletarische Geschlecht, das nach dem für das kapi- talistische System beispiellos kritischen Weltkriege noch einmal, gleich- viel, ob in Mitteleuropa oder in Ruhland, den historischen Zirkel burger- licher Revolution: Reoolution-Konsusion-Reaktion erleben mußte, wird dem Genossen Renner dankbar sein, daß er sich entschlossen der Bc- seitigung jener Konstruktionsfehler im Denksystem der sozialistischen Politik zuwandte, die die Arbeiterklasse Mittel- und Osteuropas seit 1918 so viel hat versäumen und falsch machen lassen. Nichts Ge- ringeres ist nämlich der Inhalt des Buches, dessen Titel wohl seinem Gegenstande angemessen ist, dessen B o r w o r t aber be- 'cheidcn genug das Werk als Ausarbeitung von Vorträgen bezeichnet, die als Einführung in die Wirtschaftswissenschaft in der Wiener Parteischule und in der Karlsbader Geschäftssührerschul« der deutschen Konsumgenossenschaften gehalten worden sind. So ist auch der Untertitel unvollständig. Zwar ist es wahr, daß auch die Frage der Sozialisierung von Karl Renner nach Karl Marx ' System abgehandelt ist. und es ehrt Karl Marx , der über die Frage der Sozialisierung nichts hinterlasien hat als den Geist seines Systems, wie es Renner ehrt, daß Renner die großartige Umfassendheit des Marxschen Systems und die grandiose Weite des Wertgesetzes zu solcher Fruchtbarkeit für die Lösung der Probleme der Sozialisierung auszuwerten oerstand wie es gesajehen ist. Aber man würde dem Rennerschcn Werk auch nicht entfernt gerecht werden, wenn man die durchaus originale Leistung übersehen wollte, die der Verfasser in seiner Behandlung der Sozialisierungssrage vor der europäischen Arbeiterschaft ausgebreitet hat. Erst wenn man das Schwergewicht der Arbeit in ihrem Ziel erblickt, die Arbeiterklasse reis zu machen für die Lösung praktischer Sozialisierungsaufgaben, erst dann vermag man voll die Absicht zu würdigen, mit der Renner nicht den Produktionsprozeß, sondern den Zirkulationsprozeß des Kapitals zum Mittel der Einführung in die Wirtschaftswissenschaft gemacht hat und das außergewöhnliche Maß, mit dem ihm das gelungen ist. Demgegenüber bedeutet die literaturhistorische Dorwortbemerkung wenig,' daß„die allgemeine Lehre vom Mehrwert und besten Rolle im Produktionsprozeß oft und gut, aber der wirtschaftliche Zirkulations- und Konsumtionsprozeß nur selten und höchst unvollkommen dargestellt" worden sei und eine brauchbare Uebersicht über den Gesamtprozeß der Wirtschaft fast ganz fehle. Diese Bemerkung ist überflüssig angesichts der Tatsache, daß Renner unmöglich eine seinem Ziel genügende Einsührung in die Wirtschaftswissenschaft hätte geben können, wenn er nicht gerade den Zirkulations prozeß zum Mittelpunkt der Lehre und zum Ausgangspunkt für seine sozialisierungspraktischen Konsequenzen ge- macht hätte. Es ist bisher noch nie und so elementar wie in dem Werke Renners deutlich gemocht worden, wie unerhört modern und zur Lösung praktischer Sozialisierungssragen geeignet Geist und Grund- formulierungen des ökonomischen Systems von Karl Marx sind. wenn man nur die dauernde Bedeutung des Marxschen Systems in de? tieferen Erfassung des Wertgesetzes(nicht in der geläufigen Auf- fasiung der Arbeits„werttheorie'") und in der Funktionenlchre des Kapitals im 2. und 3. Band zu sehen vermag. Erst die bewußte vollständige Verselbständigung der Zirkulations- und Funktionslehre des Kapitals gegenüber der Lehre vom Produktionsprozeß, wie es Renner entschlossen getan bah vermochte das klar werden zu lassen. Losgelöst von der philosophischen Schwerfälligkeit, von dem ermüden- den, für das lebende Geschlecht längst toten Beweisballost und von dem mannigfachen sozialen Pathos des ersten Bandes, das den For- scher und kritischen Wahrheitsucher eher verstimmt als befreundet, In freier, bei strengster Einhaltung Marxscher Formulierungen doch eigener Diktion, im wesentlichen nichts voraussetzend als die un- antastbare Gellung des Wertgesetzes, baut Renner vor den Augen des Lesers das in seiner historischen Bewegung höchst Widerspruchs- volle, durch die Gesetze seiner innerlichsten Gleichgewichtigkeit sorg- sättigst regulierte und präzisest funktionierende Zirkulationsgebäude der kapitalistischen Wirtschaft aus und entwickell die Wege zu seiner bewußt gestaltenden und verändernden Handhabung. Das Geraune und laute Gerede von der„Krise des Marxismus " zerfließt als eitler Spuk bürgerlicher Gelehrtenüberheblichkeit und kleinmütig gewor- dene Tagespolitiker von dem zunächst nichts als System g e- wollten, unter dem Leitstern der realistischen Idee vom Wertgesetz aber sich selbst zum System rundenden ökonomischen Gebäude. Freilich, Renner als Sucher und Erzieher hat viel Eigenes hin- zugefügt, nicht in Erweiterung, sondern in sinnvoller Deutung Marxschen Geistes, nicht nur durch Ausmerzung toter Tatsachen, sondern auch durch Ergänzung um die neue Well von Erscheinungen und Methoden, die seit Marx ' Tode wirklich geworden sind. Rur zu schnell wird leider in dem Werk die mit großem Glück zu Hilfe genommene pädagogische Krücke der kaufmännischen Betriebst und Bilanzlehre wieder fortgelegt, die besonders für die wirt- schaftswissenschaftliche Schulung unserer Betriebsräte, Gsnosienschafte- und Gewetkschaftsfunktionäre von unersetzlichem Wert ist. Nichts beweist bester, wie sehr Renner auf dem richtigen Wege ist, als daß er sich bereit finden konnte und verpflichtet fühlte, die theoretische Funktionenlehre des Kapitals an den wichtigsten Lebensdokumenten der kapitalistischen Unternehmung. Buchhaltung und Bilanz zu illu- strieren und zu erproben. Nur zu schnell verzichtet Renner auf die Verwirklichung der>bm durchaus klaren Möglichkeit, neben dem In- dioiduol- auch den Gesamtprozeß und die gesellschaftliche Gesamt- funttion des Kapitals darzulegen und zu dokumentieren an einer theoretischen Gesamtbilanz der nationalen Gesamtwirtschaften und des kapitalistischen Universalsystems. Gerade Renner, der als erster die Voraussetzungen aller Sozialisierung in der Unantastbarkeit des kanitalissischen Geldrechnungs- und Marttmechanismus bewiesen hat, hätte sich der entscheidenden Bedeutung einer solchen theoretischen Gelamtbilanz als des beweisschlüssigen Schlußsteins eines zuläna- sichen Zirkulationssystems bewußt sein müssen und hätte nicht so I»;*' auf ihre Konstruktion verzichten dürfen. Hätte er sie geliefert, sein Werk wäre vollkommen gewesen Er hätte geleistet, wofür Marx zu früh gestorben und seine Epigonen nicht reich und reif genug waren. Er hätte geleistet, was auch die fortgeschrittensten der bür- oerlichen Oekonomen, Bilanzwistenschastler und Betriebswirtschaft- ier, denen längst die Unzulänglichkeit alter und neuer Werttheorien und rein praktischer Lehren klar geworden ist, als notwendig ahnen, die Liefmann, Cassel, Schumpeter, Schwalenbach: das theoretisch«
System streng definierter Gleichgewichtssunktionen und das praktische System zulänglicher Gleichgewichtsgleichungen im Bilde einer gesamtwirtschaftlichen Bilanz. Das ist die entscheidende Ausgabe, die zur bewußt gestallenden Leitung und Sozialisierung des kapita- listischen Systems in der Zukunft noch zu lösen ist und die nur aus der von Marx im 2. und 3. Bande des„Kapital" gegebenen Grundlage zu lösen sein wird. Ist diesem Unterlassen beruhen denn auch die Unzulänglich- keiten des Rennerschen Werkes. Es konnte nicht genügen, daß die Erscheinungen des modernen Geld- und Kreditwesens einfach dem Marxschen Zirkulationsgebäude eingefügt, sie mußten auch systematisch als Gesamterscheinung gewogen werden. Und es durste von der Notwendigkeit einer Funktionslehre des Konsums nicht nur gesprochen, sie mußte auch selbst wenigstens in den Grundrissen dargestellt werden. In dem Fehlen dieser beiden integrierenden Stücke im Marxschen Zirkulationssystem liegen nämlich dessen empfindlichste Lücken. Sie wurden von Renner zwar gesehen, aber er hat sie nicht ausgefüllt. Er hätte sie in zulänglicher Weise ausfüllen müssen, wenn er den Versuch der theoretischen Ge- samtbilanz des kapitalistischen Systems gewagt hätte. Dann wäre er auch vorgedrungen zu dem Schlüsselpunkt der Sozialisierungssrage und zu der auch sozial befriedigenden Auflösung oder praktischen Vollendung des Wertgesetzes, die nicht in der Sozialisierung der Produktionsmittel liegt, sondern in der Vergesellschaftung. in der„Entprivatisierung" jeglichen Ertrags, dessen Privatchorak- ter im kapitalistischen System die durch die kapitalistische Organisa- tionssatzung des Privateigentums verzerrte..Charaktermaske" des Wertgesetzes selbst ist, um ein einzigesmal in der Ausdrucks- weise Marxens zu sprechen. Allerdings, dazu hat Renner tausend Rechtsertigungsgründe für einen. Vor allen Dingen diesen, daß zweihundert Jahren ökonomischer Forschung es noch nicht eingefallen ist, neben der Erzeugungssphäre auch einmal die K o n s u m t i o n s- sphäre zum Gegenstand iystematischer Betrachtung zu machen und nicht nur eine Ockonomik, sondern auch eine Bilanzwissenschaft und Betriebswirtschatfslehre des Haushalts zu schaffen.. Aber selbst hier oerlaßtäuis der Weitblick Renners nicht: in den letzten Seiten scheint er um eine ökonomische Theorie der Gewerkschaften und Genossenschaften zu versprechen, die ja nur die modernen Agenten des gegenwärtigen und zukünftigen Volkshoushalts sind. Gustav Klingelhöfe r. Literaturgeschichle. Arnold Zweig : Lessing , Kleist, Büchner. Drci Ver- s u che. Berlin 192S, Verlag I. M. Spaeth. Die„drei Versuche" Zweigs gehören zu der bedeutenden, heute glücklicherweise nicht mehr kleinen Reihe von Essays, in denen selbst dichterisch Tätige sich mit Dichtern auseinandersetzen— es sei nur an Landauers„Shakespeare ", an Gundolss„Goethe " und Stephan Zweigs„Verhaeren " erinnert. Der Ertrag solcher Aussprachen kommt vielleicht der Philologie wenig zugute, desto wesentlicher sind sie für unsere Kenntnis bis dichterischen Schaffens und für ein plastisches Erfassen schöpferischer Persönlichkeiten. Zweig will die drei Meister, von denen sein Buch handelt, vom Zentrum des Dramatischen her anpacken, aber das Drama ist ihm nicht eine beliebige Gattung unter anderen, er sieht in ihm vielmehr den Gestaltungswillen eines ganzen Volkes lebendig. Der bloß formalen Betrachtungsweise entsprangen, meint er, die von vorn- herein zur Unfrnchtbarkell oerurteilten Versuche, einen fremden dramatischen Stil in eine andere Zeit und einen anderen Boden zu verpflanzen. Versuche, die vielleicht wundervolle Gedichte zum Lesen, die klassische Tragödie und die„Iphigenie " hervorbrachten, nicht aber Dramen von wirklich dramatischem Wurf und Wuchs. Eine tragisch« Kunst, die auf das Wesentliche ausgeht, muß wenigstens unter den Deutschen an Shakespeare onknüpsen, und eben dem Durchbruch des Shakefpearefchen Geistes in Deutschland gelten die drei Studien Zweigs. Sie stirb insofern symmetrisch gebaut, als sie regelmäßig zuerst dos Leben des Dichters auf seine Grundlinien zurückführen, d. h. dessen tieferen Sinn und tragenden Rhythmus herausarbeiten, und dann das Gesamtwerk als einen Kampf um die Bezwingung des Dramas vor uns aufrollen. Es ist also sozusagen eine ideelle Bio- graphik ohne Detail, ohne Parallelisierung von Einzelerlebnis und Einzelwerk, ohne Fragen nach Quellen und Beziehungen. Statt dessen werden die Lebens- und die Schaffenskuroe nebeneinander gehalten und mit leidenschaftlicher Intensität darauf geprüft, wie sie einander notwendig bedingt, wie der dämonische Drang, sich dra- matisch auszuleben, das Gefäß„Mensch", das Gefäß„Dichter" ge- blldet und, wenn es fein mußte, gesprengt hat. Man begreift, daß diese dichterische Aufgabe— denn um eine solche handelt es sich eigentlich— Zweig am besten bei K l e i st, der wahrhast erschütternd nwdslliert ist, und in einem gewissen Abstand bei Büchner gelingen konnte: L e s s i n g s spröde, verhaltene Persönlichkeit versagt sich dem nachschofsenden Eindringen allzusehr. Auch die Strenge, mit welcher Zweig die„Minna von Barn- Helm" allen anderen Dichtungen Leffings als einziges noch heute lebendiges Drama gegenüberstellt, befremdet, und der Kenner der „Lessing-Legende" wird über den angeblich„preußischen" Charakter des Dichters einigermaßen den Kopf schütteln. Zweig will aber auch gar nicht in allem und jedem Zustimmung finden, denn er schaut Menschen und Werke bewußt mit eigenen Augen an und hat sich namentlich vom Wesen des Dramas ein eigenes kühnes Bild eat- warfen In achtzehn Punkten, die er dem Kleist-Aujsatz lose eingefügt hat, gibt er aphoristisch die Elemente seiner Dramaturgie, nur acht «eilen: aber sie sind an fruchtbaren Gedanken reicher als mancher dicke Gelehrtenwälzer. Besonders kühn Und gelungen ist an ihnen die Abteilung des Dramatischen aus Grundanlagen des Menschen und der sozialen Gemeinschaft, weil Zweig dadurch die Macht- anspräche der Tradition, der„Schule" und Technik in ihre Schranken zurückweisen kann. Von diesen prinzipiellen Sätzen her fällt das Licht Närend nach rückwärts und vorwärts und verbindet die drei Gemälde.Lessing",„Kleist ",„Büchner" zu einer gedanklich fest ge- schlossenen Einheit— wohl dos Beste, was man von einem Essay- band sagen kann.____ AlsredKleinberg.
Heilkunde.
Dr.£j. Rleng und Ä. A. Zleßler: Das ärztliche Volksbuch. WagN'rrsche Verlagsanstalt Stullgart. A. Bippi. 1. Bond 880 Seiten. Preis 20 M. Di« Aerzte werden oft durch die Frage wißbegieriger Patienten in Verlegenheit gebracht, welches„Doktorbuch" sie ihnen empfehlen können. Alle die„Heilkunden", die verbreitet sind und gewöhnlich der Propagierung der Heilmethode ihres Verfassers dienen(Kneipp, Dijz� Platen u. a.), haben, soweit sie nicht überl)oupt bewußt un»
wissenschaftlich« Laienorbeit sind, den großen Fehler daß sie den Leser vom Arzte unabhängig machen und ihm ein Vesserwissen g:gcn. über den durch seine Fachstudien„bornierten" Arzte anerziehen wollen, daß sie aber durch ihre Anregung zur Selbstbeobachtung übertriebene Krankheitsfurcht erzeugen. Von diesem fundamentalen Fehler ist das von Aerzten verfaßte, von den zwei Stuttgarter Her- au-gebern mit liebevollcr Sorgfall durchgearbeitet.; und zurecht- gefeilt« W-erk frei. Es appelliert weder an den Hochmut noch an die Angst der Leser, sondern an ihren Verstand, es zwingt ihnen nicht ein medizinisches Dogma auf, sondern läßt ihn jelbst zwischen den verschiedenen ärztlichen Schulen wählen, deren Prinzipien eine leiden- schaftslose Darstellung aus der Feder berufener Autoren finden. Der Hauptwert ist auf die Vermittlung der Kenntnisse gelWt, die nötig sind, um Krankheiten mit Bewußtsein zu verhüten. Bau, Entw'ak- lrnig und Verrichtungen des menschlichen Körpers erfahren eine ein- gehende von zahlreichen Abbildungen unterstützte Schilderung, ebenso die Einwirkungen des sozialen Lebens auf ihn. Es wird ausführlich gezeigt, wie sich der Mmsch in allen Lagen verhalten soll, um sich körperliche und sielische Gesundheit zu bewahren. Die verschiedenen Heilmethoden werden so geschildert, daß der Kranke Verständnis für die Forderungen und Vorschriften des Arztes gewinnt, daß er mit ihm, nicht ihm zuwider arbeitet. Die Ellern lernen, wie sie ihre Kinder zweckmäßig erziehen, von der Wieg« bis zum Eintritt ins gefckssechts- mid berufsfähige Alter. In Anbetracht des überreichen Inhalts ist der Preis, der jüngst auf 20 M. ermäßigt wurde, ange- messen zu nennen. Arbeiterbibliothekcn sei das Buch zur Anschaffung wärmstens empfohlen._ Dr. Karl Sautsky.' Erzählende Literatur. Leo Tolstoi : Gesammelte Werke, 14 Bände. Verlag I. Ladyschnikow, Berlin . Preis pro Band geb. 7,50 M. Das gesamte literarische Werk des großen russischen Dichters liegt nun in einer monumentalen, gut ausgestatteten Grohoktaoausgabe vor. Es ist die erste vollständige Ausgabe Tolstois in deutscher Sprache, zusammengestellt auf Grund des Archivmaterials P. Vir- jukows, des langjährigen Freundes und Biographen des russischen Dichterphilosophen. An die mehrbändigen Romane„Krieg und Frieden " und„Anna Karenina ", die zu den schönsten der Welt- literatur gehören, reiht sich der Bekenntnisroman„Auferstehung" (dessen vollständige Fassung hier wiedergegeben wird), sowie die große Zahl der kleineren Novellen, Erzählungen und Skizzen, die in den Bänd«„Der Ueberfall",„Der Schneesturm",„Der Leinwand- wandmeisD?",„Hadschi Murat " und„Aolkserzählungen" zusammen- gefaßt srnd. Der Band„Kindheit, Knabenjahre und Jugendzeit", der zum ersten Male in unverkürzter Ausgabe erscheint, ist nicht nur kulturhistorisch von hohem Interesse, sondern gibt auch Aufschluß über den geistigen Werdegang Tolstois. Der letzte Band enthält die bekannten Dramen Tolstois„Macht der Finsternis",„Und das Licht scheinet in der Finsternis" u. a., sowie das zum ersten Male in beut- scher Sprache erscheinende Schauspiel„Bäcker Petrus". Die vorliegende deutsche Auegabe Tolstois bedeutet zweifellos eine wertvolle Bereicherung der deutschen Uebersetzungsliteratur, da sie nicht nur eine auf wissenschaftlicher Archivforschung gestützte Zusammenfassung des gesamten dichterischen Schaffens Tolstois liefert, sondern auch durch die Wiedergabe der feinsten Nuancen der klassssch-schönen Sprache des Dichters das Verständnis für feine Größe und Eigenart vertieft. Die Werke sollten in keiner größeren Arbeiterbibliothek fehlen. A. S. Hans Balnfchek: Großstadt-Geschichten. Verlag I. H. W. Dietz. Berlin , 68 S., Preis 1,60 M. Das kleine, schmucke Bändchen macht viel Freude, denn was es enthält, ist mit ganzem Herzen erlebt und mit ganzem Herzen"'' geformt. Baluschek ist als Maler ehrlich und einfach, gefühlvoll, aber doch nicht sentimental oder gar im Leid schwelgerisch, und daß er als Erzähler genau die gleichen Eigenschaften aufweist, bestätigt sein Künstlcrwm und seine Persönlichkeit. Wie er so ohne jede Technik— sie fehlt selbst da, wo sie angebracht wäre!— und ohne jede psychologische Gewolltheit harmlose und gänzlich undramatische Geschichten aus den Kreisen der Aermsten der Armen hinerzählt, just so, wie er seine Bilder von ihnen hinmalt, da gewinnt man ihn lieb. Wenn er dann gar selber mitspielt als guter, großer Junge, dann hat man ihn ganz besonders lieb— vielleicht' auch, weil man das Gefühl hat. wer nach langen Iahren noch so schlicht über seine Jugend schreiben kann, muß er doch ein guter, großer Junge geblieben sein._ E. G
Technik.
Eugen kalkschmidt: Oskar v. Miller, ein Führer der deutschen Technik. Franckhs Technischer Berlog, Dieck u. Co., Stuttgart . 85 S. Preis M. 1,60.
Zie Fertigstellung des Deutschen Museums in München , die in den ersten Maitagen dieses Jahres gefeiert wurde, hat den rührigen Stuttgarter Verlag veranlaßt, Oskar v.Millers zu gedenken, dessen Arbeit wesentlich zur Förderung dieses umfassenden Kulturwertes beigetragen hat. Auf 22 Seiten wird ein Lebensbild dieses Mannes entworsen, dessen Arbeitskraft unbestritten ist und der in der beut- schen Technik«ine große Rolle spielte. Im Anschluß an dies« Lebens- befchreibung werden zahlreiche Abbildungen, die aus Millers Schaffen und vor allem auf den Inhalt des Deutschen Museums Bezug nehmen, geboten. Es wäre nur zu wünschen, daß diese Jllustra- tionen buchtechnisch vollendeter wären. J. zur Reden: Wie spar« ich Kohle? BDI.-ZZerlag, Ber- sin SW 19. 150 S. Preis M. 2,80. Wenn auch der Winter vorübergegangen ist, ohne sich allzusehr bemerkbar zu machen, so ist doch dieses Büchlein, das sich an alle Volkskreise wendet, immer wieder aktuell und lesenswert. Es will nur anregen, über wärmetechnische Fragen, insbesondere auch über die Verwendung der Brennstoffe im Haushalt nachzudenken. Etwas eigenartig sst aber die Beweisführung auf Seite 101, die dem Zehn- ftynd enarbeitsiag ein Loblied singt, weil er eine bessere Ausnutzung der Wärme in den Detricben gegenüber dem„Kurzarbeitstag" von 8 Stunden durch Verminderung der Abkühlungsverluste bringe. Mit dieser Begründung könnte man ebensogut den 24-Stundenarbeitstag fordern. Dies« Beweisführung zeigt, wohin es führt, wenn ma» fchematifch und einseitig rechnet. Wenn es möglich wäre, die durch verbesserte Arbeit und größere Lesstungsfähigkeit des ausgeruhten Menschen erzeugten größeren Gewinne den Abkühlungsverlusten entgegenzusetzen, so würde sich zeigen, daß der Gewinn an Volks- kraft, den der Verfasser hoffentlich auch nicht zu gering oeranschlagen wird, größer ist, als die bessere Wärmeausnutzung. W. M ö b u s.
ür MrankeHw3(che Krankenwäsche muß desinfiziert werden. Krankheitsübertragung durch Kleidung und Wäschestücke ist keine Seltenheit. Persü tötet schon in handwarmer Lauge jeden Krankheitskeiml