Nr. 12
16. November 1927
Blick in die Bücherwelt
Romain Rolland : Mutter und Sohn, Roman. Kurt Wolff - Verlag, München . 574 Seiten. Preis 4 M.
Der dritte Band der Berzauberten Seelen", dem noch ein nierter, abschließender Band folgen soll, behandelt das Schicksal von Annette und Sylvia im Kriege. Rolland bringt hier nicht nur wie in den beiden ersten Bänden rein menschliche Schicksale. Der Roman ist darüber hinaus ein Weltanschauungsroman, ein Roman der Generationen, deren Denten durch die Kriegspsychoje gleich mäßig verwirrt wird. In knappen, prägnanten Umrissen zeichnet Rolland die einzelnen Repräsentanten, zwischen denen der kleine Mart aufwächst, der Träger der neuen Menschheitsidee. Der fterbende Germain Chavannes sagt von sich: Ich gehöre einer geistigen Familie an, für die in der fünftigen Ordnung der Dinge fein Play ist. Eine Geistesart war's ohne Zukunftsillusionen und ohne Illusionen über die Bergangenheit. Alles babe ich begriffen, midts habe ich geglaubt. Ueberwucherndes Verstehen hat die Freude an der Tat in mir erstict." Und dieser edle Erbe Hamlets charakterisiert die neue Generation, die im Strieg groß wurde:„ Sie find nicht von Illusionen beschwert. Es handelt sich nicht mehr um Phrasen. Gewinnen muß man. Jeder für sich"! Und zwischen diefen beiden Generationen stehen zwei Menschen, Mutter und Sohn, die sich zur Klarheit aus dem Nebel patriotischer und parteipolitischer Phrasen emporringen, die allmählich, geläutert durch Beiden, die inneren 3miespälte überwinden und sich nabekommen und miteinander verwachsen. Annette nimmt zuerst den Krieg hin als eine Gelegenheit, gegen die jedes Auflehnen überflüssig und zwedlos ist. Erst später ertennt sie die Sinnlofigkeit und Dummheit des Geschehens. Sie bringt ihr Leben in Gefahr, als sie aus dem Gefangenenlager einen deutschen Maler befreit, um dem fterbenden Germain den Freund zuzuführen. Sie tut es völlig uneigennükig, allein aus einer großen Menschenliebe und Güte heraus, aus einer Güte, die beinahe das Mystische streift. Und diefelbe Güte lebt in ihrem Sohn, dem fleinen Mart, dasselbe Red tsempfinden, derfelbe Drang nach Wahrheit, und Mart zieht om Schluß das Fazit, er, der nach langem Irren zur inneren Einkehr gekommen ist, er, der sechzehnjährig, die Berlogenheit der Phrasen durchschaut hat. Die ganze Gesellschaft, ihre ganze Moral der Rechts- und Religionsbücher muß umgestaltet werden. Luft, mehr Luft! Geben wir dem Guten wie dem Bösen mehr Spielraum!"
Das rein menschliche Geschehen zwischen Mutter und Sohn, thre Wandlung und Einkehr steht vor der dunklen Folie des Krieges, den Rolland mur in seinen Ausstrahlungen auf das Hinter land, auf Paris und auf die Provinz zeigt. Wie ein böses Fieber schüttelt er die Menschen, aber er erwedt nicht den Heroismus, von dem geleitartikelt wird, er wühlt nur die bösen Instinkte auf. Man schämt sich seines Dentens, feiner eigenen Gefühle, man verleugnet, was man gestern anbetete, da man sonst aus dem Rahmen der allgemeinen Berlogenheit fallen würde. An fleiren Beispielen demonstriert Rolland diese Verwandlung der Menschen. Die Bewohner des Hauses der Annette werden zu Symbolen von Paris , von ganz Frankreich , von allen friegführenden Ländern. Und trog allen Schmuzes, froß aller Niedrigkeit und Charakterlosigkeit dieser Menschen findet Rolland den Mut zu einem Dennoch! Der fleine Mart ist der Repräsentant der neuen Generation, die nicht nur rücfichtslos brutal ist, wie der Steptifer Germain meint, die feine Bhrajen tennt, die Illusionen verachtet und trotzdem an den Menschen glaubt.
Der Roman schließt optimistisch. Die dekadente Haltung der Melteren ist aufgegeben, bie Bhrafengläubigkeit, das ideelle Kraftmeiertum der Jüngeren ist gescheitert, die Jüngsten wollen aufs bauende Arbeit leiſten an dem zerstörten Tempel der Menschheit. Diefer dritte Band der Berzauberten Seelen" ist vielleicht das größte, was Rolland bisher geschaffen hat. Felip Sherret.
Fjodor Gladkom: 3ement. Roman, aus dem Russischen über. fragen von Olga Halpern. Berlag für Literatur und Politit. Berlin 1927. 463 G. Preis 7 m.
Den historischen Hintergrund dieses Romans, der jegt im„ Bormärts" erscheint, bildet das bolschewistische Rußland in den Revolu tionsjahren von 1917 bis 1921.
Trogdem der Blid des Autors fich auf das Allgemeine und Typische richtet, sein Intereffe vorwiegend dem Massenschicksal gilt, ist er dennoch zugleich ein Meister scharf umriffener Charafterzeichnung.
Da ist Gljeb, der dem Tod Entsprungene, von den Rotarmisten Burüdgelehrte der Held der Arbeit, der in übermenfchlicher Anstrengung das ftillgelegte 3ementwert wieder in Betrieb feßt, die perstummten Dieselmotoren zum Singen bringt. Berständnisios, Stumm steht er vor dem Zusammenbruch seiner eigenen Ehe: an dem Tage aber, als das Wert zu arbeiten beginnt, da hört er aus dem Heulen metallener Orchestermusit nur noch eine Melodie heraus: das Lieb von der Arbeit und der proletarischen Rultur.
Fast muchtiger noch und menschlich fesselnder ist die Frauen geftalt der Dafcha, feines Cheweibes. Wie hier ein Hausmütterchen alten Stils, bas nur die Sorge für Heim und Kind fannte, durch die grauenhaften Erfahrungen mit Offizieren und Mannschaften der
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it 196 Beilage
des Vorwärts
Interventionstruppen wast, sur Arbeiterführerin reift, fiber alles| reformen, wie er sie sieht, Propaganda macht, dann bleibt doch nichts persönliche Leid, selbst über die Leiche des fleinen Lichterchens übrig als an diese speziellen Ideen die Sonde einer speziellen Kritit Njurka hinwegschreitend das ist eine markante und unübertroffene zu legen. Darüber hinaus aber soll gern anerkannt werden, daß Schilderung des neuen Frauen typus, der aus den Trümmern Schoenaich ein sehr ernſtes und nachdenkliches Buch geschaffen hateiner alten Welt, aus dem Chaos heraufsteigt.
Mit unbeschönigter Offenheit geißelt der Autor den bolschewistischen Bureaukratismus des neuen Rußland, der, starrer und engstirniger als jeder andere, die Früchte der Revolution, des begonnenen Werkes zu vernichten droht.
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Ergreifend wirkt die Schilderung des ungestümen Schaffens willens der Arbeiterschaft. die die Fesseln des Bureaufratismus fprengt menn auch nur als Wunschphantasie des Verfassers eine Apotheose des Kommunismus, die die trasse Wahrheit: Ueberorganisation, Ueberbureaukratismus, Rechtlosigkeit des Arbeiters mildern soll. Dr. Lilli Wagner.
Paul von Schoenaich : Die Peitsche des August Schmidt. Facefreiter- Verlag. Hamburg - Bergedorf 1928.
Während der Verfasser selber sein Werk als eine leider nur zum Teil wahre Geschichte" bezeichnet, die er zwischen Ford und Lenin " gestellt wissen will, wird es an anderer Stelle des Buches als Roman bezeichnet. Ich glaube, man wird hier dem Verfaffer folgen müssen, der von sich aus die Bezeichnung Roman offenbar ablehnt, die in der Tat auch gar nicht zutreffen würde. Denn es ist die Entwicklung nur eines Menschen und seines Werkes ges zeichnet und alle Mit- und Gegenspieler bleiben durchaus episodisch. Paul von Schrenaich, einer der ganz wenigen sympathischen Generäle des Krieges, die aus dem grauenhaften Weltgeschehen gelernt haben, hat sich in das Kleid feines Geschöpfes, des Industriellen August Schmidt, gehüllt, um der Welt zu sagen, was zu sagen er für notwendig hält. Und dieser Auguft Schmidt ist gewiffermaßen ein wiedererfstandener Ernst Abbe . Das ganze Wert steht sogar vollkommen im Zeichen des hochgemuten edlen Jenenser Industriephilanthropen. Wie er, jo läßt Schoenaich auch die Fabriken feines Berliner Industriellen August Schmidt in einer Stiftung aufgehen, deren Zweck auf alle wirtschaftliche Forschungsgebiete ausgedehnt werden soll". An bedeutsamer Stelle läßt er seinen Helden furz vor deffen Tod sagen: Wenn alle Brivatwirtschaftler weitsichtige Leute wären, würde fein Mensch nach Gemeinwirtschaft schreien, denn der private Unternehmungsgeist ist eine Triebfeder, die schwer zu ersetzen sein wird. Da turzsichtige Selbstsucht aber leider wohl nie aussterben wird, müssen wir eben versuchen, eine Kombination zu schaffen von Privatwirtschaft und Kontrolle durch die Allgemeinheit.( Seite 145.)
Walter Trojan.
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Ein Roman aus dem Abenteuerland", dem Lande jenseits des Bolartreises, in dem sich die Blutströme Asiens und Europas treffen und freuzen. Signor, der Sohn eines Lappenmädchens, zufällige Liebesfrucht der Umarmungen eines norwegischen Fischerjungen, wird von dem Batererbe feines Wikingerblutes herausgetrieben aus den engen Grenzen der von Aberglauben und dumpfer Mystik durchsputten Lappenmelt. Durch Gefahr und Tod sucht er feinen Weg, hinter ihm bricht die Hütte der Mutter in der von dem irrfinnigen Signor Wanderprediger Rostamo entzündeten Lohe zusammen foftet von allem Guten der neuen Welt, von fremdem, füblichem Wein wie von den Töchtern der großen Kaufleute, denen der frische Junge föstlich erscheint wie eine in Morgenfrühe gepflückte. unbe rührte Waldfrucht. Aber er ist ihnen nur ein Liebster für die Nacht, feine betennt sich im Tageslicht zu ihm, und als Gry Zahl, die Prinzessin seiner Träume, ihr Herz ihm wiederum und diesmal ganz zuwendet, ist er ihr verloren: Ihr Bater hat ihn, den bravsten feiner Leute, in voreilig böser Laune wegen seiner tapfersten Tat verjagt. Und Signor Salmi, nunmehr in hundert Gefahren erprobt und zum Bewußtsein eigenen Wertes gelommen, läßt den großen Kaufmann und seine Gunst und die Liebe seiner Tochter so unbedenklich fallen, wie er einst die Lappenbluse von sich warf. 3wischen diesem Geschehen, das den Kern des Romans bildet, stehen aber eine Unzahl von Geschichten: der Aufstand der Fischer, die Gerichtsverhandlung und die wunderschöne Liebesgefchichte von Bairio und Saira und eine Unzahl lebendigst gezeichneter Menschen, von dem tapferen und flugen Lensmann bis zu Zachäus Seivag, dem Philosophen und Fischbieb, der die Kunft zu leben, ohne sich zu überanstrengen" so von Grund auf beherrscht. Ein lebendiges Buch, es bringt Kunde vom fernsten Lande, und ein Dichter ist es, R. Ewald. der fie formte.
Neue Bücher.
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( Besprechung der eingegangenen Bücher bleibt vorbehalten.)
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E. Rybitschka. Im gottgegebenen Afghanistan . F. A. Brockhaus, Leipzig . A. Seidel. Der neue Strafgesehentwurf im Lichte der Philosophie und der Praxis. Schulzesche Hofbidbuferei( S. Schwarz), Oldenburg . R. Siew.. Bettlands Bolts- und Staatswirtschaft 1927. Buchdruckerei der A.- G. ,, Riti", Riga .
Lettlands Sozialpolitik. Müllersche Buchdruderci, Riga . Upton Sinclair . Petroleum.( Roman.) Malit- Berlag, Berlin . Singende Galgenvögel. Malit- Berlag, Berlin .
Mich. Soschtschento. Lustige Abenteuer. Merlin- Berlag, Heidelberg . 4. Stern. Der Einfluß der Französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben. J. G. Cotta, Stuttgart . E. H. Stoll. Aufgaben der Bevölkerungspolitik. G. Fischer, Jeno. Sudermann. Die Frau des Steffen Trombolt.( Roman.) 3. G. Sun- Yat- Sen. 30 Jahre chinesische Repolution. Schlieffen- Verlag, Berlin . Cotta, Stuttgart . Clara Biebig. Die goldenen Berge.( Roman.) Deutsche Verlags anstalt , Stuttgart .
Schoenaich- Schmidt läßt hier und auch an andern Stellen feinen Zweifel darüber, daß er mit Margismus bzw. Sozialismus nichts zu tun haben will, wiewohl er den Ernst und die Ehrlichkeit der Sozialisten anerkennt. Das ganze Buch aber ist durchsetzt von politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Ideen, die in der Zeit liegen. Mit allen versucht sich der Verfasser auf dem Umweg über seinen Helden Schmidt auseinanderzusetzen. Es gibt faum etwas, was uns Sozialisten nicht bekannt wäre, und wir freuen uns des eindringlichen Ernstes, mit dem sich der Verfasser an die Probleme heranmacht. Aber als er dann endlich an die Schilderung des Erfolges der von August Schmidt begründeten Stiftung geht, da wird. man doch bedenklich: Die starren großen Parteien" mit ihren Listen mahlen werden scharf fritisiert und ein ganz neues berufsständisches Wahlverfahren empfohlen. Die Stiftung hat sich dann eine eigene Bapierwährung geschaffen( hier finden sich offenbar Antlänge an die Silvio Gesellschen Freigeldtheorien) und sich Steyerautonomie erkämpft. Schließlich sieht der Verfaffer utopisch Baneuropa und den Bölferbund bereits verwirklicht und die Einflüsse der Stiftung auch dabei wirksam. Man macht uns Sozialisten so oft den Vor wurf, daß wir alles burd) die Brille unserer Partei sehen". Nun. wenn ein Verfasser durch sein Wert für Staats- und Wirtschafts
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