Berliner

Volks- Tribüne.

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Social- Politisches Wochenblatt.

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Die Berliner Volks- Tribüne" erscheint jeden Sonnabend früh. Abonnements- Preis für Berlin   monatlich 50 Pfg.( frei ins Haus). Einzelne Nummer 15 Pfg. Durch jede Post- Anstalt des Deutschen Reiches   zu beziehen.( Preis vierteljährlich 1 Mt. 50 Pfg.; eingetragen unter Nr. 837 b des 16. Nachtrages zur Zeitungspreisliste.) Inserate werden die 4 spaltige Petit- Zeile oder deren Raum mit 20 Pfg. berechnet.- Vereins- Anzeigen: 15 Pfg. Arbeitsmarkt: 10 Pfg.- Inseraten- Annahme in der Expedition: Oranien- Straße 23.

Redaktion und Expedition:

S.O.( 26). Oranien- Straße 23.

Ausgabe für Spediteure: " Merkur" Zimmer- Straße 54.

. 9.

Sonnabend, den 1. Oktober 1887.

I. Jahrgang.

Inhalt:

Maschinerie und Großproduktion.

die Volksbildung.

gung.

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Politische Nachrichten. Literarisches.

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lungen.

gung.

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An unsere Leser! Vielseitigen Wünschen entsprechend, wie sie uns sowohl von Berliner   Lesern als auch von außerhalb zugingen, haben wir uns entschlossen, der

Berliner   Volks- Tribüne"

den Charakter eines

Wochenblattes

41 pбt. zu, während sie im vorigen Jahrzehnt über An der Verwirklichung dieses Zustandes haben nicht 100 pCt. betrug. In einer ganzen Reihe von Indu- nur die Arbeiter, sondern auch die klein gewerbe­Zur strien, deren Produkte bedeutend stiegen, fiel die Zahl der treibenden das dringendste Intereffe. Die Kleingewerbe­Arbeiterfrage auf dem Lande. Das fran- Arbeiter absolut. treibenden sind heute freilich noch nicht alle Proletarier, zösische Bauernproletariat. Eine Enquete Was für die Industrie, das gilt auch für die da sie nicht nur über ihre Arbeitskraft, sondern immer über Gefängnißarbeit. Der Kampf gegen Landwirthschaft. Im Jahre 1870 war das Ver- noch über einen kleinen Besitz verfügen. Aber Stück für hältniß der Ackerbau- Bevölkerung zu der städtischen wie Stück dieses Besizes wird ihnen von der industriellen 47 zu 43. Zehn Jahre später umfaßte erstere nur 40 Entwickelung genommen, sie werden Mann für Mann Meine arme Maria. Novelle. Ueber- unter 100 und dabei versah sie nicht nur die größere In- erpropriirt und ihr endliches Schicksal fällt daher zu­lebjel. Eine kulturhistorische Plauderei. dustrie- Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen, sammen mit dem Schicksal der besizlosen Arbeiter. Die Schicksale der Berliner   Buchbinderbewe- sondern der Export stieg außerdem noch gewaltig. Ueber den Auflösungsprozeß des Kleingewerbes geben Der bekannte ökonomische Schriftsteller David A. Wells   unter Umständen die Ausweise des Wiener Magistrates giebt in einem Artikel einer englischen Revüe weitere über die Eingänge der Erwerbssteuer sehr guten Auf­Kleine Mittheillustrationen dieser Art. Er sagt u. A.:,,Die Benutzung schluß. Dieselben beweisen für das Gemeindegebiet Wien  , Arbeiterbewe- des Dampfes in See- und Ueberlandverkehr hat viele daß mit einer geringen Zunahme der Steuereinnahmen Arbeitskräfte entbehrlich gemacht. Im Jahre 1870 waren eine Abnahme der Zahl der Erwerbssteuerpflichtigen in der britischen Dampf- Handelsmarine auf 1000 Tonnen Hand in Hand gehe. Dies war identisch mit einer Ab­noch 47 Arbeitskräfte erforderlich, in 1884 nur noch 28, nahme der Zahl der Gewerbetreibenden bei gleichzeitiger eine Abnahme von 40 Prozent. Die Kosten des Getreide- Zunahme der Produktion. Doch konnte man dies auf transportes von New- York   nach Liverpool haben sich seit die Wirkung der Krisis schieben, mit der jene Erscheinung 1860 um die Hälfte vermindert, auf den amerikanischen zeitlich zusammenfiel. Gegenwärtig liegen aber Daten vor, Eisenbahnen ist der Transportpreis seit 1860 von 2,5 Cts. welche eine solche kleinliche Auffassung nicht mehr zulassen per Tonne und Meile auf 1,05 Cts. in 1885 gesunken. und es als gewiß erscheinen lassen, daß der Zusammen­Die Erfindung der Herstellung von billigem Stahl hat bruch des Gewerbes nicht eine zeitlich vorübergehende Er­die Betriebskosten der Eisenbahnen vermindert. In allen scheinung, sondern im normalen Verlauf unserer wirth­Industrien ist Handarbeit durch Maschinen ersetzt und die schaftlichen Entwickelung begründet ist. Die folgenden An­Herstellungskosten sind verringert worden; in den Baum- gaben beruhen auf dem von den Handels- und Gewerbe­woll- Spinnereien der Vereinigten Staaten   um 32 bis 50 fammern gesammelten Materiale und umfassen den Zeit­Prozent im Verlauf von nur 10 Jahren. Im Jahre raum von 1865 bis 1885. 1840 fertigte der Arbeiter der Spinnereien in Rhode Es ergiebt sich daraus die allgemeine, an Deutlichkeit Island   bei dreizehn- bis vierzehnstündiger Arbeit 9600 Yards nichts zu wünschen übrig lassende Thatsache, daß in dem Sheeting im Jahr, jetzt bringt er es bei zehnstündiger genannten Zeitraum von 20 Jahren in Oberösterreich  , Arbeit auf 30 000. In allen Erwerbszweigen ist die Mähren  , Böhmen   und Steiermark   die Haupthandwerke Zahl der Arbeiter vermindert worden. In der Schuh  - geradezu dezimirt wurden. Mähren  , welches in industrieller und Stiefel- Fabrikation verrichten jezt 600 Mann, was Beziehung in dieser Zeit die größten Fortschritte gemacht Mögen uns darin unsere Leser auch in der alten vor fünfzehn oder zwanzig Jahren 2145 leisteten. Dies hat, steht auch hierin an der Spize; dann folgen der Reihe Weise weiter unterſtüßen. find nur einige Beispiele von vielen. nach Oberösterreich  , Böhmen   und Obersteiermark. Letzteres ,, Die Maschinerie schlägt dem Arbeiter das Brod bildet offenbar deshalb den Schluß des Reigens, weil es aus der Hand" sie entwerthet seine Geschicklichkeit und durch die Gebirge und die Schwierigkeiten der Kommunika­vereitelt ſeine Anstrengungen, sich aus einer gewissen tationen vor der umbrausenden Fluth des Kapitalismus  Lebenslage zu erheben. Sehen wir aber genauer zu, so längee geschüßt blieb. Der höchste Ausfall zeigt sich bei In allen Ländern mit moderner Produktionsweise ist es bloß der Besitz der Maschine in den Händen der den Schuhmachermeistern in Mähren  , die von 4469 im giebt es eine zeitweilig überschüssig gemachte Bevölkerung, Leute, von denen der besiglose Arbeiter Beschäftigung ver- Jahre 1865 auf 3723 im Jahre 1885 zurückgingen, welche vergeblich nach Arbeit sucht. Da bei uns die Ar- langen muß. Welcher Segen für die Massen wäre es während sich die Bevölkerung Mährens um 20 Prozent beitsstatistik ganz im Argen liegt, so sind genauere, offi- gewesen, wenn die 1300 Millionen Pferdekräfte, welche vermehrte. Die selbständigen Unternehmer im Schneider­ziell bestätigte Angaben über die Größe dieser industriellen dem Betrieb der Maschinerie innerhalb eines Jahrzehnts gewerbe in Oberösterreich   schmolzen von 2650 im Jahre Reservearmee leider nicht möglich. Günstiger liegt hier hinzugefügt wurden, wirklich ihnen zu Diensten gestanden 1865 auf 1995 im Jahre 1885 zusammen, die Schneider das Verhältniß in den Vereinigten Staaten  . Das natio- hätten, anstatt daß sieben Achtel davon weniger als im Pilsener Bezirke in Böhmen   von 2051 auf 1501, die nale statistische Arbeitsbureau hat die Zahl der Beschäfti- 20 000 Kapitalisten gehören? Wäre das der Fall, welche Schneider in Obersteiermark   von 591 auf 529. In diesen gungslosen vor zwei Jahren, in einem Durchschnittsjahr, ungeheure Menge von Genußmitteln hätten sie sich beschafft Gewerben bedurfte es nicht einmal der Maschinen, um den auf eine Million geschätzt. Die Berichte des Arbeits- und troßdem ihre Arbeitslast vermindert? Kleinbetrieb zu erdrücken, denn ofienbar waren es hier die So aber ist ihr Einkommen thatsächlich gesunken und fortgeschrittene Arbeitstheilung und die Herrschaft der Kon­bureaus von Pennsylvanien stellen wie wir schon ein­mal erwähnten- fest, daß die Arbeiter durchschnittlich die Verbilligung der Waaren, die als Folge der vermehrten fektion an Stelle der auf das Kundengeschäft gestüßten ein Viertel, ja ein Drittel der Werktage im Jahr ge- Produktion eingetreten und ihnen wenigstens zum Theil Werkstättenarbeit, welche diesen Auflösungsprozeß herbei­zwungen feiern müssen. Die Saison"-Arbeit ist in Ame- zu gute gekommen wäre, ist wieder aufgehoben durch die führteu.

zu erhalten.

Ein Wochenblatt wird seinen Lesern immer viel Gründ­licheres bieten können wie ein tägliches Organ und da es uns in erster Linie auf eine gründliche Behandlung der sozialen Frage ankommt, so gedenken wir in der alten, uns und unseren Lesern liebgewordenen Weise, der Sache der Arbeiter weiter zu dienen.

Die Maschinerie und die Großproduktion.

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rika ausgeprägter als sonst irgendwo in der Welt. Die Thatsache, daß die Ueberschüssigmachung von Arbeitern In Mähren  , wo der Zersetzungsprozeß überhaupt am Bestellungen kommen plößlich, es wird mit dem Aufgebot in der Produktion die Zahl der Unproduktiven im Zwischen- raschesten sich vollzog, waren es folgende zehn Gewerbe, aller Kräfte drauf los gearbeitet, in Kurzem ist der Nach- handel kolossal vermehrt, die bei geringen Umfäßen auf welche in der angegebenen Reihenfolge den größten Rück­frage Genüge geleistet und die Arbeiter werden abgelegt." hohe Preise halten müssen, um nur bestehen zu können. gaug erlitten: die Schuhmacher, Schneider, Bäcker, Schlosser, Was aus ihnen wird, darum kümmert sich kein Mensch. Und was die Arbeitszeit anbelangt, so ist die Verkürzung Hafner, Kürschner, Böttcher, Seiler, Seifensieder, Glaser; Die Ursachen dieser Erscheinung sind hauptsächlich in in jenem Jahrzehnt kaum eine nennenswerthe gewesen, so in Oberösterreich  : Schneider, Schuhmacher, Bäcker, Binder, der geradezu rasenden Schnelligkeit zu suchen, mit welcher daß also auch nach dieser Richtung eine Compensation Delpresser, Hafner, Brauer, Lederer, Kürschner, Seifensieder; die Arbeit sparende Maschinerie eingeführt und verbessert für die Arbeiter nicht heraus kam. im Pilsener Bezirk: Schneider, Schuhmacher, Bäcker Binder,

wird. Die menschliche Arbeitskraft steht in diesem Lande Bei alledem sind die Arbeiter längst nicht mehr die Hafner, Rothgerber, Kürschner, Lebzelter, Seifenfieder, vergleichsweise noch immer etwas hoch im Preise, daher Feinde der Maschinerie, die sie einst waren. Die Anf- Drechsler; dann in Obersteiermark  : die Schneider, Roth­also auch die Anreizung, sie durch mechanische zu ersetzen, geklärtesten unter ihnen begrüßen im Gegentheil jeden gerber, Lebzelter, Schlosser, Brauer, Hafner, Kürschner, eine sehr starke ist. Der Amerikaner experimentirt be- technischen Fortschritt, selbst wenn er für den Augenblick Binder, Weißgerber, Buchbinder. ständig mit Maschinerie, er sucht fortwährend auszutüfteln, ihre Existenz in Frage stellt. Aber sie ertragen das mit Wenn es so das Schicksal des Handwerks ist, prole­wie er den Menschen durch ein Stück Werkzeug ersetzen dem festen Bewußtsein, daß der Tag kommen wird, wo tariſirt zu werden, welch' eine Verkennung aller Verhält­kann, das auf mechanischem Wege in Thätigkeit gesezt die Maschinerie nicht mehr von einzelnen Kapitalisten nisse gehört dazu, wenn die Handwerker troßdem gegen werden kann oder zu seiner Bedienung nur ein Kind monopolifirt und ihnen nicht mehr das Brod aus der die proletarische Politik auftreten? Die heutige Entwicke­nöthig hat, während zuvor ein oder mehrere Männer Hand schlagen wird; daß sie in den Dienst der grsellschaft- lung nimmt mit oder ohne Innungen den Hand­nöthig waren. lich organisirten Industrie gestellt werden wird und dann werkern alles, was sie befizen. Sollten sie da nicht für

In dem Jahrzehnt von 1870 bis 1880 stieg die wirklich dazu dienen wird, wozu sie soll: den Menschen die Bestrebungen eintreten, welche den wirklichen Produ­Anwendung von Motoren in der Industrie von 2 300 Mil- von der Last der Frohnarbeit um den bloßen Lebens- zenten in Zukunft wieder zu Wohlstand und Bildung ver­lionen Pferdekräften auf 3 600 Millionen, eine Zunahme unterhalt zu befreien und ihm die Muse zu gewähren, helfen wollen? von ungefähr 55 Prozent. Die Zahl der Arbeiter aber die ihm gestattet, sich zu belehren und zu genießen, was

nahm trotz der starken Zunahme der Bevölkerung nur um ihm die Erde bieten kann.