Du nicht zweifeln. Fühle, wie lebenswarm wir find. Oh, komm' zu uns! Komm' mit uns!" Näher und näher umschwebten sie sein Haupt, und die kalten Tropfen auf seiner Stim begannen zu schmelzen. Der glänzende Lichtschein drang in seine Augen und blendete ihn, das erfrorene Blut strömte wieder durch seine Adern. Und er sprach: Ja, warum sollte ich hier in diesem entsetzlichen Dunkel sterben? Sie sind warm, sie machen mein gefrorenes Blut aufthauend!" Und er streckte die Arme aus, die Irrlichter zu ergreifen. In demselben Augenblick erschien vor seinen Blicken das Bild der Wahrheit, die er geliebt hatte, und er ließ die Arme sinken. Komm' zu uns!" riefen sie. Aber er vergrub das Antlitz in die Hände. Ihr blendet meine Augen, Ihr wärmt mein Herz, aber Ihr könnt mir nicht geben, was ich wünsche. Ich will hier warten, warten bis ich sterbe. Geht!" Er schlug die Hände vor das Gesicht und wollte nicht länger hören. Als er wieder aufschaute, waren es wieder zwei blinkende Sterne, die in der Ferne verschwanden. Und die lange, lange Nacht dauerte weiter. Jeder, der das Thal des Aberglaubens verläßt, zieht durch jenes dunkle Land; jedoch Einige durchwandern es in wenigen Tagen, Andere verweilen darin Monate, noch Andere gar Jahre und Viele sterben daselbst. Endlich bemerkte der Jäger einen schwachen Licht- schimmer am Horizont dahinspielen; er stand auf, ihm zu folgen, und als er das Licht erreichte, trat er in den vollen Sonnenschein. Vor ihm starrten die allgewaltigen Bergmassen dertrockenen Thatsachen und Wirklich- leiten" gen Himmel. Der klare Sonnenschein spielte über sie dahin, und ihre Gipfel verloren sich in den Wolken. Am Fuße sah man viele Pfade aufwärts führen. Ein Jubelschrei entrang sich der Kehle des Jägers. Er wählte den geradesten Steig und begann emporzuklimmen; Felsen und Spalten erklangen von seinem Liede. Man hatte übertrieben; Alles in Allem genommen war es nicht so hoch und der Weg war nicht so steil! Wenige Tage, wenige Wochen, höchstens wenige Monate, und er hatte den Gipfel erreicht! Nicht nur eine Feder wollte er etwa aufheben; nein, alle die Andere gefunden, wollte er sammeln; er wollte das Netz weben die Wahrheit ein­fangen sie festhalten mit seiner Hand fühlen sie an sein Herz drücken. Er lachte in den heiteren Sonnenschein hinein und sang laut. Der Sieg stand nahe bevor. Jedoch nach kurzer Zeit wurde der Pfad steiler. Er bedurfte all' seines Athems, um emporzuklimmen, und der Gesang erstarb auf seinen Lippen. Rechts und links thürmten sich düster dräuende Felsen, jedem Mooses, der kleinsten Flechte bar, und aus der lavaähnlichen Masse gähnten ihm schauer- liche Klüfte entgegen. Hier und da schimmerten gebleichte Gebeine. Der Pfad war nun auch weniger und immer weniger betreten, endlich ward er zu einer bloßen Spur, die hier und da den Abdruck eines Fußes zeigte, dann hörte er ganz auf. Er sang nicht mehr und bahnte sich seinen eigenen Weg bis er zu einer mächtigen Felswand kam, die sich in ununterbrochener glatter Fläche so weit erstreckte, als das Auge reichte.Ich will eine Treppe an dieser Felsenmauer hinaufbauen, denn wenn sie nur einmal erklimmt ist, so muß ich fast am Ziele sein," sagte er muthig und ging an die Arbeit. Mit dem Webeschiffchen der Fantasie grub er Steine; aber die Hälfte von ihnen erwies sich als ungeeignet für seinen Zweck, und was er während eines halben Monats aufgebaut, rollte in die Tiefe, weil die zu Grunde liegenden Steine schlecht gewählt waren. Allein der Jäger arbeitete weiter und sagte sich nur:Wenn nur erst die Felswand er- klimmt ist, so muß ich fast am Ziele sein. Wenn nur erst dieses Stück Arbeit vollendet ist." Endlich gelangte er aus den Gipfel und schaute um sich. Tief unter ihm lagerten weiße Nebel über dem Thal des Aberglaubens und über ihm thürmten sich Berge über Berge. Vorher hatten sie niedrig geschienen, jetzt waren sie unermeßlich hoch, von dem Fuße bis zur Spitze von Felswänden umringt, die sich in mächtigen Kreisen enger und enger zusammendrängten. Ueber ihnen spielte ewiger Sonnenschein. Er stieß einen wilden Schrei aus. Er bückte sich zur Erde nieder, und als er sich erhob, war sein Antlitz weiß. Im tiefsten Schweigen ging er weiter. Er war nun sehr still geworden. Es füllt dem Thalgeborenen schwer, die dünne Luft jener hohen Regionen zu athmen; jeder Athemzug schmerzte den Jäger, Blut quoll aus seinen Fingerspitzen. Er begann die folgende Felswand zu bearbeiten. Diese schien unendlich hoch, aber er sagte nichts. Der Klang seines Werkzeugs hallte Tag und Nacht über die ehernen Felsen dahin, in die er Stufen grub. Jahre vergingen, und er arbeitete noch immer, aber über ihn thürmte sich noch Felswand über Felswand bis gen Himmel. Ost betete er, daß ein arm� seliges Moos, eine kümmerliche Flechte an der nackte« Felswand sprießen und ihm Gefährte sein möchte, aka das geschah nie. Und die Jahre verflossen: er zählte sie nach deir Stufen, die er in das Gestein gehauen, es waren wenige in einem Jahr, sehr wenige. Er sang nicht mehr, er sprach nicht mehr:ick will das oder jenes thun" er arbeitete nur. Und Nachts, wenn sich die Dämmerung herabsenkte, starrten ihn aus Klüften und Felsspalten selt- same wilde Gesichter an. Halt ein, mit Deinem Werk, einsamer Mann, und sprich mir uns," riefen sie ihm zu. Mein Heil liegt in der Arbeit. Sobald ich sie auch
nur für einen Augenblick unterbräche, würdet Ihr Euch an mich heranschleichen, Euch meiner bemächngen," erwiderte er. Und sie reckten ihre langen Hälse nach ihm. Wirf einen Blick in die Spalte, die zu Deinen Füßen gähnt", sagten sie.Schaue, was dort liegt: ge­bleichtes Gebein! Ein Mann, so Dir an Much   und Kraft nichts nachgab, erklimmte diesen Felsen. Und er schaute empor. Er sah ein, daß es keinen Zweck hatte, länger zu kämpfen: er würde nie die Wahrheit halren, sie nie sehen, nie finden. So legte er sich hier nieder, denn er war sehr müde. Er schlief für immer ein. Er streckte sich zum Schlaf hin. Im Schlaf ist Ruhe. Du bist nie einsam, wenn Du schläfst, weder Hände noch Kops schmerzen Dir." Und der Jäger lachte vor sich hin:Habe ich von meinem Herzen das Theuerste gerissen, bin ich einsam durch das Land der Nacht gewandert, habe ich der Versuchung widerstanden, bin ich geblieben, wo die Stimme meines Gleichen nie vernommen wird, und habe ich dort einsam gearbeitet, nur damit ich mich nieder- lege, und Euch, ihr Harpien, zum Raube falle?" Er lachte stolz auf, und dieStimmen der Ver- zweiflung" flohen davon, denn das Gelächter eines muthigen, starken Herzens wird für sie zum Todesstoß. Jedoch sie krochen abermals hervor und grinzten ihn an. Weißt Du, daß Dein Haar schneeweiß ist?" frugen sie,daß Deine Hände wie die eines Kindes zittern? Siehst Du, daß Dein Schiffchen die Spitze verloren hat? daß es schon gesprungen ist. Wenn Du je noch diese Stufe erklimmen solltest, fügten sie hinzu, so wird es Deine letzte sein. Du ersteigst keine andere mehr." Und er antwortete:Ich weiß es" und arbeitete weiter. Die altersschwachen Hände konnten das Gestein nur schlecht und unregelmäßig behauen, denn die Finger waren steif und kmmm. Die Schönheit und Kraft des Mannes war dahin. Endlich schaute ein altes, verfallenes und runzliches Gesicht über die Felsen. Er sah, wie sich ewige Berge mit Felsenwänden bis zu den weißen Wolken erhoben, aber sein Werk wai? vollbracht. Der alte Jäger faltete die müden Hände und legte sich neben dem Abgrund nieder, wo Arbeit seine Lebens- kraft verzehtt. Endlich war die Schlafenszeit gekommen. Unter ihm zogen dichte weiße Nebelmassen über die Thäler dahin. Einmal theilten sie sich, und durch den Riß schauten die Augen des Sterbenden auf die Gefilde seiner Kindheit hinab. Aus weiter Ferne schien der Schrei seiner eignen wilden Vögel an sein Ohr zu schlagen, und er Hörle den Lärm des Volks, das unter Gesang tanzte. Und er glaubte die Stimmen seiner ehemaligen Kameraden zu unterscheiden; und er sah, wie in weiter Ferne seine alte Heimath im Sonnenlicht erglänzte. Große Thränen sammelten sich in seinen Augen. Ach, wer dort stirbt, stirbt nicht einsam!" rief er aus. Dann ballten sich die Nebelmassen wieder zusammen, und er wendete seine Augen ab. Ich habe gesucht," sprach er,Jahre, lange Jahre habe ich gearbeitet, aber ich habe sie nicht gefunden. Ich habe mir weder Ruh noch Rast gegönnt, ich habe nicht gemurrt, und ich habe sie nicht gesehen, nun ist meine Kraft zu Ende. Wo ich erschöpft und kraftlos nieder- gesunken bin, werden andere, junge, lebensftische Männer stehen. Aus den Stufen, die ich in den Fels gehauen, werden sie emporklimmen; mittels der Treppe, die meine Hände gebaut, werden sie die Höhe ersteigen. Sie werden nie den Namen des Mannes erfahren, dessen Werk das ist. Sie werden über, die ungeschickte Arbeit lachen, und wenn Steine in die Tiefe rollen, so werden sie mir fluchen. Aber trotz alledem werden sie emporsteigen, und zwar mittels meines Werkes, sie werden aufwärtsklimmen und auf meiner Treppe! Sie werden die Wahrheit finden und durch mich! Und unser Keiner lebt ihm selber, unser Keiner stirbt ihm selber." Thränen rollten unter den runzlichen Lidern hervor. Wenn die Wahrheit jetzt in den Wolken über ihm erschienen wäre, er hätte sie nicht mehr sehen können; Todesschatten breiteten sich über seine Augen. Meine Seele hört ihren jubelnden Anmarsch," sagte er,und sie werden die Höhe ersteigen! sie werden sie ersteigen!" Er hob die nmzliche Hand an die Augen. Da fiel, fiel und fiel Etwas langsam von dem weißen Himmel durch die stillen Lüfte. Langsam flatterte es herab und fiel auf die Brust des Sterbenden. Er tastete mit der Hand darnach. Es war eine Feder. Er starb mit der Feder in der Hand.
�erVerein der anhaltischen Arbeitgeber"! f Klopfet an, so wird Euch aufgethan! Jawohl, -aber langsam und zögemd, wenn man nichts bringt; denn nur den Geschenke Tragenden stehen die Thürcn offen. Ein lautes und wiederholtes Pochen ist aber erforderlich, wenn man gar kommt, um zu fordern. Am liebsten ließe man den unbequemen Mahner gar nicht vor, man stellt sich taub, man will nicht hören, was am Thore lärmt. Erst wenn der Lärm so groß wird, daß die großen und kleinen Hunde im Hause und in der Nachbarschaft mit einstimmen, erst wenn die Nachbarn in ihren Zipfelmützen zum Fenster hinaus um Ruhe rufen, damit der ruhige Bürger weiter den Verdauungsschlaf pflegen kann, erf wenn der Polizist, der zu viel zu thun hat, zu lange auf sich warten läßt: dann öffnet sich ein Fenster, eine mürrische Stimme ruft:So machen Sie doch keinen Skandal, ich
werde Sie arretiren lassen, stören Sie die Leute nicht im Schlaf! Ich mache ja schon von selbst auf!" Nun wird es wieder still im Hause, der Hausherr uuschl, ob sich doch nicht noch der schlürfende Schritt des Wächters oder der Tritt der Schaarwache hören läßt, die venRuhestörer" verhaften. Aber leider, es kommt nichts, das Pochen beginnt wieder. So warten Sie doch, ich komme ja schon!" Die Thür öffnet sich um eine Kleinigkeit, eine große Sicherhcits- kette ist vorgelegt, und ein bissiger Haushund steckt schnappend seine geifeririefende Schnauze durch die Spalte. Nun, was wollen Sie, Sie sehen ja, wie sehr ich Ihnen entgegenkomme! Wozu der Lärm! Geld wollen Sie? ich schulde Ihnen hundert Piaster, meinen Sie! Ihre Geduld wäre zu Ende, Sie hätten lang genug geharrt! Ja, lieber Freund, ich bin sehr human und thue gerne, was ich irgend kann, aber das verträgt mein Geldbeutel nicht! Sehen Sie die Konkurrenz! Da wird Morgen das Nachbargrundstück versteigert. Es ist ein schönes Stück Geld dabei zu verdienen, das darf ich mir nicht entgehen lassen, das sehen Sie wohl selbst ein. Da kann ich kein Geld missen. Ich habe so noch viel zu wenig. Wer Schulden bezahlt, zersplittert sein Vermögen. Sie dürfen auch ferner wieder für mich arbeiten und mehr als früher, wenn ich das neue Grundstück noch dazu habe, Sie sehen wohl die Harmonie! Denken Sie an die Ver- mehrung des Nationalwohlstandes, wenn ich immer reicher werde." Ich bin übrigens nicht so! Hier! hier! da nehmen Sie! Sie sehen, ich gebe, was ich kann! Ihre erreichbaren Forderungen sind erfüllt! Und nun, Allah  sei mit Ihnen, sehen Sie, dort an der Ecke blitzt der Spieß eines Kawassen! Seien Sie hübsch ruhig und machen Sie sich keine Ungelegenheit!" Klapp, die Thür fällt zu. Das geschieht natürlich weit hinten in der Türkei  , bei uns kommt so etwas nie vor, denn wir leben im Lande der Gottesftircht und der guten Sitten. Wir treiben praktisches Christenthum, da wird derjenige, welcher an- klopft, nie eingesteckt, wenn er eine gerechte und alte Forderung hat. Das passirte aber unserem Frennde da hinten in der Türkei  ! Als er so wieder allein, anfangs etwas verdutzt von der Rede, auf der Straße stand, und ansah, daß er eine Anweisung auf eine Portion Armensuppe und, statt eines Piasters in Geld, einen blanken Rechenpfennig von Messing in der Hand hatte, da rief er:Halbmond Millionen Schock Tonnerwetter!" und wollte wieder zu pochen be- ginnen. Nun ist in der Türkei   aber Fluchen auf der offenen Straße verboten. Es sei denn einJmann", wie dort die Herren Geistlichen genannt werden, verfluche Jemanden auswendig und inwendig. Der Kawasse ergriff also den Uebelthäter und sprach: Warum fluchst Tu!Der Kerl da will mir nicht bezahlen, was ich zu fordern ein Recht habe!" So gehe zum Kadi!Das ist ja sein Bruder, der wirft mich hinaus!" So gehe zum Effendi, da wird Dir Dein Recht!Das ist ja sein Schwager, der prügelt mich durch!" So rede doch Deine Sache vor dem Pascha!Das ist sein Onkel, der steckt mich ein! Klopfen will ich, anklopfen, bis mir aufgethan wird!" Ja Freund! da muß ich Dich einstecken. Komme mit, Tu bist ein Rebell und willst den Staat und die Gesell- schaft umwerten. Der Kadi verurthcilte ihn, das Ober- Türken-Gericht bestätigte das Unheil, er mußte lange sitzen, weil er zu laut gemahnt hatte. Es kamen aber immer und immer wieder die Klopfer, es wollte gar keine Ruhe mehr geben, nach welche der arme reiche Türke so sehr verlangte. Den Klopfem tharen sich freilich meistens die Thüren der Gefängnisse, aber nicht die Schlösser der Geldbeutel auf, denn diese liebt der Türke über Alles. Er nennt sie Nationalwohlstand, was ja natürlich falsch ist. Aber das sieht ja ein Türke, der ein Barbar ist, nimmer ein. Man sann nach, wie dem Uebel des ewigen Klopfens zu begegnen sei und be- gann allerlei krause und wunderbare Sachen zu machen, die alle insgesammt nur das eine gemeinsame hatten, die Klopfer nicht zufrieden zu stellen, weil diese nicht zu über- zeugen waren, daß Rechenpfennige Piaster seien. Man klopfte immer lauter, man klopft noch und vertraut noch immer dem Wort:» Klopfet an, so wird Euch aufgethan." Obgleich es nun bei uns ganz anders ist, wie in der Türkei  , so giebt es doch auch bei uns eine Menge Klopfer. Man sagt, es wären so Alles in Allem, Männlein und Weiblein, Wühler und Nichtwühler, die Kinder nicht ge- rechnet, erheblich mehr als zwei Millionen, die schon jetzt lhätig stnd, und sie vermehren sich. Das wird unangenehm. Der Fürst Lichtenstein sagte einst im österreichischen Reichs­tage, als man da den Normalsarbeitstag berieth:Es darf die Volkswinhschaft nicht einem Gladiatoren-Kamps- spiele gleichen, dem modeme Heiden vom sicheren Amphi- theater aus zuschauen. Hätten wir selbst das schlechte Herz der Römer, die mit dem Daumen das Zeichen zum Tode der Besiegten geben, aus der Arena tönt uns nicht der gutmüthige Ruf entgegen: Die in den Tod Gehenden grüßen Dich! Im Gegentheil, die Fechter zeigen Lust, die Waffen gegen das Publikum zu kehren." So der konservattve und ulttamontanc Fürst Lichten- fiein. Nun find zwar die Mehrzahl dieser Zuschauer heute noch der Ansicht, es hat wenig Gefahr. Daß den Gladiatoren nicht zu trauen ist, ist ja richtig, aber die Mauern sind hoch und die Kohorten sind nahe und stark. Das ist so die Ansicht der Herren Ackermann und Genossen. Sie glauben daher, wir können das Gedränge auf dem