Wicklung der Großindustrie nimmt dieser Wettbewerb um die Absatzgebiete für die erzeugten Waaren mehr und mehr eine anarchische Form am es wird ein Kampf auf Leben und Tod, der nothwendig mit dein Ruin des weniger kapitalkräftigen Unternehmers endet, nachdem das Mittel, sich durch Reduktion der Löhne konkurrenzfähig zu erhalten, erschöpft ist. In diesem Kampfe giebt es kein anderes Heil für den Letzteren, als Verständigung mit seinem mächtigeren Nebenbuhler. Die erbitterten Gegner werden Verbündete, die sich durch ihr„Kartell" vor dem Ruin bewahren, mit dem sie die zügellose freie Konkurrenz bedroht. Der Entwicklung dieses Zentralisationsprozesfes, der sich gegenwärtig mit erstaunlicher Schnelligkeit in dem privat-kapitalistischen Produktionssystem vollzieht und seiner Bedeutung für die Arbeiterschaft widmet Schönlank in dem neuesten Heft von Braums Archiv*) eine vortreffliche Untersuchung. In Folgendem theilen wir unseren Lesern ihren Inhalt im Auszuge mit. Die Kartelle, sagt Schönlank, sind eine nothwendige Erscheinungsform in dem herrschenden Produktionssystem; es ist damit von vornherein die Möglichkeit gegeben, sie von anderen Erscheinungen zu unterscheiden, die wohl eine entfernte Aehnlichkeit mit ihnen besitzen: nämlich jenen, seit den Zeiten der Römer bekannten, und jetzt unter demNamen Corners in Blüthe stehenden Vereinigungen von Kaufleuten und Spekulanten, die den Preis der Waaren auf dem Markte durch große Aufkäufe oder Verkäufe auf Lieferung oder auch einfache Vereinbarung in ihnen günstiger Weise zu bestimmen. Derartige Mani- pulationen können natürlich vondeneigentlichenKartellen, d. i. den Verbänden von Produzenten gleichfalls in ihren Wirkungskreis gezogen werden— wie es gegenwärtig thatsächlich zuweilen der Fall ist— ohne daß dieses jedoch mit dem Wesen derselben in einem inneren Zusammenhang stände. Die Geschichte der eigentlichen Kartelle(oder Trusts) ist noch außerordenttich jung. Sie reicht, ab- gesehen von einigen unbedeutenden Ausnahmen, kaum über das Jahr 1873 zurück. Die empsindlichen Lehren einer so gewaltigen Geschäftskrisis waren nothwendig, um den Kapitalisten die Augen über die wahre Natur ihres Produktionsprozesses zu öffnen und sie der Einsicht zugänglich zu machen, daß ihr persönliches Interesse sich lediglich als Klasseninteresse durchsetzen könne. Als nach dieser Zeit die Bildung von Kartellen allmählich Fortschritte machte, haben eine Anzahl, dar- über entrüsteter, freisinniger Politiker die Schutzzölle dafür verantwortlich machen wollen, die in derselben Zeit in den Kulturstaaten in Aufnahme kamen. Wenn aber in der Union , in Kanada , in Deutsch - land und anderswo das Einreißen der Schutzzollmauern als radikales Heilmittel gegen die Koalitionen empfohlen wird, so zeigt dieses nur die Enge der kleinbürgerlichen Weltanschauung. Die Jnternationalität des Kapitals ' setzt sich über die Trümmer der Tarife hinweg und schließt die Großproduzenten aller in Frage kommenden Länder zu einer Genoffenschaft zusammen, welche vielleicht furcht- barer sein wird, als irgend ein nationaler Fabrikanten- bund. So weuig die Levellers , als sie die Zäune der Einhegungen niederrissen, den Großgrundbesitz beseitigen und die mittelalterlichen Feldgemeinschaften wiederher- stellen konnten, so wenig wird es den Nichts-als-Frei- Händlern gelingen, durch die Beseitigung der Schutzzölle die Kartelle aus der Welt zu schaffen und die„gute alte Zeit" des Manchesterthums wieder zurückzurufen. Die Ursache liegt vielmehr tiefer. Die Kartelle mußten mit Nothwendigkeit auftreten, sobald der Pro- duktionsprozeß dasjenige Maß von Konzentration erfahren hatte, das seit einiger Zeit in einer Reihe von Betrieben zu finden ist. Der vielgegliederte imposante Mechanismus des modernen Großbetriebes ermöglicht ohne erhebliche Schwierig- keiten seine Verbindung mit anderen gleichartigen Schöpfungen. Hier findet sich ein geschultes Beamten- personal, hier stehen wohlgeübtc Arbeitermassen zur Ver- fügung, deren vielseitige Verwendung der wechselnde Bedarf des Etablissements nothwendig macht. Mit pein- licher Sorgsalt werden die Schwankungen des Weltmarkts verfolgt, Agenten und Reisende vermitteln den lebhaftesten Verkehr mit der ganzen Kulturwelt, die Kenntniß der Zustände in der eigenen Branche ist eine vortreffliche. Die Uebersichtlichkeit des Betriebes und seiner rechnerischen Grundlagen läßt nichts zu wünschen übrig. Von lockeren, schwächlichen, lebensunfähigen Ver- einbarungen, welche, für den Augenblick geschaffen, im Nu vergehen wie Fußtapfen im Flugsande, geht es Schritt vor Schritt weiter zu festeren Konventionen, welche auf einen längeren Zeitraum geschlossen werden und nicht blos augenblicklichen Gewinn, sondern dauernden Nutzen als erstrebenswerthes Ziel im Auge haben. Nach und nach entfaltet sich die junge Organisation; zur Regulirung der Preise tritt die Frage der Produktion. Man straft die Uebererzeugung, man zahlt für Minderproduktivn Prämien. Die Welt wird vertheilt, den verschiedenen Produzenten- gruppen werden die Absatzgebiete bestimmt, wo ihnen allein freie Hand gelassen wird. Je länger die Einrichtung besteht, desto dringender wird das Bedürfniß nach einer einheitlichen Leitung, nach einer Zentralisation, welche durch Kontrollbureaux, durch Ueberwachung des Marktes und des Kartells die Interessen der Verbündeten wahren soll. Die Sicherheit der Aufsicht über die Erfüllung •) Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik. Herausgegeben von Dr. Heinrich Braun . III Bd. 3. u. 4. Heft.
der Vertragspflichten und das Vortheilhafte des Vorgehens von einem den ganzen Industriezweig übersehenden Punkte aus zwingen zu immer festerem Zusammenschluß, zur Erweiterung der Vollmachten des leitenden Komitees. Die Errichtung von allgemeinen Verkaufsstellen, welche an Stelle des einzelnen Fabrikanten den Verkauf der kartellirten Waaren in die Hand nehinen, erweist sich als ersprießlich, die Kompetenzen der Leitung dehnen sich in dem Maße aus, in welchem der Wirkungskreis der Vereinigung wächst. Die Einzelunternehmung, mag sie einem Kapitalisten oder einer Aktiengesellschaft eignen, tritt zurück vor der Gesammtheit der assoziirten Betriebe, sie ist nur ein Rädchen in dem exakten Uhrwerke des Kartells, jede an ihrem Platze, jede aber auch nur an diesem Platze im Stande, richtig zu wirken, jede streng angewiesen, in dem vorgeschriebenen Tempo zu funktioniren. Der einzelne Fabrikant wird ersetzt durch das Kartell, das„nicht bloß die Kapitale, sondern auch die Intelligenzen konzentrirt." Da werden gemeinschaftliche Versuchsstationen angelegt, auf denen neue Erfindungen geprüft und gemacht, bessere Arbeitsmethoden erforscht, die Rohstoffe auf ihre Eigen- schaften untersucht werden. Zentralsammlungen von Modellen und Fachwerken werden eingerichtet, um die Mitglieder in allem, was ihre Branche berührt, auf dem Laufenden zu erhalten u. s. f. Die provinziellen, die nationalen Schranken fallen. Die aufeinander angewiesenen Gewerbe suchen engeren Zusammenschluß, die Erzeugung der Rohstoffe und der aus ihnen hergestellten Fabrikate wird vereinigt, kon- kurrirende Jndustrieen verschiedener Länder errichten zwischenstaatliche Konventionen, welche die wichtigsten Jntereffenfragen regeln, Schutz- und Trutzverträge zwischen den Kartellen verschiedener Wirthschaftsgebiete werden geschlossen, das koalirte Großkapital strickt allmühlig ein Netz, das vielmaschig die Weltwirthschaft zu umspannen beginnt. Unablässig wirkt der gebieterische Zwang, die korpo- rative Thätigkeit zu Potenz iren(erhöhen). Der dem Einzelunternehmer gebliebene Rest von Selbständigkeit muß beseitigt werden, um das Kartell gegen verderbliche Eingriffe widerspenstiger Unternehmer vollends zu sichern. „Die völlige Abhängigkeit des Einzelbetriebes von der Koalition wird proklamirt, er wird umgewandelt in eine Adtheilung der Zentralstelle, er erhält seinen ordre du jour(Tagesbefehl) von dieser allein. Die Aktien sämmt- licher Gesellschaften— denn die Form der Aktiengesell- schaft wird zur Eintrittsbedingung in das Kartell— werden zusammengefaßt, die Profite aller Etablissements in einen Fonds vereinigt, die Konzentration vollendet ihr Werk und führt die Verschmelzung aller Einzel- Unternehmungen zu einem Riesenunternehmen herbei. Die höchste Stufe in dieser Entwickelung nehmen vor- läufig die amerikanischen „Trusts " ein; allen voran der „Standard Qil Trust", der den Petroleummarkt der ganzen Welt monopolffirt hat. Ein Heer von Beamten unter dem Kommando eines Direktoriums leitet den Produktionsprozeß, führt die Verwaltung des Geschäftsvermögens, in welches das des ehemaligen einzelnen Fabrikanten nach Auslöschung jedes individuellen Merkmals aufgegangen ist. Ein Schlag schlägt die tausend Verbindungen der assozirten Wirth- schaft, Eine Kraft treibt das gesammte Räderwerk, Ein Befehl bewegt die ungeheuren Massen der durch rastlose Arbeit erzeugten Werthc. Und der Einzelunternehmer ist der Beamte oder der Pensionär des Kartells. Mit den bisherigen Resultaten können die betheiligten Kapitalisten zufrieden sein. Ueberall wo das Kartell den Markt wirklich beherrschte, sind ihre Dividenden in er- freulicher Weise gestiegen. Man hat sich viel über die preissteigernde Wirkung der Kartelle ereifert. Es würde aber übereilt sein, dieselbe als eine den Arbeitern un- mittelbar feindliche zu betrachten. Für sie sind hohe oder niedrige Preise nur bedeutsam in Rücksicht auf die Bewegung ihres Arbeitseinkommens, und dieses wird wieder durch die wichtigen Faktoren Arbeiterschutz und Koalitionsfreiheit bestimmt. Wird der Aufstieg der Preise begleitet durch einen entsprechenden Aufstieg der Löhne, und ob dies geschieht, dafür ist von entscheidendem Einfluß das Vorhandensein der eben ge- nannten Faktoren, so ist das Auf und Ab der Preise für den Arbeiter gleichgiltig. Für die freihändlerischen Kapitalistengruppen aber ist der Ruf nach Senkung der Preise nur ein anderer Ausdruck für das Verlangen nach Verwohlfeilerung des proletarischen Standard of life (Lebenshaltung), nach Senkung der Löhne. Was schon heute sich vorbereitet, die Entstehung kosmopolitischer(den Weltmarkt beherrschender) Industrie- monoPole, wird nach dem Fall der Schutzzollmauern noch viel rascher und umfassender ins Leben treten. Daß unsere Entwickelung diese Bahnen geht, ist mit Händen zu greifen. Wer einen rascheren Fortschritt derselben wünscht, kann die neue Entfesselung des Freihandels nur willkommen heißen. Wer aber glaubt, daß ein veränderter Zolltarif eine soziale Einrichtung beseitigen werde, die historisch geworden, historisch nothwendig ist, der ver- schließt sein Ohr der eindringlichen Beredtsamkeit der Thatsachen. Durch die Kooperation wird aber die Macht des Kapitals ins Ungemessene vermehrt, und daß es diese Macht gegen die Arbeiter zu gebrauchen versteht, hat die Erfahrung hinlänglich bewiesen. Die Vorgänge bei dem vorjährigen großen Bergarbeiterstreik in den Ruhrkohlen- revieren haben gezeigt, wie man sich unliebsame Elemente der Arbeiterschaft vom Halse schaffen kann; die Cottbuser Großtuchmacher haben eine halbe Million bei der Reichs-
bank deponirt als Garantie für einmüthiges Handeln in Ausstands-Angelegenheiten, der„Hauptverband der Töpfermeister und Ofenfabrikanten Deutschlands", der „Verein deutscher Eisengießereien" und zahlreiche andere haben arbeiterfeindliche Beschlüsse gefaßt. So könnte jemand angesichts dieses Sachverhalts sich etwa so auslassen: „Die Kartellirung der Industrie macht die Lohn- arbeiter zu einem Spielball des assozirten Großkapitals. Diese Organisation, welche eine ganze Industrie um- spannt, verbürgt die unbeschränkte Herrschaft des Kapitals. Der Arbeiter wird zum Leibeigenen herabgedrückt, der blöde gehorchen und alles erdulden muß, der letzte Trumps auf den Hohn des„freien Arbeitsvertrages" wird ausgespielt." Aber handelt es sich denn wirklich nur um den einen Arbeiter? Ist er nicht der Repräsentant einer großen sozialen Gruppe, deren Klassenbewußtsein bereits erwacht ist? Nicht mit Peter und Paul hat das Kartell zu thun, sondern mit den Angehörigen einer Klasse, Seren Bewegung immer mächtiger anwächst. Jeder öko- nomische Fortschritt steigert die Solidarität der Arbeiter- schaft. Der koalirte Besitz kann sein Haupt nicht stolz und stolzer erheben, ohne daß die Energie, das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die Einsicht in ihre gesellschaft- liehe Lage bei den proletarischen Schichten sich potenzirt. Die Kooperation des Kapitals erzeugt die Kooperation der Arbeiter. Es ist ein verhängnißvvller Jrrthum, da nur das Individuum zu sehen, wo ein täglich fester sich ver- schmelzendes Gefüge sich aufgethan hat, Heute, wo doch die Vielheit der gewerblichen Anlagen, die mannigfachen Unter- schiede der Lohn- und Arbeitsverhältnisse die Interessen zer- splittern und das Zusammenwirken erschweren, setzen imposante Streiks die ganze Welt in Staunen. Wenn die Unternehmerverbände gegen die Arbeiter sich wenden, so finden sie bereits jetzt entschiedenen Widerstand. Um wie viel leichter ist ein Streik durchzuführen, wenn die Koalition der Unternehmungen, die Leitung von einer Zentralstelle, die Gleichmäßigkeit der Zustände mit der- selben Sicherheit die Vereinigung der Arbeiter erzwingt, wie die Ordre des Direktoriums die Produktion von so und so viel tausend Tonnen Roheisen oder die Förderung von so und so viel tausend Tonnen Kohlen. Aus der Jsolirtheit zur Verbindung, aus der Zerrissen- heit zur Einheit, das ist die Losung für die Kapitale wie für die durch die Kapitale angewendeten Arbeiter. Daraus ergiebt sich aber eine Grundforderung für jeden Kulturfortschritt: Die Koalitionsfreiheit auf breitester Grundlage muß den Arbeitern verbürgt werden, damit ihr Schicksal in der Wagschale des wirthschaftlichen Systems nicht federleicht durch die erzene Wucht der Kartelle emporgeschnellt werde. Als legale Macht soll das Proletariat sich mit den organisirten Unternehmern über seine Forderungen auseinandersetzen, sei es durch gütliche Uebereinknnft, sei es durch die Waffe des Streiks. Doch diese eine Voraussetzung reicht nicht hin, um bei der Uebermacht des Kapitals die Arbeiter auch nur vor den allergröbsten Vergewaltigungen zu schützen. Das Mindeste, was hinzutreten muß, ist die Erfüllung der zweiten oben namhaft gemachten Bedingung: soll die peinlichste Bedrückung von vornherein verhütet werden, so muß ein Mindestmaß von Arbeiterschutzmaßregeln, wie die soziale Hygiene sie schon längst präzisirt hat, als die Grundlage zum Weiterbauen gesetzlich festgelegt werden. Nur eine körperlich und geistig gesunde Arbeiter- schaft wird den Kampf gegen die Allgewalt des Kapitals erfolgreich aufnehmen können. Also durchgreifende Fabrik- gesetze gegen Kartelle. Das nothwendige Complement(Ergänzung) der fortschreitenden Kartellirung des Jndustrialismus ist also die soziale Gesetzgebung. Sie hat die Fürsorge dafür zu übernehmen, daß die breiten Meissen des Volkes nicht widerstandslos den Gewalten überliefert werden, welche ihren Triumphzug durch die Kulturwelt angetreten haben._ Auf der Stellensuche. Berliner Skizze. n. Klara erwachte. Der mattgraue Schimmer, welcher nüchtern durch die schmutzige Fenstergardine drang und bereits die Umrisse der ärmlichen Zimmerausstattung aus dem nächtlichen Dunkel hervortreten ließ, verkündete den anbrechenden Tag. Dieses kalte, trostlose Morgen- licht ermunterte sie ganz. Mit einem Schlage starrte ihr das Verzweifelte und Hoffnungslose ihrer gegen- wältigen Lage entgegen. Durch die halbgeöffnete Thüre der Nebenstuben tönten die schweren Athemzüge Schla- fender. Wie schwül und dick die Luft der Kammer war, oder war es der Ekel vor dem aufs Neue erwachten Elend, der ihr die Brust beklemmte? Klara stand auf und öffnete das Fenster. Der schmale, lange Vorstadthof lag dunkel, wie ein Riesengrab, nur hoch droben im letzten Stockwerk erhellte der fahle Dümmerschein die finster» Mauern der Miethskaserne. Eine feuchte, übelriechende Luft schlug ihr entgegen. Einige Lichter flimmerten be- reits trübe durch den Dunst. Klara schloß das Fenster, setzte sich auf den Rand des Bettes und verfiel in Nachdenken. Schon acht Wochen waren seit ihrer Entlassung aus der Luxus- Papierfabrik, in der sie fast ein Jahr beschäftigt gewesen war, verflossen, ohne daß sie inzwischen eine neue Ar- beitsgelegenheit gefunden hatte. Wie sollte das enden, nachdem jetzt ihre letzten mühselig abgedarbten Spar-