„Meiner Ansicht nach ist es immer am besten, zuerstden Portier zu rufen", sprach Jemand an einem drittenTisch.— Nachdem man ihn eingeschüchtert, muß man ihmbefehlen, den Weg zu„ihm" zu zeigen. Weiß man erstwo„er" ist, dann ist es nicht mehr schwer, ihn zu fangen— Nur darauf ist zu achten, daß alles mit der enbsprechenden Schneidigkeit gethan werde, damit es einenum so größeren Eindruck mache.":,Die Schneidigkeit ist doch aber ohne einen gewissenLärm nicht denkbar.... Wie— wenn er davonläuft,sobald er den Lärm vernimmt?"„Wohin soll er fliehen? Unter den Tisch, oder unter'sBett kriechen? Nun, dann zieht man ihn schön an denHaaren heraus... an den Haaren, mein Herr!"„Wenn„er" sich aber das Leben nimmt?"„Ha, ha, ha! So einer soll sich das Leben nehmen!Sie scheinen ja, mein Herr, die Leute garnicht zu kennen!Wenn's ein edler Mensch wäre... dann freilich..was hat für einen edlen Menschen das Leben für einenWerth?... Diese Kunden sind doch aber keine edleMenschen!"Mit einem Wort 5 Alle lärmten, Alle ereiferten sich.Nur der Tartare saß ruhig auf seinen Platz und schienausschließlich mit der Verdauung der genossenen Speisenbeschäftigt zu sein. Uebrigens hatte er schon die Kraftwiedererlangt, die Augenlider zu bewegen und den Kopfzu schütteln. Er stand auf. trat an's Fenster, sah aufdie Straße,— den Newski-Prospekt,— hinunter, erblickte einen Hund, von ruppigem Aussehen, der ein Beingehoben hatte und am Trottoir stand, machte das Fensterauf, holte aus der Tasche einen mittelgroßen Stein hervorund warf mit ihm nach dem armen Hunde. Der Hundheulte und lief davon... Um die Lippen des Tartarenspielte ein selbstzufriedenes Lächeln.... Da begriffenwir Alle, welche Rolle diesem Menschen in dem bevor-stehenden Kreuzzuge beschieden war... Alle wurden aufeinen Augenblick mäuschenstill...Ich hörte nur zu und fühlte, wie mir die Galleimmer mehr überlief. Ich weiß nicht, ob der geneigteLeser jenes sonderbare, ausregende Gefühl schon einmalselbst empfunden hat, das mir immer neue Thatkraft zuverleihen pflegt. Zuerst glimmt auf dem Grunde derSeele nur ein Funke, um dann zu einer großen, hellenFlamme zu werden. Es drückt und quält einen aufSchritt und Tritt.Was mich anbetrifft, so hatte ich, wie gesagt, mehrals einmal dieses Gefühl. Die Berathungen, die Erwar-tungen, die Zusammenkünfte mit meinen Kollegen—alles das wirkte auf mich, wie ein geistiges Getränk undfachte meine Leidenschaft an. Je mehr ich mich in diegeführten Gespräche hineinhörte, desto mehr wurdenmeine geistigen Kräfte angespannt, desto mehr fühlte ich,wie sehr ich Haffen konnte.In diesem Gemüihszustande verließ ich das Palkin'scheRestaurant und wollte schon den Weg nach meiner Woh-nung einschlagen, als ich plötzlich einen früheren Schul-kameraden mir entgegengehen sah. Natürlich umarmten wireinander freundschaftlich und küßten einander. Dannkamen Fragen, Antworten, Erinnerungen aus früherenZeiten... Wir hatten Beide viel zu erzählen, dennwir waren früher sehr gute Freunde gewesen, waren dannauseinander gegangen, und hatten lange nichts mehr voneinander gehört. Da sagt er plötzlich zu mir:5*—„Ach, was sind das jetzt für Zeiten, mein Freund!Was für schreckliche Zeiten!"Ich sah ihn groß an, denn mein Instinkt flüstertemir etwas zu, er erhaschte den Blick und begriff allesim Nu.—„D. h. versteh' mich nur gut, ich meine es nichtso... ich meine nicht nicht, daß die Zeiten in demSinne so schrecklich seien...— fuhr er fort und lachtemir sonderbar in's Gesicht.— Glaube ja nicht, daß ichauch... Nein, so war's nicht gemeint... AberAdieu... ich habe heute keine Zeit mehr!"Er entfernte sich und ging immer schneller. Ichblieb wie angewurzelt einige Minuten an derselben Stellestehen und biß lautlos an den Haaren meines Schnurr-barts. Hätte sich in jenem Augenblick ein Abgrund anmeiner Seite ausgethan, ick> hätte mich ganz bestimmthinab gestürzt!...Diese S— s— au!(Fortsetzung folgt.;Der russische Markt.Eine weltwirthschaftliche Umschau.IV(Schtub.)Das asiatische Rußland hat eine sehr dünne Be-völkerung auf sehr vielem an aufähigem Boden; esgleicht dem nordwestlichen Theile von Nord-Amerika.nördlich der Wasserscheide zwischen dem Golf von Mexikound dem Eismeer. Wie in diesem Theile Amerikas dieFlüsse in ein der Schifffahrt wenig zugängliches Eismeermünden, thun sie es in Sibirien, sind also zum Exportder Produkte unbrauchbar. Wie jener Theil Amerika'ssich sozusagen blitzschnell entwickelte, sobald er Eisen-bahnen erhielt, wird sich Sibirien wohl etwas langsamer,aber ganz sicher auch entwickeln. Ich spreche da etwasaus Erfahrung, denn während meiner fünfzehn national-ökonomischen Wander- und Lehrjahre habe ich selbst eineLandwirthschaft ans der zweiten kanadischen Steppe inoffener Prairie angelegt.Da werden nun in Sibirien, wie in den westlichenund nördlichen Staaten Amerikas es geschehen ist,Bauernhöfe an jeder Eisenbahnstation entstehen.,.�Diesewerden sich zu Landstädten entwickeln. Zweigbahnenwerden in die fruchtbare Steppe hineingebaut werdenund dort die Produktion landwirthschaftlicher Erzeugnissehervorrufen. Die Eisenbahnen gehen in Amerika demVerkehr voraus, in Europa folgen sie ihm langsamSofort werden die Stationen amerikanische Getreide-elevatoren erhalten, in deren Nachahmung Rußland undUngarn allen europäischen Staaten vorangegangen sind.Alsdann wird der Moment eintreten, in dem sibirischerWeizen auf unseren Märkten erscheint, wie es ein Mit-glied des preußischen Oekonomiekollegiums voralsnend indessen letzter Sitzung sagte. In den Vereinigten Staatenist die Bevölkerung in jener von uns berücksichtigtenPeriode von 1815 bis jetzt von acht auf dreiundsechzigMillionen, von 1880 bis 90 um zwölf Millionengewachsen. Aehnliches ist in Sibirien auch möglich.Der größere Theil der Einwanderer Sibiriens wirdden russischen Ostprovinzen entnommen werden, ohnediese zu entvölkern. Die sibirischen Ansiedler werdenWaaren gebrauchen und mit Vieh, Korn. Butter, Käsezu zahlen im Stande sein. Hier öffnet sich ein bessererMarkt noch für die europäische Industrie, als es Amerikawar, wenn die europäischen Mächte seine Eröffnung er-zwingen, denn freiwillig läßt uns Rußland nicht hineinmit unseren Waaren. Wird dieser Markt nicht mitGewalt erschlossen, so monopolisirt Rußland den asiatischenWaarenmarkt für die Industrie, welche es um Moskauund in russisch Polen bereits sehr leistungskräftig besitzt.Es braucht dann gar keine Waaren von uns und kannuns mit Lebensmitteln versorgen oder auch daran darbenlassen. Auf letzteren Umstand muß ich eingehen.Im Schlußkapitel des oben zitirten Werkes überRodbertus machte ich im Jahre 1880 darauf aufmerksam,daß Deutschland an Lebensmitteln passiv sei und ineinem möglichen Kriege mit Rußland der Aushungerungausgesetzt sein würde, wenn Frankreich die Zufuhr ausAmerika abschnitte. Es war System des FürstenBismarck, Angriffe, die doch— obschon das sehr gefähr-lich war— zuweilen noch auf besonders grobe Fehlerseiner Verwaltung gemacht wurden und sachlich nichtwiderlegt werden konnten, durch Verdächtigung desCharakters des Anklägers zu beantworten; so überraschteinich denn auch ein durch die deutsche ofsiziöse Presselaufender Aufsatz mit dem sensationellen Titel:„RudolphMeyer-Ephialtes" nicht. Weil ich die Feinde Deutschlandsauf eine Schwäche Deutschlands aufmerksam gemacht, seiich Reichsfeind und Landesverräther. In einem spätererschienenen Werke, auch äm Schlüsse, habe ich mich mitdem mir erwünschter Weise unbekannten Offizivsus soabgefunden, daß die Sache zu Ende war.In diesem Frühling publizirte Herr Friedrich Engels,heute der bedeutendste deutsche Gelehrte auf volkswirth-schastlichem Gebiete und durch seine FreundschaftssteUungneben Dr. Karl Marx auch ein über soziale Verhältnisse,die er seit 1845 studirt, weit besser unterrichteter Mann,als es irgend ein Minister des Aeußeren oder Professorist und sein kann, in einer Londoner Monatsschrift einenAufsatz über russische Politik, in dem unter Anderemauch auf das chronische LebenSmitteldeffzit hingewiesenwird, an dem das ganze außerrussische Europa leidet.Sehr originell ist— von der meinigen aus 1880 abweichend oder doch sie erweiternd, jedenfalls aber geist-reicher als die meine— die Folgerung, welche Engelsaus dieser Thatsache zieht: Er sagt nämlich, daß sieEngland einen ausschlaggebenden Einfluß in dem nächsteneuropäischen Kriege, den er, wie Karl Marx, sich alseinen allgemeinen, nichtlokalisirten und für alle Akonarchienund die kapitalistisch-bürgerliche Gesellschaft fatalen denkt,gebe. England könne alle Lebensmittelzufuhren ausAmerika und Indien und Aegypten vom KontinentEuropa's abhalten, und da Rußland, weil Krieg führend,nicht exportiren könne, so müsse die schrecklichste Hungers-noth in allen jenen Staaten entstehen, denen Englanddie Lebensmittel abschneiden wolle.Ich will nun noch weiter gehen und behaupten, daßich aus Grund persönlicher und sorgfältiger Informationin Washington fürchte, es werde sich vollziehen, wasmir im Jahre 1881 ein Senator, der inzwischen Ministerwar und es wahrscheinlich im nächsten Kabinet wiederwird, sagte:„Die Vereinigten Staaten haben nur einenFeind, England, und nur einen natürlichen Verbündeten,Rußland. Allein der Moment, in dem beide Reicheden Krieg gegen England und seine etwaigen Verbündetenaufnehmen könnten, sei noch ferne und inzwischen müßtendie Vereinigten Staaten sich vorbereiten und zwar aufjenem Gebiet zuerst, auf dem sie nicht durch die Eiser-sucht Englands gehindert werden könnten, dem derinneramerikanischen Kommunikationsmittel, Kanäle undEisenbahnen. Alsdann würden die Vereinigten Staatenihre Industrie durch den entschiedensten Schutzzoll mitder englischen konkurrenzfähig machen. Sie würdenamerikanische Dampferlinien aus allen amerikanischenHaupthäfen nach allen europäischen Haupthäfen kon-zessioniren und so stark staatlich subventioniren, daßeine der existirenden europäischen Privat-Dampserkompagnien mit ihnen konknrriren könnte. Alle dieseamerikanischen Dampfer würden unter Aufsicht vonMarineoffizieren gebaut und kriegsfähig sein. Bis dahinwerde Rußland seine sibirischen Bahnen ausgebaut habenund dadurch bündnißfähig mit?lmerika werden; beideMächte würden die englische Flotte aus dem StillenMeer verdrängen und eine Kommunikation daselbst vonWladiwostok nach San Franziska offen halten."Ein großer Theil� von diesem Programm ist schonvollzogene Thatsache; man steht in Amerika vor demletzten Schritt: Schnelldampfer sollen sechs Dollars proSeemeile Subvention, also 7 bis 8000 Dollars oderdie Selbstkosten der Reise zwischen Europa und Amerika,erhalten— die Vorlage existirt schon. Die anderenProgrammpunkte sind ausgeführt. Rutzland aber hatseine Eisenbahn vom kaspischen Meer 1500 Werst weitbis Samarkand vorgeschoben und befördert Arbeiter, dieauswandern wollen, diese 1500 Werst vom Kaspisee abfür die Einschreibegebühr von 62 Kopeken, iVa MarkPro Kopf.Der Moment, welchen jener amerikanische Staats-mann 1881 voraussah, wird kommen, und dann könnenwir den russischen Markt nicht mehr mit Gewalt öffnen,weil Rußland aus den Vereinigten Staaten Geld undKriegsmaterial beziehen kann, so viel es braucht; Menschenaber wird es dann allein genug haben.Sobald Rußland und die Vereinigten Staaten überdas nördliche Stille Meer sich die Hand reichen, es mitihren Flotten beherrschen werden, beherrschen sie Europa;sowie sie sich verbünden, demselben Lebensmittel nurdann zukommen zu lassen, wenn Europa ihnen gehorchtund solche Preise dafür zahlt, als sie ihm abverlangen,dann können diese beiden Weltreiche einen Ausfuhrzollauf Lebensmittel legen, und wir werden ihn bezahlenmüssen, denn wir können sie nicht entbehren.Diese Auffassung zukünftiger, doch schon in An-bahnung begriffener Zustände dürfte wohl befremden undunseren sogenannten Staatsmännern und auch den Pro-fefforen der Nationalökonomie sonderbar vorkommen.Allein Männer, die wie Herr Engels und ich über dieLage der arbeitenden Klaffen doch nachgewiesenermaßenviel studirt und geforscht haben, mußten schließlich auchauf die Frage, wie in Zukunft sich die Völker ernährensollen und was dann aus der Lage der arbeitendenKlassen wird— kommen, und so sind sich denn hierder älteste der lebenden sozialdemokratischen und derälteste der lebenden sozialkonservativen Journalistenbegegnet.Nun ist es noch nicht soweit. In England hatsich Disraeli niit den Mitteln, Rußland zu bekämpfen,beschäftigt und Schüler von ihm arbeiten daran nochheute. Der bedeutendste seiner Nachfolger ist wohl LordLansdowne, der Generalgouverneur von Kanada war,.als ich mich 1885 dort niederließ. Er betrieb damalsden unendlich kostspieligen und schwierigen Bau derKanada-Pacific-Bahn, durch die der Stille mit demAtlantischen Ozean auf kanadischem Boden verbundenwurden. Die Halbblutindianer machten einen verzweifeltenVersuch, den Bau zu stören. Mit Ruhe, aber Energieschuf Marquis Lansdowne ein Milizheer, das einige1000 Kilometer weit von Quebeck und Ontario in diePrairie am Fuße des Felsengebirges gesandt wurde, dortim Winter bei einer Kälte ankam, in der das Queck-silber friert, und im Sommer nach Besiegung der orts-kundigen, gut schießenden Feinde, bei 24 bis 30" Bzurückkam.Jetzt ist nun nicht nur jene Eisenbahn vollendet,sondern es existiren auch zwei iubventionirte Schnell-dampferlinien von England nach Ostcanada und vonBritish-Columbien nach China. England kann auf diesemseinem Wege Truppen in drei Wochen von Englandnach Ostsibirien senden!Nachdem der kanadische Jndianeraufstand beendetund die Kanada-Pacific-Eisenbahn vollendet war, wurdeMarquis von Lansdowne, der sich unter schwierigenllinständen vortrefflich bewährt hatte— in dem kritischenAmerika ist selbst jetzt noch nur Eine Stimme des Lobesüber ihn— bevor noch seine Amtsdauer in Kanada(fünf Jahre) abgelaufen war, abberufen und zum Vice-könig von Indien befördert.Dort hat er die nördliche und westliche GrenzeIndiens inspizirt und in aller Stille eine Armee-Reorganisation vollzogen. In Indien stehen etwa 60bis 70,000 englische Kerntruppen und 250,000 indischeTruppen, theils direkt unter Kommando englischer Offiziere,tyeils unter dem von Vasallensürsten. Diese indischenSoldaten wurden in ihren Garnisonsdistrikten geworben.Lord Lansdowne fand nun, daß der über 100 jährigeFriede die Bevölkerung eines großen Theiles von Indienumkriegerisch gemacht habe, und ordnete an, daß dieSoldaten nunmehr aus den kriegerischen, oft sogarräuberischen Gebirgsstämmen an der afghanischen undNordgrenze geworben werden sollen. England besitzt inIndien Eisenbahnen bis zum Kyberpaß bei Peschauer undbis Quetta durch den Bolanpaß: es kann durch Afghanistangegen die Russen in Samarkand und durch BeludschistaNgegen sie in Merw operiren und, während es Sibirienan der Ostküste von Kanada aus angreift, kann es einHeer auf die Grenze zwischen Europa und Sibirien ein-schieben. Also:Noch ist Europa nicht verloren! Wenn die Eon-tinentalstaaten ihre kleinen Indianer-Zwistigkeiten auf-geben, und Rußland hindern, Weltmacht und bündniß-fähig mit den Vereinigten Staaten zu werden. Denn indiesem Falle wird Rußlands Nationalreichthum, wennmich nicht ganz so schnell, als jener der Vereinigtentauten, doch noch stärker als Rußlands Bevölkerungwachsen, auch seine Volksbildung wird sich entwickeln-�aeine Armee nimmt schon jetzt nicht soviel Prozent derBevölkerung, ihr Budget nicht soviel Prozent des Ge-sammtbudgets in Anspruch, als bei uns. Es brauchtkeine Waaren einzuführen, es wird deren wahrscheinlichsogar nach anderen Theilen Asiens als seine eigenenBesitzungen ausführen. Es wird viele Lebensmittel zur