Nr. 82
Douiierstag. 9 April 1885.
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ÄtrlintrHoltelilüll. Brgan für die Interessen der Arbeiter.
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Der englisch -rusfische Lonstikt. Der endliche Zusammenstoß von Rossen und Englän- Kern in Asten, den man so lange schon befürchtet hat, ist zwar heute noch nicht zur Thatsache geworden aber steht heute als drohende Eventualität in der nächsten Nähe und wird für absehbare Ze>t kaum zu vermeiden sein. So weit man die Presse alt Ausdruck der öffentlichen Meinung auf- fassen kann, läßt sich erkennen, daß auch die Gemüther schon auf den Ausbruch des kommenden großen Sturmes vorbereitet find. Die Londoner und St. Petersburger Blätter befehden sich in den heftigsten Ausdrücken und man hört die leitenden Organe jenen Ton anschlagen, der gewöhnlich dem Ton d»r Geschütze vorausgeht. Man ver- sichert sich gegenseitig, daß man keinen Grund habe, die begonnenen Rüstungen wieder einzustellen und die Engländer drohen mit einer Blokade de» russischen Seehandel«, worauf ein russisches Blatt, cynisch genug, geantwortet hat, am russischen Handel und an der russischen Industrie wäre nichts mehr zu ruiniren. Ein schöner Trost, der übrigen» ganz den famosen russischen Zuständen entspricht, die ganz natürlicher Weise den Galgenhumor herausfordern. Käme e» auf die einheimischen Kräfte der beiden streitenden Mächte an, so würde der Kampf wohl keine großen Dimensionen annehmen können, denn England hat in Egypten vollauf zu thun und Rußland ist durch innere Zerrüttung an einer größeren Kraftentfaltung ge- hindert. Allein bei einem Zusammenstoße in Asien kommen ganz ander« Faktoren ia'S Spiel; Russen und Engländer «erden dort nur das treibende Element s-in, um die dortigen Völkerschaften gegen einander in Bewegung zu setzen. E» gilt also bei diesem Wettbewerb, möglichst viele Bundesgenossen zu gewinnen. Daß in Indien und den anstoßenden Ländern die englische Herrschaft besonders beliebt sei, wird«an kaum behaupten können. Die ostindische Presse ist auch in den letzten Jahren immer voll gewesen von Beschwerden egen da« RegierungS- und Verwaltungisystem Englands. >!ebn, der brutalen Behandlung Irlands bildet die uner- hörte Bedrückung und Aussaugung Ostindien» seit mehr als einem Jahrhundert das dunkelste Blatt in der Ge- schichte der englischen Kolonialpolitik. Noch sind kaum vreitzig Zahre vergangen seit jenem große» Aufstand der Ostindier unter Tantiah Topi und Rena S a h i b, einem Aufstand, dessen furchtbare Gräuel der Gegenstoß waren auf die unbeschreibliche englische Brutalität. Glaubt man, daß in Indien die von den„frommen" englischen Generalen bei Niederwerfung de» Aufstände» verübten Blutthaten schon vergessen sind? Man wird in Indien auch da» berüchtigte„Wegblasen" noch nicht ver-
SteStrad verboten.!
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(Fortsetzung.) »Und wo« sollte die Tante dabei haben? Nur daß Ihr sie dann und wann einmal besucht? Denn zu un« kommt sie doch selten genug, und sie ist immer so freund- lich und liebevoll gegen Euch..." „Wenn wir dort sind." sagte Flora,„so thut sie weiter nicht», ali daß sie auf die Männer schimpft und kein gutes Haar an irgend einem von ihnen läßt. Wa» sie nur dabei i haben mag?" „Sie hat wohl bittere Erfahrungen in ihrem Leben ge- macht," sagte die Mutter seufzend.„Es giebt nicht lauter f o gute Männer, wie Euer Vater ist." „Aber der Tante Aeußerungen nach," sagte Flora eifrig. „wären e« alle lauter Ungeheuer, die nur ein arme» Mäd« chen linterlistig in den Ehestand verlockten, um ihre Frau dann lanasam zu Tode zu quälen. Papa hat Dich aber nicht zu Tode gequält und der Herr Mäusebrod die Tante auch nicht; er ist todt und sie lebt noch und sieht mir auch überhaupt gar nicht so aus, als ob sie je schlecht behandelt wäre oder sich auch hätte schlecht behandeln lassen." „Flora," rief die Frau Oberstlieutenant in einem halb vorwurfsvollen Tone,„«» ist Deine Tante!"— setzte i"nn"h« ruhiger hinzu:„und ich glaube und hoffe, daß rr vernünftig genug seid, einer alten Frau eine vielleicht»twas überspannte Ansicht nachzusehen. Sie meint es mit Euch jedenfalls gut, und wenn Ihr meinem Rath« «i.£ 1° 9%% die Achtung und Liebe, die Ihr ihr schuldet, me außer Augen. Wie wäre eS, wenn Ihr noch vor Tische einen Spaziergang zu ihr machtet? Da» Wetter rft freundlich, und e» dauert noch wenigstens«ine Stunde, ehe w,r essen." „Ach ja. Jettchen, laß un« gehen I" rief Flora, die eben«reder emen Blick durch das Fenster geworfen und auf's Neue den jungen Herrn mit dem schwarzen Sammet-
gessen haben, da« darin bestand, daß man die gefangenen Jndier vor die Mündungen blind geladener Kanonen band und sie dann, beim Abfeuern bei Schusses, in Atome zer- schmetterte. Tausenden, die so hingerichtet wurden, wollte man dadurch den Glauben an die Möglichkeit eines Fort- lebenS nach dem Tode nehmen, wa» für den gläubigen Hindu die grausamste Strafe ist. Aber diese Erinnerungen sind e« nicht allein, welche die britische Herrschaft in Indien gefährden; da» unsagbare Elend der Masse», zum großen Theil durch das englische AuSsaugungSsystem verschuldet, trägt nicht wenig dazu bei, den Haß gegen England zu schüren. In dem von der Natur so überreich gesegneten Indien müssen bei der geringsten HungerSnoth viele Tau- sende HungerS sterben und Alt-England pflegt de« ziemlich glerchgiltig zuzuschauen, weil ja in Indien da»„Menschen- Material" nicht so leicht ausgeht. So bildet Indien offenbar einen günstige« Angriffs- punkt für russische Wühlereien und es wäre wunderbar, wenn nicht längst dort dafür gesorgt worden wäre, daß bei einem Zusammenstoß der Russen und Engländer ein, Erhebung den ersteren zu Hilfe kommt. Der Kampf würde zweifellos ein gigantischer werden und weite Kreise ziehen. Sein Wellenschlag würde offenbar auch Europa berühren, und die Sache würde sonach sehr ungemüthlich werden für jene Philister, deren Hauptvergnügen darin besteht, an Sonn- und Feiertagen sich darüber zu unterhalten,„wie hinten, weit in der Türkei , die Völker aufeinander schlagen." Man erinnert sich, daß die englischen Blätter gleich nach dem Fall von Chartum Besorgniß für die Erhaltung der englischen Herrschaft in Indien zeigten. Sie fühlen auch, wie hoch der kriegerische Zündstoff angehäuft und wie gespannt die Situation ist. so daß die Erfolge eine» suda- nesischen Abenteurer« im Stande find, den Anstoß zu einem Weltkrieg zu geben. Das kommt von der willkürlichen Ausdehnung großer Reiche und von der gewohnheitSgemäßen Eroberung. Dieser Wettlauf der GebzetSvergrößerung hat die Un- s i ch e r h e i t in den allgemeinen Verhältnissen geradezu auf die Spitze getrieben.
Dolitiseke Mebersickt. Die Jnnungs- und Zunftfreunde haben die Adstcht Ende Mai in Berlin einen„Deutschen JnnungStag" abzuhalten. Sie versprechen sich davon einen großen Erfolg für daS Jnnungsweten; zugleich wollen sie für die Ein- sührung von Handwerkerkammern, sowie für ein Reichs-JnnungSamt auf diesem JnnungStag eintreten. — Dem„vamo. Korresp." wird dazu anscheinend offiziös ge« schrieben:„Bis zu einem gewissen Grade steht ja die Regte-
rock da unten entdeckt hatte.„Die Lust ist gar zu schön, und wir müssen un« ja doch noch etwaS von dem Band holen! ES fehlen noch wenigsten» sechs bis acht Ellen!" „Nun, ich habe nichi» dagegen," erwiderte Henriette, iudem sie sich von ihrem Sitz erhob,„dann ist«» wieder auf einige Tage abgemacht." „Pfui, schäme Dich, Jettchen I" rief die Mutter. „Nun, ein Vergnügen kannst Du es doch nicht nennen, Mama," entgegenete die zärtliche Nichte, indem sie die Ober- lippe ein wenig emporzog;„ich thu« es auch wirklich nur Dir und dem Papa zu Liebe." „Dann dürfen wir aber unsere neuen Hüte nicht auf» setzen, Hetty," sagte Flora, die Schwester noch mit ihrem Kindernamen nennend,„oder die Tante hält un» wieder eine ellenlange Strafpredigt." „Na, da» fehlte mir auch noch, daß ich deshalb gerade mit dem alten Deckel über die Straße ginge I" lautete die Antwort.„Wir müssen doch anständig auSsihen und nicht wie die Vogelscheuchen I" „Die Tante sagt immer," lächelte Flora,"„daß die jungen Mädchen zu ihrer Zeit ganz ander» gewesen wären wie jetzt — ob da» wohl wahr ist, Mama?" „Inwiefern ander», Kind?" „Nun, nicht so putzsüchtig, wie sie e« nennt, und die Moden,«eint sie, wären auch nicht so oerrückt gewesen — aber weißt Du, Hetty, daS Blatt, welches wir neu- lich hatten, in dem die alten Modenbilder standen— wenn ich mir die Tante in einem solchen Aufzug denk«— hahahaha l",,. „Anständig und seinem Stande entsprechend muß man sich immer kleiden," sagte die Mutter mit Würde;„die Tante geht darin jedenfalls ein wenig zu weit, aber sie meint e» doch gewiß gut." � „Da drüben steht der Alte wleder am Fenster," sagte Henriette, die gerade vor dem zwischen den Fenstern befindlichen Spiegel ihre Toilette beendet hatte und den Blick über die Straße warf.„Wahrhaftig. Mama, er hat ein Operngla»— da» ist aber«irklich unausstehlich! Der spionirt ja die ganze Nachbarschaft ab! Jetzt guckt er nach dem Hause da drüben hinüber!"
rung augenblicklich dieser Bewegung nicht unsympathisch gegen» über; das ReichS-JnnungSamt indessen gehl wohl über die Wünsche der Regierung hinaus. Die Vermehiung der Reich»» ämter entsplicht teineswigS den Neigungen der Reichsregierung, und der JnnungStag würde jedenfalls gut daran thun, fich vor seinen Anträgen mit den Neigungen der Reichsregie« rung vertraut zu machen."— Wir haben zu wieder- holten Malen darauf hingewiesen, daß diese Bestiebungen zur Hebung deS Handwerks absolut erfolglos bleiben werden. Selbst wenn alle Wünsche dieser Leute erfüllt, wenn Hand- werkerkammern und Reich»- Jnnungsamt eingeführt würden, wenn Niemand außer den Jnnungemeistern Lehrlinge halten darf, so wird die Lage der Handwerksmeister auch nicht im Geringsten besser werden. Die Zahl der Industriezweige, welche fich noch nicht in Händen des Großkapitals befinden, wird täglich kleiner und stcherlich wird der Moment eintreten, wo auch nicht eine Industrie existirt, welche ausschließlich nur noch handwerksmäßig betrieben wird- Das k rufende Publikum wird aber seinen Bedarf da kaufen, wo er am billigsten und schnellsten zu haben ist; dazu zwingen schon die heutigen Ver» bältniff«. Ob die Sachen vom Jnnungsmcister oder vom Großfabrikanten, der nur jugendliche Arbeiter und keine Lehr» linge oeschäjtigt, angefertigt find, danach frägt ver Käufer nicht, er will billig und gut kaufen oder aber seine Bestellung schleunigst fertig gestellt haben. Mit wenigen Aus- nahmen kann diese Bedingungen nur der Großindustrielle erfüllen, und eS ist daher der Versuch, mit den kleinen g e- setzlichen Vorrechten den Kamrf gegen da« Großkapital aufzunehmen, vollständig nutzlos.— Diese Bewegung wird fteilich von den Reaktionären aller Partrischattirungen lebhaft unterstützt, weil dieselben fühlen, daß ste sich dadurch noch eine Zeit lang Oberwasser verschaffen können. Eine Zeit lang wird eS stcher auch noch gelingen, diese Art de» Handwerkerfange» zu betreiben, denn dte letzteren klammern fich an ihre Forde» rungen, wie der Ertrinkende an den Strohhalm; aber allzu lange kann eS nicht mehr dauern, bis auch dem wüthendsten Zünftler die Erkenntniß wird, daß der game Innung»- und Zunftzopf nichrs weiter als eine taube Nuß ist. -v Ueber eine ostvreußische Arbetter-Kolonie wird der „Franks. Ztg." geschrieben:„Im Februarheft der„Arbeiter. Kolonie, Korrespondenzblatt für die Interessen der deutschen Arbeiter. Kolonien", findet fich eine Schilderung der oft p reu- ßischen Arbeiter- Kalo nie Karlshof. Es wird zunächst berichtet, daß man die Anstalt ausnahmsweise auf gutem Ackerboden errichtet habe, und daß eS Mühe gemacht habe, die Fonds zu erlangen. Dies wird merkwürdiger Weise darauf zurückgeführt, daß„ganz Ottpreußen etwaS von dem an fich habe, was setner Hauptstadt Königsberg den Namen„Stadt der reinen Vernunft" eingetragen hrdc, und wo dies EtwaS zu sehr herrsche, wolle man die Saat nicht gleich daranwenden, wenn dte Erntehoffnung in allzu weiter Ferne liege". Jedoch, waS die Stadt der reinen Vernunft nur lau aufnahm, hat dafür der Provinzialverein für innere Mission„in seinem Schooß sonderli« gefördert", und die Kolonie ist da. Ueber die Arbeit, mit der die Kolonisten beschäftigt werden, wird nun folgendes berichtet: In 7 Werkstätten und auf dem Arbeits-
„Zeigt ihm nur um Gotte« willen nicht, daß Ihr auf ihn achtet I" sagte die Mutter.„Eine kleine Unannehm- lichkeit hat jede Wohnung, und diese ist sonst in jeder Hin- ficht angenehm und passend für uns, daß wir eine so un» bedeutende Nachbarschaft auch wohl ertragen können." „Also Adieu, Mama!" „Adieu, Kinder— kommt mir nur nicht zu spät zum Essen." „Nein, gewiß nicht— aber da ist der Papa schon— guten Tag, Papa I" «Guten Tag. Kinder, guten Tag!" rief der Oberst» lieutenavt, der eben in die Thür trat.„Wohin soll e» denn noch gehen? Ein Spaziergang?" „Wir wollen einen Besuch bei der Tante machen." „Da» ist recht, Kinder, da» ist recht," sagt« der Vater vergnügt und schien Lust zu haben sich die Hände zu reibe», woran er jedoch durch den Helm in der einen und ei« Paket Schriften in der andern Hand verhindert wurde —„aber," setzte er plötzlich hinzu,„Ihr werdet sie wahrscheinlich nicht zu Hause treffen; ich bin ihr vorhin begegnet." „Da» schadet dann nichts, Papa," lachte Flora „sie erfährt doch jedenfalls, daß wir dagewesen sind!" — und die beiden jungen Damen huschten die Treppe hinab. Der Oberstlieutenant war eine sehr kleine und etwa« sehr korpulente Gestalt, die eigentlich gar nicht da« geringste Militärische an sich hatte. An den sehr kurze« Beinen rutschten ihm außerdem auch die Höschen noch immer etwa« zu viel hinauf, und die Sttaßenbrut machte sich sogar nicht selten über ihn lustig. Im aktiven Dienst stand er auch nicht mehr, sondern wurde nur im KriegS-Ministeriu« noch verwandt, wo man seine nicht unbedeutenden Kenntnisse benutzte und außerdem so wenig Staat als möglich mit ihm machte. „Du kommst ja heute recht früh," sagte seine Gattin. ohne einen weiteren Gruß für nöthig zu halten,„wie ist denn da»? Sonst wird ja da» Bureau immer erst um zwölf Uhr geschlossen." „Wir haben heute große» Scheuerfest im Bureau,"