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Nr. 99.

Mittwoch, 29 April 1885.

II. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin   frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Bostabonnement 4 Mt. Einzelne Nr. 5 Pf. Sonntags- Nummer mit illustr. Beilage 10 Pf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1885 unter Nr. 746.)

Redaktion: Beuthstraße 2.-

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auf das

,, Berliner Volksblatt"

mit der wöchentlichen Gratis- Beilage

Illustrirtes Sonntagsblatt"

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Jlluftrirtes Sonntagsblatt"

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Ueber

Staatseinnahmen und Staatsschulden haben wir in Nr. 92 des Berl. Volksblatt" einen Artikel ber Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" reproduzirt, der beweisen wollte, daß die finanziellen Verhältnisse und die baraus resultirenben sozialen Zustände im preußischen Staate im Vergleich zu denen der anderen europäischen   Kultur­flaaten außerordentlich günstige seien.

Dem offiziösen Blatte ist in der That der Beweis so glänzend gelungen, daß wir nur noch von Rußland   an guten finanziellen und glänzenden sozialen Verhältnissen übertroffen werden.

Staatsschulben, wenn sie durch die Zinsen von Jahr Ju Jahr regelmäßig gebedt werden können, find fein großes Unglück für einen Staat, ebensowenig neue Anleihen, wenn fie zu guten Zweden verwandt werden. Steuern, gleich falls zu guten Zweden verwandt, brüden eine Nation ebenfalls nicht. Es fommt im Wesentlichen auf die sozialen Bustände an, in welchem sich eine Nation befindet, woraus bann gefolgert werden kann, ob die einzelnen Glieber der Nation die Steuern leichter oder schwerer aufbringen können, ob eine Nation in größerem oder geringerem Maße von ben Staatsschulden gebrückt wird, als die andere.

Das eine aber steht doch ohne nähere Untersuchung fest, daß ein Engländer im Durchschritt feine Zinsen von 16 m. 70 Pf. für die Staatsschuld viel besser bezahlen fann, als ein Ruffe feine 4 M. 63 Pf. Uebrigens ist es der Nordd. Allg. 8tg." bei dieser Berechnung ebenso er

Badbrud verboten.]

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Feuilleton.

Im Eckfenster.

Roman von Friedrich Gerstäder. ( Fortsetzung.)

Angenehm, sehr angenehm," sagte Herr von Schaller, während er auf der Treppenleiter, in der einen Hand einen Hammer stand; wenn doch gleich ein hei- teres Lüftchen bie Wollen verscheuchen und den Mond herausbringen wollte liebe Rathinka, kommt denn bas ver-, bas liebe Mäbchen noch nicht?"

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Da ist sie schon, Vater."

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Bitte, halten Sie mir hier einmal den Vorhang, mein Herz," sagte Herr von Schaller, indem er an der einen Seite zupfte hier, fehen Sie benn nicht. wo ich es Ihnen zeige, Sie. Sie haben wohl in Ihrer Jugend einmal einen schweren Fall gethan, bitte, lieber Schaß, auf dieser Seite, Sie sehen boch, daß die andere fertig ist, oder haben Sie vielleicht etwas in's Auge bekommen?"

Das Mädchen, mit gerade nicht übermäßigen Fassungs­gaben, hatte endlich begriffen, was sie sollte. Die improvis firte Gardine wurde festgesteckt, und Johanna durfte dann bie Treppenleiter wieder mit hinausnehmen und aus dem

Wege schaffen.

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Insertionsgebühr

beträgt für die 3 gespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin   SW., 3immerstraße 44, sowie von allen Annoncens Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Expedition: Bimmerstraße 44.

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gangen, wie es ben Offiziösen kürzlich bei Berechnung der Ausgaben für das Militär ergangen ist man hat einfach bie Rolonialbevölkerung von Großbritannien   nicht mit aufs gezählt. Würde dies der Fall sein, so tämen auf den Ropf der Bevölkerung in dem großen britischen   Reiche ungefähr 2 Mark Zinsen zur Deckung der Staatsschulden.

Auch bei Frankreich   würde sich die Rechnung beffer gestalten, wenn man die Rolonialbevölkerung mitgezählt hätte.

Doch wollen wir dies gar nicht in Berechnung bringen. Die Hauptfache ist, daß sich die westlichen europäischen großen Rulturnationen in sozialer Hinsicht viel besser stehen, als die östlichen. Der Lohn der arbeitenden Klaffen ist in Frankreich   mindestens um ein Dritttheil höher und in Eng­land fast doppelt so hoch.

Nehmen wir also an, ein Arbeiter verdient in Preußen 600 Mark; der Arbeiter derselben Rategorie verdient aber in Frankreich   800 und in England 1000 Mart. Rechnen wir nun zunächst in Frankreich 100 Mart und in England 200 Mart ab, um welche Summe der Preis der Bedürfnisse höher sein mag, so bleiben für den preu­Bischen Arbeiter 600, für den franzöfifchen 700 und für ben englischen 800 Mt. An direkten und indirekten Steuern berechnet nun die Nordd. Allg. 8tg." im Durchschnitt auf den Kopf in Preußen rund 10 Mart, in Frankreich   51 und in England 41 Mart. Lassen wir diesen Durchschnitt auch für den Arbeiter gelten, so zahlt allerdings der Franzose fünfmal soviel Steuern als der Preuße und darnach steht der Franzose in sozialer Beziehung noch besser, als der Lettere. Man braucht nur abdiren zn können! Zehn Mark von 600 Mart abgezogen, bleiben für den preußischen Ar­beiter 590 M. zur jährlichen Verausgabung, während 51 Mart von 700 abgezogen, dann für den Franzosen immer noch 649 Mart verbleiben. Der Engländer steht sich natür­lich am besten, ihm bleiben 759 Mr.

Vergesse man nicht, daß wir schon die Mehrausgaben, welche die höheren Preise der Bedürfnisse in Frankreich   und England bebingen, von dem Lohne des französischen   und englischen Arbeiters abgezogen haben.

Wir sehen also, daß die Zahlen, welche die Nordd. Allg. 8tg." anführt, wenn man sie nicht auf ihren In­Allg. 8tg." anführt, wenn man sie nicht auf ihren In balt prüft, gar nichts beweisen.

Danach wären ja sonst die Russen die glücklichsten und wohlfituirtesten Leute und Rußland   das bestverwaltete und sozial bestgestellte Land. Rußland   hat auch nur 13 Mart Steuern auf den Kopf und dabei sind die asiatischen Ruffen gar nicht mitgezählt, denn sonst würde in Rußland  bie Steuer auf den Kopf der Bevölkerung noch viel gerin­ger sein, als in Preußen.

Herr von Schaller bedurfte aber nur einer unverhält nißmäßig kurzen Zeit, um seine Toilette zu beenden. Noch ehe die Erstkommenden den Saal betreten fonnten, hatte er schon einen Wirbel an der Thür seiner Gattin ge schlagen und stand jetzt mit lächelndem, freudeftrahlendem Antlig mitten im Saal, um seine Gäfte mit vorgestreckten Händen zu begrüßen.

Hofrath Märzen, eine Kleine unterſeßte Gestalt und immer der Erfte bei allen Festlichkeiten, ließ es auch heute an Pünktlichkeit nicht fehlen, und von Schaller war

glücklich, ihn zu ſehen. Der Hofrath galt viel bei dem regierenden Fürften, er war sogar hoffähig und des­halb natürlich in den Gesellschaften ber haute volée ein stehender Gaft.

Wieber rollte ein Wagen vor, und Frau von Schaller fehlte noch immer. Herr von Schaller, während Rathinta bie Gäfte unterhielt, schoß hinaus, donnerte an das Simmer seiner Frau und sagte zärtlich; Liebes Herz, haft Du Dich vielleicht wieber zu Bett gelegt? Es wird gleich zehn Uhr schlagen, und der Saal ist voll von Menschen fahren wieber zwei Wagen vor."

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eben

" Ich komme gleich," tönte die Stimme faft wie im ich kann nicht zaubern!" tiefen Baß heraus

Nein," bestätigte ihr Gatte, das kann ich Dir be zeugen, mein Herz- und die Augenbrauen finster zu­fammengezogen, schritt er zum Salon zurüd, wo aber fein Antlig augenblicklich wieder den freundlichsten Ausdruc gewann.

Jest mußte Baron von Schaller aber auch an seine eigene Toilette denken. Rathinka hatte recht; es war die höchste Zeit, und wenn er noch länger zögerte, tamen ihm die Gäfte auf den Hals und trafen ihn im Negligé. Er verschwand, und Rathinka veränderte indessen in aller Ruhe manche gemachten Vorbereitungen, traf noch einige An ordnungen, die sie überwachte, ließ die Lichter anzünden, burchsprigte den Saal mit Hilfe eines Lebensweders mit freundlichen Ernst.

Eau de Cologne  

-ihr Vater hatte natürlich die ganze

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Beit die Bigarre nicht aus dem Munde gethan, und war auch wirklich nur eben mit Allem fertig geworden, als schon der erste Wagen vorfuhr und seine rauschende Fracht vor dem Hause entlud.

Solbergs waren eben eingetroffen, und Herr von Schaller konnte ihnen kaum mit Worten angeben, wie sehr er sich freue, fie bei sich zu sehen. Dem jungen Solberg schüttelte freue, fie bei sich zu sehen. Dem jungen Solberg schüttelte er babei besonders fräftig bie Hand, und Rathinka empfing bann an der Mutter Statt, die sie immer noch entschuldigen mußte, die Damen mit ihrem gewöhnlichen ruhigen, aber

So waren schon etwa zwanzig Gäfte eingetroffen, als fich die Thür wieder öffnete und Frau von Schaller im wahren Sinne des Wortes auf die Bühne rauschte. Sie

erschien im höchsten Glange, in einem nagelneuen, firſch

farbenen Seibenkleide mit riesiger Schleppe, bekolletirt selbst

Aber immerhin tommt nach Rußland   zunächst Preußen in Bezug auf geringe Bins- und Steuerzahlung und dann Defterreich. Sollte in der That diese sonderbare Stellung des Staats der Intelligenz" zwischen dem Barbarenftaate und dem Bankerottstaate nicht stußig machen?

Wäre eine Stellung in finanzieller und sozialer Beziehung zwischen England und Frankreich   für den Staat der Intelligenz" nicht paffender, nicht ehrenvoller? Dahin gehört Preußen trotz der öden Zahlenzu fammenstellung der Nordd. Allg. 8tg.", die sich durch die selbe den Dank des Vaterlandes" wahrlich nicht verdienen wird.

Im Uebrigen aber müssen derartige Vergleichungen die Deutschen   anfpornen, eine immer höhere Stellung in sozia­ler Beziehung zu erringen; es genügt wahrlich nicht, den ersten Militärstaat in Europa   au repräfentiren, viel ehren voller und beffer ist es, ein echter und rechter Sozialstaat zu sein.

Politische Uebersicht.

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Daß das Tabaksmonopol fich tros aller Gegnerschaft noch immer der alten Liebe des Reichstanzlers erfreut, ist eine allbekannte Thatsache. Diese Liebe, welche seit der Ablehnung mehr in ein platonisches Verhältnis getreten war, scheint jept wieder in besonderem Maße erwacht zu sein. Nachdem die beutscher Tabatsbauern ihre Spalten geöffnet, regiſtrirt das Nordd. Allg. 8tg." vor Kurzem schon einer Petition süd Ranglerblatt jest wiederum an hervorragender Stelle, daß der Landes ausschuß von Elsaß Lothringen   in seiner Sigung vom 24. April einen Antrag auf Erhöhung des Eingangszolles für ausländische Tabake von 85 Mart auf 170 Mart per 100 Kilo einstimmig angenommen hat. Namens der Landesregierung erklärte der Unterstaats sekretär Dr. von Mayr fich mit dem Antrage durchaus einverstanden. Die Regierung könne fich der Meinung des( im Landesausschuß fißenden) Abg. Born von Bulach: Daß eine derartige Maßnahme vor der Hand, bis zu einer gründlichen Abhilfe für den einheimischen Tabatsbau geschritten werden kann, wünschenswerth fei, nur anschließen und werde nicht unterlassen, im Sinne dieses Antrages ihrerseits thätig zu sein und zu wirken. Unserer Meinung nach hat die Minir arbeit der Nordd. Allg. Btg." nur den 8wed, auf das Monopol schrittweise loszusteuern, denn die Tabalindustrie be findet sich bereits in einer derartigen Lage, daß für fte eine weitere Erhöhung des Tabakszolles gleichbedeutend mit dem gänzlichen Ruin wäre.

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Sur Lotteriefrage schreiben die ,, Hamburg  . Nachrichten": ,, Das Spielen in auswärtigen Lotterien ist im preußischen Ab­geordnetenhause abermals verhandelt worden. Die Kommissions anträge, welche geradezu exorbitante Strafen über die Be theiligten verhängen, wurden in zweiter Berathung angenommen. Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, welchem Siele die preu Bische Regierung damit zusteuert. Wenn auf der einen Seite

verständlich, mit langen Hängeloden und oben darauf einer Garnitur von nachgebildeten Korallen und Schilf, eine Venus, eben dem schäumenden Meer entstiegen. Su bem Allen paßten natürlich das alte Geficht und der magere Rörper nicht recht; aber was schadete bas in einer großen Gesellschaft, der fie noch außerdem als Wirthin vorstand. Und wie huldvoll sie nach allen Seiten hin lächelte und wie glüdlich sie war, so viele liebe Freunde bei sich zu sehen!

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Jest begann das Vorstellen untereinander, bei dem besonders Hans von Solberg am schärfften mitgenommen wurde, denn er kannte noch die wenigsten von den Gästen und hätte sich das Alles auch gern erspart. Was halfen ihm alle die verschiedenen Namen, die da vor seinen Dhren herumfurrten oft verstand er sie gar nicht, und wenn das wirklich der Fall war, vergaß er sie doch in dem felben Augenblick anch wieder. Aber das fonnte trobem nichts helfen, denn der Form mußte genügt werden, und er bulbete schweigend das Unvermeibliche.

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Jest tamen Klingenbruchs der kleine Oberftlieutenant in voller Uniform, und zwar in Gala( aber Gott weiß, wie das mit seinen kurzen Beinen zuging, richtig wieder mit zu furzen Hosen), und freute sich, wie man fah, aufrichtig, als er Hans wieder begrüßte. Dieser aber athmete erft wieder freier auf, als er den Hauptmann von Dürrbed eintreten sah. Da war doch wenigstens ein Freund, mit dem er eine Weile plaubern und sich verstän bigen fonnte, denn auf den mit seiner Braut zu sehr be schäftigten Rauten durfte er natürlich nicht zählen.

Das fortwährende Eintreffen von Spätlingen sowie das Herumreichen von Thee und Gebackenem ließ die Gäste aber noch zu feiner rechten Ruhe kommen. Nur im Saale  bildeten sich einzelne Gruppen, und Schaller arbeitete noch im Schweiße seines Angesichts, um die Vorstellungen zu Ende zu bringen.

Hans ftand mit Dürrbed an dem einen Fenster, als Herr von Schaller mit Hofrath Märzen auf ihn zuge­schoben tam.

Bieber Solberg, erlauben Sie mir, Ihnen hier einen unserer ersten Roryphäen der schönen Künfte vorzu­

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