Beilage zum Berliner Volksblatt.

Br. 305

Aus Oesterreich  .

Staatsverfassung und Nationalitätenfrage in Desterreich.

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II.

Nach dem kurzen Freiheitstaumel des Jahres 1848 folgte eine lange, bange Nacht der Reaktion. Alles geistige Leben war erstidt oder doch für die öffentlichen Fragen unschädlich gemacht, damit nichts den Konservativismus ftören könne, ber nun auf den von dem Kroaten Jellafics und dem Rufsen Bas Tewics errungenen Lorbeeren ruhte. Doch die nationalen Geister waren einmal geweckt und nicht mehr zur Ruhe zu bringen, die Reaktion selbst hatte sich ja ihrer bedienen müssen, um die Sturmfluthen der Revolution einzudämmen, der Tschechen Haß gegen die Deutschen   und der Kroaten und Slovaten natürliches Nationalgefühl, das sich leicht zum Heerbann gegen die Mas gyaren verdichten ließ, hatten ihre Schuldigkeit im Dienste beide Völler konnten nun gehen, gegen die Freiheit gethan wie der Mohr in Schillers Fiesto" und sie gingen auch und unterwarfen fich. Aber in ihrem Innern gährte und lochte es bedenklich. Da brachen die Ballen des morschen Staats gebäudes unter einem von außen geführten wuchtigen Schlage -es waren die Niederlagen auf den italienischen Schlacht felden im Jahre 1859. Nicht ohne tiefere Bedeutung war Dieser Schlag im Namen des Nationalitätenprinzips ge führt worden, vor dem Desterreich ein Anachronismus war. Die Zöpfe in Wien   wackelten gar sehr, aber den Köpfen, auf denen sie sagen, entquoll fein rettender Gedanke, in ihnen herrschte öde Leere, pure Gedankenlosigkeit. Das Oktober diplom, welches eine Konzession an die Forderungen der Völker sein sollte, war ein fades Gemenge von ständischen Ideen, ab­solutistischen Neigungen und Furcht vor dem Volke. Es be­friedigte Niemanden, weder Freiheitsmänner noch Nationale. Der Föderalismus  , der darin steckte, war nur den Feudalen zu Liebe darin und gewährte den Nationalitäten feine Ga­rantie ihrer selbstständigen Entwicklung. Es folgte 1863 das Februarpatent mit zentralistischem Anstrich, aber schon 1865 versuchte man es wieder mit dem Absolutismus. Die nationale Bewegung hatte indessen, beeinflußt durch die von Außen kommenden sympathischen Regungen, tiefere Wurzeln geschla­gen. Die Italiener hatten sich schon zum größten Theile los­gemacht, aber die Aspirationen auf die Loslösung der noch im österreichischen Verbande stehenden Landsleute dauerten unge­mindert fort. Die Magyaren leisteten passive Opposition und schwächten dadurch in bedeutendem Maße die Widerstandskraft des Reiches gegen äußere Ratastrophen und dessen finanzielle Hilfsmittel. Die anderen Nationalitäten sahen gleichgiltig den Schwankungen der inneren Politik und dem sichtbaren Ber­falle des Reiches zu.

Donnerstag, den 31. Dezember 1885.

Regierungen finden konnte. Es rächt sich hier die Unfähigkeit| Der früheren Regierungen, für das von ihnen geleitete Staatens gebilde eine natürliche Bafts zu gründen, und man sieht sich fest gezwungen, ein fünftliches Gebilde mit immer gefünftel­teren Mitteln am Leben zu erhalten.

Reines Beweises bedarf es, daß die Theilung der Herr schaft den Einfluß der Deutschen   auf die Leitung des Reiches noch schwächen ud daß sie nun auf die Erhaltung ihrer Herr schaft in der westlichen Reichshälfte thre Kräfte tonzentriren mußten. Mit dem Ausgleich hand in hand ging die Ent wicklung des Barlamentarismus, die Erftarkung des politischen Sinnes im Volle, das Wachsthum seines Einflusses auf die Leitung der inneren Politit. Alles das tonnte für das Deutsch­thum nur nachtheilig wirken, den nationalen Hader nur be fruchten. Je größere Maffen sich am politischen Leben be thetligten, desto schärfer trat die Minderzahl der Deutschen   her vor; dennoch wäre vielleicht die Gefahr, die dem Einfluß des Deutschthums in Bisleithanien drohte, zu beseitigen gewesen, wenn nicht die Deutschen   ganz falsche Wege eingeschlagen hätten, um ihre Herrschaft zu sichern. Sie stüßten fich auf eine äußerst gefünftelte, mit den lächerlichsten Privilegien ausge­stattete Wahlordnung, um trog ihrer Minorität im Volke im Barlament die Majorität zu haben. Die Folge diefes ge fünftelten Wahlsystems war, daß die Krone und die Regierung einen ausschlaggebenden Einfluß auf das Wahlresultat be hielten, der Scheinparlamentarismus zu einer verfaffungs mäßigen Einrichtung wurde und der Regierung gestattete, im Einvernehmen mit der Krone bei jeder ihr nothwendig scheinenden Wendung das Barlament nach ihren Bedürfnissen umzugestalten. Das Deutschthum tam durch diese engherzige Politit seiner Führer in den Verdacht der Gesinnungs­verwandtschaft mit den Feinden aller Freiheit und es verstärkten fich so die verhängnißvollen Traditionen, die fich auf die Verbindung von Absolutismus   und Germaniftrung

zurückführten.

Die Probe auf dieses Erempel ergab sich schon im Jahre 1871, als der Hof den Versuch machte, mit den Slamen und Kleritalen zu regieren; schon damals erwies fich das so fein ausgeflügelte Wahlsystem als vortheilhafter für die slawen ausgeflügelte Wahlsystem als vortheilhafter für die slawen. freundliche Regierung als für die Deutschen  , denen es nußen follte. Doch jener Leidenstelch ging an den Deutschen   bald vorüber, da sich die Folgen der deutschen   Siege über Frank­ reich   im entgegengesezten Sinne geltend machten. Aber der gegenwärtige Versuch des Grafen Taaffe, als Vertreter der Krone zur Durchführung der äußern Politik derselben, die auf die Ausdehnung der Großmachtstellung Desterreichs auf der Ballanhalbinsel ausgeht, gegen den Willen der Deutschen   zu regieren, zeigt in seinem bisherigen Verlauf auf das Eviden­teste die Möglichkeit, dieselbe Wahlordnung zur Gewinnung einer dem nationalen Intereffe der Deutschen   mindestens in­different gegenüberstehenden Majorität im Parlamente zu be nußen. Heute ist nicht blos die Herrschaft der Deutschen   in Bisleithanien ernstlich gefährdet, es werden schon von Weitem Die Umrisse einer bisher verlachten und verhöhnten Erscheinung

Kommunales.

Das Jahr 1866 mit seinen für Deutschland   und Defters reich epochemachenden Ereignissen brachte eine Wendung, deren Teste Ronfequenzen für Desterreich heute noch nicht abzuseben find, in deren Vorbereitung wir mitten inne stehen. Die Los reißung Defterreichs von Deutschland batte vor Allem die eine unvermeidliche Konsequenz, daß die Bedeutung des Deutschfichtbar: die Gefahr einer Slawiftrung Desterreichs. thums für Defterreich um ein Bedeutendes sank, der Gedanke einer Germanisation fich in eine Utopie verflüchtigte. Heute stehen etwa 12 Millionen Deutsche   27 Millionen Nichideutschen gegenüber, ein Verhältniß, das an fich das stärkste Argument Eine Verschiebung der gegen Germanifirungspläne bildet. nationalen Verhältnisse zu Ungunsten der Deutschen   war also ohne Weiteres mit dem Ausschluffe Desterreichs aus Deutsch  . land gegeben. Diese Konsequenz wurde noch verschärft durch den Ausgleich des Jahres 1867, den Beuft in Unkenntniß der verwidelten und heiteln Verhältnisse Defterreichs mit den Ma Ayaren schloß und der nicht wenig zur Verwirrung der inneren Politik beiträgt.

Seitdem giebt es zwei herrschende Nationalitäten oder genauer gesprochen, sollte es zwei herrschende Nationalitäten geben -in Bisleithanien die Deutschen  , in Transleithanien die Ma. gyaren, welche durch die dualistische Verfaffung in eine Realunion zu einander treten, in der außer der Berson des Monarchen eigent lich nichts mehr gemeinsam ist als die Armee und Marine, die Bölle, die äußere Politik und die dazu gehörigen Budgets. Der Vers band ist so lose, daß er schon nahe an eine bloße Personal union streift, und hat den ungeheuren Mangel, daß er alle zehn Jahre einer Erneuerung bedarf, also geradezu alle zehn Jahre den Staat in Frage stellt. Es gehört zu den Unglaub­lichkeiten, an denen Desterreich so reich ist, daß ein derartiger Staat auf Kündigung die Zustimmung der Parlamente und

Das Ehrendiplom.

Skizze aus der Gegenwart von M. A. v. Markovics.

( Nachdruck verboten.)

Mariette, die niebliche 3ofe der Frau von Sabor, einer unserer rühmlichst bekannten Romanschriftstellerinnen, fizt im Vorzimmer und summt, halb träumend, die süßen Weisen aus Gounods" Faust", den sie gestern in der Oper gehört. Plöglich läutet man schüchtern. Frau von Sabor hat verboten, sie zu stören, denn sie arbeitet an einem neuen Roman und tennt sich. Sie arbeitet schwer, wie Alphons Sie arbeitet schwer, wie Alphons Daubet. Ist die Illusion des Momentes dahin, so ent Schlüpfen die guten Geisterchen, die die Feder der Dichterin gebannt hatte, und sie dann zurück zu rufen, gelingt ihr oft nicht in langen Wochen.

Deshalb beeilt sich Mariette auch nicht, und ihre zier lichen Füßchen bewegen sich nur träge über den Teppich des Vorzimmers. Sie öffnet und erblickt eine Dame in eleganter Schwarzfeidener Straßentoilette vor sich, tief verschleiert, die fich mit der Frage an sie wenbet: Hier wohnt doch Frau Aglaja von Sabor, die so be rühmte Dichterin?" Ganz recht", erwidert Mariette, allein Madame ist und ich habe Be für Niemand

"

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nicht zu sprechen febr .Frau von Sabor wird mit mir eine Ausnahme machen, mein Kind," sagt in überzeugendem Tone die Un­

bekannte.

Das Kammermädchen zaudert. Damenbesuche find ohnebies etwas Seltenes bei ihrer Herrin, die nur Redakteure, Schriftsteller und Rünstler empfängt, und von ihrem eigenen Geschlecht ob ihrer fühnen Feder bewundert, aber wenig geliebt wird. Endlich fragt Mariette, welchen Namen fie anzumelden habe"

Reinen Namen, mein Kind! der Name thut nichts zur Die 3ofe meint, sie bezweifle, daß ihre Herrin eine

Sache!"

Stadtverordneten- Versammlung.

Sizung am Mittwoch, den 30. Dezember. Der Vorsteher, Herr Büchtemann, eröffnet die Sigung um 5% Uhr.

Bunächst wird ein Beileidsschreiben der Stadtverordneten. Versammlung zu Breslau   verlesen, welche dem Vorsitzenden in Veranlaffung des Ablebens des Herrn Dr. Straßmann zuge gangen ist. Die Versammlung beauftragt den Vorfißenden, Sem Breslauer Stadtverordneten Kollegium ihren Dank zu übermitteln.

Darauf wird in die Tagesordnung eingetreten.

Stadtv. Bresche referirt über die Vorlage, betreffend die Ausschmüdung der Aula der höheren Mädchenschule in der Sfflandstraße mit Wandgemälden, und beantragt zu diesem Zwede die Summe von 3000. zu bewilligen.

Da indeffen der Kostenvorschlag auf 3960 M. lautet und Niemand anzugeben vermag, warum die Differenz von 960 M. in der Kommission gestrichen worden ist, wird die Sache zur nochmaligen Berathung an die Kommiffion zurückverwiesen. Die Magistratsvorlagen, betreffend den Verkauf von Bau stellen in der Gräfestraße, der Dieffenbachstraße, der Urban

ihr ganz Unbekannte werde empfangen wollen, die Dame möge nur getroft ihr das Anliegen mittheilen. Dabei warf fie einen argwöhnischen, musternden Blick auf die

Besucherin.

II. Jahrg

straße und Am Plan Ufer, sowie der Antrag auf Erwerbung des Bürgersteigterrains von dem Grundstücke Kastanien­Allee 40 und einer Parzelle des Grundstüdes Keffelstraße 38 werden ohne Debatte angenommen. Daffelbe geschieht mit dem Antrage, betreffend Errichtung eines Springbrunnens auf dem Spittelmarkt, sowie die Vorlage wegen Errichtung einer Waffer hebestation auf dem Tempelhofer   Berge.

Mit Bezug auf die Auswahl der im Etatsjahre 1886/87 neu resp. umzupflasternden Straßen und Pläße wird nach furzer, auf der Journalisten Tribüne schwer verständlicher De batte beschloffen, die Angelegenheit einem Ausschuß von 15 Mit­gliedern zu überweisen.

Es folgt dann eine Diskussion über die vom Magiftrat vorgeschlagene Aufstellung von Kandelabern auf den Geländer postamenten der Marschallsbrücke. Dabei tadelt

Stadto. Singer, daß der Magistrat beschlossen habe, die betreffenden Kandelaber nicht in Berlin  , sondern in Braun­ schweig   anfertigen zu lassen. Redner meint, daß, da die Kosten für die Kandelaber von der steuerzahlenden Bevölkerung Berlins   getragen werden müffen, so seien auch in erster Linie Berliner   Firmen und Berliner   Arbeiter bei der Anfertigung derselben zu berücksichtigen. Es fehle doch wahrhaftig in unserer Stadt nicht an Fabriken, welche sich mit der Herstellung der­artiger Gegenstände beschäftigen, und auch an beschäftigungs­lofen Arbeitern set leider fein Mangel. Redner bemerkt aus drücklich, daß er dieses Verfahren des Magistrats, auswärtige Submittenten vorzuziehen, nicht allein für den vorliegenden Fall rügen müsse; es feien vielmehr die Berliner   Arbeiter auch bei anderen Gelegenheiten oft genug zu Gunsten auswärtiger Unternehmer übergangen worden. Redner beantragt daher, die Vorlage des Magistrats nur unter der Bedingung anzunehmen, daß die Herstellung der Kandelaber durch hiesige Firmen zuge­sichert werde.

Nach einer ziemlich intereffelofen Debatte über den Künst lerischen Werth der aus Braunschweig   zu beziehenden Kande­laber, welche einigen Mitgliedern im Modell vorgelegen haben, wird der Antrag Singer abgelehnt. Dagegen wird die Vor lage des Magistrats mit dem Busage angenommen, daß zu diesem Zwecke die Summe von 12 500 Mart bewilligt wird. Damit ist die Tagesordnung der öffentlichen Sizung erledigt.

Schluß gegen 7 Uhr.

Es folgt eine nicht öffentliche Sigung.

Lokales.

Nehmt Euch ein Erempel d'ran! möchte man unferen hochweifen Stadtvätern zurufen, wenn man lieft, wie die Pari­fer Gemeindeverwaltung ihre finanziellen Intereffen gegenüber der dortigen Gasgesellschaft wahrzunehmen weiß und wenn man damit unsere wahrhaft fläglichen Verhältnisse in Vergleich zieht. Wie aus Paris   berichtet wird, hat der Gemeinderath die Hälfte des Reingewinns, welche von der Pariser Gasgesell schaft an die Stadttaffe abgeführt werden muß, für 1886 auf 12 850 000 Frte. angefeßt. Außerdem zahlt die Gesellschaft für jeden in Paris   verbrauchten Kubikmeter Gas 2 Cts., was wiederum 5 100 000 Fts. ausmacht. Zusammen zahlt also die Gesellschaft 17 950 000 Frts. an die Stadtkaffe, außerdem noch nahezu fünf Millionen an Steuern und Gebühren, lettere hauptsächlich für das Recht, Gasrobre zu legen. Dagegen zahlt die Stadt der Gesellschaft 3 321 800 Fris. für das von ihr be nöthigte Gas, welches die Gesellschaft zum halben Preise ab­laffen muß. Die Stadt hat daher im Ganzen nahe an 17 Millionen Frls. reinen Nugen aus dem Gas. Ein schöner Gewinn, und er wird ohne jede Mühewaltung, ohne Ueber nabme irgend welcher Verantwortlichkeit, ohne das geringste Rifilo eingeheimst. In Berlin   dagegen begnügt man sich mit der lächerlich niedrigen Abfindung von girla 400 000 m. jähr lich und ist dafür noch die Verpflichtung eingegangen, die städtischen Gaspreise auf derselben Höhe zu erhalten, so daß Die englische Gasgesellschaft ihr Gas um 6 pet. billiger verlaufen und der Stadt dadurch die fettesten Biffen der Privatkundschaft wegschnappen kann. Hat sich doch der Herr Kämmerer sogar gegen diefe geringe Entschädigung noch lange gefträubt, mußte fie ihm doch förmlich aufgezwungen werden. So schreibt die Berl. 3ig." Sie lokettitt schon seit längerer Zeit mit der Gasfrage, ohne den Kernpunkt zu treffen oder treffen zu wollen. Sie zeigt ihrem Publikum, welches fte seit gestern merkwürdiger Weise sogar unter den Beamten des Handels­

Sie haben in bringender Angelegenheit mit mir zu sprechen?" sagt die Dichterin.

Der Fremden Blick drückt beim Anblick derselben plöz­lich wahres Entzücken aus.

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Die Dame errieth die Besorgnisse des Kammerkäßchens, ,, Das also ist die Frau, die Alles in solch schwärme­-" beginnt sie, halb traum­fie schlug ben Schleier zurück und ließ dadurch ein Gefichttische Verzückung verfest von faszinirender Schönheit sehen, dem nur die stechenden verloren. schwarzen Augen das Angenehme raubten.

"

Sehen Sie mich an, ob ich nicht wie eine ehrbare Frau aussehe, und ob Sie zu fürchten haben, daß mich etwa eine Bettelei herführt. Ich bitte, Ihrer Herrin einfach zu sagen: eine Fremde, die eine weite Reise gemacht, um fie zu sehen, wünsche in dringender Angelegenheit sie zu sprechen."

Das Mädchen verschwindet zögernd, kehrt jedoch nach wenigen Minuten zurück, öffnet die Thür des Arbeitszimmers und läßt die Fremde eintreten, die das Gemach leer findet und ihre unftäten Augen durch den luxuriös und mit allem Komfort ausgestatteten Raum fliegen läßt.

Einige Sekunden später erscheint unter der braunen Sammetportiere in enganschließendem blauseidenen Hauskleid eine hohe volle Frauengestalt, Frau von Sabor, ihren Gast mit vornehmer Herablaffung musternd.

Die Frembe macht eine tiefe Werbeugung. Madame" Stottert fie.

Die Züge der Musentochter erhellen sich; sie ist eitel, und dieser Weihrauch benebelt ihre Sinne.

,, Darf ich wissen, wer mir die Ehre ihres Besuches schenkt?" fragt sie milder in Ton und Stimme.

Die Fremde schlägt den Blick zu Boden und erwidert: Lassen Sie mich vorläufig noch unbekannt bleiben. Ich spreche ja mit feiner gewöhnlichen Frau, sondern mit einer geistig hochstehenden Meisterin der Feder, sollte sich diese über Alltags- Formalitäten nicht hinwegsehen können und wollen?"

"

Wenn es sein muß!" replizirt Frau von Sabor ge= schmeichelt. Sie läßt sich bequem in die schwellenden Polster ber Chaiselongue nieder, bietet mit graziöser Handbewegung der Dame einen nahestehenden Sessel und bittet, zur Sache zu kommen.

Die Fremde verneigt sich, nimmt Plaz und beginnt mit weicher, wohllautender Stimme:

"

Madame, ich bin die Abgesandte der Frauen eines Provinzstädtchens, die zu einem Verein zusammengetreten Frau von Sabor erwidert das Rompliment mit leichtem find, der alle schönen Rünfte und nur das Gute und Edle Neigen des stolz erhobenen Hauptes.

Madame

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Beide stehen sich jetzt gegenüber und tauschen einen langen prüfenden Blick.

Frau von Sabor ist eine überreiche Schönheit von fünf- bis sechsundvierzig Jahren, mit starrer, eifigkalter Miene, das blaffe, feingeschnittene Geficht voll Ernst und Entschiedenheit, dunkle, forschende, räthselhafte Augen, die wie zwei Fackeln Jebem in bas tiefste Innere zu leuchten brohen, Augen, die noch heut jedem Manne gefährlich werden mußten.

in seiner Mitte pflegt. Es ist natürlich, daß auch Ihre Werke, Madame, Ihre Poeme und Romane bei uns die volle Würdigung und wahre Begeisterung fanden. Sie sind feine lokale Berühmtheit; Ihr Ruhm geht weit über die Grenzen Ihres Vaterlandes hinaus; nicht nur ein inter­effantes Kind Ihrer Zeit, denn Ihre Werke werben Gie überleben! Wohl sind Schönheit und Reichthum für das Weib Thron und Szepter, mit denen sich die Welt um

Vieles bequemer und angenehmer beherrschen, sich leichter unterordnen läßt Ihr anmuthiges Haupt, Madame, schmückt die Krone des Genies!"

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