zeichenb, nm die Sozialdemokratie innerlich wie äußerlich nieder zuwerfen. Herr Bamberger aber bestritt, daß das Verbot von Versammlungen und Schriften gerignet fel, den Volksgeist so zu mäßigen, daß es zu solchen Ausbrüchen nicht Tommen tönne. Eine andere Seite des Optimismus des Herrn Bamberger be fteht darin, daß er meinte, die Beit der Barritaben fet jest vorbei. Das ist in einem gewiffen Grabe richtig. Ich bin nicht so sachverständig wie der Abg. Bamberger  ( große Heiter feit rechts), der die Sache aus seiner Jugend her vielleicht noch in Erinnerung hat.( Sehr gut! rechts.) Wenn die Barriladen ära vorbei ist, so baben wir das der Stärke der Regierungen zu danken. Aber die Bestrebungen selbst find heute noch gerade so vorhanden wie früher. Die Leute wagen nur nicht, damit beroorzutreten, weil sie wiffen, daß fie eine niederschmetternde Energie des Widerstandes finden würden. Wir haben übrigens Den Provinzialbehörden den strengen Befehl gegeben, bei dem leiseften auch einer Unruhe sofort mit den nachdi üclchften Mitteln einzufchreiten.( Beifall.) Die überwiegende Mehrheit der Deutschen Nation fiebt in diesem Gefeße ein wirksames Schuß mittel gegen die Gefahren, welche Herr Bamberger jest offenbar in toloffalem Maße unterschäßt. Ich fann mir nicht helfen, aber ich finde, daß ihm die Motivirung des Rücktritts von feinem früheren Siandpunkte vollfommen mißlungen ist. Was er gejagt, spricht gegen ihn und für die Vorlage, die ich bitte auch in dritter Lesung anjunehmen.( Beifall rechts.)

Abg. v. Kardorff: Herr Bamberger infinuirt uns, daß mir nicht von dem Ernft der Sache überzeugt, sondern aus Wahliüdfichten oder gewiffen oberflächlichen Rüdfichten für die foziale Gesezgebung eingetreten wären.( Widerspruch des Abg. Bamberger.) Die Herten   von der freifinnigen Partei find ja in einer sehr angenehmen Lage. Sie tönnen hintreten und fagen, wir haben gegen dieses freiheitswidrige Gesetz gestimmt, wir find die wahren Freunde des Volts. Dadurch tönnen fte die Stimmen der Sozialdemokraten bei den nächsten Wahlen einheimfen. Dabei bin ich aber der festen Ueberzeugung, daß ein großer Theil von Ihnen sehr frob ift, daß das Sozialisten gefeß angenommen wird.( Lebhafte Buftimmung rechts, Wider pruch links.) Ich glaube ja, das einige von Ihnen von jeber der Ueberzeugung gewesen find, daß das Sozialistengeses nicht gegeben werden dürfte. Aber ein Theil von Ihnen denkt anders, und die frühere Abstimmung giebt das Recht, Ihnen das zu sagen. Daß das Gesetz den sozialistischen   Jdeen Eintrag thut, glaube ich auch nicht, aber es verhindert gewaltsame Ausbrüche. Welchen Einfluß müssen die Worte Bebels auf das Gemüth des schlichten Arbeiters machen. Man muß nicht daran denken, welchen Endrud Ihre Worte hier im Saale machen, sondern im Lande. Nun nehmen Sie( zum Abg. Bebel gewendet) fich in Acht, bei uns von russischen Buständen zu sprechen, sonst fallen die Folgen auf Sie zurüd!( Sehr gut! rechts.) Sie halten fich ja immer den Rudzug offen. Die Pariser Kom mune tönnte ja von agents provocateurs inszenirt sein. Much  das Niederwald Attentat? Auch die Ermordung Rumpffs? Ich bin der festen Ueberzeugung, daß, wenn Sie einmal ans Ruder tämen, Sie mit derselben Brüderlichkeit" die Röpfe wüiden springen laffen, wie die Jalobiner und die Pariser Rummune, Die Herr Bebel so sehr verherrlicht hat. Das, was die Arbeiter in Belgien   verlangen, allgemeines Stimmrecht, allgemeine Wehr pflicht, obligatorischen Schulunterricht und Arbeiterschußg sebe, Das haben unsere deutschen   Arbeiter bereits. Ich dente aller dings mit Herrn Bamberger, das deutsche   Volt hat für die foziale Frage ein höheres Intereffe, als jedes andere, deshalb werden Sie wohl auch erkennen, daß die soziale Frage im In tereffe des Arbeiters nur durch das Königttum gelöst werden lann.( Sehr richtig! rechts.) Folgen Sie lieber Laffalle, der Das soziale Königthum anstrebt, nicht aber die soziale Republik  . ( Widerspruch lints und bei den Sozialdemokraten. Abgeord neter Bebel tuft: Lesen Sie doch seine Briefe an Rodber tus!") Dem von verschiedenen Seiten ausgesprochenen Wunsche gegenüber, nach und nach durch das Gesez vi.lleicht auf den Boden des gemeinen Rechts zu gelangen, felbft auf Roften einer Verschärfung des Vereins- und Versammlungsrechts und einer Beschränkung der Breßfreiheit, erwidere ich: ja, wenn wir hier eine Majorität dafür bekommen tönnen, warum nichi? Aber sie wird nie dafür zu belommen sein, weil sich die Bar teien auch die konservative sagen werden, daß fie felbft darunter leiben würden. Die Schwierigkeit der Lösung liegt eben darin, daß die ganze gegenwärtige wirthschaftliche Nothlage sehr wesentlich mitspricht und diese ist allein verschärft und zu so unleiblicher Höhe getrieben durch die Ent werbung des Silbers.( Gelächter lints; große andauernde Heiterkeit rechts und links.) Ja wohl, Schuld an der Noth. Sie ist doch herbeigeführt durch den ungebeuren Preisdrud. Wenn ich denselben durch Einführung der Silberwährung auf höbe, so wäre es doch erwiesen, daß die Nichteinführung der felben die Hauptschuld an der Misere trägt.( Schallenbes Ge lächter; Rufe links: Wenn! Ja wenn!") Ich weiß febr wohl, daß noch die verschiedensten Faktoren mitwirken, aber weshalb ist denn solche wirthschaftliche Noth seit Jahrhunder ten nicht eingetreten? Well früher Doppelwährung bestand. In der einen Wagschale lag die ganze Summa der anderen Gründe, in der anderen hielt die Doppelwährung, welche die Entwerthung verhinderte, jenen das Gleichgewicht.( beiterkeit.) Jezt haben Sie den Inhalt der zweiten Schale der ersten noch hinzugefügt, mußte da nicht diese ungehörige Wirkung ent ftehen?( Ruf lints: Ausgezeichnete Beweisführung!" Ge lächter.) Sowie die verbündeten Regierungen erklären: Wir find bereit, das Silber wieder auszumünzen," werden Sie die Hebung aller Preise sehen.( Ruf linta: Na! Na!" Ge lächter.) Nach den Reden des Herrn Abg. Bebel wird es wohl nur noch Wenige geben, welche von der Nothwendigkeit des Sozialistengefeßes nicht überzeugt find; ich bedauere, daß die freifinnige Bartei fich nicht hat überzeugen laffen.( Vereinzeltes Bravo rechts.)

Abg. Liebknecht: Der bayerische   Herr Bevollmächtigte zum Bundesrathe hat uns in seiner Nede eine ganz aus­gezeichnete Waffe gegen das Gefes in die hand gegeben, indem er fagte, bie Beftrebungen, deren Wertherrlichung das Hambacher Feft im Jahre 1832 gelten sollte, seien gerade solche gewesen, Die das Sostaliftengeset verbiete. Da fieht man ja ganz flar ausgedrückt, daß sich das letztere gegen jede Oppofition über haupt richtet, denn das Feft galt dem bürgerlichen Liberalismus jener Bett. Der Abg. Frhr. v. Hertling stellte neulich diefelbe Forderung, indem er sich gegen uns, als die atheistische Partet, wandte. Der Atheismus ist dem Freimaurerthum und moder nen Liberalismus entsprungen, somit müßte fich nach seiner Schlußfolgerung das Sozialistengelet auf alle Barteten lints, von uns bis in die Reiben der Nationalliberalen hinein, er. ftreden. Was die Angriffe des Herrn Abg. Kalle gegen uns angeht, so hat er seine Weisheit aus demſelben Buche ge schöpft, wie der Herr Minister v. Putitamer; er ist auf den paftoralen Leim des Paftors Schufter gegangen, der in einem Buche allerhand Säße aus fozialistischen Schriften herausgeriffen, in Gänserüßchen gesezt und mit diesen herumargumentirt hat. Was er dann heraus be weift, giebt er als sozialistische Lehren aus. Bezüglich der Stellung der Frauen bat Bebel nur gefagt: Die Frau soll aleichberechtigt fein." In dem fommunistlichen Manifeft von Karl Mary soll der Saß von der Gemeinschaft der Weiber ausgesprochen sein. Das Gegentheil ist der Fall. Das ist ein solcher herausbewiesener Satz des Paftors Schufter. Im Marr heiß es aber;" Der Bourgeois fiebt in der Frau ein Pro but tonsinftrument, und, da er von der Gemeinschaftlichteit der Produktion hört, so meint er, auch die Weibergemeinschaft solle eingeführt werden; er ahnt nicht, daß es fich gerade darum handelt, die Stellung der Weiber als Produt ion instrument aufzuheben; es versteht sich von selbst, daß mit der Aufbebung der jezigen Produktion auch die aus ihr hervorgehende Weiber gemeinschaft, die offizielle und nicht offizielle verschwindet."

Also gerade das Gegentheil.( Sört! hört! links und bei den Sozialdemokraten.) Die Frauen find in demselben Moment, wo tommunistische Verhäuniffe eintreten, nicht mehr ge nöbigt, fich zu verlaufen, weil fie mit den Männern gleich berechtigt find." Wir sprechen auch gar nicht von Ab schaffung des Privateigenthums, sondern sagen:" Die Diebe, welche den eigentlichen Eigenthümer, der das Eigen thum durch seine Arbeit erwirbt, dem Arbeiter, das ihm Ge hörige nehmen, sollen es herausgeben." Das beißt doch gerade das Eigenthum wiederbei stellen.( Lachen rechts.) Ich soll nun zu den Feinden des Parlamentarismus gehören. Das ist nicht richtig. Sobald der Boltewille im Parlamente voll und ganz zum Ausdruck lommt, bin ich ein überzeugter Anhänger des Barlamentariemus, aber nicht, so lange eine durch Beein fluffungen aller Art gefälschte Vertretung besteht. Mit einer folchen tann ich mir eine friedliche Lösung der sozialen Frage nicht denken. Hätten wir Männer an der Spige, welche die foziale Frage begreifen, dann wäre die Lösung finderleicht; fie ift aber nicht möglich, wenn Sozialisten und Sozialdemokraten mundtodt gemacht werden, wenn wir Staatsmänner an der Spize haben, welde die einfachste Forderung der Sozialdemo tratie nicht verftehen und welche sagen, fte babe lein Brogramm ais den Fürstenmord. Dann hört für mich die Möglichkeit des Glaubens auf, daß bei folchem Unverständniß eine fried. liche Lösung möglich sei. In der zweiten Berathung des Gesezes find uns awet Gründe vorgeführt worden, die als triftige ausgegeben werden lönnen, alles übrige waren hundertmal gehörte Gemeinpläge; diese beiden Momente find die belgische Revolte und eine erst in derselben zweiten Lesung von Bebel ausgesprochene Bemerkung. Als am 8. Februar das erste Wolff'sche Telegramm über die Londoner Unruben bier antam, da meitten wir, daß wir in das Beichen der Verlängerung des Ausnahmegefeßes getreten waren; Englard steht am Vorabend einer großen, verhängnißvollen Revolution!" so verkündete dem nichts abnenden Berliner  Bürger Woff's telegrapbisches Bureau. Ich schrieb sofort nach London  , erhalte die Londoner   Beitungen, finde aber feine Spur von Aufregung darin. In einem Meeting, welches die eng lischen Schußzöllner, die fich verschämt die Anhänger des fair trade nennen, veranstaltet hatten, waren von einigen Sozial Demokraten Reben gebalten, und darnach war ein Mob, der sehr viel weniger Beziehungen zu den Eozialdemokraten als zu den Veranstaltern des Meetings hatte, zu den bekannten Ausschreitungen übergegangen.( Swischenrufe rechts.) Herr Hyndman   hat dasjenige gethan, was man man von ge wiffer Seite auch uns gar zu gern thun fähe; er hat eingeftandenermaßen Don den Tortes, den englischen Konservativen Geld genommen. Da sehen Sie, weß, Geiftes Kind dieser Aufstand gewesen ist. Wenn nun auch noch in einigen beutschen Blättern, wie dem Leipziger Tageblatt  ", flott weiter gelogen wurde, so schlief doch die Sache allmälig ein. Da tam das erste Telegramm aus Belgien  : Im An­schluß an eine Feier des Kommuneaufstandes u. 1. m." it der Kommune hat der Aufstand ebenso wenig wie etwa Herr v. Buttkamer mit dem Aufstand zu thun; der belgische Arbeiter Irawall ist völlig losgelöft gewesen von jeder politischen De monftration, wie Herr Bamberger vorhin ausführlich dargelegt hat, er war völlig spontan. In der ganzen offiziösen Breffe bis herunter zu der nationalliberalen aber hieß es: In London  haben wir vor einem Monat diese Unruhen gehabt, jest in Belgien  , wie lange wird es dauern, dann schlägt das Feuer des Auffiandes auch nach Deutschland   berüber; ach, wie gut ift es doch, daß wir das Sozialistengeset haben! Als wir das hörten, tannten wir die Rede, die uns Herr v. Buttkamer ge halten hat, schon auswendig. Belgien   ist in doppelter Be aiebung ein Musterland, es ist das Musterland des Kleritalismus und der Bourgeoifte, des reinen Manchester  tbums. Mas Diese Beiden in Bezug auf die Ausbeutung und Der Verdummung Maffen haben

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leiften fönnen, ist in Belgien   zu Tage getreten. Es ist ein Glück für Herrn v. Buttlomer, daß er seine Abstimmung bereits in der Tasche hat; hätte man mit der zweiten Lesung noch drei Tage gewartet, so würde der rothe Popanz aus Belgien   seinen Einbrud auf den Reichstag   verfehlt haben. 10 aller Berichte find ja gelogen; und das zehnte Behntel ift eniftellt. It wird auf der ganzen Linie widerrufen. Sie werden doch einen Minister Shrer eigenen Bariei nicht des avouriten wollen, der in Charleroi   die Uebertreibungen der Journale zurückgewiesen hat. Die Bustände, wie fie in Belgien  und Nordfrankreich berischen, müssen natürlich zu Ausbrüchen der menschlichen Bestialität führen. Die Schilderung, die Bola im Germinal" entwirft, ist nichts als ein getreues Abbild der faltischen Bustände. Gerade in Belgien   müßte die Entmenschung und Berthierung der Arbeiterbevölkerung zu solchen Rrawallen führen. Wo sozialistische Organisation besteht, find leine Stretts, find teine Revolten vorgekommen, das wird jept von allen Zeitun gen zugestanden. Weshalb soll nicht in die aufftändischen Diftritie irgend ein beliebiger Shring- Mahlow fich begeben haben, um mitzuarbeiten.( Unrube rechts.) Damit will ich feineswegs die Regierung angreifen, denn die bedarf ja folcher Mittel nicht; aber sollte nicht irgend ein folder agent provo­ cateur   auf eigene Fauft hingegangen sein. Sicher ist es doch, daß seitens der Regierung Leute dahin gesmidt worden find, um Bericht zu erstatten. Und ich sege meinen Kopf zum Pfande, daß auf Grund solcher Berichte solcher Agenten die Schauermärchen in die Preffe und hier an den Reichstag ge langt find.( Wiederholte Unruhe rechts.) Ich will nur bei läufig darauf verweisen, was Fürst Bismard seiner Beit über diese Geheimagenten und Spigel in seinen Briefen nicbergelegt hat. Was nun Bebels Aeußerung betrifft, so muß es doch mit einer Sache sehr schlecht bestellt sein, und die Vertreter der Regierung müssen fich in äußerster Berlegenheit befunden haben, wenn fie fich an ein paar Worte eines Redners trampfhaft anklammern. Wer kennt die Geschichte so wenig, daß er nicht zugeben wollte, daß das russische System nothwendig den Nihilismus erzeugt hat. Ein ruffischer Adeliger, der bei Ermordung des Katiers Baul zugegen war, sprach es dem französischen   General Cuftine gegenüber rubig aus: Solche Greuelthaten gehören gewiffermaßen zu unserer Verfassung, in Rußland   herrscht le despotisme moderé par l'assassinat". Daß ein Land, wo die Fürsten   nicht pflegen eines natürlichen Todes au sterben, wo Niemand vor den Richter gestellt zu werden braucht, sondern einfach nach Sibirien   verschickt wird und für die Welt ver loren ift, entsprechend gewaltthätige Reaktionen erfahren muß, ist natürlich. Der Absolutismus   ist bankerott geworden, er hat mit dem Nibiltemus nicht fertig werden förnen; die Macht des letteren ist nur vorhanden durch die ins Gegentheil um geschlagene Omnipotens des persönlichen Regiments. An diese geschichtliche Wahrheit Inüpft Bebel, provozirt durch einen Zwischen ruf von rechts, die Aeußerung, daß!, wenn auch bei uns ähnliche Buftände aur Herrschaft tämen, er selbst dazu rathen und helfen würde, dagegen anzugehen. Diese Zustände find ja bei uns nicht und ich füge hinzu, fte tönnen nicht sein. Ruffische Zustände einführen, heißt das allgemeine Wahlrecht beseitigen, die Einzellandtage beseitigen, jede öffentliche Met nungsäußerung unterdrücken durch drakonische Strafen; das fann in Deutschland   nur geschehen durch ein Verbrechen, durch Hochverrath und Staatsstreich. Und wenn es Verbrechern gelingen sollte, Deutschland   zu solchen russischen Zuständen her. abzubrüden aber das Wort rufftich nicht verdreht dann wird an Jeden, der sein Vaterland liebt, allerdings die Frage herantreten, ob es nicht möglich sei, solchem Syftem mit den Waffen zu antworten, mit denen es felbft tämpft. Sst denn Die aristokratische Partet so mäßig gewesen in der Anwendung Don Gewalt? Und hat das Zentrum etwa ble Shriften Der Jesuiten   vergeffen, in denen der Tyrannenmord von sehr guten Katholiken gepriesen

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nicht bet

wird? Jst nicht der Mordversuch von Staps auf Napoleon  in jedem preußischen Geschichtsbuch als die That eines Muster patrioten geschildert? Sie führen ruffische Zustände nicht her­bei, mögen Sie noch so viel am allgemeinen Wahlrecht herum bobren! Das deutsche Voll ist viel au meit entwickelt; zu ruffischen Buständen gehört ein ruffisches Volt oder vielmehr Die Abwesenheit jedes Volles. Die Nationalliberalen glauben, daß Fürft Bismard auf seinen Schultern die Geschide Deutsch­ lands   trägt und deshalb verherrlichen fie ihn. Glaubten wir an diese Omnipotenz des Fürften Bismard, dann lönnte leicht einem beißsporn der Gedanke lommen, daß ein Syftem wechsel zu erreichen sei, wenn dieser eine Mann hinweg geräumt wäre. Das wäre nach deren Anschauungen einfach logisch; nach unserer ist es einfach albern. Wir sehen den Fürsten Bismard nicht als ben Schöpter, son­dern als bas Geschöpf der Geschichte Deutschlands  an. Wäre er nicht geweien, fo hätte ein beliebiger anderer Hinz oder Kunz daffelbe gemacht.( Große Unrube bet den Nationalliberalen.) Ein Sozialdemokrat, der sum politischen Morde greift, tritt damit außerhalb des ganzen Rahmens un erer Parteianschauungen; solche Gewaltthaten find gerade den herrschenden Gewalten angenehm. Wir wissen sehr wohl, wie man 1878 die Attentate für das in eine Sadgaffe ges rathene System Bismard, um es wieder flott zu machen, aus gebeutet hat. Ohne das damals fünftlich erzeugte Bitterfleber hätte tein Reichstag die wirthschaftliche Umlehr gutgebethen. Darum werden wir immer thörtcht genug sein, das Spiel unserer Feinde zu spielen. Vor drei Monaten hat ein sehr hochgestellter Beamter, der ein bischen hinter die Roulissen bliden tann Sie haben Ihre polizeilichen Beziehungen in unseren Kreisen, wir haben sie auch in den Thrigen gefagt, die Konjunktur zur Aufhebung des Gesetzes set günstig, wenn nichts Unvorhergesehenes geschähe. Wir faßten Diesen Ausspruch als eine Warnung auf, daß jest plagende Dynamitbomben von unendlichem Werth für diejenigen sein müßten, die die Verlängerung des Gesezes wünschten. Wir fannten damals den Fall Mahlow Thring noch nicht. Die Sozialdemokratie babe tein Programm, sagte der Reichslangler. Dabei bat er 1878 von der Verwirklichung der berechtigten Forderungen des sozialistischen   Programms gesprochen. Unfer Gothaer Programm, ich behaupte es mit Stols, ift fo umfaffend wie das feiner anderen politischen Partei. Was für ein Pro gramm hat Fürst Bismaid?( Ruf bei den Sozialdemokraten: Staatsstreich!) Bis vor zehn Jahren war er Freihändler unter Delbrücs Führung. Jezt ift er Schutzöllner, Bimetallist und Agrarter unter der Führung v. Kardorff( Helter feit lints), zuweilen auch noch rein manchesterlich, wie in der Frage der Sonntagsruhe. Er will ein fozialer Reformer sein, und hält das Sozialistengeset aufrecht, daß jede Sozialreform verhindert. Sein Programm ift einfach: ordre contreordre désordre.( Unruhe rechts.) Was ist die heutige Wirthschaft im Deutschen Reiche anderes als désordre? Der heutige Staat ist fein soziales Königthum, er ist ein Klaffenftaat in nadtefter Geftalt. Fürst Bismard ist tein Staatssozialist, wir find die Staatssosialisten! Er ist ein Staatsmann der alten Schule. Um die heutigen Bustände ohne gewaltsame Revolution zu verbessern, dazu brauchen wir einen Staatsmann, der die soziale Frage studirt hat. Für uns ift bas Sozialistengefeß der eiserne Reifen, der uns feft zu sammenhält. Aber nicht dadurch werden wir das Geset los, daß wir uns unter das Szepter duden; nein, es muß Folgen tragen, die seinen Urhebern unangenehm find ( Unruhe rechts, Rufe: Dynamit!), dann werden wir es los werden. Revolutionen werden nicht gemacht, wir stehen mitten brin in den Revolutionen, wie Deutschlands  , Frankreichs  , Staliens, Spaniens   Geschichte der legten 20 Jahre beweift; und so wird, was heute besteht, nach 20 Jahren nicht mehr bestehen; der Umgestaltungsprozeß geht unaufbaltsam fort. Thun Sie Ihr Schlimmstes, es wird zu unserem Besten ge reichen, und je toller Sie es treiben, desto rascher geht es mit Ihnen zu Ende; der Krug gebt zum Brunnen, bis er bricht! ( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

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Damit schließt die Diskussion. Es folgen persönliche Be mertungen.

Abg. Bamberger   erklärt, daß er bereits vor zwel Jahren gegen die Verlängerung des Sozialistengefeßes ge stimmt und seine Abstimmung ausführlich motivirt habe. Er wolle bas Haus mit einer nochmaligen Vorführung seiner Gründe nicht behelligen. Wenn Herr v. Butttamer feiner Rebe einen optimistischen Charakter augeschrieben habe, so set bies das Gegentheil der Wirklichkeit.

Abg. Bebel: Wenn die Herren v. Kardorff und v. Buttkamer auf Grund meiner Dienstag Rede Unterstellungen gemacht, die ich schon zurückgewiesen, so ift nur zweierlei möglich entweder ihr Verstand ist nicht groß genug, um meine Aeußerung begreifen zu tönnen, oder ihre Ehrlichkeit nicht groß genug, um fie begreifen zu wollen. lk 30

Abg. anel bestreitet, daß zwischen ihm und Bamberger  ein Unterschied in der Auffaffung der Gefährlichkeit der Sostal Demokratie bestehe. Er habe nur behauptet, daß man den sozia listischen Zendenzen gegenüber mit der Dislufftonsfreiheit aus tomme. Ausschreitungen gegenüber, wie fie in Belgien   vorge tommen, genüge dieselbe allerdings nicht.

Abg. Lenzmann fonftatirt, daß er wie in der zweiten auch in der bitten Lesung nicht zum Wort gekommen fel. ( Beifall rechts.) Es triumphire auch heute das Unrecht wie vor zwei Jahren.

Auch die Abgg. v. b. Deden und Meyer( Jena  ) er flären, daß ihnen das Wort abgeschnitten sei.

In der Spezialdistuffton bemerkt Abg. Grohe, daß die 50 jährige Jubelfeier des Hambacher Festes deshalb verboten fet, weil die Polizei befürchtete, das Feft werde in Folge des Buzuges aus Mannheim  , Mains und Frankfurt   einen fozia liftischen Charakter annehmen. Die Tendenzen des hambacher Festes würden nicht unter das Sozialistengefes fallen. Das Feft entsprang lediglich der Sehnsucht nach der Einheit und Fretheit des deutschen   Baterlandes. Die 50jährige Gedächtniß feier sollte nur daran erinnern, daß die Einheit war errungen, Die Freiheit aber noch zu erringen ift.( Beifall.)

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In namentlicher Abstimmung wird die Verlängerung des Sozialistengesetes auf 2 Jahre mit 169 gegen 137 Stimmen angenommen; vier Abgeordnete( Lucius, Göz v. Dlen husen, Graf Chamaré und Haanen) enthalten fich der Abstims mung.( In zweiter Lesung erfolgte die Annahme des Gesezes mit 173 gegen 146 Stimmen.) Mita" stimmen die Kons servativen, die Reichspartel, die Nationalliberalen, ein Theil des Bentrums, sowie die Abgg. Born v. Bulach, Bertram und Graf Hacke. Mit Nein" stimmen die Freifinnigen, die Sosialdemokraten, Polen  , die meisten Welfen und vom Bentrum die Abgeordneten Bender, Biehl, Bock( Aachen  ), v. Buol, v. Dalwigt, v. Fürth  , Graf v. Galen, Gielen, Gleißner, v. Gliszinsti, v. Heereman, Hise, Horn, Kehler, Kochann, Letocha, Lieber, Lingens, Menten, Mosler, Moufang, Müller( Bamberg  ), Müller( les), Orterer, v. Bapius, Berger, Borich, Rade, Röderatb, Roß, Rudolpht, Seneftrey, Spahn, Stößel, v. Strombed, Timmermann, Trimborn, Up, Windt horst.

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Als beim Namensaufruf des Abgeordneten Beis deffen Wahl belanntlich nach dem Antrage der Rommiffion für ungiltig erklärt werden soll derselbe mit Jal ant wortete, fam aus den Reiben der Sozialdemokraten der Ruf: Bfui! woran fich eine lebhafte Auseinandersegung zwischen Beit und einigen Sozialdemokraten knüpfte.

Salus 5% Uhr. Nächste Sizung Sonnabend 1 Uhr. ( Bucketsteuer, Wahlprüfungen.)