»r. 89»Donnerstag» de« 13. April 1886.III. Jahrg.clliurWksMLrgan für die Interessen der Arbeiter.4Fmrldckochlilug.Der deutsche Reichstag ist bekanntlich bis zum17. Mai in die Ferien gegangen.Derselbe ist vielfach weae» seiner grundsätzliche« Oppo«sition angefeindet worden. Doch mit Umecht! Seine Zn-terpellaiion in der Polenfrag« hatte keine« positive»,nur eine« moralischen Hintergrund. Und wer weiß, wieheute fich da« Zentrum zu einer solchen Interpellationstelle« würde.Die Stellung de« Reichltagi bei den Wahlprü-fungen, so sehr dieselbe zu loben ist, richtet sich nichtgegen die Regierung, sondern betrifft eine rein interne An-gelegenheit der Parteien gegeneinander und eine einfacheFrage de« Recht«.Die Abstriche vom Etat sind sehr gering gewesen;die Regierung weiß wohl, daß jeder Reichstag einige Postenstreichen muß, damit er vor dem Lande nicht al» Schlaf-mlltze dasteht, dethalb weiß sie auch, daß man darnach dieForderungen machen kann.Dann sind eine Anzahl von kleine« Vorlage», die sichauf K o l o n i e n, P e« s i o n e n, Z u st i z u. s. w. be-zogen, sämmtlich ohne nennenSwerthen Widerspruch vomReichstage angenommen worden.Einhundertsechs Millionen Mark wurde« für den Baueine« Nordostseekanal« einstimmig bewilligt!Ferner wurde die Verlängerung de« unverändertenSozialistengesetze« genehmigt. Von de» Steuer-vorlagen auch da« Zuckersteuergesetz, wen« auch ineiner Form, welche dem Bundetrath nicht zusagt.Nur zwei von de» Regierungsvorlagen fanden dieZustimmung de« Reichstag» nicht: da« Viehseuchen«g e s« tz und da« Branntweinmonopol.Von den Initiativanträgen au« der Mitte de« R-ichStag«wurden außer einem nur solche vom Reichstage an-genommen, welche im BundeSrathe mehr oder weniger Zu-stimmung fanden. Dieser eine Antrag war der, welcherZahlung von Diäte» für die ReichStagSabgeordnete«aus Reichsmittel» fordert. Alle übrigen der Reichs-reaierung unangenehme Initiativanträge sind entweder ab-{elehnt worden oder liegen im Schooße der Kommissionen«graben.Und da spricht man von einem Reicht»tage, der Ob«struktion treibe? Soll denn die erste Vertretung desdeutschen Volkes nicht« anderes sein, ali ei» blinde« Werk«zeug in der Hand der jeweilige» Regierung?Wer e« mit dem Vaterlande wohl meint, er mageiner Partei angehöre», welcher er will, der muß diesefrage verneinen. Wer«och eine« Funken Freiheit»-iebe besitzt, der muß protestire» gegen ein« solche Auf-Jeuil'teton.Der Trödler.Roma» von A. E. Brachvogel.(Fortsetzung)Kornell hatte leider allzu sehr recht, und statt seinerFrau mit dem Abschiede zu imponiren, ihr seire Selbstsucht»«lostgkeit zu beweise», hatte er geradezu da» wirksamste Mittelerfunden, ihre» Haß, ihre Mißachtung zu verewigen, dieAussicht auf einen Vergleich gänzlich durch das Aufgebe«jeglicher Rangerhöhung zu untergraben, gegen welchedas kälteste Weib auf die Dauer nie ganz unempfindlichbleibt.Die Baronin zog wunderbar schnell aus und zwargegenüber, jenseit der Schrägen, in ein noble« Hau», dessenersten Stock sie einnahm. Natürlich wollte sie ihrer arme«Tochter möglichst nahe sein.— Den zweiten Stock im„kal-te» Stein" vermiethete Edmund.Das junge Ehepaar führte fortan ei« getrenntes Lebe«,kaum, daß man hin und wieder zusammen divirte.—Madame war viel bei Mama, wa» ihr der Gatte um soweniger verbiete« konnte, al« die Baronin de».kalten Stein"Vicht mehr betrat, und Astarte versäumte nicht, sich untermütterlicher Aegide in allen Kreisen blicke» zu lassen, wonoble Zerstreuungen ihr de« eheliche» Kummer aus de« Ge-danken bringe« konnte«.— Als„Dame von Ton" wußtesie auch immer so heiter und liebreizend zu erscheinen, wennsie ohne Mann war, daß man ihr wahrhaftig die Seelea-leide« gar nicht ansah.Desto ärger litt Edmund geistig wie körperlich. Umde» immer quälender fich aufdrängenden Gefühlen derScham, der Reue, de» geknickten Stolzes zu entfliehe«,stürzte er sich in den Strudel von allerlei Bekanntschaftenmit Malern, Bildhauern, Schriftstellern und Schauspielern,suchte am Herzen der Kunst Linderung, und zwang sich,durch die Angelegenheiten anderer Leute die eigene« zu ver«gissen. Natürlich wußte« die Meisten sich die Theilnahmefassung. Nur sklavische Naturen können jene Frage« be-jähen.Deutschthum und Sklaverei aber sind unvereinbareGegensätze!Doch der deutsche Reichstag wird am Ende auch«ochdiesen Gegensatz überwinden.Wenn nach de» Ferien der Reichstag wieder zusammen-tritt, so wird er zunächst eine neue Zuckervorlagevorfinden; dieser wird er ganz sicherlich seine Zustimmungertheile» in einer Form, wie sie der Bundesrath gutheißenkann. Sollte dem letztere» viel an dem abgelehnten Vieh-seuchengesetz lrege», so braucht er nur eine neue Vor-lag« zu machen, er erhält sie bewilligt.Bleibt nur«och übrig da» Branntwein«Monopol!Wa« aber thut der Name zur Sache. Weshalb muße» denn gerade Branntweinmonopol hriße»? Konsum-st euer klingt ja viel harmloser. Und können» nicht300 Millionen Mark sei«, welche man au» demMonopol herauszuschlagen hoffte— gewiß wußteman e» nicht— so sind 150—200 Millionen auch nichtvon Pappe, welche man sicherlich au« einer Konsumstcuerauf Branntwein erzielen kann. Natürlich wird dieselbedann mit aller Schwere auf de» Schultern besonder« de»arbeitenden Volke« laste«. Unserer Meinung»ach aberwird die Konsumsteuer, die wir für verderblicher halte« alsda» Monopol, im Reichstag die Mehrheit finden.Die.National'Liberale Korrespondenz" hat schon dieUnterstützung der Natiovalliberalen zugesagt; wir glaube»,daß diese Partei«inmüthig für diese Steuererhöhung stim-me« wird.Der Friede zwischen Berlin und Rom wird inzwischenauch perfekt geworden sei«, und sollte dann die Haltungde« Zentrum« vielleicht noch zweifelhaft sei», so wird dieRegierung freudigen Herzen» auf dem Altar derOpferBranntweinkovsumsteuer da« ExpatriirungSgesetz ,Au«<~"ichen) zum£irai3uihon glmeldet, daß der BundeSrath nach de« Ferien dem Reichs-Weisung von katholische» Orden und Geistlicyen) zun~ in Aufhebung ja schon mehrmals auf Anilthorsträch aber abgelehnt wurde. Üebrigen» wird auch schon ge-bringe», dessen Aufhebung ja schon mehrmals auf Antrag de»Dr. Windthorst vom Reichstage beschlossen, vom Bunde*tage eine dahin zielende Vorlage machen würde.Dann würde da» Zentrum natürlich geschlossenfür die Konsumsteuer stimmen.Aber auch ohne Aufhebung des ExpatriirungSaesetzeSwird die neue Branntweinsteuer die Zustimmung de» Reichs-tag» erhalte» und zwar mit derselbe» Majorität, wie beider Verlängerung de» EozialiflengesetzeS. Konservative undNationalliberale und die w o h l g e z ä h l t e Anzahl vonStimme« au» dem Zentrum werden dieselbe bilde».de» reichen Schöngeistes zu Nutze zu mache», und ließe«ihm gern den Ehrgeiz, den Mäcen zu spiele», wenn er dafürnur ihre Produktionen kaufte und ihnen auf jede Art unterdie Arme griff. Diese» ziemlich kostspielige Leben fiel natür«lich Astarten ebenfall» auf und vollendete de» Zusammen-bruch jeglichen Antheil» an dem Manne, welcher ihr leiderso nahe verbunden war.Da» Lebe« seiner Gattin betrachtete Edmund gleichfall»mit Argusaugen Zn ihm kochte und tobte die Eifersuchtum so wilder, je aleichgrltiger Astarte war, je geflissentlichersie ihn und die leisesten Anlässe zu einer Versöhnung mied.Ja, indem sie seinen Geburtstag und alle Familienfesttageignorirte, welche oft so manche« Schiefe ausgleichen, kränktesie ihn recht absichtlich.Wollie er nicht sei« Elend der ganze» Stadt preisgebe»,so konnte er seiner Frau de« mütterlichen Umgang eben sowenig wie da» Amüsement in Gesellschaften untersage».Er hätte zu Gewaltmaßregeln greife» müssen, die ihn nuröffentlich bloß gestellt, an seinem eigentliche» Loose indeßnicht» gebessert hätten. So ganz ohnmächtig seiner Fraugegenüber zu sein, marterte ihn um so furchtbarer, al« erzu gut wußte, wie oft Graf Giloern Astarten bei derEchwiegermama sah, ihr Tänzer war und sie wahrhaftigwenig Mühe hatte, ihre letzten, schlecht verhüllte« Drohungenauszuführen.Die Echwiegermama gab heute große Soiree. Daß sieEdmund nicht extra einlud, erhellt au» der Lage allerDinge.— Astarte war bereit» in vollstem Glänze in dieerleuchteten Räume eingetreten, während ihr Gatte, der mitFreunde» in die Oper gehe» und dann zu Nacht speisenwollte, im dunklen Zimmer am Fevfler stand und hinüberflante in die strahlenden Salon«, ob er nicht sehen könne,wie seine Frau sich amüsire. Der verhaßte Graf war auchdrüben, welcher seit«inigen Monaten gar noch dem PrinzenArthur als Adjutant attachirt worden. Zehnmal schonhatte Edmund dem Treiben von Madame ein Zielfetzen wollen, aber Scham und Rücksicht vor derWelt waren noch immer seine warnenden Engel gewesen.—Heut' aber war'« beschlossen! Mochte«S biegen oder brechen,er mußte ein Ende machen I Diese Art zu leben war ihmOb dann die Regierung mit dem deutschen Reich«tagvöllig zuftiedcn sein wird? Wir können es nicht wissen;vielleicht verlangt sie von demselben noch mehr.Das Volk aber wird nicht zufrieden sein- e» wird dieFolgen solcher ReichStagSpolitik zu trage» habe» und»achund nach zur E kenntniß gelangen, daß der Reichstag mehrsei« soll, al» eine Steuer- und Zasage-Maschine.Politische Ueberstcht.Zum Kampf gegen die Arbeiterveretne. Der Han«noverichen Filiale de« zu Bremen domilizirten Unterftützungs«verein» für deutsche Tabakarbetter ist nachstehendesReskript zugegangen:„Hannover, 3. April 1886.Der RelseunterstützungSverein deutscher Tabakarbetter zuBremen erstreckt sich unter Anderem auch auf preußische» Staats-gebiet, indem an verschiedenen Orten Preußen», so namentlichauch hier in der Stadt Hannover eine Mitgliedschaft beza».OitSkaffe des genannten Z-ntralvereinS errichtet ist. DerZeniratverein bezweckt nach seinem, auch für die hiesige Mit-gliedschaft geltenden Staiut die Hebung der mateiiellen undintellektuellen Lage seiner Mitglieder und bezeichnet al» MittelbeitrageS anr ihrer Ehehälfte und zwar in den beiden Fällen mit dem Rechtauf Forderung dieser Gewährung unter der Bor-auSsetzung drr Zahlung der vorgeschriebenen Bei-träge.Hiernach charakteristrt fich der UnterstützungSveretn in Ansehung der diesigen Mitgliedschaft al» eine VersicherungSan-statt im Sinne des für den Umfang der Provinz Hannovernoch giltigm§ 43 der hannoverschen Gewerbeordnung vom1. August 1847, welche der staatlichen Genehmigung bedarf.Da diese Genehmigung bisher noch nicht nachgesucht, nochweniger ertheilt ist, fordere ich Sie ali Bevollmächtigter derhiesigen Mitgliedschaft hierdurch auf, bis dahin, daß die staat-ltche Genehmigung, fei eS iür die hiesige Mitgliedschaft allein,sei ei für alle Mitgliedschaften im preußischen Staatsgebiet in»-gesammt, ertheilt ist, jedeThätigkeit behufsVer-waltuna der hiesigen Mitgli.dschaft einzustellen,aufzulösen und darüber, daß die» ge-scheben, binnen 3 Tagen vom Tage der«ehändigung dieserVerfügung an aerechnet. mir schriftlich anzuzeigen, widrigen-falls die Auflösung unter Beschlagnahmeder Ort«kasse zwangsweise polizeilich auige-führt werden wird.Der königl. Polizei-PräsidentI. V.: Schorschke.Andm Bevollmächtigten der hiesigen Mitgliedschaftdes Riise UnttlstützungsoereinS deutscher Tabakarbetter,Herrn Bredemeier, hier, Oststr. 81."eine Hölle, eine Folter, ein Tod, der zollweis nagend ihman'» Herz heranschlich!Seine Freunde im Stiche lassend, schellte er Jakob, demneuen Diener, welcher den»ach seinem Verrath sofort ent-lassen«» Oswald ersetzt hatte, und befahl, ihm bei der Ball-toilette behilflich zu sein.Während de» Umkleiden» faßte er tausend Beschlüsse,in welcher Art er am besten sein trauriges Geschäft ver-richten wolle, konnte aber doch nicht mit sich einig werden.Er erwählte endlich die in seinem Falle beste Auskunft,kalt, ruhig, chevalercsque zu fein, und indem er in feinemBmehmen den Leuten nicht den leiseste» Verdacht bot, ab-zuwarten, wie Alles kommen werde, um nach Umständen sozu handeln, wie e» sei» Gattenrecht und die ManneSehreerfordern würde.E» war eine ooirös äansants, ein xetit dal in nobel«ster Form, was Baronesse Wolkenstein ihren nächste« Freunde«gab, und wobei sie mit der Tochter begreiflich» r Weise dieHonneurS machte. Chevalier de Putange, Graf Gilbet»,Kammerjunksr von Rubitz, ein paar Sängerinnen, dann dieHerren von Käfernberg und von Faltern nebst deren TöchternOlivia und Feodora, einige Räthe m t ihren starke» Familie»,viele Ojfizikre und KabinetSrath von Buchmann, aber allew,waren zugegen.Nachdem man de» Thee eingenommen, begann manzu tanzm und befand sich eben in bester Unterhaltung,al» Edmund bleich aber lächelnd, zu nicht geringemSchreck von Schwiegermama wie Gattin eintrat undnoch leichter Verbeugung auf die Baronin zuging, die ihmsteif, lächelnd und mtt vollendeter Selbstbeherrschung ent-gegentrat.„Ei ei, mein lieber Sohn, das nenne tch eine Ueber-rofchung! Sie wollten, dünkt mich, in die Oper gehen undsich dann Ihr?» künstlerischen Freunden widme», und nunentsagen Ste Allem um unsertwillen? Das heißt mir eineAufopferung I Nun, willkommen brauche ich Sie doch wohlkaum eist zu heißen?!"„Ich weiß ja, daß ich es bin, liebe Mama!" sagte erironisch und küßte der Baronin die Hand.„Ich weiß auch,Ihne» wie meiner lieben Frau waren Ueberraschungen,«ie