Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 298.

Dienstag, den 21. Dezember 1886.

Heber die Bifte in unferer Kleidung und bromsaures Bleiorod), die, beim Reiben oder Malen

in unferen Wohnräumen

veröffentlicht Hermann Kräger in der Leipz. 8tg." folgenden Artikel:

Wir meinen mit diesen Giften jene Giftstoffe, welche in und an unseren Kleidungsstücken, an den Möbeln, an den Bimmerwänden vorkommen und wollen wir uns nicht befaffen mit gesunder oder schädlicher Kleidung an und für sich, auch nicht mit den Krankheitsteimen, die durch Kleidung, Betten 2c. von einem Menschen auf den andern übertragen werden; ebenso wenig sei hier über gesunde oder ungesunde Wohnungen die Rede, da dies den Rahmen unseres Artikels weit über fteigen würde.

Ein großer Feind, der in den verschiedensten Gestalten uns auflauert, ist in erster Linie das Arsenik, das in Form des weißen Arsens"( arsenige Säure, auch Rattenpulver, Gift­mehl genannt) als Mittel zur Vertilgung der Ratten und Mäuse benutzt wird und als gefährliches Gift wohl allgemein bekannt sein dürfte.

Arsenik gelangt u. A. in Form feinen Staubes oder als unsichtbares Gas von den Zimmerwänden, von den Fenster­rouleaux, von den Fenstervorséßern, von Ballkleidern, von den Schweigledern der Hüte c. in den menschlichen Organismus; es sammelt sich in legterem langsam, aber stetig an, bis es so start geworden ist, daß es seine giftigen Wirkungen in chroni fcher Vergiftung" geltend macht. Bei Arbeitern, welche viel mit Arsenik in Berührung kommen, bildet sich z. B. eine chroni fche Vergiftung aus, die unter Verzehrung zum Tode führt.

Stets ist also dort eine beständige große Gefahr für den menschlichen Organismus vorhanden, wo Arsenik in Kleidung oder Wohnräumen auftritt.

Wo haben wir denn Arsenik vor Allem zu suchen?" dies möchte wohl die erste Frage sein. Die Antwort lautet: In der Schönsten grünen Kupferfarbe, dem Schweinfurtergrün, welche eine Verbindung von effigsaurem Kupferoryd mit arseniksaurem Kupferoryd ist und 58,65 pCt. arsenige Säure enthält. Dieses Schweinfurter Grün findet entweder an und für sich Verwen­dung, oder es wird durch Beimischung weißer und gelber Bulver mannigfach nuanzirt und führt dann im Handel die verschiedensten Namen, wie Englischgrün"," Kaisergrün", Raffelergrün" Königsgrün", Mitisgrün" ,,, Neuwiedergrün", Papageigrün"," Parisergrün"," Patentgrün" c.

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Diese schönste grüne Farbe, unter welchem Namen fie auch vorkommen möge, ist für die menschliche Gesundheit ein schleichen­des, höchst gefährliches Gift, das, wie viele andere schädlichen Substanzen, durch das Gefeß, betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen" verboten ist, denn§ 12( 2) dieses Gesetzes hat den Wortlaut: Mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, wird bestraft: wer vorsäglich Bekleidungsgegenstände, Spielwaaren, Tapeten,(-, Trink­oder Kochgeschirr oder Petroleum) derart herstellt, daß der be­ftimmungsmäßige oder vorauszusehende Gebrauch dieser Gegen­stände die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, in­gleichen wer wiffentlich solche Gegenstände verkauft, feilhält oder fonst in Verkehr bringt. Der Versuch ist strafbar. Ist durch bie Handlung eine schwere Körperverlegung oder der Tod eines Menschen verursacht worden, so tritt Buchthausstrafe bis zu fünf Jahren ein.

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Früber bedienten sich die Tapeten- und Papierdrucker", die Färber und Beugdrucker", die Maler"," Spielwaaren­fabritanten" Rerzenfabrikanten" und Wachszieher" des Schweinfurter Grüns und für Anstriche von Bimmerwänden" liebte man diese prächtig sattgrüne Farbe ungemein, so daß alte Bimmeranstriche noch hier und da Arsenik aufweisen.

In der Tapetendruckerei" wird bei neuen Tapeten Schwein­furtergrün gegenwärtig vermieden, jedoch hin und wieder trifft man, besonders auf dem Lande, Kommodenkasten, Glas Schränke, Kleiderkasten, mit grünen arsenhaltigen Tapeten aus­geschlagen, an.

Vor den Fensterrouleaur" mit bestechend grüner Farbe ist au warnen, zumal derartige Rouleaur, je länger fie im Ge brauche find, mehr und mehr gefährlich werden, indem dieselben allmälig Knitter und Riffe erhalten und dann beim Aufziehen oder Herablaffen der Rouleaur der höchst schädliche arsen­baltige Farbstoff abstäubt. Die Buntpapierfabriken" haben oft Schweinfurtergrün zum Färben des Papieres benugt, und wie manche Gefahr hat Jung und Alt gedroht durch die grünen Lampenschirme, Enveloppen für Konditorwaaren, Schachtelüberzüge, Zigarrendüten u. s. w. Gin Glück ist es zu nennen, daß unsere Spielwaarenfabrikanten" nicht mehr, wie früher, die billigen Spielgegenstände, als Holzpuppen, Bäumchen und Fußbrettchen der hölzernen Thiere 2c., mit Schweinfurtergrün anstrichen und so den zarten Organismus unferer Kleinen zum Siechthum, wenn nicht gar den Kindern su frühem Tode verholfen haben.

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Die Beugdruckereien" und Färbereien" tönnen heutzutage ohne Schweinfurtergrün arbeiten, denn schönere Farben als Lettere stellt man gegenwärtig für diese Industrie- und Gewerbe­aweige dar; auch bezüglich der Stearinterzenfabriken" und Wachszieher" ist zu bemerken, daß sich dieselben zum Färben ber grünen Stearins, Dzofenit- und Wachskerzen, namentlich ber beliebten bunten Weihnachtskerzen, nicht mehr des Schwein furtergrüns bedienen.

Das in dem Schweinfurtergrün enthaltene Arsenit( arsenige Säure) also, sei es in Tapeten, Rouleaur, Anstrichen, Kleidern 2c. anwesend, theilt sich stets in Form von Staub oder als farb­loses Gas( wahrscheinlich Arsenwasserstoff) der atmosphärischen Luft, die wir einathmen, mit und gelangt so, um es nochmals zu betonen, ohne daß man es merkt, in unseren Körper.

Arsenhaltige Tapeten oder Wände zu überkleben oder zu übertünchen, bietet absolut keinen Schuß vor Vergiftungsgefahr, ba nur einzig und allein die vollständige Beseitigung des gift­geschwängerten Stoffes Abhilfe bringt.

Arfenit findet sich außer in Schweinfurtergrün auch in ver­fchiedenen Anilinfarbestoffen, die nicht grün färben, und zwar rührt dann ein Gehalt dieses Giftes von dem Bereitungs­verfahren der betreffenden Anilinfarben her.*) Schweißleder für Güte, Strumpfwaaren, die mit violetten oder rothen und anderen arfenhaltigen Anilinfarben gefärbt, folglich schädlich waren, darüber ist vereinzelt in Fachblättern die Rede gewesen. Außer dem Schweinfurtergrün find aber auch noch andere Anstrichfarben" giftig, wie z. B. Bleiweiß"( fohlensaures Bleioryd), Neapelgelb"( antimonsaures Bleioryd), Chrom­

An fich find die Anilinfarben nicht giftig, wenn nicht die Säure, an welche die Base gebunden ist, giftig ist, wie B. die Pifrinsäure; durch Verunreinigungen mit giftigen Stoffen jedoch, die zu ihrer Darstellung benugt wurden( Arsen, Quecksilberchlorid 2c.), wirken fie giftig. D. V.

gelb" staubförmig eingeathmet, Bleilähmung, Bleifolit herbeiführen. Bleifolit herbeiführen. Werden solche Farben jedoch mit Leinöl zusammengerieben und gefirnißt, so können derartige Bleianstriche für Zimmer­wände, Thüren, Fenster 2c. auf den menschlichen Organismus feinen schädlichen Einfluß ausüben, indem das in den betr. wie Arsenwasserstoff Farben enthaltene Blei nicht flüchtig ist; wohl aber wirkt Blei in Anstrichen dann giftig, wenn es in irgend einer Verbindung gelegentlich in den Magen gelangt, wie dies bei Kinderspielwaaren" der Fall ist.

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Mit Recht betont Dr. G. Ambühl in seinem Werke Die Lebensmittelpolizei", daß es mit dem Verbote des Arseniks allein noch lange nicht gethan sei, und schlägt er vor, daß für alle Spielwaaren, die für das erste Kindesalter bis zum sechsten Jahre bestimmt sind, die Verwendung jeder An­strichsarbe, welche Arsenik, Blei, Antimon, Kupfer, Chrom, Quedfilber, Binn   oder Bink enthält, verboten sein sollte. Daß bei uns in Deutschland   das Gesez betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen" auch nach dieser Richtung hin ein großer Segen ist, wer wollte dies bezweifeln?

Kommunales.

* Markthalle im Osten Berlins  . Der von der Stadt­verordneten- Versammlung niedergesezte Ausschuß zur Vorbe rathung des Magistratsantrages betreffend den Ankauf der Grundstücke Andreasstraße 56, Krautstraße 48a und Grüner Weg 95 behufs Erbauung einer Markthalle im Osten der Stadt hat unter Vorfiz des Stadtverordneten Rittberger beschlossen, der Stadtverordneten- Versammlung den Antrag des Magistrats mit den Aenderungen zur Annahme zu empfehlen, daß der ge­forderte Preis für das Grundstück Andreasstraße 56 von 590 000 M. auf 500 000 M. und der geforderte Preis für das Grundstück Krautstraße 48a von 180 000 m. auf 150 000 m. herabgesezt werden. Die Beschlußfaffung über den Ankauf des Grundstücks Grüner Weg 95, für welches 180 000 M. gefordert werden, wurde ausgesetzt. Die zu gleichem Zweck angebotenen Grundstücke, Große Frankfurterstraße 30b- 31, Fürstenwalder straße 18 und eine Parzelle des Grundstücks Große Frank­furterstraße 27-28 an der verlängerten Andreasstraße hat der Ausschuß abzulehnen beschlossen, weil die Erwerbskosten mit hinzurechnung des von dem Grundstücke Große Frankfurterstr. 27-28 behufs Herstellung eines Bugangs von dieser Strnße aus zu erwerbendeu Terrains und das gleich­falls anzukaufende Grundstück Pallisadenstr. 33 ca. 900 000 m. betrage, also höher zu stehen kommen würde, als die nach dem Antrage des Magistrats anzukaufenden Grundstücke.

Das Kuratorium der Stiftung der Berliner   Gewerbe­Ausstellung im Jahre 1879 macht bekannt, daß Bewerbungen um Zulassung zum Genuß der im Jahre 1881 gegründeten Stiftung durch Gewährung von Beihilfen an die der Induſtrie und dem Gewerbe fich widmende Jugend behufs Aneignung einer gediegenen, gewerbetechnischer oder kunstgewerblichen Aus bildung für ihren Beruf in der Zeit vom 1. Januar bis zum 1. Februar und vom 1. Juli bis zum 10. August jeden Jahres an das Kuratorium der genannten Stiftung Köllnisches Rathhaus, Breitestr. 20a, Zimmer 1.( Gewerbebureau) schriftlich einzureichen sind. Die nicht zu diesem Termin ein gehenden Gesuche können erst mit denjenigen, welche innerhalb der nächstfolgenden Meldefrist eingehen, durch das Kuratorium in Erwägung gezogen werden.

* Auf dem Plate neben der alten Börse, im Luftgar ten, dem frühern Markte der Obsthändler aus Werder, find in legter Zeit ohne Zustimmung des Magistrats verschiedene feste Verkaufsstände eingerichtet worden. Der Magistrat hat be­schloffen, das Polizeipräsidium hierüber um Auskunft zu er suchen, da derartige Budenbauten auf öffentlichen Pläßen nicht mehr gestattet werden sollen.

* Der langjährig herrschende Uebelstand auf dem noch nicht regulirtem Plage A. Abtheilung il des Bebauungsplanes, welcher von der Lachmanns, Bopp und Dieffenbachstraße be­grenzt wird, haben zu wiederholten Malen zu Klagen und Be fitionen an die städtische Verwaltung Anlaß gegeben. Die städtische Parkdeputation bat nunmehr als erste Rate für die im nächsten Jahre auszuführenden Gartenanlagen auf dem ge­nannten Plaße 10 000 M. in den Etat eingestellt. Gleichzeitig hat die Varkdeputation beim Magistrat in Anregung gebracht, daß dem Plaße ein paffender Name gegeben werde.

* Der Petitionsausschuß der Stadtverordneten- Ver­sammlung hat in seiner legten Sizung u. A. beschlossen, der Versammlung zu empfehlen, die derselben zugegangene Petition wegen Verlegung der im Weichbilde Berlins   belegenen Strede der Berlin- Stettiner Eisenbahn dem Magistrat zur Berücksichti­gung und mit dem Ersuchen zu übersenden, der Versammlung thunlichst bald eine Mittheilung über den Stand dieser Ange legenheit zugehen zu laffen.

Das Gut Schenkendorf, in der Nähe des städtischen Riefelgutes Großbeeren   belegen, soll zu Riefelzwecken angekauft werden. Der Magistrat wird der Stadtverordneten- Versamm lung eine Vorlage machen. Einschließlich 68 Morgen Nuthe­wiesen und 750 Morgen Schenkendorfer Abfindung ist der Gesammtflächeninhalt 2395 Morgen, wovon 1500 Morgen Acer  , 265 Morgen Wiesen, 630 Morgen Schonung, Wald 2c.; der Feuertaffenwerth der Gebäude ist 99 600 M., der Raufpreis beträgt 240 000 M., so daß fich der Preis einschließlich der Gebäude für den Morgen auf 100 M. stellt. Das Inventar ist in den Rauf nicht mit einbegriffen.

* Das in der Prenzlauer Allee errichtete städtische Ashl für Obdachlose soll zum Unterschiede von ähnlichen An stalten privater Natur die Bezeichnung Städtisches Obdach" führen.

Lokales.

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Wohlthun und Großthun find zwei Begriffe, die ihrem Wefen nach zwar grundverschieden sind, die aber dennoch häufig mit einander verwechselt werden. Auch die berühmte Berliner  Wohlthätigkeit, welche besonders hervorragend zu Weihnachten  in die Erscheinung tritt, hat einen starken Beigeschmack von dem legteren. Wir hatten schon im vorigen Jahre Gelegen­heit genommen, bezüglich der Weihnachtsbescheerungen armer Kinder, wie fie alljährlich von Vereinen veranstaltet werden, darauf hinzuweisen, daß es dem an sich ja recht lobenswerthen 3wede, armen Kindern eine Weihnachtsfreude zu bereiten, durch aus widerspreche, daß diese Bescheerung öffentlich stattfinde. Es ist dies eine Unfitte, die nicht oft genug gerügt werden kann und die das beabsichtigte Wohlthun entschieden als Großthun erscheinen läßt. Die richtigste Art des Wohlthuns ist entschieden diejenige, die am wenigsten verlegt. Dies ist in den vorges dachten Fällen sehr leicht dadurch zu erreichen, daß die resp. für die armen Kinder bestimmten Weihnachtsgeschenke den betr. Eltern verabfolgt werden, welche nun im häuslichen Familien­freise ungenirt die Bescheerung vollziehen können. Der Dank

3. Jahrg.

für solche Wohlthaten wird keinesfalls ausbleiben. Anderer feits ist aber auch dagegen nichts einzuwenden, wenn Kinder und Eltern in gemeinsamer Feier das Weihnachtsfest erkältende begehen, obgleich sich auch hier schon das Gefühl des Wohlthatempfangens nicht bannen läßt, da solche Weihnachtsfeiern nie an dem eigentlichen Weihnachtsabende, sondern entweder früher oder später stattfinden. Unerläßlich aber ist hierbei der strengste Ausschluß aller Deffentlichleit. Diese Erkenntniß, welche bisher nur in sehr vereinzelten Fällen praktisch bethätigt wurde, scheint sich, wenn auch langsam, doch endlich Bahn brechen zu wollen. Jedenfalls ist es als ein in diefer Beziehung erfreuliches Beichen zu begrüßen, daß ein hiefiger Wohlthätigkeitsverein diesmal ausdrücklich bekannt macht, daß feine Weihnachtsbescheerung nicht öffentlich" stattfindet. Ganz hat sich der Verein indessen noch nicht von dem füßen Wohl­thätigkeitsnimbus zu emanzipiren vermocht, indem er, um dem so lange angebeteten Gößen den schuldigen Tribut nicht zu ents ziehen, eine öffentliche Ausstellung der Weihnachtsgeschenke ver anstaltet. Eine solche Ausstellung von Liebesgaben charakterifirt die Wohlthätigkeit noch deutlicher, als sonst die öffentliche Be scheerung. Außerdem findet im Anschluß hieran eine Weih nachtsfeier statt für Vereinsmitglieder und Freunde und Gönner des Vereins unter Ausschluß der zu bescheerenden Kinder und deren Eltern. Der Zweck auch dieser Zusammenkunft ist nicht schwer zu errathen. Dieses eine Beispiel aber ist schon hin reichend, den Unterschied zu veranschaulichen zwischen Wohlthun und Großthun.

Die für unsere Krankenkassen und für unsere Aerzte gleich wichtige Frage, ob auch nicht approbirte Aerzte, als bei spielsweise Heilgehilfen und andere Privatpersonen, zur Leistung der im Krankenkaffengeses vorgesehenen ärztlichen Hilfe befugt und die Kaffenvorstände berechtigt seien, solchen Personen für ihre Hilfeleistungen Entschädigungen aus den Mitteln der Krankenkasse zu zahlen, scheint nun in Folge der lebhaften Agitation, welche ärztlicherfeits aus Anlaß diefer Frage ins Leben gerufen ist, zu Gunsten der Aerzte entschieden zu wer den, oder richtiger sich selber zu entscheiden. Da aus den hier gegen intereffirten Kreisen und namentlich von den Kaffenvors ftänden Einwendungen nicht geltend gemacht werden, so dürfte der kürzlich vom Landesmedizinal- Kollegium auf Antrag des ärztlichen Bezirksvereins der Stadt Leipzig   angenommene An trag bald allgemeine Anerkennung finden, wonach die im Krankenkassengefeß gebrauchten Ausdrücke Aerzte" und ärzt liche Behandlung" dahin interpretirt werden, daß dieselben sich ausschließlich auf ,, approbirte Aerzte" beziehen und demgemäß die Krankenkassen nicht befugt sein sollen, von kurirenden Laien ausgestellte Krankheitsatteste und geltend gemachte Honorar forderungen und sonstige durch die Behandlung auflaufendeKosten anzuerkennen, beziehentlich zu bezahlen. Es ist nun zwar schwer einzusehen, weshalb eine nöthig gewordene schnelle Hilfe von Laien, die sachgemäß geleistet wurde, nicht von der Kran­tentasse bezahlt werden soll, aber wenn man den approbirten Aerzten auch das Monopol auf dem Gebiete, welches durch die Krantengefeggebung geschaffen ist, einräumt, so wird doch diese geeignete Gelegenheit nicht vorübergehen dürfen, ohne daß den Krantentafsenärzten die Wünsche ihrer Kaffenpatienten ernstlich zu Gemüthe geführt werden. Es ist nachgerade bei allen Kaffenärzten Sitte, oder richtiger Unfitte geworden, die mit Kaffenbüchern anwesenden Patienten summarisch und möglichs schnell abzufertigen, so daß der Kranke sich gewöhnlich von der Gründlichkeit und Zweckmäßigkeit der ihm widerfahrenen Behandlung durchaus nicht überzeugen kann und sich mit seinen Kaffengenossen wie eine abgesonderte Schaar von Batienten zweiter Klasse erscheint; und doch wird kein Arzt bezweifeln, daß der Patient zu ihm Vertrauen haben muß, wenn die Bes handlung Erfolg haben soll. Viele Kranke von den Kaffenmit­gliedern wollen auch in den Umgangsformen des Arztes ihnen gegenüber eine auffällige Kürze und Gleichgiltigkeit bemerkt, haben, die der Arzt anderen Personen keineswegs bewies. Die Herren Aerzte würden durch Beseitigung der Ursachen für solche Klage die große Zahl der Kaffenmitalieder auf ihre Seite ziehen, wenn es sich um die Entscheidung ähnlicher Fragen wie der vor liegenden handelt, denen heute die Mehrzahl der Kaffenmits glieder ziemlich gleichgiltig gegenübersteht.

Zur Praxis der gerichtlichen Chemie. In der Haupts versammlung der Polytechnischen Gesellschaft vom Donnerstag machte Dr. Paul Jeserich Mittheilung von einer Aeußerung, welche für die gerichtliche Chemie von Bedeutung werden dürfte. Gutachten, welche auf Grund mikroskopischer Beobachtungen abs gegeben werden, leiden darunter, daß eine Kontrole nahezu aus­gefchloffen ist, da die Untersuchungsobjekte, Blut u. dgl., fich nur selten bis zur mündlichen Verhandlung aufbewahren laffen. Schon seit 1881 hat daher Dr. Jeserich versucht, die Mikro­photographie in den Dienst der forensischen Chemie treten zu laffen. Bur Herstellung der vergrößerten Bilder war jedoch bis her ungemein starkes Sonnenlicht erforderlich. Dr. Jeferich hat nun künstliche Beleuchtung erprobt und damit befriedigende Resultate erreicht. Es wird somit jetzt möglich sein, den Rich tern ein getreues Bild des Befundes der mikroskopischen Unter suchung vorlegen zu können, Dr. Jeferich theilte sodann noch eine Beobachtung mit, die vielleicht zur Klärung des bekannten Vergiftungsfalles beitragen fann. Er hat nämlich auch in Leichen Nichtvergifteter Arsen gefunden und zwar vor Allem in der Leber, in der Milz   und in den Nieren, alfo in Organen, in denen man sehr oft auch Antimon und Kupfer reforbirt findet.

Der Voff. Ztg." wird geschrieben: Nach einer Mits theilung, die ich in einer Zeitung finde, hat es den Anschein, daß die alten Eisenbahnwagen dritter Klaffe, welche nur in den Thüren mit Fensterscheiben versehen find, aber keine Seitens fenster daneben haben, auch in der neuen Staatsbahnzeit noch weiter gebaut werden sollen. Schreiber dieses, der als ent­fernterer Vorortbewohner die Eisenbahn täglich mehrmals zu benußen hat, tann das zwar nicht recht glauben, weil die meisten neueren Wagen dritter Klasse auch an den Sißen Seitenfenster haben. Sollte die erſterwähnte Annahme aber doch richtig fein, so ist die Mittheilung persönlicher Erfahrungen und eine War nung in dieser Hinsicht vielleicht nicht unangebracht. Wer als Vorortbewohner, aber geschäftlicher Berliner gezwungen ist, jeden Tag zu wiederholten Malen ein halbes Stündchen auf der Eisenbahn zu verbringen, der pflegt die Fahrzeit zu fleinen, fich täglich wiederholenden Arbeiten, als Beitungslesen, furzen schrift lichen Aufzeichnungen und dergleichen möglichst nüßlich zu ver werthen. Mancher spielt hier auch seinen Stat, was ja ebenfalls sehr nüßlich sein kann, wenn dadurch eine Stunde am Wirths hausbesuch erspart wird. Für die Statspieler liefert nun das einfame Wagenfenster in der Thür allenfalls genügendes Licht, weil das Spielen meistens in der Mitte des Wagens auf den als Spieltisch dienenden vereinigten Knien der Statmänner vor fich geht. Demjenigen aber, der leien oder sich sonstwie schriftlich beschäftigen will, genügt das Tageslicht nur bet beller Luft. Die faum beginnende Dämmerung oder trübe Wintertage laffen nicht so viel Licht in das Innere fallen, daß der auf seinem Sig Zurückgelehnte die Buchstaben in Augen