Abends zugestellt. Als Vorgeladene werden uns vorläufig ges nannt: Eabor, Fleischmann, Sat. Schmidt, H. Gehr. Wir haben, obwohl uns eine Vorladung gezeigt wurde, doch heute Nacht Anstand genommen, von der Mittheilung Notiz zu neb men, weil wir es für abfolut ausgeschloffen hielten, daß die Bolizeibehörde am ersten Weihnachtstag eine solch harte Maßregel über eine Anzahl hiesiger Einwohner und ihre Familien verhängen tönne. Leider find uns im Laufe des Vormittags Mittheilungen zu­gangen, die feinen Zweifel darüber laffen, daß die Landes polizeibehörde auch diejenige Rücksicht, die selbst die feurigsten Befürworter strenger Maßregeln gegen die Sozialdemokratie von ihr erwartet haben mögen, die Rücksicht auf das häusliche Glüd am Weihnachtsfeste nicht hat walten laffen. Den auf heute Vormittag vorgeladenen Personen eine größere Bahl, Darunter viele Familienväter wurde einzeln eröffnet, daß fie aus dem Bereich des Kleinen Belagerungszustandes ausgewiesen feien und bei Strafe der Verhaftung das bezeichnete Gebiet bis spätestens Dienstag Vormittag verlassen haben müßten. Unter den Ausgewiesenen befinden sich die Herren Sabor, Jakob Schmidt, Emil Fleischmann, Conradi, Hermann Gehr, Schreiner Schäfer, Schreiner Neu, Schreiner   Kurz und Maurer Adam Weber. In Bockenheim   wurden u. a. auf Grund des Sozialistengesetes ausgewiesen: Lackirermeister ausgewiesen: Lackirermeister Schwend, Gastwirth Renz. Auch Bornheimer   Einwohnern find Vorladungen auf den Montag zugegangen.

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Wegen Vergehens gegen das Dynamitgeseh ist von der Dortmunder   Straftammer ein junger Bergmann   zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Derselbe hatte von der Zeche einige Dynamitpatronen mit nach Hause genommen und dieselben am Abend des 21. März zu Ehren des Geburtstages des Kaisers verschossen.

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den Bezug solcher Zusagnahrungsresp. Genußmittel ohne| weiteres geftattet. Diese Bestimmung, sagt der auf dem Ge biete des Gefängniswesens mit Recht als Autorität geltende Direktor des Hamburger Bellengefängnisses, Streng, in seinen Studien über Entwickelung, Ergebnisse und Gestaltung des Bollzugs der Freiheitsstrafe in Deutschland  ", wird bei ftrittem Vollzug leicht zu einer nicht zu rechtfertigenden Härte ausarten". Damit ist wohl genug gesagt über den Fall Frohme, denn daß bei den dermalen in Preußen herrschenden Regierungsmarimen für politische Gefangene nicht etwa günstigere Sonder bestimmungen Plat greifen, ist wohl überflüssig erst noch zu erwähnen.

Aus Sachsen  . Limbach  . Ende September machte durch die Reptilienpreffe eine Notiz die Runde, daß die Führer der Sozialdemokratie in Limbach   bei einer geheimen Versamm­lung überrascht und verhaftet worden seien. Wir sind nun in der Lage, die volle Wahrheit darüber zu veröffentlichen. Ein hiefiger Sozialdemokrat hatte in Folge einer kleinen Festlichkeit mehrere Gleichgesinnte zu fich geladen, um einen fröhlichen Abend zu begehen. Dieses Beisammensein war nun durch Denunziation der Polizei bekannt geworden. Nachts gegen 11 Uhr trat der hiesige Stadtwachtmeister Irmscher nebst einer Anzahl Begleiter unter die Anwesenden und erklärte: Meine Herren, Sie haben eine geheime Versammlung und find alle­fammt verhaftet. Alles vorgefundene wurde tonfiszirt und nach der Rathestätte gebracht. Aber unter allen Schriften war nur ein nerbotenes Buch, welches Eigenthum des betreffenden Stubeninhabers war. Unser ,, Limbacher Tageblatt", ein Wasch­zettel, wie man ihn nicht beffer wünschen fann, berichtete dann auch sofort, daß die Versammlung(!) bei gefchloffenen Fensters

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würdiges Geſet oas! Bon über hundert Berurtheilungen, die Schriften und sonstiges Material ver Beſchlagnahme verfallen

Dasselbe schon im Gefolge hat, hat nur eine einzige eine Per fon betroffen, gegen die das Gefes gerichtet sein sollte. Und bei dieser einen Person war man noch zweifelhaft, ob sie den Sprengstoff zu einer Gewaltthat benußen wollte. Sämmt liche andere Verurtheilte tannten entweder das Gesetz gar nicht ober hatten abfichtslos, aus Vergeßlichkeit, aus Leichtfinn eine Portion Sprengstoff bei sich geführt. Und jest sogar wird ein funger, gefeßesunkundiger Mensch zu drei Monaten Gefängniß verurtheilt, weil er, anstatt mit einer Pistole, mit einer Dynamitpatrone zu Ehren des Kaisers geschossen hat. Ein merkwürdiges Gesetz das!

Zum Verbot der Thüringer Waldpost" schreibt die A. Abenddztg.": Der für den Verlag verantwortliche Redat­teur W. Eichhoff suchte schon vor Ausspruch des Verbots die Buständigkeit der f. Kreisregierung zu bestreiten, weil das Blatt im Biered'schen Geschäft lediglich redigirt und gedruckt worden fei, zum eigentlichen Verleger aber einen Hrn. P. Ed. Wehder in Sonneberg   in Thüringen   habe. Der Thatort sei somit nach Dem Soziaristengefeß die Stadt Sonneberg  . Die f. Regierung versagte diesem Einwand seine Berechtigung nicht, erklärte fich aber für nebenzuständig, weil am Kopfe des Blattes der Ver mert stand: Filialexpedition für München  : Senefelderstr. 4, 1. Das Viered'sche Geschäft wird durch dieses Verbot sehr hart getroffen; an periodisch erscheinenden Organen giebt es nun mehr nur noch das Recht auf Arbeit" und den Süddeutschen Bostillon" heraus, nachdem eine ganze Serie von Blättern, wie Süddeutsche Post"," Rheinisches Wochenblatt", Deutsches Wochenblatt" c., ihm auf Grund des Sazialistengeseges ver­boten find.

Der Reichstagsabgeordnete Frohme verbüßt bekanntlich die ihm im Freiberger   Sozialistenprozeß zudiktirte Strafe in dem Gefängiß zu Preungersheim hei Frankfurt a. M. Es wurde nun darauf hingewiesen, daß Frohme teine Selbst beköstigung gewährt wurde, während seine in Zwickau   und Chemnitz   wegen derselben Sache inhaftirten Kollegen dieselbe bewilligt erhielten. Diese verschiedenartige Behandlung ist auf die Verschiedenheit in den Bestimmungen über den Strafvoll zug zurückzuführen, die durch Reichsgesetz noch nicht geregelt find. In Preußen ist am 16. März 1881 ein Reglement für alle dem Justizministerium unterstellten Gefängnisse erlassen worden. Dieses giebt dem Gefängnißvorsteher distretionäre Be­fugniß zu entscheiden, welche Beschäftigung wie§ 16 des Strafgesetzbuches vorschreibt als eine den Fähig eine den Fähig. feiten und Verhältnissen des Gefangenen angemessene" zu gelten hat; er fann Gefangene von den sogen. Hausarbeiten ( Scheuern, Lampen- und Klosetpuzen 2c.) entbinden, die Dauer Der reglementsmäßigen 11stündigen Arbeitszeit und den Um fang des Arbeitspensums für Einzelne herabfeßen, Gefangene nach Befinden von jeder Zwangsarbeit dispenfiren und den­jenigen, welche im Urtheil nicht der bürgerlichen Ehrenrechte für verlustig erklärt sind, die eigene Kleidung und Wäsche be­laffen, und sie damit zugleich von der Bart und Haupthaar raubenden Scheere des Gefängnißbaders befreien. Dagegen ist Die Selbstbeköstigung beim Vollzuge der Gefängnißstrafe grund­säglich ausgeschlossen. Ja, den Sträflingen ist nicht einmal gestattet, mit dem für fie bei der Gefängnißverwaltung einbe zahlten Gelde fich sogenannte Subußen zu kaufen, während die ausordnung aus dem vom Staate bezahlten Arbeitsverdienst auch dem mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte Bestraften

es anders möglich, da die Gegenwart der Sozialpolitik gehört?

Disraeli   ist, wie nach seinem Tod in den englischen Beitungen zu lesen war, an dem eisigen Ostwind ge­storben, den feine noch so sinnreiche und kostspielige Vor richtung vollständig vom Krankenzimmer fern zu halten ver­mochte. Und dem Einfluß der politischen Atmosphäre können wir uns noch weniger entziehen, als dem des April­windes.

Den sozialpolitischen Beitinhalt von dem Roman, über­haupt von der Kunst ausschließen wollen, heißt dem Roman, der Kunst in der Gegenwart die Existenz ab­Sprechen.

Der sozialpolitische Roman ist der Roman der Gegen­wart. Und Disraeli   ist der Schöpfer des modernen sozial­politischen Romans.

Ein guter Uebersetzer hätte hier eine dankbare und sicher auch lohnende Aufgabe.

Sind in Coningsby" und" Sybil" die allgemeinen Sozialpolitischen   Anschauungen Disraeli's   niedergelegt, so hat er uns in Tancred" seine Ansichten über die orientalische Frage mitgetheilt. Ihr Engländer," sagt Fakredin, einer ber Helden, müßt den alten Plan Portugals   in großem Stile verwirklichen. Ihr müßt ein kleines und erschöpftes Land mit einem großen, weit ausgedehnten Reiche vertauschen. Laßt die Königin von England ihre Flotte versammeln, laßt Sie ihre Schäße, ihr Geld, ihr Goldgeräthe und ihre tost baren Waffen in die Schiffe verladen, laßt sie, begleitet von ihrem Hofftaat und ihren Großen, den Sit ihrer Regierung von London   nach Delhi   verlegen. Da wird sie ein unge­heueres Raiserreich fertig vorfinden, ein zahlloses Heer und glänzende Einkünfte. Ich will für Syrien   und Kleinafien forgen. Die einzige Möglichkeit, die Afghanen zu regieren, ist: durch Persien   und die Araber. Wir wollen dann die Kaiserin von Indien   als Oberlehnsherrin anerkennen und ihr die Küste der Levante   sichern. Wenn sie will, soll sie Alexandrien   haben, wir sie jezt Malta   hat. Das wäre zu machen. Eure Königin ist jung, sie hat eine Bukunft. Aberdeen   und Peel werden ihr niemals diesen Rath geben; fie stecken zu sehr in ihren gewohnten Vorstellungen und

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seien. Natürlich nach bekannter Reptilienmanter frech gelogen! Am ganzen Haus befindet sich auch nicht ein Fensterladen und eben so wenig waren die Thüren geschlossen. Die staatsanwalts schaftliche Untersuchung hat nun ergeben, daß auch nicht das ge­ringste Beweismaterial zur Erhebung einer Anflage vorlag, in Folge deffen die Untersuchung eingestellt wurde. Davon hat natürlich das obengenannte Organ der hiesigen Philister und Spießer noch nichts berichtet. Der Glaser meister Emil Ludwig denunzirte   aus Rachsucht den bei ibm früher beschäftigten Glasergesellen Louis Beckert wegen Verbreitung verbotener Schriften, Halten von aufrührerischen Reden u. s. w. Da nun legterer bei den seiner Zeit Vers hafteten war, so nahm man sofort eine Haussuchung vor und fonfiszirte Briefe und ein sozialdemokratisches Liederbuch. Die Denunziation war wieder umsonst; die staatsanwaltschaftliche Untersuchung mußte ebenfalls wieder eingestellt werden. wenigen Tagen wurde wieder bei zwei hiesigen Arbeitern eine Haussuchung vorgenommen, die aber resultatlos verlief. Unser Theil der Theil der Oberlaufis galt Neugersdorf  .

immer als Einöde in der Abeiterbewegung, wo fich niemand um die sonstige Arbeiterbewegung zu fümmern schien. Im Herzen der Arbeiter sah es freilich anders aus, da ver folgten fie jeden Vorgang und dachten auch daran, Mittel und Wege zu finden, ihre Lage zu verbessern. Man glaubte vielfach, die Oberlaufiger Arbeiter seien von der Intelligenz der übrigen sächsischen Arbeiter ausgeschloffen, doch es war nur der ungeheure materielle Druck, der auf ihnen lastete, welcher ste verhinderte, auch thatkräftig an der Arbeiterbewegung Theil zu nehmen. Kaum regt es sich allhier und beginnen sich Fach vereine zu bilden, als man auch schon die Bewegung ver­leumdet und denunzirt. Vor einiger Zeit hielt Herr Landtags­abgeordneter Kaden in Altgersdorf und Eibau   Volksversamm­lungen ab, wobei er allgemeine Zustimmung fand. Der Fabrik­befizer Wünsche in Ebersbach   hat, um der Arbeiterbewegung entgegen zu wirken, einen sogenannten Arbeiterverein gegründet. Mit Ach und Krach wurden 20 Mann zusammengebracht. In der Hauptsache sind es Beamten der Wünsche'schen Fabrik. Die Wünsche'sche Fabrik zeichnet sich durch sehr geringe Löhne aus, weshalb fich die Arbeiter im Frühjahr gezwungen sehen, die Arbeit einzustellen. Dafür wird aber als geistige Speise bas Ebersbacher Wochenblatt" unentgeltlich an die Arbeiter der Fabrik vertheilt. Gewiß eine interessante Lohnentschädigung. Die Löhne find in unserer Gegend die denkbar schlechtesten.

Aus Süddeutschland  . Nürnberg  , 20. Dezember. In den frühen Morgenstunden des gestrigen Sonntags wurde hier, wie überhaupt im ganzen Wahlkreise, von sozialdemokratischer Seite in 25 000 Exemplaren ein Flugblatt verbreitet, melches die vom Nürnberger Reichstagsabgeordneten Grillen berger im Reichstage anläßlich der Militärvorlage gehaltene Rede im Wortlaut enthielt. Noch im Laufe deffelben Vormit tags verfügte das fal. Bezirksamt die Beschlagnahme des Flug­blattes und gleichzeitig wurde auch in der Druckerei der sozial­demokratischen Fränt. Tagespost" Haussuchung nach etwa noch vorhandenen Exemplaren vorgenommen ohne Erfolg jedoch. Die Beschlagnahme wurde, nach Angabe des erwähnten Blattes, auf Grund des Sozialistengefeges angeordnet, weil in der Rede ein Say enthalten war, in welchem von der Ausbeutung der Arbeiter durch die Bourgeoisie, für die jene die Kriege führen müßten, gesprochen war. Herr Regierungsbaumeister Regler

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Vorurtheilen; sie sind zu alt, zu schlau! Aber ihr seht selbst: Das größte Reich das jemals bestand! Und hat sie das, so ist sie außerdem der Scheerereien mit ihren zwei Rammern enthoben. And alles ist völlig ausführbar, da der einzige schwierige Theil der Sache, die Eroberung Indiens  , an der Alexander der Große   scheiterte, bereits aus­geführt ist." din

1900

Der syrische Emir Fakredin, der diesen Bukunftsplan entwickelt, wird zwar von Disraeli   als ein hyperphantastischer, etwas windbeutlicher Patron geschildert, ist aber doch ein Stüd Disraeli  , und dreißig Jahre später hat der Premier­Disraeli den Zukunftsplan des Romanschreibers Disraeli  so weit irgend ausführbar verwirklicht.

Die Scheerereien mit den zwei Rammern" hat sich der Premierminister und Politiker Disraeli   aber sehr wohl gefallen lassen, ja Freude daran gefunden.

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Man glaube übrigens nicht, Tancred", der beiläufig ein englischer Adliger ist und sich zu Jerusalem   in eine Jüdin verliebt, die er wahrscheinlich auch heirathet, drehe sich bloß um das Asische Geheimniß"( Asiamystery). Tancred" bildet den Uebergang zu den beiden letzten Ro­und manen Disraeli's: Lothar Endymion", welche in der vornehmsten englischen Gesellschaft spielen und sich innerhalb des Kreises der Creme der Upper Tn­thousand der oberen Behntausend bewegen. En dymion", der wenige Monate vor dem Tode des Verfassers erschien, ist woht der schwächste Roman Disraeli's  ; die Gesellschaft ist etwas zu ungemischt und der Kultus der Macht drängt sich oft abstoßend vor.

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Aber auch dieser Roman trägt das Gepräge seines ge= nialen Urhebers und bildet ein Stüd Beitgeschichte.-Wer das neue England, wer die englische Gesellschaft kennen, hinter die Koulissen der englischen Politik blicken will, der muß Disraeli's   Romane nicht bloß lesen, sondern studiren.

Was Dickens   für die untere Mittelklasse, das ist Dis­ raeli   für die oberen Klassen. Sein Talent ist ein anderes, Sein Talent ist ein anderes, fein geringeres; und, mit einem umfassenderen Ueberblick begabt, ist es ihm besser gelungen, die unteren Klasser zu schildern, als Dickens   die oberen.d

Mit Dickens hat Disraeli   gemein, daß er seine Cha­

ist wieder von Stuttgart   abgereift, um seinen festen Wohnfis in einem Orte Thüringens   zu nehmen. In Stuttgart   war Herr Keßler von den Behörden vollständig unbehelligt.

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Eine konservative Stimme. Die hochkonservative, sozialistenfriedliche Hallische Zeitung" bringt in der zweiten Ausgabe ihrer Nummer 300 vom leßten Donnerstag folgende mit einem Redaktionssternchen versehene Notiz an hervorragen­der Stelle: Ein sozialistisches Flugblatt An die Arbeiter Berlins  ", gedruckt in Zürich  , ist in Berlin   zahlreich ver breitet worden. Daffelbe schließt mit den Worten: Vorwärts zu raftloser Thätigkeit und zum endlich befreienden Siege! Soch lebe die Sozialdemokratie". Die Sprache des Flugblattes ist eine gegen die Regierung und die Ausbeuterklasse" überaus erbitterte und kann auch nicht annähernd wiedergegeben werden. Vor der Verhängung des fleinen Belagerungszustandes und vor vor dem So zialistengeses wäre die Verbreitung solcher Flugblätter in Berlin   unmöglich gewesen, ohne die Sozialistenpartei selbst in den Augen der Bevölkerung aufs Tiefste zu schädigen." Die Thatsache, welche dieser Notiz zu Grunde liegt, ist unsern Lesern bekannt. Doch darauf kommt es hier nicht an. Der gesperrt gedrudte Nachfat ist es, der eine gewisse Bedeutung hat. Das tonservative Blatt erklärt, daß das ihm gewiß recht unangenehme Flugblatt eine Frucht des Sozialistengesetes ist. Vorher sei die Vere breitung eines solchen Blattes unmöglich gewesen. Das konser vative Blatt stellt sich somit auf Seite der Gegner des Sozialistengesetzes. Ob die ballische Beitung" den Nachsat selbst geschrieben oder einem anderen Blatte entnommen hat, darauf kommt es hier nicht an, weil derselbe ohne andere Quellenangabe und noch besonders durch ein Redaktionssternchen von dem konservativen Blatte vollständig für sich in Anspruch genommen wird.

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Das nächste deutsche Bundesschießen, so jammert die demokratische Franff. 3tg.", welches in Frankfurt   a. M. statt­finden soll, wird durch den Belagerungszustand in Frage ges stellt, denn Jeder, der eine Büchse tragen will, muß die Ers laubniß bei der Polizei nachsuchen. Dieser Jammerschrei erinnert ja bald an den herrlichen Vergleich des Herrn Land­raths Grafen Bismarck von der Hundesperre und den Aus­weisungen in Berlin  . Doch die nationalliberale Berliner  Börsenztg." und mit ihr die Nordd. Allg. 3tg." trösten die arme Frankfurterin mit folgenden Worten: Das Verbot des Waffentragens hat in ber Preffe Besorgnisse wegen des vom 3. bis 10. Juli nächsten Jahres hier abzuhaltenden deutschen  Bundesschießens geweckt. Da sich aber die Maßregel ledig­lich gegen die Sozialdemokratie richtet, so besteht bei den zus ständigen Behörden volle Geneigtheit, dafür zu sorgen, daß die von Nah und Fern erwarteten deutschen   Schüßen thre Stußen und Büchsen unbehelligt und ohne besonderen Wir Waffenschein nach Frankfurt   bringen können." haben gewiß nichts dagegen, wenn im nächsten Jahre in Frank­ furt   das deutsche   Schüßenfest abgehalten wird, aber so leicht geht es doch nicht ab, wie die genannten Blätter meinen. Die Maßregel des Waffenverbotes bezieht sich in einem belagerten Gebiet, wenn dieselbe auch auf Grund des Sozialistengesetzes erlaffen worden ist, nicht lediglich auf Sozialdemokraten, son­dern fie findet auf alle Personen Anwendung. So find in Berlin   bis jetzt an die 70 Verurtheilungen wegen verbotenen Waffentragens erfolgt, die sämmtlich teine Sozialdemokraten betroffen haben. Und wenn sich nun unter den Schüßen brüdern Sozialdemokraten befänden? Oder gar Anarchisten?

Die Heirathsziffer der preußischen Bevölkerung hat feit der Milliardenära stetig sich vermindert. Diese Thatsache ist ein flarer Beweis für den wirthschaftlichen Niedergang, welcher es immer größeren Bevölkerungsschichten zur Unmög lichkeit macht, sich zu verehelichen. Die Moralstatistik bat längst gezeigt, daß mit dem Steigen der Getreidepreise die Cheziffer fällt, daß mit der Verbilligung der Lebensmittel, mit der Beffe rung der ökonomischen Zustände, mit dem Emporschnellen der Arbeitslöhne, kurz mit der Erhöhung des proletarischen Standard of life die Heirathsziffer fich vermehrt. Nun ist in Breußen folgende Zahlenreihe ermittelt worden. Es tommen Neuver mählte auf je 1000 zu Anfang des Jahres Lebende: 1872 20,7, 1873 20,4, 1874 19,6, 1875 18,2, 1876 17,2, 1877 16,4, 1878 15,7, 1879 15,4, 1880 15,4, 1881 15,3, 1882 15,8, 1883 15,9, 1884 16,2, 1885 16,4. Erst in den Jahren 1884 und 1885 macht sich eine äußerst geringere Hebung bemerkbar. Nichts­destoweniger ist der Unterschied zwischen 1872 mit 20,7 und 1885 mit 16,4 Ghen immerhin noch ein ganz bedeutender. Von einem wirthschaftlichen Aufschwung wiffen diese Zahlen jeden­

falls nichts zu erzählen. Die gouvernem

Zur Sozialreform. Die gouvernemental gefinnte, sozial reformatorische ,, Elberf. 3tg." schreibt: Die Bearbeitung der Untersuchungsfrage über die Sonntagsruhe im Reichsamt des Innern ist ihrem Abschluß nahe. Dem Bundesrath und Reichstag   wird eine lebersicht der Bearbeitung zugehen. Die Behauptung, daß die Regierung fich zu teiner Gefet bevorstehenden Erweiterung der gebung entschließen werde, wird Recht be

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raktere aus seiner Umgebung nahm; seine Figuren leben. Es ist meist tadelnd behauptet worden, er habe Por träts und Karrikaturen geliefert. Unwillkürlich hat man ihm hiermit das größte Kompliment gemacht. Jedem wahrhaften Rünstler passirt es, daß das Publikum in diesem und jenem die Originale des Bildes entdeckt. Sehr natürlich; denn die Züge des Bildes sind aus der Wirklichkeit geschöpft. Aber der Künstler entlehnt den Menschen, welche ihm sozu fagen Modell stehen, nur einzelne 3üge, seine Gestalten schafft er selbst. Und das hat Disraeli   gethan. Sein Si­donia ist Rothschild   und ist nicht Rothschild  , sein Lord Noahampton ist Palmerston und ist nicht Palmerston u. f. w. Seine Gestalten leben, find aus dem Leben gegriffen, find aber feine Porträts.

Genug der Dichter Disraeli   steht dem Staatsmann Disraeli   ebenbürtig zur Seite. Er hat als Romandichter Hochbedeutendes geleistet, freilich, der genialste und wun derbarste Roman, den er gedichtet hat, ist das Leben Ben­ jamin Disraeli's  , Lordkanzlers von England.

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Was insbesondere den Noman Sybil angeht, so haben wir zur näheren Orientirung unserer Leser zu bemerken, daß derfelbe dem Gedanken entsprungen ist, in unseren modernen Kulturländern sei die soziale Frage die Hauptfrage, welche bie Regierungen zu beschäftigen habe, und könne sich dauernd feine Regierung behaupten, welche sich nicht auf die Arbeiter­Klasse stüße. Ein glühender Gegner des Manchesterthums, will Disraeli   ein Bündniß zwischen der Aristokratie einer und der arbeitenden Klasse andererseits zur Bekämpfung der manchesterlichen Mittelklasse( Bourgeoisie), die von den beiden Verbündeten wie von zwei Mühlsteinen zerrieben werden soll. Ein ähnliches Programm, nur ohne den Hintergrund des freien politischen Verfassungslebens der Engländer, ist zwanzig Jahre später zu Anfang der 60er Jahre Deutschland   entwickelt worden und findet sich auch heute noch in der Idee des sogenannten sozialen Königthums" dessen Anwälte beiläufig sehr wohl thäten, bei Disraeli  etwas in die Schule zu gehen.

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Wir brauchen nicht zu sagen, daß die Disraeli  'sche Idee ein Stückchen fonservativer Utopismus war er hat fie aber genial ausgestaltet, und die reaktionär- romantischen

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