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unglaubwürdig, daß fie aus Nachsucht eine wiffentlich falsche Anzeige erstattet haben sollten, sondern es wurde der Angeklagte Göttel für überführt erachtet und zu einer Geldstrafe von 200 Mark ev. 20 Tagen Gefängniß verurtheilt. Die beiden Denun zianten und Mitangeklagten tamen mit einer Geldstrafe von je 5 M. ev. 1 Tag Gefängniß davon. Der erste Angeklagte er. flärte, vom Rechte der Berufungseinlegung Gebrauch machen zu
wollen.
Verbrechen oder Irrtun? Das war die Frage, die gestern die erste Straffammer am Landgericht II in einem Wiederaufnahmeverfahren zu lösen hatte. Der Arbeiter, frühere Schneider Schallock war vor zwei Jahren vor demselben Forum zu 1 Monat Gefängniß verurtheilt worden, weil er dem Di reftor des Arbeitshauses zu Rummelsburg gedroht hatte, die ganze Anstalt in Brand steden zu wollen. Ehe er jedoch seine Strafe antreten konnte, verfiel er in Tobsucht, die seine Auf
London. St. Petersburg zahlreicher, in Paris seltener; auch neue Erkrankungen wurden aus Berlin , Hamburg , St. Peterss burg und aus Reg.- Bezirk Schleswig in gesteigerter, aus Breslau in gleich großer Bahl wie aus der Vorwoche gemeldet. Das Scharlachfieber hat in Danzig , Wien , London , St. Petersburg , Warschau weniger, in Berlin etwas mehr Sterbefälle veranlaßt; auch neue Erkrankungen wurden aus den meisten Diten, aus benen Berichte vorliegen, in geringerer, nur aus Hamburg und St. Petersburg in wenig vermehrter Zahl mitgetheilt. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin , Breslau , Harnover, Nürnberg , Braunschweig , Pest, Prag , London , Edinbura, St. Petersberg eine größere, dagegen in Dresden , Wien , Warichau, Paris eine fleinere, in Hamburg die gleich große wie in der Vorwoche. Neue Erkrankungen gelangten aus Berlin , Breslau , Hamburg , aus dem Regierungs bezirk Schleswig , ferner aus Wien , Chriftiania in größerer, aus Nürnberg , Kopenhagen und St. Petersburg in geringerer Bahlnahme in eine Frrenanstalt nothwendig machte. Er tam nach zur Anzeige. Die Zahl der Sterbefälle an Unterleibstyphus war in London , Paris , St. Petersburg eine fleinere als in der Borwoche, aus Königsberg fam fein weiterer Todesfall zur Mits theilung. Efrankungen tamen in Hamburg und St. Peters burg etwas zahlreicher zum Vorschein. An Flecktyphus wurde aus Prag 1 Todesfall, an epidemischer Genidstarre aus Nürn berg und Kopenhagen je 1 Erkrankung berichtet. Rosenartige Entzündungen des Bellgewebes der Haut wurden in feinem Orte in größerer Bahl Todesursachen. Der Keuchhusten nahm aleichfalls vielfach wie in Berlin , London , Liverpool, Paris , Wien einen milden Verlauf; auch zeigten fich in Hamburg und Kopenhagen neue Erkrankungen nicht häufi er. Aus Berlin fam 1 frantung an Trichinofis, aus St. Petersburg 1 Todes. fall an Tollmuth zur Mittheilung. Aus Wien mird 1 Todes fall an Pocken berichtet, aus Lyon 2, aus Paris 4, aus Warschau 7, aus Triest 8, aus Prag 15; neue Erkrankungen aus Best 1, aus Wien 2.
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Der Gesundheitszustand in Berlin blieb auch während dieser Berichtswoche ein günstiger und die Sterblichkeit fait die gleich niedrige wie in der Vorwoche. Insbesondere haben Er frankungen und Sterbefälle an Darmlatarrhen und Brechdurch. fällen der Kinder einen weiteren Rüdgang erfahren, obwohl die Bahl der durch diese Krankheitsformen bedingten Sterbefälle noch immer eine erheblich größere als die normale war. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war gleichfalls eine verminderte. Akute Entzündungen der Atmungs organe zeigten sich ebenfalls seltener. Dagegen fanden Masern befonders in Der Friedrich Wilhelmstadt und Moabit , Diphtherie namentlich in der jenseitigen Luisenstadt größere Verbreitung, während Erkrankungen an Scharlach seltener und an typhösen Fiebern in gleich beschränkter Zahl wie in der Vorwoche zur Meldung gelangten. Weitere Erkrankungen an Bocken find nicht bekannt geworden. Erkrankungen im Wochenbett und an rosenartigen Entzündungen des Bellgewebes der Haut tamen nur vereinzelt zur ärztlichen Beobachtung, Er frankungen an Keuchhusten haben angenommen, die Zahl der Sterbefälle sant auf 2. Eine Erkrankung an Trichinofis ges langte zur Aufnahme in ein Krankenhaus. Rheumatische Be schwerden aller Art zeigten in ihrem Vorkommen im Vergleich zur vorhergegangenen Woche feine wesentliche Veränderung.
Polizeibericht. Am 1. d. M. Morgens wurden auf dem Flur des Hauses Karlsbadstr. 6 und hinter dem Thorwege des Hauses Biegelftr. 31 Leichen neugeborener Kinder aufgefunden und nach dem Leichenschauhause gebracht. An demselben Tage Bortaittags stürzte ein Maurer in einem Zimmer des Königl. Schlosses beim Abrüsten von der Leiter und erlitt eine Quetschung des linken Ellenbogens und anscheinend innere Verlegungen, so baß er nach dem Krankenhause gebracht werden mußte. Als Nachmittags der Kutscher Saalfeld im Hause Potsdamerfir. 123 ein Faß Bier in den Keller schaffte, glitt er auf der Treppe aus und erlitt dadurch mehrfache Quetschungen am Kopfe, so daß er nach dem Elisabeth Krankenhause gebracht werden mußte.- Um dieselbe Zeit wurde vor dem Hause Landsbergerplaz 2 ein obdach loser Tischler durch einen Möbelwagen und vor dem Hause Stralauerplay 3 ein 72 Jahre alter Arbeiter von einem leeren Koblenwagen überfahren. Ersterer mußte infolge der erhaltenen Verlegungen nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht werden, während lepterer nur eine Verlegung der linken Hand erlitt. Nachmittags wurde ein Dienstmann in seiner Woh nung am Grünen Weg erhängt aufgefunden. Im Laufe des Tages fanden 5 kleinere Brände statt, welche zum Theil durch die Feuerwehr, zum Theil durch die Hausbewohner gelöscht
wurden.
Gerichts- Zeitung.
Der Straffenat des Kammergerichts verhandelte in der Revistonsinstanz über folgende, ebensowohl für Miether wie Vermiether und speziell für Berliner Verhältniffe wichtige Frage, nämlich ob für das Beziehen einer neuen Wohnung in dem Falle, daß für das betreffende Gebäude der polizeiliche Ge brauchsabnahmeschein nicht ertheilt ist, nur der Vermiether allein, oder auch der Miether strafrechtlich verantwortlich ist. Swei hiesige Bürger hatten eine Wohnung in neuem Hause auf die Versicherung der Vermiether hin, daß der betreffende Abnahmeschein bereits ertheilt worden sei, gemiethet und waren dort eingezogen, worauf fte aber wegen Uebertretung der§§ 39 unb 44 der Baupolizei Ordnung vom 15. Januar 1887, welche das Be ziehen solcher neuer polizeilich nicht abgenommener Wohnungen verbieten, angeklagt, aber sowohl vom Schöffengericht wie von Straffammer IVa des Landgerichts I freigesprochen wurden. Die Staatsanwaltschaft legte nach dem B. T." hiergegen die Ne vifion ein, ausführend, daß die Angeflagten verpflichtet gewesen wären, fich den Abnahmeschein vom Vermiether vorlegen zu laffen, oder bei der Polizei Erkundigung über die Abnahme ein zuziehen. Bu einer Auskunftsertheilung in dieser Beziehung seien Die betr. Polizeibureaus, wie seiner Beit amtlich und durch die Breffe bekannt gemacht worden sei, verpflichtet gewesen. Der Senat erachtete diese Ausführungen für zutreffend, hob demzu folge die freisprechenden Entscheidungen auf und verurtheilte die Angeklagten zu je 1 M. Geldstrafe.
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Eine Verhandlung wegen Vergebens gegen das Nahrungsmittelgesel, die gestern die 87. Abtheilung des Schöffengerichts befchäftigte, erhielt dadurch ein eigenartiges Ge präge, weil die Denunzianten ebenfalls auf der Anklagebant Plaz zu nehmen hatten. Die bei den Kellner Büttel und Kuß hatten eine Anzeige eingereicht, daß fte, während fte in den Diensten des Restaurateurs Göttel in der Straußbergerstraße standen, von ihrem Brotherrn angehalten worden waren, Bier neigen mit frischem Bier zu verschneiden und dies Gemisch den Gästen vorzuseßen. Die Anklagebehörde zog Darauf nicht nur den Beschuldigten, sondern auch die Denunzianten wegen Beis hilfe zur Verantwortung. Im Verhandlungstermin behauptete Der Angeklagte Göttel, daß er das Opfer eines niedrigen Rache plans sei, den die beiden Mitangeklagten gegen ihn ausgehect; er stellte unter Beweis, daß er sein Geschäft seit 20 Jahren zur vollen Bufriedenheit der Behörde geführt und niemals eine Bolizeiftrafe bezahlt habe. Die beiden Mitangeklagten bleiben Dagegen mit großem Nachdrucke bei ihren Behauptungen. Wie derbolt hätten die Gäste sich über die Schlechtigkeit des Bieres bei ihnen beschwert und es sei sogar vorgekommen, daß man es ihnen vor die Füße gegoffen habe. Wenn sie fich geweigert hätten, den Gästen derartiges Gebräu" vorzuseßen, habe der Angeklagte Göttel fte für dumme und einfältige Leute vom Lande gescholten, und um nicht ihrer Stellung ver luftig zu gehen, hätten ste nachgeben müssen. Kuß wollte nach 14tägiger Dienstzelt seine Stellung geopfert haben, weil er es nicht länger mit ansehen konnte." Trogdem Die feindselige Stimmung der beiden Denunzianten und Mitangeklagten gegen ihren früheren Brotherrn in der Verhandlung Har zu Tage frat, hielt der Gerichtshof fie doch nicht für so
Dalldorf, und da er in Hamburg heimathsberechtigt war, später dorthin. Diese Reise hat er zweimal unternehmen müssen. Der Angeklagte litt schon seit langer Zeit an Geistesstörung . Beim Militär ließ er sich aus diesem Grunde einen Mißbrauch der Waffe zu Schulden kommen. Er wurde deshalb bestraft. Später fant er von Stufe zu Stufe, denn wegen seines eren trischen Wesens fonnte er nirgends dauernde Beschäftigung finden. So wurde er schließlich Landstreicher und Bettler, bis er ins Arbeitshaus gelangte, wo er in Tobsucht verfiel. Das Urtheil lautete auf Freisprechung.
Eine besonders die Schiffer interesfirende Anklage wegen Unterschlagung gelangte gestern vor der 87. Abtheilung des Schöffengerichts zur Verhandlung. Der Schiffer Drüfter holt hatte in diesem Frühjahre eine für die Berliner Brotfabrik bestimmte Ladung Getreide nach hier zu fahren. Nach Abnahme der Ladung wurde der Fabrik die Mittheiluns, daß in dem Kahne des D. noch mehrere Bentner Getreide fich befanden und machte die Adresatin hierauf Anspruch. D. weigerte fich und 30g fich eine Anklage wegen Unterschlagung zu. Derselbe gab Die Thatsache im Termine unumwunden zu, behauptete aber, daß die Brotfabrit teinen Anspruch an den Ueberschuß habe. Sie habe laut Frachtbrief 130 Wispel, die fle selbst abwägen ließ. erhalten und bezahlt, ein Weiteres stände ihr nicht zu. Wenn der Absender zu reichlich gewogen habe, dann habe derfelbe es im Intereffe des Schiffers gethan, wie dies überhaupt Gebrauch sei, weil der Schiffer fich mit seinem Kahne und seiner sonstigen Sabe für die richtige Ablieferung der Ladung verpflichten und etwaigen Feblbetrag ersegen müsse. Während der Staatsanwalt diese Auffaffung als eine irrige bezeichnete und eine Gefängnißftrafe von 4 Wochen beantragte, erkannte der Gerichtshof auf Frei sprechung. Im Zivilverfahren würde sich sehr darüber streiten laffen, wem der Ueberschuß gehöre, und sei es jedenfalls nicht nachzuweisen, daß der Angeklagte in bösem Glauben gehandelt habe.
Eine Beleidigung in der Sprache der Taub#tummen bildete die Grundlage einer Privatflage, welche die taubstummen Tischlermeister Lose'schen Eheleute gegen den eben falls taubstummen Tischlermeister Schüß angestrengt haben. In einer im Auguft cr. vor der 100. Abtheilung des Berliner Schöffengerichts stattgehabten Verhandlung stellte sich heraus, daß sowohl die Parteien als die geladenen drei Beugen taub stumm sind und mit ihnen daher nur mittelst eines Dol metschers verhandelt werden kann. Den Klägern wurde daher aufgegeben, aur Dedung der Kosten einen Gebührenvorschuß einzuzahlen, was auch geschehen ist. In dem zu gestern anberaumten neuen Termine waren die Kläger , die Zeugen und eine Dolmetscherin erschienen, von dem Beklagten aber Mittheilung eingegangen, daß er infolge Verzugs nach Budapest nicht ers fcheinen tönne. Es wurde nun den Klägern begreiflich ge macht, daß fie unter so bewandten Umständen am besten thäten, Die Klage zurückzunehmen, da in Abwesenheit des Angeklagten nicht verhandelt werden dürfe. Hierauf wollten die Kläger durchaus nicht eingeben, und wurde nach längerm Unterhandeln der Ausweg gewählt, den Beklagten in Budapest durch einen ersuchten Richter über die Privatflage vernehmen und von ihm den Antrag entgegennehmen zu laffen, ihn vom Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden(§ 232 Str. Br.D.). Diese Prozedur ist aber abhängig gemacht von der Erlegung eines neuen Vorschuffes binnen 14 Tagen. Ist der Nachweis hierfür nicht rechtzeitig erbracht, so wird das Verfahren auf Kosten der Kläger eingestellt.
Eine recht dreißte Hausdiebin beherbergte der Rektor Dtte in der Person des Dienstmädchens Anna Matschle eine Beit lang in seiner Familie. Herr Otte benutte einen Mitteltaften seines Buffets als eine Art Tresor, in welchem er seine Gelder aufbewahrte. Es stellte sich bald heraus, daß ein Un befugter fich den Butritt zu verschaffen wußte, denn Herr Dtte fonnte wiederholt das Fehlen von Geld feststellen, ja es tam furz hintereinander vor, daß zuerst ein Fünfzig Markschein, dann aber zwei Hundert- Markscheine verschwanden. Alle Nach forschungen nach dem Gelde blieben vergeblich, der Verdacht lentte fich aber schließlich auf das Dienstmädchen, die allein Gelegenheit hatte, den Schlüffel zum Buffet unbemerkt zu erlangen. Trogdem fein Geld bet dem Mädchen vorges funden wurde, gelang es doch, dasselbe durch einen Indizienbeweis vollständig zu überführen und nachzuweisen, daß fle ganz bedeutende Einfäufe an Kleidern und Bußfachen gemacht hatte. Der Gerichtshof hielt ihre Schuld für vollständig er wiesen und verurtheilte fte zu einem Jahr Gefängniß.
Die Vornahme einer Zwangsvollstreckung hat für den Gerichtsvollzieher Wilhelm Götting eine Anklage wegen Anstiftung zum groben Unfug zur Folge gehabt, welche geftern vor dem hieftgen Schöffengericht gegen ihn, sowie den Kutscher Wilhelm Sauer und den Arbeiter Ludwig Steinecker verhandelt wurde. Der Gerichtsvollzieher nahm am 2. Juli Abends gegen 8 Uhr in der Alten Jakobstr. 48 eine Pfändung vor und ließ die gepfändeten Sachen aus dem Bartels'schen Geschäft durch die beiden Mitangeklagten nach einem auf dem Straßen Damm haltenden Wagen tragen. Dieser Att erregte einen ges waltigen Auflauf: es sammelten sich zahlreiche Menschenmassen vor der Ladenthür, welche sowohl den Gerichtevollzieher ver höhnten, als auch die beiden Träger der Sachen oft arg um drängten. Den beiden legtgenannten scheint schließlich der Ges duldsfaden gerissen zu sein, denn Sauer wurde durch die An flage beschuldigt, einen Vorübergehenden aus reinem Muth Brust gestoßen und dann noch ins Geficht geschlagen zu haben, während Steinecker einen anderen Baffanten nicht nur geschlagen, sondern ihm auch ein schweres Brett mit Wucht auf die Füße geworfen haben soll. Die Betroffenen, die allem Anscheine nach die Opfer einer Personenverwechselung waren, behaupteten nun, daß der Gerichts vollzieher die Träger durch den Zuruf: Macht doch mit den Kerls hod, hod!" zu der That angestiftet und dadurch den großen Auflauf erst veranlaßt habe. In dieser Beziehung wurde aber so wenig erwiesen, daß der Gerichtshof nach dem Antrage des Rechtsanwalts Leopold Meyer den Angeklagten Götting nicht nur freisprach, sondern auch die Kosten der Vertheidigung Der Staatstaffe auferlegte. Sauer und Steinecker, wurde wegen groben Unfugs ersterer zu 7 M., letterer zu 2 M. Geldbuße verurtheilt.
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Eine Anzeige wegen wiffentlich falscher Anschuldigung hatte der Fuhrherr Mertens gegen den Direktor der Neuen Berliner Omnibus und Packetfahrt Aktiengesellschaft, Herrn Major von Lindheim, bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht I eingereicht, nachdem er, auf die Anzeige des Herrn v. Lindheim hin wegen Bergebens gegen das Droschtenpolizei reglement unter Anflage geftellt, in der Hauptverhandlung aber vom Schöffengerichte, wie wir in Nr. 202 des Berl. Boltsbl." berichtet haben, freigesprochen worden war, well, wie das er gangene Urtheil begründend ausführte, durch das glaubhafte
eidliche Beugniß des Schußmanns Neh nicht erwiesen ist, daß der Angeklagte zu Berlin am 8. Mai d. J. in der Mohren ftraße fich als Droschkentutscher dem Publikum gegenüber unhöf lich benomm n hat" u. s. w. Daraufhin hat Mertens von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht 1 folgenden Bescheid er halten: Auf Ihre Denunziation vom 4. Sept. gereicht Ihnen zum Bescheide, daß ich gegen den Major a. D. von Lindheim nicht einschreiten werde. Die Anzeige des letteren hat sich in der ges richtlichen Verhandlung vom 23. Auguft d. J. keineswegs als ,, völlig unwahr erwiesen. Der einzige vernommene Beuge Schußmann Reh hat nur über Ihr Betragen nichts befundet. Damit ist aber noch feineswegs erwiesen, daß Sie das Ihnen zur Last gelegte unhöfliche Benehmen nicht doch an den Tag gelegt haben. Nach den Aussagen des im vorbereitenden Ver fahren vernommenen Beugen Köhler ist vielmehr für erwiesen zu erachten, daß Sie zu dem Herrn Major v. Lindheim gesagt haben, er solle nicht solchen Radau machen und sich anständig benehmen Diese Nebensart, im Munde eines Droschkentutschers, gegenüber einem föniglichen Major muß als absolut unschicklich erachtet werden. Ueberdies würden einzelne Uebertreibungen in der Strafanzeige diefelbe noch nicht zu einer wiffentlich falschen im Sinne des§ 166 des Reichs Strafgesetzbuches machen. Der erste Staatsanwalt. J. A.: Hoppe. An den Fuhrherrn Herrn E. Mertens, hier."- Gegen diesen Bescheid hat Mertens nun mehr Beschwerde erhoben.
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Die Voruntersuchung gegen den bekannten Hauptmann Sidney D'Danne wird in nächster Zeit zum Abschluß gelangen und dürfte genügendes Belastungsmaterial zur Erhebung der Anklage ergeben. Die Verhandlung wird vor einer der Straf fammern beim Landgericht 1, stattfinden. Die Vertheidigung hat der Rechtsanwalt Dr. Fr. Friedmann übernommen.
Einem im Kriminalgerichtsgebände längst gefühlten Bedürfniß ist jetzt abgeholfen worden, nachdem seit dem 1. d. M. ein Telephonanschluß in dem Bimmer der Rechtsanwälte eingerichtet wurde.
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Reichsgerichts- Entscheidung.( Nachdrud verboten.) Leipzig , 1. Oftober.( Fahrläfftge Töötung durch Medizingift.) Der Aufsehen erregende Fall unerhörter Fahrlässigkeit eines Arztes in Straßburg ( Elsaß ), durch den zwei Menschen vergiftet wurden, kam dieser Tage vor dem 1. Straffenat des Reichs aerichts in der Revisionsinstanz zur Verhandlung. Der Dr. med. Floden wollte zwei franken Männern Zeitlosentinttur( tinctura Colchici) verschrieben, irrte fich aber und verschrieb Extractum Colchici, welches 100 mal stärker ist. Beide Rezepte wurden zu verschiedenen Beiten, aber jedesmal mit demselben Fehler, ge schrieben. Dieselben wurden in die Apotheke von Jakob Greiner geschickt, um angefertigt zu werden. Greiner selbst war an ienem Tage den 31. Dktober v. J. auf die Jagd ge gangen und hatte zu seiner Vertretung den Gehilfen Alfred Wolf zurückgelaffen, welcher erst 14 Tage in seinem Geschäfte war und furz vorher das Lehrlingsexamen gemacht hatte. Wolf fertigte ruhig die beiden Rezepte an und wurde auch durch den Umstand nicht stupig gemacht, daß er Extr. Colch. in den Repofitorien der Apotheke nicht vorfand. Er mußte diefen Stoff eist durch den Lehrling Andres aus dem 5. Stock holen laffen. Die beiden Kranten nahmen die Medizin im guten Glauben an ihre lindernde Wirkung, starben aber furz darauf. Als Greiner hiervon Kenntniß erhielt, that er alles, um den Sachverholt zu vertuschen, er beseitigte die Originalrezepte, vera brannte die Kladde, in welche diefelben eingetragen waren, und erfette das erst vor kurzem in Gebrauch genommene Rezeptir buch durch ein neues. Er that dies hauptsächlich, um den Dr. Flocken, seinen intimen Freund, vor Strafe zu schüßen, dann aber auch, um feine Apotheke nicht in schlechten Ruf tommen zu laffen. Das Landgericht Straßburg verurtheilte am 12. Mai den Dr. Flocken und den Apothekergehilfen Wolf wegen fahr läffiger Tödtung, ersteren zu 9, legteren zu 2 Monaten Ges fängniß, den Apothekenbefizer Greiner aber wegen Begünstigung zu 2 Wochen Gefängniß, während der Lehrling Andres freis gesprochen wurde. Von den Verurtheilten hatten Greiner und Wolf Revision eingelegt. Ersterer behauptete, bei Ver nichtung des Belastungsmaterials für Dr. Flocken habe er nur beabsichtigt, sein eigenes Renomme zu wahren; daß dies dem Dr. Floden zu Gute gekommen wäre, sei zwar richtig, aber fein Dolus set nicht darauf gegangen. Wolf rügte, daß ihm mit Unrecht die Verantwortung aufgebürdet sei, da er noch nicht die nöthigen Kenntnisse beseffen habe und den Dr. Floden nich habe rettifiziren fönnen. Das Reichsgericht verwarf jedoch beide Revisionen, da die Schuld der Angeklagten ohne Rechts irrthum festgestellt sei.
Vereine und Versammlungen.
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Der Fachverein der Tischler hielt am Sonnabend, den 22. September, eine Mitgliederversammlung ab, in der Herr Direttor Jeffen einen Vortrag über:„ Das heutige Fachzeichnen der Tischler" hielt. Der Vortragende schilderte in eingehender Weise, wie fich das Fachzeichnen der Tischler aus seinen un vollkommenen Anfängen bis zu seiner jeßigen Form ausgebildet habe. Er legte die Nüglichkeit des Beichnens dar und richtete einen warmen Appell an die Mitglieder. Wer Lust und Freude am Lernen finde, der möge fich vertrauensvoll an die Handwerkerschule wenden. Jm zweiten Punkt der Tagesordnung tam die Angelegenheit des Kollegen Neumann gegen den Tischlermeister Bieger zur Verhandlung. Herr Bieger war tros Einladung nicht erschienen. Nach Berichterstattung seitens der Werkstattkontrolfommiffion wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Die heutige Mitgliederversammlung des Fach vereins der Tischler hat Kenntniß genommen von dem Bericht Der Werkstattkontrollommission in der Angelegenheit Neumann gegen Tischlermeister Bieger, fte erkennt, daß Kollege Neumann nicht forrett gehandelt hat, da er verpflichtet war, seine Ange legenheit der Werkstattkontrolfommission zu unterbreiten; die Versammlung erfteht aus dem Bericht, daß jener Kollege, der 4 M. Lohn für 60 Arbeitsstunden erhalten haben sollte, that fächlich 14,05 m. erhalten hat; andererseits erkennt fie aber auch, daß in der Werkstatt Zustände herrschen, die nicht menschenwürdige genannt werden können." Des weiteren berichtet der Bevollmächtigte der Werkstattkontrol tommiffion, Kollege Millarg, über die in der jüngsten Zeit in Berliner Zeitungen verlangten Gesellen nach Oldenburg , nach Breslau und nach London . In der fich daran Inüpfenden Diskussion wurde davor gewarnt, auf solche Annoncen hin Arbeit zu nehmen, ohne sich wenigstens um Aus funft an eine dortige Organisation gewandt zu haben. Da ein Mangel an Arbeitsfräften nirgend vorhanden ist, so bandelt es fich bei solchen Gesuchen meist darum, billige Arbeitskräfte heran zuziehen, oder durch Vermehrung des Angebots die Preise zu brüden oder aber womöglich gar im Lohnkampf befindliche Kollegen zu erseßen. Ein Redner, der selbst längere Zeit in London gearbeitet hat, warnt auch vor dem Buzug nach dort; auch in London find maffenhaft Arbeitskräfte vorhanden. Die dorthin gelockten deutschen Arbeiter werden als Preis brüder benutzt und deshalb von den englischen Kollegen nicht gerade freundlich angesehen. nicht gerade freundlich angesehen. Man möge fich nicht durch anscheinend hohen Verdienst blenden laffen, da auch der Lebensunterhalt dort bedeutend theurer fei. Wer dennoch nach London gehen will, möge fich an eine dortige Organisation wenden. Die Anmeldungen für die Handwerkerschule finden noch bis zum 6. Dftober Lindenstr. 97, Abends von 6-8 Uhr, statt. Die Mitglieder, welche am Unterricht theilnehmen, mögen fich in der Versammlung unter Vorzeigung ihrer Karte bei Kollege Millarg melden. Die nächste Versammlung findet am Sonne abend, den 6. Oktober, in Jordans Salon, Neue Grünstr. 28 statt. Tagesordnung: Vortrag und Vereinsangelegenheiten. Ausgabe der Billets für das am 23. Ottober in Heidricks Sälen stattfindende Vergnügen und Aufnahme neuer Mit glieder in der Versammlung, sowie auf den Bahlstellen.