Mr. 153.
Donnerstag, den 4. Juli 1889.
6. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das Berliner Volksblatt"
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. Bei Abholung aus unserer Expedition Zimmerstraße 44 1 Mark pro Monat. Postabonnement 4 Mark pro Quartal. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1889 unter Nr. 866.) Für das Ausland: Täglich unter Kreuzband durch unsere Expedition 3 Mark pro Monat.
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Redaktion: Beuthstraße 2. Beuthstraße 2.- Expedition: Expedition: Bimmerffrake 44.
Offiziöles Material.
III.
Material.bigten Aussage des Buchdruckers W. Bührer, daß er im Auftrage Schröders und für von diesem geleistete Bezahlung 1882 etwa acht Nummern der Most'schen Freiheit" gedruckt habe. Von allen sonst in den betreffenden Schriftstücken genannten Personen, Stellmacher, Kammerer, Kennel, Neve, Peukert und Kaufmann, sämmtliche Anarchisten und die beiden lettgenannten ebenfalls im Dienst der Polizei stehend, wird keine Aeußerung oder Mittheilung aufgeführt, sondern nur nach den Angaben Schröderserwähnt, daß der letztere mit ihnen verkehrt, ihren Konferenzen präsidirt oder doch beigewohnt, und im Auftrag eines Londoner Komitee's" und unter Assistenz von Stellmacher, Kaufmann, dem Maler Schneider und drei anderen Personen den Vertrag wegen des Druckes der Freiheit" mit Bührer den Vertrag wegen des Druckes der Freiheit" mit Bührer abgeschlossen hat.
Die Lüge, daß der Polizeihauptmann Fischer ein Sozial demokrat sei, haben wir bereits zurückgewiesen. Wenn wir trotzdem auf den Namen dieses Herrn noch einmal zurücktommen, so geschieht es, weil die Nordd. Allg. 3tg.", im Anschluß an die Behauptung, Fischer sei ausgesprochener Sozialdemokrat", schreibt, die von den Abgeordneten Singer und Bebel 1888 im Reichstag vorgebrachten Angaben über das Treiben der Nichtgentlemänner" in der Schweiz seien in der Schweiz seien von Fischer zumeist auf Grund unwahrer Angaben der betheiligten Sozialrevolutionäre zusammengestellt wor den, zu dem offenkundigen 3weck, auf die preußische Regierung und die ihr unterstellten Organe den Vorwurf der Provokation zu laden.."
Warum Herr Polizeihauptmann Fischer den beiden Abgeordneten auf ihre Anfrage eine bestätigende Antwort gab, dafür haben wir den Grund mit Fischers eigenen Worten gestern bereits angegeben. Nur diese Bestätigung liegt aber in den bekannten Schriftstücken vor, die der Abgeordnete Singer am 27. Januar 1888 im Reichstag vorlegte. Daß Fischer den Abgeordneten auch das Material geliefert habe, das hat zwar der be- kannte Major Attenhofer in seinem Stadtboten" behauptet, es wird aber dadurch nicht wahrer, daß die Nordd. Allg. 3tg." dem Attenhofer diese Behauptung nachdruckt. Auf diesen Punkt wollen wir übrigens nicht weiter eingehen, weil wir die näheren Umstände, wie die beiden Abgeordneten zu ihrer Wissenschaft tamen, nicht kennen.
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Was wir uns aber näher befehen wollen, das ist die Behauptung der Nordd.", die von Singer und Bebel ge= druckt im Reichstag auf den Tisch des Hauses niedergelegten Mittheilungen über das Treiben der Spitzel Schröder und Haupt und deren Beziehungen zur deutschen politischen Polizei beruhen auf Grund zumeist unwahrer Angaben der betheiligten Sozialrevolutionäre".
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Bunächst einmal die Frage: welche Sozialrevolutionäre Will waren denn betheiligt? Schröder und Haupt? mun die ,, Norddeutsche" leugnen, daß diese beiden ,, Ehrenmänner" Jahre lang Haupt volle sieben Jahre im Dienste der deutschen Polizei standen und Schröder dafür erst monatlich 200 M. und dann später 250 M., Haupt aber erst 100 M. und dann später 200 Fr. pro Monat erhielten?
Sind nun diese beiden notorischen und zwar das Wort nicht im Puttkamer'schen Sinne angewandt- Lock Spigel die ,, betheiligten" Sozialrevolutionäre?
Wenn aber Schröder und Haupt nicht, wer denn sonst? Die dem Reichstag vorgelegenen Mittheilungen gaben nur wieder, was Schröder und Haupt während ihrer Unterfuchung ausgesagt haben. Keine weiteren Angaben sind darin enthalten, mit Ausnahme der besonderen amtlich beglau
Feuilleton.
[ Nachdruck verboten.]
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Der Purifikator zog seine Nase noch tiefer in die Kapuze hinein und spuckte ein und das andere Mal Stücke seines Kautabaks in die Donau .
Spucken Sie doch bei solchem Wetter nicht ins Waffer; die Donau verträgt das nicht. Was aber der Komorner Kalender sagt, ist ein Evangelium. Gerade vor zehn Jahren hat er auch prophezett, daß im November Frost eintreten wird. Ich trachtete daher auch mit aller Eile nach Haus zu kommen mit meinem Schiff. Ich war auch damals auf der heiligen Barbara. Die Anderen lachten mich aus. Am 23. November aber trat plößlich Kälte ein, und die Hälfte der Schiffe fror ein, die einen bei Apathin, die Andern bei Földvar. Da war an mir die Reihe zu lachen. Hilf Jefu Christ! Taucht an am Ruder!
e.. e!"
He Der Wind legte sich wieder wüthend gegen das Schiff. Dice Schweißtropfen rannen dem Steuermann über die Wangen herab, während er bemüht war, das Steuerruder herumzureißen, doch bedurfte er dazu keiner Beihilfe. Er belohnte sich dafür mit einem Schluck Branntwein, nach dem feine Augen noch gerötheter aussahen.
Nun, wenn uns der Herr Jesus nur an diesem Steinpfeiler vorüber hilft," stöhnte er mitten in seiner Anstrengung. Taucht an, Ihr Jungen, dort am Ruder! Wenn wir nur glücklich um diesen Stein herumkommen!"
Dann kommt noch ein 3weiter."
" Ja, und noch ein Dritter, und ein Dreizehnter und wir müssen beständig den Meßnergroschen im Munde bereit
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Wo stecken also die von Sozialrevolutionären herrührenden unwahren Angaben?
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Wenn aber die Nordd." mit den Sozialrevolutionären wirklich die beiden Lockspißel Schröder und Haupt bezeichnet haben will wogegen wir nichts einzuwenden haben, so bleibt immer noch die Frage unbeantwortet: welche Angaben von Schröder und Haupt sind denn unwahr?
Waren Haupt und Schröder nicht im Dienst der deutschen Polizei?
Wurden sie für ihre Kundschafterdienste nicht bezahlt? Wurde bei Schröder keine Kiste Dynamit gefunden, die aus der Dynamitfabrik Opladen( Regierungsbezirk Düssel dorf ) stammte?
Hat Schröder 1883 den Konferenzen der Anarchisten in der Schweiz beigewohnt oder nicht, auf denen die Mordtaktik beschlossen und auf die kurz darauf die bekannten grauenvollen Verbrechen in Straßburg , Stuttgart und Wien folgten, die von Theilnehmern der betr. Konferenzen ausgeführt wurden?
Ist es wahr oder nicht wahr, daß der Anarchist und Lockspizzel Kaufmann, übrigens auch ein Theilnehmer an den Konferenzen, den Verkehr zwischen der Polizei und Schröder
vermittelte?
Ist es weiter wahr oder ist es falsch, daß Schröder, als Vorsitzender der Holzarbeitergewerkschaft, bei jeder Gelegen heit den Anarchisten herausgekehrt, auf die gemäßigten" Sozialdemokraten geschimpft und die Gewalt als das einzige Mittel zur Rettung" angepriesen hat?
Um auch auf Haupt zu kommen: Ist es wahr, daß derselbe in den Jahren 1881 und 1884 persönliche Besuche der Leiter der deutschen politischen Polizei in Genf hatte und bei diesen Gelegenheiten direkte Instruktionen erhielt, wie man es machen müsse, um aus den in Genf lebenden Russen und Polen , mehr" heraus zu bekommen?
Oder ist es etwa unwahr, daß der Lockspizel Schröder die Freiheit" bei Bührer drucken ließ und bezahlt hat? Was also ist von allen diesen Angaben andere befinden
halten, denn in jeder Stunde stolpern wir über unseren Sargdeckel hinweg."
Hören Sie einmal, guter Freund," sagte der Purifikator, seine ganze Tabakrolle aus dem Munde herausnehmend, Euer Schiff, glaube ich, führt nicht blos Weizen."
Meister Fabula sah dem Purifikator unter die Kapuze und zuckte mit den Achseln. Was fümmert's mich. Wenn Kontrebande auf dem Schiff ist, bleiben wir wenigstens nicht in der Quarantaine und kommen auch schneller vorwärts."
„ Wie so?"
Der Steuermann beschrieb mit der Faust hinter seinem Rücken einen Birkel, worauf der Purifikator in ein lautes Gelächter ausbrach. Hatte er wohl den Sinn der Pantotomime verstanden?
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Da sehen Sie nur," sprach Johann Fabula, seitdem ich das letzte Mal hier gefahren bin, hat der Stromlauf sich schon wieder verändert; wenn ich jest nicht vor den Wind hinsteuere, so gerathen wir in den neuen Wirbel hinein, der unter dem Felsen der Liebenden" entstanden ist. Sehen Sie, wie dies höllische Ungethüm da beständig dicht neben unserem Schiff herschwimmt? Das ist ein alter Hausen. Er hat mindestens seine fünf 3entner. Wenn diese Bestie so mit dem Schiff um die Wette schwimmt, dann giebt's immer ein Unglück. Hilf Jesus ! Wenn er mir nur so nahe käme, daß ich ihm den Enterhaken in den Rücken stoßen fönnte. Hilf Jefus! Dieser Kommissär schleicht schon wieder um die Griechin herum, statt den Vorreitern zu tuten. Die bringt uns auch nur Unglück. Seitdem sie auf dem Schiff ist, bläst immer der Nordwind. Mit der ist's auch Schiff ist, bläst immer der Nordwind. Mit der ist's auch nicht richtig. Weiß ist sie, wie ein Geist und ihre Augenbrauen stoßen aneinander, wie bei den Heren. Herr Timar, tuten Sie doch den Vorreitern: Ho ho ho!"
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Herr Timar griff aber nicht zum Schiffshorn, sondern fuhr fort, der weißen Maid Märchen zu erzählen von den Felsen und Katarakten.
fich aber nicht in den vor den Reichstag gebrachten Mittheilungen Singers und Bebels unwahr? Auf diese Frage möchten wir uns von der Nordd. Allg. 3tg." eine unzweideutige und ehrliche Antwort ausgebeten haben.
Da wir nun gerade einmal dabei sind, der„ Nordd." auf ihren Pfaden zu folgen, so wollen wir auch gleich noch ein paar andere Punkte, die wir in Bezug auf sie in derselben Sache noch auf dem Herzen haben, zur Erledigung bringen.
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Unter den Beschwerdepunkten gegen die Schweiz kommt. das Blatt nämlich auch auf die Förderung der sozialdemo kratischen Propaganda unter der Jugend zu sprechen und sollen darnach mit dieser Förderung von der Partei besondere Personen beauftragt sein. Als eine dieser Personen wird nun der aus Büchow in Hannover gebürtige Gymnasiallehrer Ernst Krüger genannt, über dessen Gepflogenheiten die Nordd." ein wenig schmeichelhaftes und wie wir nicht bestreiten wollen, ziemlich nach der Natur gezeichnetes Bild entwirft. Aber diese Gepflogenheiten Krügers, sein provokatorisches Auftreten gegenüber Personen, die nicht seiner Gesinnung sind, und die ebenso abgeschmackten wie zwecklofen beleidigenden Aeußerungen über deutsche Würdenträger an öffentlichen Orten haben den Züricher reichsdeutschen Sozialdemokraten und speziell den früher dort gewesenen Leitern des Sozialdemokrat" schon vor Jahren den Anlaß gegeben, mit K. den Verkehr abzubrechen oder doch auf das Aeußerste einzuschränken.
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Diese Thatsache verschweigt aber die Nordd.". Sollten sie ihre Informatoren in diesem Punkte nicht ges nügend instruirt haben?
Was die weitere Angabe der Nordd." in Betreff des Parteiauftrags anbelangt, Krüger folle unter der studirenden Jugend den Sozialismus propagiren, so wäre es darauf um jede Antwort schade. Uns ist nur ein Fall bekannt, wo ein solcher oder ähnlicher Auftrag als vorhanden hätte angenommen werden können. Dieser aber betrifft nicht Krüger, sondern den 2odspißel Friedemann. Wenn Herr Pindter den Fall nicht kennen sollte, so sind wir gerne bereit, ihn aus den Reichstagsaften wieder zu erzählen. Er ist sehr interessant und des Wiedererzählens wohl werth.
Und nun, um wieder zum Ausgang zurückzukommen, noch ein Wort über den Schneider Lut wohlgemuthen Andenkens.
Unter den Vorwürfen gegen die Schweiz fehrt nämlich immer der wieder und davon rührt ja bekanntlich auch der ganze Spektakel her, daß die Schweiz für die Wirksamkeit der Lockspitzel und ihrer Auftraggeber kein ,, Entgegenkommen" zeigt:
Daß ein mit Einholung von Informationen( die beim lustigen Wühlen" gesammelt sein sollten) be= schäftigter elsässischer Polizeibeamter verhaftet und von dem Bundesrath in derselben Weise ausgewiesen wurde,
Denn vom Eisernen Thor angefangen bis hinauf nach Elissera knüpft sich an jede Felsenschlucht, jede Höhle der beiden Ufer, an jede Klippe oder Insel und jeden Wirbel des Strombettes eine Geschichte; irgend ein Feenmärchen, eine Volkssage oder ein Räuber- Abenteuer, wovon die Geschichtsbücher erzählen, oder die in den Felsen gehauenen Inschriften, oder die Lieder der Volksfänger, oder die mündlichen Ueberlieferungen der Fischer. Es ist dies eine zu Stein gewordene Bibliothek; die Benennungen der Felsen sind die nach außen gekehrten Rücken des Einbands, wer die Bücher zu öffnen versteht, der kann einen Roman aus jedem herauslesen.
Michael Timar war seit langem zu Hause in der Bibliothek; er hat mit dem seiner Obhut anvertrauten Schiff den Weg durchs Eiserne Thor schon öfter zurückgelegt, jeber Stein, jede Insel ist ihm bekannt.
Vielleicht mochte er mit seinen Geschichten und Märchen noch einen anderen 3wed verfolgen, als den der bloßen Befriedigung der Neugierde des Mädchens. Wenn ein zart besaitetes Geschöpf eine große Gefahr durchzumachen hat, welche selbst das gestählte Herz starker Männer erbeben läßt, dann pflegen wohl diejenigen, die mit den Schrecknissen schon vertraut sind, die Aufmerksamkeit des damit noch Unbekannten abzulenken in das Reich der Wundermärchen. War es vielleicht das?
So lange Timea der Erzählung lauschte, wie der heldenmüthige Mirko mit seiner Geliebten, der treuen Milieva, sich auf die Spiße des Felsens Liubigaja dort mitten in der Donau geflüchtet; wie er Donau geflüchtet; wie er dort, einer allein, den halsbreche rischen Aufgang zu seinem Asyl gegen die ganze Söldnerschaar des ihm nachsehenden Assan vertheidigte, wie die Beiden lange Zeit hindurch von den Bicklein sich nährten, welche der auf dem Felsen horstende Steinadler seinen Jungen ins Nest brachte achtete sie gar nicht des Getöses, welches die Wellenbrandung an dem in immer drohendere Nähe rückenden Liubigajafelsen verursachte und jagten ihr die