effen zur Richtschnur seines Verhaltens macht, und daß man daher frisch hineingreift und einen aus der eigenen Mitte zum Vorschlag bringt. Ich bin aber fest überzeugt, daß durch eine folche Begünstigung eines Industriekreises die anderen In­duftriebezirke, die übrigen Berufsstände und wohl auch die Gesammtheit der Steuerzahler sehr schwer geschädigt werden würde."

Neber Ausnuhung der Kinderarbeit schreibt man dem B. T." aus Danzig  : 3wischen Danzig   und Neufahr= waffer liegt am Ufer der todten Weichsel   eine Reihe von industriellen Etablissements, unter welchen sich auch die zur Ortschaft Schellmühl gehörige Danziger Glashütte befindet. In einem seiner Schulberichte hatte der Lehrer von Schell­mühl angegeben, daß die Kinder der in der Glasfabrik beschäftigten Arbeiter während des Unterrichts häufig einschliefen, und daß dieselben sich damit entschuldigt hätten, fie müßten während ihrer schulfreien Zeit und auch öfter während der Nacht in der Fabrik arbeiten. Auf Grund dieses Berichtes begab sich der Landrath des Kreiſes Danziger Höhe, zu welchem die Ortschaft Schellmühl gehört, im Mai d. J. nach dem Schulhause und vernahm die betreffenden Rin­der über die Art und Weise ihrer Beschäftigung in der Fabrik. Die Kinder sagten aus, sie hätten am Tage und häufig auch während der Nacht in der Fabrik gearbeitet und glühende Flaschen nach dem Kühlofen schaffen müssen. Auf Grund dieser Aussagen wurde gegen den kaufmännischen Leiter der Glas­ hütte  , Schwidop, und gegen den technischen Direktor Müller eine Anklage wegen Vergehens gegen die§§ 135 nnd 136 der Reichs- Gewerbeordnung erhoben, welche heute vor der Straf­fammer des hiesigen Landgerichts verhandelt wurde. Der kauf­männische Leiter Schwidop erklärte, von der ganzen Angelegen­heit nichts zu wissen, da er sein Kontor und auch seine Wohnung in der Stadt habe und bei seiner Anwesenheit in der Fabrik Kinder nicht habe arbeiten sehen. Auch der technische Direktor Müller stellte in Abrede, Kinder beschäftigt zu haben, gab aber zu, daß ab und zu Kinder ihre Eltern, die sich zu irgend einer häuslichen Verrichtung begeben hätten, auf furze Zeit abgelöst hätten! Sämmt­liche Kinder, welche nunmehr vernommen wurden, waren offen­bar von ihren Eltern beeinflußt worden, denn ihre Aussagen wichen erheblich von denjenigen ab, welche sie früher unvor­bereitet vor dem Landrath gemacht hatten, so daß es mehrfachec Hinweise des Vorsißenden, Landgerichtsraths Kanter, auf ihre früheren Aussagen bedurfte, um wenigstens einen Theil der Wahrheit zu erfahren. Nicht minder zögernd und zurückhaltend waren auch die Angaben der Eltern, welche meistens erst zu­gaben, daß ihre Kinder gearbeitet hätten, wenn ihnen vom Vor­fizenden vorgehalten wurde, daß die Kinder dieses bereits ein­gestanden hätten. Die meisten der dreizehn als Zeugen vorge­ladenen Kinder hatten ein blaffes, zurückgekommenes Aussehen und tiefe blaue Ringe um die Augen, doch erklärte der dieselben in ihren ärztliche Sachverständige, daß feine Gesundheitsverhältnissen anormale Erscheinungen zeigten, und daß das blaffe Aussehen derselben seinen Grund in den schlechten Ernährungsverhältnissen habe. Da­gegen erklärte der Lehrer, daß die Kinder in der Schule schläfrig und unaufmerksam gewesen und geistig hinter ihren Altersgenossen zurückgeblieben seien. Der Gerichtshof sprach den faufmännischen Leiter frei, indem er annahm, daß es nicht seine Sache gewesen sei, sich um die innere Leitung der Fabrik zu bekümmern, sondern daß dieses die Aufgabe des technischen Direktors gewesen sei. Dieser habe allerdings die Pflicht gehabt, darauf zu achten, daß Kinder unter 12 Jahren nicht beschäftigt würden, und er hätte es wiffen müssen, daß die Kinder länger, als nur zur zeitweiligen Ablösung ihrer Eltern gearbeitet hätten. Dagegen nahm der Gerichtshof als strafmildernd an, daß nach der Angabe der ärztlichen Sachverständigen förperliche Nachtheile durch die Arbeit für die Kinder nicht entstanden seien, und daß offenbar das Bestreben, den Eltern höhere Löhne zukommen zu lassen, den Direktor Müller bewogen habe, die Kinderarbeit zu dulden. Ein Vergehen gegen den§ 136 der R.-G.-D. nahm der Ge­richtshof nicht für erwiesen an und verurtheilte den Angeklagten wegen Vergehens gegen den§ 135 zu einer Geldstrafe von 300 M."

Aus der Mitte der hier studirenden Russen geht der Boff. 3tg." folgende Meldung zu: Am Sonntag, den 23. Juni, wurden bei acht unserer Kameraden, Studirenden der Technischen Hochschule, Haussuchungen vorgenommen, gleich­zeitig wurde einer derselben verhaftet. Vor etwa einem Monat fam ein ähnlicher Fall vor und sind zwei russische Studirende an der Universität nach stattgehabten Haussuchungen in Haft genommen worden. Wir wissen nicht im mindesten, wodurch solche Maßregeln hervorgerufen sein könnten. Weder von der Polizei, noch von der Kriminalpolizei fonnten wir über das Geschehene Aufschluß erhalten. Es wurde schließlich ein Ver fuch gemacht, wenigstens in der Sache des verhafteten Kameraden gerichtliche Untersuchung zu bewirken, aber auch dies scheiterte, indem dem zugezogenen Rechtsanwalt nicht gestattet wurde, sich mit dem Verhafteten in Verbindung zu sehen. Wir befinden uns in der fürchterlichsten Aufregung und es ist uns jedes ruhige Arbeiten unmöglich geworden. Es wäre doch erwünscht, diesem Zustande ein Ende zu machen. Wir wählen gerade diesen Weg der Deffentlichkeit und appelliren an die öffentliche Meinung, weil uns jedes Mittel zur Entlastung des auf uns ruhenden, durch nichts verschuldeten Verdachts entzogen ist."- Nähere Aufklärung ist dringend nothwendig.

Er hat den Muth verloren zu weiteren unnüßen Kämpfen um den Befähigungsnachweis, der Hauptapostel des­selben, nämlich der Schornsteinfeger Mezner. Auf dem kürz­lich in Ratibor   stattgefundenen oberschlesischen Innungsverbands­tage erklärte dieser Herr, der bekanntlich Reichstagsabgeordneter ist, nach der Breslauer Morgenzeitung", daß er nach der ab­lehnenden Haltung der Regierung in Bezug auf Einführung des obligatorischen Befähigungsnachweises den Muth verloren habe, wieder ein Reichstagsmandat anzunehmen. Nach zünft­lerischen Blättern müßte Herr Megner nun erst recht aushalten. Der Wortführer der östlichen Innungsheiligen scheint aber doch zu merken, daß es mit der Zünftelei absolut nicht geht.

Dechelhäuser spreche über Dinge, von denen er nichts verstehe.

Ist der Geldsack bedroht, so sind nach nationalliberaler Welt­anschauung nun einmal menschliche Rücksichten ausgeschlossen.

Rothhausen  ( Rheinl.- Westf.), 30. Juni. Gestern sollte hier eine allgemeine Bergarbeiter- Versammlung stattfinden, zu welcher die Bergleute aus der ganzen Gegend herbeigeströmt waren. Der Polizeikommissar von Stoppenberg   löste jedoch dieselbe unmittelbar nach der Eröffnung auf, ohne einen Grund hierfür anzugeben. Die Aufregung unter den Bergleuten ist groß.

Aus Braunschweig   wird berichtet: Der seit einigen Wochen sich hier aufhaltende frühere Notendrucker Hugo Kießling ist auf Grund des Freizügigkeits- Gefeßes polizei­lich ausgewiesen worden. Der§ 3 des Gesezes läßt nämlich die polizeilichen Aufenthaltsbeschränkungen gegenüber irgend wie bestraften Personen oder solchen Personen, welche in irgend einem anderen Staate Aufenthaltsbeschränkungen unterliegen, in Kraft. Der Betreffende war gerade im Begriff, einen fleinen Handel anzufangen und hatte sich dazu verschiedene Utensilien angeschafft."

Oesterreich- Ungarn.

Die Textilarbeiter in Jägerndorf   sind an die Fabrikanten mit folgenden Forderungen herangetreten: 1. Für die Handweberei eine 20prozentige und für alle übrigen Arbeiter der Tertilindustrie eine 30prozentige Lohnaufbesserung. 2. Für das Anknüpfen der Ketten von der Scheer- Leim- und Baummaschine pr. 100 Faden 2 fr. und für Ketten von der Hand gescheert, geleimt und gebaumt pr. 100 Faden 4 kr. 3. Für das Pußen des mechanischen Webstuhles 30 fr. 4. Gine 14tägige gegenseitige Kündigung. 5. Für unverschuldetes Feiern bei sämmtlichen Arbeitern eine Entschädigung nach dem durch­schnittlichen Verdienst berechnet, zu gewähren und hat diese Entschädigung schon bei einer Stunde Feiern einzutreten. 6. Für das Vorrichten ist ein entsprechender Lohn zu zahlen, sodaß der Arbeiter in seinen Verdienst nicht gefchmälert wird. 7. Ein Arbeitstag von 10 Stunden. Diese Forderungen werden den Arbeitsherren mit dem Bemerken unterbreitet, daß, falls ihnen Unterhandlungen zu Aufklärung nothwendig erscheinen, die­selben binnen 3 Tagen erfolgen möchten und wenn nicht, bis längstens den 6. Juli um endgiltige Entscheidung ersucht wird. Die Austragung dieser Angelegenheit wurde von der Versamm­lung dem Fachverein der Manufaktur-, Fabriks- und Hand­arbeiter übertragen.

"

Reden Woestyne's und Arthur Meyer's   erzählt. Diese Briefe wurden bei der Mutter Meyer's beschlagnahmt, während Meyer selbst einen Brief Woestyne's an ihn freiwillig heraus­gab. Wie die Verlesung dieser Schriftstücke wirkte, kann man sich denken. Die Linke jubelte, die Rechte lärmte und schimpfte. Thvenet In einem gegebenen Augenblicke rief Minister Caffagnac, der ihn unterbrach, die Worte zu: Haben Sie mich in Ihrem Blatte Autorité  " noch nicht genug beschimpft und verleumdet?" Cassagnac erwiderte:" Ich habe gesagt, daß Sie Jacques Meyer's Mitschuldiger sind und ich wiederhole es." Dafür wurde über Cassagnac die Zenfur verhängt und seine Ausschließung aus den nächsten drei Sigungen der Kammer be schlossen. Mit Cassagnac verließ fast die ganze Rechte den Saal doch scheint die Partei draußen zu befferer Einsicht ge= kommen zu sein, denn sie kehrte kleinlaut wieder zurück und einer der Ihrigen, Cazenove de Pradines, verwahrte sich sogar in unwilligen Worten gegen das Vorgehen Meyer's und Woestyne's, das jeder Partei zur Schmach gereiche. Schließlich drückte die Kammer ihren Abscheu über den Versuch, durch Fälschung politische Persönlichkeiten zu entehren, aus und forderte die Regierung auf, die Urheber des Versuchs strafrecht­lich verfolgen zu lassen.

Schweiz  .

Bern  , 2. Juli. In der heutigen ersten Konferenz, be treffend den Simplon- Tunnel, wurde dieser Durchstich für eines der nüßlichsten Werke dieses Jahrhunderts erklärt. Der italie­nischen Delegation wurde übertragen, nach erfolgtem Einver­nehmen mit der Schweiz   durch technische Sachverständige die Trace zu bestimmen, welche den Wünschen der italienischen Re­fussion der Konferenz bilden. Die schweizerischen Delegirten gierung entspräche. Diese solle die Grundlage für die Dis­behielten sich die endgiltigen Entschließungen in Betreff der Trace ausdrücklich vor.

Infolge der verdächtigenden Behauptung der Nordd. Allgem. Zig.", es werde ein Theil des Sozialdemo fr aft" in Zürich   gedruckt, wurde auf Anordnung des eidgen. Polizeidepartements eine Haussuchung bei dem Buchdrucker Conzett in Zürich   vorgenommen und sein ganzes Personal verhört. Es ergab sich die vollständige Unwahrheit der ge machten Behauptung. Der Graf von Paris   wollte seinen Sommeraufenthalt in Vevey   nehmen. Die eidgenössischen Be hörden ließen ihn, wie die Vossische Zeitung" berichtet, wissen, daß sie ihm den Aufenthalt nur gestatten würden, wenn er sich Prag  , 2. Juli. Nach den bis jetzt vorliegenden Ergeb- politisch gänzlich ruhig verhalten würde, da die Schweiz   nicht auch mit Frankreich   Schwierigkeiten haben wolle. Daraufhin nissen der Landtagswahlen in den Landgemeindebezirken haben die Altczechen 21 Size an die Jungczechen verloren, welche verzichtete der Graf auf seine Reiseabsicht. in der früheren Landgemeindefurie sechs Vertreter hatten, nunmehr aber 27 Sige erlangt haben. In den deutschen Be zirken sind bis jetzt alle früheren Abgeordneten wiedergewählt

worden.

Großbritannien  .

Unterhaus. Der Unterstaatssekretär Fergusson erklärte, der Vertrag zwischen Merifo und Japan   gewähre den Merikanern volles Recht, überall in Japan   zu reisen, zu wohnen und Handel zu treiben. Der Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten   von Nordamerika   und Japan  , welcher am 20. Februar unterzeichnet worden sei, gestatte amerikanischen Bürgern freie Niederlassung und freien Handel in Japan  . Beide Verträge seien jedoch noch nicht ratifizirt. Die englische   Regierung habe der japanischen ähnliche, sorgfältig erwogene Vorschläge gemacht und hoffe, mit der japanischen Regierung bald wegen eines Ver­trages zu unterhandeln, welcher den Engländern gleiche Privi­legien sichere. Betreffs Samoa   bemerkte Fergusson, daß, bevor das Abkommen über Samoa   von der Regierung der Vereinig­ ten Staaten   von Nordamerika   nicht ratifizirt sei, es ungehörig wäre, irgend einen Theil der Verhandlungen zu veröffentlichen; unbegründet ſei jedoch, daß England eingewilligt habe, von der bisherigen Stellung als eine der drei Schußmächte zurückzu­treten, und nur die Stellung eines Schiedsrichters im Falle von Streitigkeiten zwischen Deutschland   und den Vereinigten Staaten   von Nordamerika   einzunehmen.

Frankreich  .

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Gerichts- Beitung.

Der Prozeß gegen die Militairlieferanten Wolland nnd Hagemann gelangte am Mittwoch Mittag zum Ab­schluffe. Um 12 Uhr verkündete Landgerichtsdirektor Schmidt das Urtheil, aus dessen Begründung wir folgendes hervorheben. Die erste Frage: Sind die Zahlmeister Beamte im Sinne des Gesetzes? hat der Gerichtshor bejaht. Allerdings haben sie feine Stimme in der Menagekommission, aber sie werden zu Gutachten über die zu prüfenden Gutachten aufgefordert, fie haben die Verträge zu bearbeiten und diese Arbeiten sind als amt liche anzusehen. Thatsächlich haben sie Einfluß gehabt und auch geübt, denn fie hatten darin ein ge wichtiges Wort mitreden fönnen, ob ein bereits bestehender Vertrag verlängert oder aufgegeben werden solle. Die fonkrete Pflichtwidrigkeit in jedem einzelnen Falle brauche nicht nachgewiesen werden, es genüge, wenn die Natur der

Sie

gehende Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Angeklagten Sie wußten, biese Beamtennatur der Zahlmeister fannten. welchen Einfluß die Letteren zu ihren Gunsten im Kampfe mit der Konkurrenz geltend machen konnten, sie suchten dieselben Sie ließen daher zunächst günstig für sich zu stimmen. sich dann diskrete Mittheilungen machen und günstige Atteste ausstellen und die Angeklagten, sowohl Hage mann wie Wolland wußten, daß sie die Beamten dadurch zu Pflichtwidrigkeiten verleiteten. Es waren große Opfer, die die Angeklagten zu diesem Zwecke aufwandten. wandten den Zahlmeistern nicht nur baares Geld zu, sie hielten dieselben auch frei bei gemeinschaftlichen Ausgängen, sie machten schein. Daß die Angeklagten sich der Rechtswidrigkeit ihrer deren Angehörigen   Geschenke, fie gewährten Darlehne oder Schuld­Handlungsweise bewußt gewesen, das beweise der Umstand, daß die laufenden Gelder in diskreter Weise geschickt worden und daß zur Buchung dieser Ausgaben eine Art Geheimschrift benutzt wurde, denn der Gerichtshof sei der festen Ueberzeugung, daß die oft erwähnten Zeichen eine solche darstellen sollten. Nach diesen allgemeinen Erörterungen geht der Präsident zu den einzelnen Fällen über. In sieben Fällen habe der Ge richtshof die Ueberzeugung von der Schuld der Angeklagten nicht gewonnen und deshalb ein freisprechendes Urtheil gefällt. Der Gerichtshof hält den Angeklagten Hagemann in 19 und Wolland in 12 Fällen schuldig. Was nun die Strafabmeffung anbelange, so müsse den Angeklagten Hagemann eine ungleich härtere Strafe treffen, als Wolland. Hagemann sei die Seele der systematisch betriebenen Strafthaten gewesen, er habe nicht blos während der Reihe von Jahren, in denen die Strafthaten begangen wurden, sondern auch während der Voruntersuchung und im Laufe der Verhandlung sich als ein Mann gezeigt, dem der Begriff von Ehre vollständig abhanden gefommen sei. Nicht so Wolland. Derselbe habe besonders während der Verhandlung sich in einer Weise benommen, wodurch er die Achtung des Gerichtshofes gewinnen mußte, er habe nicht geleugnet und sich in einem Falle sogar lieber selbst be laftet, als zugegeben, daß ein Zeuge seine falsche Aussage mit einem Eide   erhärtete. Dieses müsse ihm unvergessen bleiben und dies sei bei der Strafabmessung auch gebührend berücksichtigt worden. erfannt Es sei demzufolge dahin worden, daß Hagemann zu fünf Jahren Wolland zu anderthalb fünf Jahren Ehrverlust, Woltoren Gefängniß und Jahren Gefängniß zu bestrafen sei. Jedem Angeklagten sind neun Monate durch die erlittene Untersuchungshaft abzurechnen.

In einer der letzten Sibungen der französischen  Deputirtenkammer fam die Schmußgeschichte Jacques Meyer­Woestyne zur Sprache. Der Fall Meyer- Woestyne ist folgen­der. Ivan de Woestyne hat Jacques Meyer, als dieser in Brüssel   im Untersuchungsgefängnisse saß, mündlich und schrift­lich aufgefordert, Briefe zu erfinden, die vorgeblich an einen republikanischen Minister gerichtet wären und diesen als Schwindler und Gauner hinstellen würden. Woestyne handelte im Auftrage Arthur Meyer's  , des Herausgebers des Gaulois", der, als Woestyne nichts ausrichtete, selbst nach Brüssel   fam und im Gefängnisse drei Stunden lang auf seinen Namens­vetter losredete, um ihn zu der Schurkerei zu bestimmen, die von ihm verlangt wurde. Der Gaulois"-Meyer versprach dafür dem Zuchthaus- Meyer volle Begnadigung, viel Geld nnd sogar Ehren und Stellen, wenn die Reaktions­parteien gefiegt haben würden. Ein Wort über die handelnden Personen dieser Geschichte. Von Jacques Meyer ist schon erzählt worden, daß er, ursprünglich Gym­schon erzählt worden, daß er, ursprünglich Gym­nafiallehrer, dann Zeitungsschriftsteller und für furze Zeit Leiter des Privatsekretariats eines Miniſters, später Börsenspekulant wurde und über 3 Millionen ihm anvertrauter Gelder in Baisse­geschäften auf Panama  - und Banque de France  - Antheilscheine verlor. Ivan de Woestyne ist ein Belgier, der zuerst belgischer Offizier war, seit fünfzehn Jahren aber in Paris   als Zeitungs­berichterstatter lebt. Vor etwa drei oder vier Jahren widerführ ihm ein eigenthümliches Abenteuer. Er fündigte mit ge= waltigem Lärm eine Gesellschaftsreise nach dem skandinavischen Norden unter seiner persönlichen Führung an. Die Sache war ziemlich theuer, doch fand Woestyne dank der riesigen Zei­tungsreklame und der Neuheit des Gedankens für Frank­ reich  ( Cook, Stangen u. s. w. sind hier unbekannte Be­die ihm den Preis griffe) zahlreiche Theilnehmer, der Reise voraus bezahlten und am bestimmten Tage in Havre   eintrafen, um sich einzuſchiffen. Da fanden sie aber weder ihr Schiff, noch den wackern Belgier, der ihr Geld einfach eingesteckt und sich aus dem Staube gemacht hatte. Die Opfer erhoben natürlich großes Geschrei, doch wurde es allmälig ganz still mit der Sache. Es scheint, daß Woestyne felbft oder Freunde von ihm die Geprellten später ganz oder theilweise entschädigt haben und so erlitt Woestyne's Nuf durch den bedenklichen Zwischenfall feine dauernde Einbuße. Arthur Meyer   endlich, der Herausgeber des Gaulois", ist eine wohl= bekannte Pariser   Persönlichkeit. Von Haus aus Kaufmann, war er später Privatsekretär einer Modedame von gänzlich unzweideutigem Rufe, was ihm Drumont, der Verfasser der France juive", in vernichtenden Ausdrücken vorgeworfen hat. Er hatte dann, wie die meisten Boulevarderistenzen ohne festen Beruf, feinen Finanz- und Börsenlebensabschnitt und ging schließlich unter die Zeitungsherausgeber. Er erwarb den Gaulois", machte ihn zum Leibblatt des Königs" Philipp VII. und trat vom Glauben seiner Väter zum Katholi­zismus über, um auch in dieser Hinsicht allen gerechten An­forderungen der ultramontan  - reaktionären Partei, der er dient, zu entsprechen. Er ist nun der eifrigste Vorfämpfer des Thrones und der heiligen römischen Kirche, kleidet sich mit einer in dem eleganten Paris   sprichwörtlich gewordenen Eleganz und nimmt bei den Festen und Empfängen des französischen   Hochadels den Ehrenplatz ein. Dieses würdige Kleeblatt nun beschäftigte die Kammer. Abg. Bichon fragte den Justizminister Thevenet, was es mit dem Versuche, Jacques Meyer zu einer Urfunden fälschung anzuftiften, für Bewandtniß habe. Minister Thevenet antwortete, indem er die Briefe vorlas, die Jacques Meyer aus dem Gefängniß an feine in Paris   lebende Mutter geschrieben hat und in denen er ihr die Einzelheiten von den Besuchen und Verantwortlicher Redakteur: R. Cronheim in Berlin  . Druck und Verlag von Max Bading in Berlin   SW.. Beuthstraße 2.

Stellung der Nationalliberalen zum Sozialisten­geleh. In seiner am 1. Juli in Halberstadt   gehaltenen Wählerrede äußerte der nationalliberale Kandidat, Stadtrath Dr. Max Weber  , bezüglich der Frage des Sozialisten gesezes, die er als eine Hauptaufgabe der nächsten Reichs­tagsfeffion bezeichnete: Es würde unflug sein, ehe man die Vorschläge der Staatsregierung fennt, bindend zu erklären, daß man dies oder jenes thun werde. Aber so viel fann ich schon jekt erklären, daß ich in Uebereinstimmung mit hervorragenden Führern der nationalliberalen Partei eine einfache unveränderte Berlängerung des gegenwärtig bestehenden Sozialistengefeßes nicht für rathsam erachte."

Vor mehreren

Novelle zum Krankenkassengeset. Tagen wurde gemeldet, daß die Novelle zum Krankenversiche rungsgeseze beſtimmt noch während der nächsten Tagung den Reichstag beschäftigen werde. Die Meldung ist, nach dem Rh. C." unwahrscheinlich. Es bedarf nach der Erledigung des Altersversicherungsgesezes einer ziemlich durchgreifenden, weun auch überwiegend formalen Durchficht des Krankenkaffengefeges. Diese ist, wie beſtimmt angegeben werden kann, noch nicht in Angriff genommen und es läßt sich hiernach, da die Novelle natürlich erst nach Vornahme dleser Abänderungen dem Reichs­tage vorgelegt werden wird, von dieser Vorlage zur Zeit nur fagen; sie ist vorläufig vertagt.

Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Gechel­häuser wird von der Rhein.  - Westf. 3tg." gehörig abgetanzelt, weil er anläßlich des Bergarbeiterstreits einen Artikel in der Köln  . 3tg." hat abdrucken lassen, in welchem er die Gruben­verwaltungen zur Versöhnlichkeit mahnte. Das Blatt sagt, Herr

Der Staatsanwalt beantragt darauf gegen Hagemann wegen der Höhe der Strafe die sofortige Wiederverhaftung, ein Antrag, dem der Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Fried mann, umſomehr widersprach, als er beabsichtige, gegen das Urtheil beim Reichsgericht Revision einzulegen.

Der Gerichtshof verfügte indessen nach dem Antrage des Staatsanwalts und Hagemann wurde sofort in's Gefängniß abgeführt.

Soziale Ueberlicht.

Kottbus. In der am 30. Juni stattgehabten Versamm lung der hiesigen Töpfergesellen wurde bekannt gegeben, daß die Meister die Annahme des neuen Lohntarifs verweigert haben. Die Versammlung beschloß darauf, mit dem 1. Juli in den Streif einzutreten und die Arbeit nicht eher wieder aufzu nehmen, bis die Meister nachgegeben und die Forderungen be willigt hätten. Infolge des ausgebrochenen Töpferstreiks haben bereits eine Anzahl Gefellen die Stadt verlassen. Alle Kollegen werden gebeten, den Zuzug fern zu halten, dann ist der Sieg gewiß.

Hierzu eine Beilage.

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