Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 155.

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Lokales.

Das Arbeiterparlament, das gegenwärtig in Gestalt der Delegirten- Versammlung der Tischler- Zentral= Krankenkasse in Berlin   tagt, hat, wie jedes andere Par­lament auch seine Vielredner", welche vor ihren Spezialfollegen im Reichstage jedenfalls den nicht zu unterschäßenden Vorzug haben, daß sie sich kurz und präzise ausdrückten, was man von der fleinen Erzellenz", dem Abg. Dr. Windthorst, dem Vielredner des Reichstages, nicht immer behaupten kann. Daß dieses Talent auch hier beachtet und gewürdigt wird, ergab eine Glückwunschadresse, die dem Herrn Martienssen Altona aus Anlaß seiner 100. Rede auf der diesmaligen Generalver­jammlung gewidmet wurde. Ein Blumenkranz trug die Inschrift:

Den Blumen hab' ich's anvertraut, Gefühle, die im Herzen laut.

Nur giebt der Blumen füßer Mund Glückwunsch Dir und Grüße fund. Darunter standen folgende Verse:

Damit's bekannt wird einem Jeden! Martienßen hielt jekt 100 Reden! Und Sprechen wird für Manchen Qual, Martienssen sprach schon 100 Mal! Zum Sprechen Manche find zu faul, Sie hielten ganz und gar das Maul. Martiensfen aber hat den Preis

Für seines Mundes regen Fleiß. Im Gegensatz zu vielem Sprechen

That Böjer sich kein Wort entbrechen.

Nur schweigend hörte er uns zu,

Ließ aber Jedermann in Ruh!

Nicht lange währte es, und der gleiche Glückwunsch konnte bem Delegirten Ehlers- Hamburg   dargebracht werden.- Im Bezirke des fleinen Belagerungszustandes Hamburg- Altona scheinen ja die Redner doch noch einigermaßen zu gedeihen.

Ein interessanter Briefwechsel ist hier fürzlich zwischen einem Pfarrer und einem Fräulein geführt worden. Das auto­graphirte Schreiben des Geistlichen war im Auftrage eines hiesigen Gemeinde- Kirchenraths erlassen worden und hat folgen­den Wortlaut:

...

" Nachdem uns bekannt geworden, daß Ihnen am... ein Kind geboren ist, ersuchen wir Sie mit Rücksicht auf§ 1 des Kirchengesezes vom 30. Juli 1880, betreffend die Verlegung firchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe, Konfirmation und Trauung, welcher lautet: Wenn Kirchenglieder ihre Pflicht verabsäumen, die unter ihrer Gewalt stehenden Kinder taufen .... zu lassen, so ist auf dieselben vorerst durch seelsorgerischen Zuspruch des Geistlichen, sowie durch freundliche, ernste Mah­nung eines oder mehrerer Aelteften hinzuwirken," gefälligst uns binnen 14 Tagen zu Händen des unterzeichneten Pfarrers mit­zutheilen, ob und in welcher Parochie die Taufe des Kindes bereits stattgefunden hat, oder ob Sie dasselbe im Laufe der nächsten Zeit taufen zu lassen beabsichtigen. Der Gemeinde- Kirchenrath der Pfarrer." Adressirt war der Brief: An die Unverehelichte..." Auf das Schreiben ist nun folgende Antwort eingegangen: Geehrter Herr! Auf Ihr sehr merkwürdiges Schreiben erwidere ich Ihnen, daß für mich allein die staats­bürgerlichen Gefeße maßgebend find, welche es in mein Er­meffen stellen, ob und wann ich mein Kind taufen lassen will. Eine Verweisung auf§ 1 des Kirchengesezes, ohne dabei der bürgerlichen Geseze Erwähnung zu thun, finde ich höchst sonder­bar. Einen eventuellen Besuch Ihrerseits oder eines oder mehrerer Kirchenältester bitte ich zu unterlassen; ich weiß allein, was ich meinem Kinde schuldig bin. Im Uebrigen bin ich für Sie nicht die Unverehelichte, sondern das Fräulein.. Achtungsvoll.

vom

Was für Paftoren gegenwärtig zur Beförderung ge­langen, zeigt die Inaussichtnahme des Pastors Mühe seitens des Domkapitels in Naumburg   für die gegenwärtig vakante zweite Dompredigerſtelle in Naumburg   a. d. Saale  . Pastor Mühe ist der berühmte Pastor, der unlängst bei den Berliner  Paftoralfonferenzen einen Vortrag hielt darüber, ob das Ende der Welt nahe sei". Das Domkapitel zu Naumburg   aber be steht aus Erminister v. Buttkamer, Minister v. Boetticher und General von Voigt- Rhez. Dem Vernehmen nach ist Herr Mühe namentlich deshalb in Aussicht genommen, weil den Herren v. Puttkamer   und v. Boetticher die biblischen Schriften des Pastors sehr geeignet erschienen find für die Berufung des felben an die Domkirche zu Naumburg  . Der Pastor Mühe hat nämlich 1863 Biblische Merkwürdigkeiten" in Leipzig   erscheinen laffen, in welchen es wörtlich heißt:

Wie ganz anders faßt( hiernach) die Bibel die Bedeutung der fleinen Erde und der angeblich großen Sonne auf als un­fere Gelehrten! Der fünfte Tag( Donnerstag): Wafferthiere und Vögel. Das Wert des zweiten Tages wird fortgesetzt. Merk­würdig ist, daß Wafferthiere und Vögel, beide aus Wasser ge­schaffen sind. Beide haben auch viel Aehnliches, z. B. das Begelfleisch und das Fischfleisch, das Federkleid und das Schuppenkleid, das Schwimmen im Wasser und das schwim­mende Fliegen in der Luft."( S. 12.) Auch über den Raum( der Arche Noah) ist viel gespottet. Man fragte zwei­felnd, wie es möglich gewesen sei, alle die Thiere und die Vor­räthe für dieselben auf ein Jahr unterzubringen. Doch auch hierbei ist die göttliche Weisheit zu bewundern. Die Arche wurde nach Gottes Anweisung in drei Boden, d. h. Stockwerken, errichtet. In diesen drei Etagen waren viele Kammern. Unten im Grunde des Flosses ist sicherlich auch ein Brunnen zur Schöpfung frischen Waffers eingerichtet worden."( S. 35.) Es ist ganz verkehrt, wenn Schriftausleger und Prediger ( die sogenannten Vermittelungstheologen) die Wunder der Bibel durch ihre geistigen Deutungen auch den Ungläubigen mundrecht und annehmbar machen wollen. Solche Luftbrücken ge­fallen blos dem alten Adam, aber zum beſeligenden Glauben wird dadurch keine Seele geführt. Solche falsch- geistlichen Auslegungen verflüchtigen und vernebeln das liebe, einfache, wahre Wort Gottes und machen es zur leeren Phrase... Wie haben denn nun aber rechte Christen die Geschichte von der redenden Eselin zu verstehen? Ganz einfach so, wie es jedes Kind verstehen wird, die Eſelin hat wirklich mit Menschensprache gesprochen, ja, sie hat ver­nünftige Worte geredet. In den Worten hat sie nicht blos thierische Klagetöne oder Thiergedanken ausgedrückt, sondern sie stellt ihren Herrn über die ihr widerfahrene ungerechte Behand­lung zur Rede und erinnert ihn an ihr bisheriges Betragen. Dieses offenbar vernünftige Reden hat das an sich unvernünf­fige Thier freilich nicht aus sich selbst, sondern der Herr hat für diesen Augenblick ihm solche Fähigkeit verliehen, ohne daß das Thier dadurch aufhörte, ein Thier zu sein oder gar zu einem Menschen wurde. Also kurz: der Herr unser Gott hat eben ein Wunder gethan, und zwar ein volles, majestätisches Wunder seiner Schöpferkraft, wie derselbe Herr später in

Sonnabend, den 6. Juli 1889.

Menschengestalt auf Erden wandelnd, oft dasselbe that, indem er Taubstumme redend machte, und Todten den Mund öffnete." ( S. 60. 61.)

In seinem Hauptwerk: Das enthüllte Geheimniß der Zu­funft oder die legten Dinge des Menschen und der Welt; auf Grund biblischer Forschungen für das Volk dargelegt. Leipz. 1883. 4. Auflage" fommen neben vielen anderen bezeichnenden Stellen folgende vor:

Gott fonnte gewiß durch den seligen Menschen Elias an den Menschen Joram auf Erden in Menschensprache schreiben laffen. Das ist ganz der Würde der Schrift und dem Cha­rakter des Elias angemessen. Sollte er noch einmal auf Erden reden( sagt Krummacher), so mußte er's thun aus den Wolken von oben herunter. Jedenfalls ist diese biblische Geschichte ein Beweis für die Möglichkeit eines persönlichen Verkehrs der Seligen mit uns."( S. 42-44.) Auch die beiden Ge­schlechter werden in der Ewigkeit fortdauern. Freilich heiraten und Kinder zeugen wird dort nicht mehr stattfinden. Aber dennoch sind wir berechtigt anzunehmen, daß Eheleute dort innerhalb der Seligkeit in besonders inniger Verbindung nach Geift, Seele und Leib einander angehören In der ehe­lichen Liebe giebt sich der Mensch nach Leib, Seele und Geist dem Geliebten hin und geht ganz in ihm auf. So wird es auch in der Ewigkeit in noch viel durchdringenderer und süße­rer Weise geschehen, wovon wir freilich jezt noch keine Vor­stellung haben.( S. 178.) Darum haben auch die besten Glaubenslehrer der Kirche sich dafür entschieden, daß ein jeder Christ in dem Alter und in der Statur wieder auferstehen werde, in welcher er gestorben sei.( S. 180.).

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"

Berlin   vor 100 Jahren. Ueber die Einwohnerzahl Berlins   wurde vor 100 Jahren vom damaligen Berliner   Ma­giftrat ein Verzeichniß aufgestellt, welches in den damals neu aufgefeßten Thurmknopf der Marienkirche eingelegt wurde und sich noch heute in demselben befindet. Das interessante Ver­zeichniß lautet: Die Anzahl der Menschen in Berlin   betrug im 1789. Jahre: a) Vom Bürgerſtande. 1. Männer 23 745, 2. Frauen 28 541, 3. Söhne 19 960, 4. Töchter 23 553, 5. Ge fellen 7504, 6. Knechte und Diener 3330, 7. Jungen 2680, 8. Mägde 10 404, Summa 119 717. Unter diesen befinden sich 1. Frauzosen 4710, 2. Böhmen   997, 3. Juden 3397. b) Vom Militärstande. 1. Männer 15 895, 2. Frauen 5947, 3. Söhne 4144, 4. Töchter 4172, Summa 30 158. Anzahl der Häuser. 1. Ganz massive 3249, 2. Mit Biegeldächern 3447, Summa 6696." Aus dem weitern Inhalt dieser Tabelle ist noch zu ent­nehmen, daß Berlin   damals 28 Kirchen, 5215 öffentliche und Privatbrunnen, 7457 hölzerne und metallene Feuersprizen, 111 Scheunen und 133 Braustellen besaß.

Erhebliche Preis- Ermäßigungen hat die Direktion der Stadt- und Ringbahn seit einigen Tagen für Rückfahrt­karten nach den an der Görlizer und Schlesischen Bahn ge­legenen Vororten eintreten lassen. Jedoch haben die Preise, welche wir nachstehend folgen lassen, nur von 1 Uhr Mittags an Giltigkeit und muß das Billet am Lösungstage benugt werden. Die Preise stellen sich demnach vom Schlesischen Bahnhof   nach Sadowa II. Klasse 70 Pf., III. Klasse 50 Pf.; nach Röpenid II. Klasse 1 M., III. Klaffe 60 Pf.; nach Friedrichshagen   II. Klasse 1,10 M., III. 70 Pf.; nach Rahns­dorf II. Klasse 1,40 M., III. Klasse 1 M.; nach Erkner   II. Klasse 1,80 M., III. Rlasse 1,20 M. Ab Aleranderplaß, Friedrich­ftraße, Zoologischer Garten tritt ein Preisaufschlag von 10 bis 20 Pf. pro Billet ein. Für nachstehende Vororte haben die ermäßigten Preise nur bis 30. September d. J. Giltigkeit. Es sind dies; von dem Schlesischen Bahnhof   nach Johannisthal  II. Klasse 60 Pf., III. Klasse 40 Pf.; nach Adlershof   II. Klasse 80 Pf., III. Klaffe 60 Pf.; nach Glienicke   an der Görliger Bahn II. Klasse 80 Pf. III. Klaſſe 60 Pf.; nach Grünau II. Klasse 1 M., III. Klasse 70 Pf. Auch hier tritt ab Merander­plak, Friedrichstraße, Zoologischer Garten ein Preisaufschlag von 10 bis 20 Pf. pro Billet ein.

Eine komische Szene spielte sich am Mittwoch Nach mittag in der Reichenbergerstraße ab. Ein in derselben woh­nender Bäckermeister bestigt einen sehr harmlosen, aber überaus bissig aussehenden Hund, welchen er vielfach ohne Maulforb vor seinem Hause umherlaufen läßt. Am Mittwoch nun, als der Köter wieder auf dem Trottoir einherging, erschien plöglich ein Hundefänger, und schon saufte die Schlinge durch die Luft, um den Maulforblosen dingfest zu machen, als der Meister wie ein Verzweifelter auf die Straße stürzte und dem Hundefänger zurief:" Um Gotteswillen hüten Sie sich, er zereißt Sie!" Das machte den Beamten derartig stugen, daß er einige Schritte zurücksprang und sich nach einer Deckung umschaute. Auf dieſen Moment hatte der Meister aber gerechnet. Wie der Blizz ergriff er seinen Tyras und schleuderte ihn im hohen Bogen durch das offene Fenster seiner guten Stube und seiner Gattin, die mit einer Handarbeit beschäftigt dort saß, recht in den Schooß. Dann erst athmete er erleichtert auf sein Liebling, war ge­rettet. Der gefoppte Hundefänger aber schlug sich, begleitet von dem boshaften Lachen der zahlreichen Neugierigen, feitwärts in die Büsche.

So ein echtes und rechtes Gaudium für den Ber­ liner   Trödler- Ring ergab eine Auktion, die am Mittwoch in Schöneberg   stattfand. Schon lange vor Beginn derselben erschienen zwei Frauen im Auftionslokale, die sich mit mehreren anderen Anwesenden in ein Gespräch einließen und dabei er­zählten, daß sie Mutter und Tochter seien, die aus dem Ver­miethen von möblirten Zimmern ein Gewerbe machen. Unter anderen habe auch ein Herr Graf bei ihnen gewohnt, der aber ein Herr von Habenichts gewesen und einige 40 M. Miethe schuldig geblieben sei. Sie hätten den Herrn Grafen   verklagt und pfänden lassen, und heute sollte das abgepfändete gräfliche Eigenthum, bestehend aus einigen alten Kleidern, einigen Büchern und einer Brieftasche mit eingestickter Grafenkrone, unter den Hammer kommen. Nun waren sie aber von guten Freunden aufmerksam gemacht worden, daß die Berliner  Trödler sich zu dem Zwecke vereinigt hätten, alle Sachen in der Auktion zu Spottpreisen zu erstehen und daß es daher rathsam sei, mitzubieten, um dadurch die Sachen in die Höhe zu treiben. Das wollten sie nun thun, um einigermaßen zu ihrem Gelde zu kommen. Die Aermſten! Sie ahnten nicht, daß es gerade Berliner   Trödler waren, denen sie das er­zählten und nahmen von diesen den Rath als ernst gemeint, daß sie am besten thun würden, wenn sie die Sachen so hoch treiben würden, daß ihre ganze Forderung gedeckt würde. Die Auktion begann, die Händler machten einige kleine Gebote, die beiden Frauen aber boten mehr. Während die Trödler nur Mehrgebote von 50 Pf. machten, boten die Frauen gleichzeitig 2, 3, 4 und 5 M. mehr. Recht so", flüsterten ihnen die Trödler ins Ohr, Sie müssen sich' rausbieten!" und die Frauen boten weiter. Sie geriethen schließlich so in Aufregung, daß sie es gar nicht bemerkten, daß die Tröbler längst das Bieten eingestellt hatten, ja sie überboten sich gegenseitig. Erst als sie beinahe auf 50 M. gegangen waren, meinten die Trödler: Nun hören Sie auf! Jegt find Sie schöne' raus!" Sie waren in der That schöne' raus!", denn sie erhielten den Zu­

6. Jahrg.

schlag, worauf ein großes Gelächter ausbrach. Der Herr Graf" wird sich wundern, daß die wenigen Sachen, welche ihm abge= pfändet worden sind, und die höchstens 15-20 Mark werth waren, seine ganze Schuld gedeckt haben, die armen Frauen aber werden sich in Zukunft schwerlich wieder heraus­bieten.

Einer plumpen Schwindelet ist vorgestern ein junges in der Sebastianstraße wohnhaftes Dienstmädchen zum Opfer gefallen. Daffelbe hatte sich zur Wahrung eines Termins nach dem Kriminalgerichtsbäude zu Moabit   begeben und wartete, da sie viel zu früh gekommen war, auf dem Korridor; sie ging unruhig hin und her, und dies erregte die Neugierde einer " Dame", welche schließlich auf das Mädchen zutrat, sich theil­nehmend nach ihren Verhältnissen erkundigte und schließlich das Vertrauen des armen Mädchens soweit errang, daß dieses ihr mittheilte, wegen Diebstahls angeklagt zu sein. Die Dame, welche sich Fräulein Krause nannte und angab, Friedrich­straße 12 zu wohnen, gab dem Dienstmädchen nun den guten Rath, kein Geld und keine Schmucksachen mit in den Gerichts­faal zu nehmen, es käme häufig vor, daß die Verurtheilten gleich in Haft behalten oder wegen der Gerichtskosten Geld und Schmuckfachen zurückbehalten würden. Das Dienstmädchen erschrat darüber sehr, worauf Fräulein Krause die Wahrheit ihrer Angaben nochmals betheuerte mit dem Hinzufügen, es sei ihr selbst schon einmal so gegangen. Auf weiteres Zureden übergab das Mädchen der Gaunerin endlich ihr Portemonnaie mit ihren ge= sammten Ersparnissen im Betrage von 63 M. Die Gaunerin wollte so lange warten, bis sie wieder herauskäme, oder sie könne sich auch das Geld in ihrer. Wohnung abholen. Das Dienst­mädchen wollte sich nun noch ihre Ohrringe aus den Ohren machen, Broche und Ringe ablegen, da wurde sie in den Ge­richtssaal gerufen. Als sie wieder heraustrat, war Fräulein Krause" verschwunden und die Nachfrage nach demselben in der Friedrichstr. 12 war auch vergebene Mühe, denn dort war die Gaunerin völlig unbekannt. Dieselbe ist etwa 27 Jahre alt, hat dunkle Haare, schwarze Augen, blaffe Gesichtsfarbe und ist von schlanker Statur. Bekleidet war sie mit schwarzem Rock, schwarzer Taille und veilchengarnirtem Hut; ferner trug sie eine weiße Broche in Sternform.

Ein bedeutendes Schadenfener wüthete in vergan gener Nacht auf dem Grundstück der Spandauerberg- Brauerei bei Westend. Vor etwa zwei Jahren wurden daselbst schon einmal das Mälzereigebäude und das Sudhaus ein Raub der Flammen. Diesmal fam das Feuer Nachts gegen zwei Uhr in der Nähe des Gebäudes für die elektrischen Anlagen, vermuth lich durch die elektrische Leitung selbst, aus und zog bald die sogenannte Darre, den Schrotboden, das Schwenkhaus, den Lagerboden für Salz 2c. in Mitleidenschaft. Der Der von Spandau   her wehende Wind begünstigte die Ausbreitung des Feuers ungemein, und die Baulichkeiten würden wohl total eingeäschert sein, wenn der Wind sich nicht bald gedreht hätte. Die Sprißen der Brauerei wurden sofort in Thätigkeit gesezt, und bald traf auch ein Löschzug der Charlotten­ burger   Feuerwehr ein. Auf Ersuchen des Amtsvorstandes ent­sandte die benachbarte Schießschule sogleich einige hundert Sol­daten zur Hilfeleistung. Die Löscharbeiten beschränkten sich, da das Feuer mit rapider Geschwindigkeit Dächer und Balkenlager der bezeichneten Gebäude ergriffen hatte, auf die Rettung der benachbarten Baulichkeiten. Dank der aufopferden Thätigkeit der auf der Brandstätte erschienenen Mannschaften gelang es denn auch, die Hauptgebäude der Brauerei, vor allem die Mälzerei, das Sudhaus, die Böttcherei 2c. intakt zu erhalten. Von den oben bezeichneten Gebäuden indeß stehen nur noch die massiven Umfassungsmauern, sonst sind dieselben total aus­gebrannt; das gebrannt; das verheerende Element hat fürchterlich in Biesen Räumen gewüthet, denn die armdicken eisernen Wellen 2c. waren durch die enorme Hize glühend heiß gewor den und hatten sich gebogen wie dünner Draht, während die schweren Schwung- und Zahnräder einfach aus ihren Lagern herausgefallen waren. Wäre das Feuer nicht sogleich bemerkt worden, so hätte man sicherlich auch den Verlust von Menschen­leben zu beklagen gehabt; denn von der östlichen Grenze des Brandherdes ist das zweistöckige Arbeiterwohnhaus nur durch eine Mauer getrennt; freilich haben die Insassen der an des brennende Gebäude anstößenden Wohnungen eine unliebſame Unterbrechung ihrer Nachtruhe sich gefallen lassen müssen. Gegen 5 Uhr Morgens fand das Feuer in den massiven Gebäuden keine Nahrung mehr vor, und es konnte mit dem Ablöschen der noch glimmenden Holztheile und den Aufräumungsarbeiten begonnen werden. Selbstverständlich sind die beschädigten Baulichkeiten versichert und die Retablirungs­Arbeiten bereits in Angriff genommen. Der Betrieb der Span dauer Berg- Brauerei wird durch den Brandschaden keinerlei Unterbrechung erleiden.­

Vom Pferde geschlagen. Ein entseglicher Unglücksfall, dem wohl ein Meuschenleben zum Opfer fallen dürfte, ereignete sich am Mittwoch in der Prinzen- Allee in dem Hause Nr. 16 dieser Straße wohnt der Fuhrherr D., welcher vor 2 Monaten von einem seiner Pferde geschlagen und erst infolge dessen An­fangs voriger Woche aus dem Krankenhause entlassen wurde. Die Frau deffelben begab sich am Mittwoch Mittag nach der Stallung und wurde, sich bückend, von einem der Pferde, welches ausschlug, derartig am Kinn getroffen, daß sie bewußtlos zusammenbrach. Von einem Kutscher wurde die Bedauerns­merthe mit zerschmetterter Kinnlade auf dem Hofe, wohin sie sich noch geschleppt, in einer großen Blutlache liegend aufge funden. Auf Anordnung eines sofort geholten Arztes wurde Frau D. nach einem Krankenhause geschafft, woselbst fonstatirt wurde, daß ein Knochenstück des zerschmetterten Kiefers infolge des Schlages in das Gehirn gedrungen sei. Der Zustand der Verlegten ist hoffnungslos.

Bei dem Abspringen von dem Hinterperron der Pferdebahn verunglückt! Der 12jährige Sohn des in der Neuen Königstraße wohnenden Kaufmanns H., welcher die Bürgerschule in der Brunnenstraße besucht, benußte am gestrigen Nachmittag um 5 Uhr auf dem Wege nach der elterlichen Wohnung einen Pferdebahnwagen der Linie Gesundbrunnen­Kreuzberg. In der Nähe des Rosenthaler Thores sprang der Knabe, einen Schulkollegen auf der Straße erblickend, trop Verwarnung feitens des Schaffners von dem in ziemlich scharfer Fahrt begriffenen Wagen ab und fiel hierbei aus­gleitend so unglücklich auf das Straßenpflaster, daß er mit völlig zerschmettertem Hinterkopfe bewußtlos liegen blieb. Nach dem ihm von einem zufällig vorübergehenden Arzte ein Noth­verband angelegt worden, wurde das schwerverlette Kind mittelst Droschke nach der elterlichen Wohnung gebracht.

Polizeibericht. In der Nacht zum 4. d. M. wurde ein Schlosser in dem Keller eines Hauses am Kottbuser Ufer er­hängt vorgefunden. hängt vorgefunden. Am 4. d. M. Morgens erlitt der Gerber Blumenthal, Wallstr. 17, beim Tragen von Fellen infolge eines Fehltritts einen Bruch des linken Fußgelenks. Er wurde nach dem Krankenhause Bethanien gebracht. Mittags wurde ein Kaufmann in seiner Wohnung in der Friedrichstraße erhängt vorgefunden. Nachmittugs fiel ein 5jähriger Knabe beim