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Weise, seine Mama schicke ihm jeden Monat so ein Ding".| Dann faufte er mit dem Veloziped nach Straußberg . Der Chet" aber hatte nur einen Werth von 1,50" M. Nur dem glücklichen Zufall, daß ein Verwandter des Pr. in Straußberg den Gauner mit dem Veloziped festhielt, verdankt der Verleiher die Rückkehr des Dreirades. Als Techniker Santen aus Hil desheim" hat er dann, nach Berlin zurückgekehrt, weitere Schwinbeleien perübt. Unter den Namen„ Spißig"," Ohm" hat er im Leipziger Hof auch Zechprellerei geübt. Hier logirte er acht Tage, gab sich als berühmten Preisradfahrer" aus, welcher zu dem Preisfahren hergekommen sei; als ihm die Rechnung am Schluß der Woche zur Bezahlung vorgelegt wurde, bat er, bis zum Abend damit warten zu dürfen, und ging aus. Am Abend aß er sich noch einmal recht satt und verschwand dann auch hier spurlos. Auf diese Weise hat der Gauner eine ganze Unzahl von Hotelbefizern und Vermiethern geschädigt. Der Verhaftete wurde gestern der königl. Staatsanwaltschaft vor geführt.
Ein weichherziger Taschendieb. Die Volksschullehrer Hildebrandt, Weiße nnd Müller hatten schon seit vorigem Jahr zusammengespart, um während der diesjährigen Sommerferien eine gemeinschaftliche Reise unternehmen zu können. Donnerstag trafen sie sich in der Stammkneipe, um ihren Reiseplan eingehend zu besprechen. Es waren im Ganzen 700 M. beifammen und es legte jeder noch so viel zu, daß auf den Kopf 250 M. famen. Dem Herrn Weiße wurde die Kriegskasse anvertraut. Er steckte das Geld in seine Brieftasche und diese in eine der Schooßtaschen seines schwarzen Gehrockes. Als man gegen Mitternacht aufbrach, da war dem Herrn Weiße die Brieftasche mitsammt dem Gelde abhanden gekommen. Herr W. erinnerte sich sofort, daß ein langer, vornehm gekleideter, hagerer Mann, den man für einen Fremden hielt und der dem Geldzählen und Umwechseln mit zugesehen, sich in der Bedürfnißanstalt des Restaurants so auffallend an ihn herangedrängt hatte. Jedenfalls hatte dieser den Diebstahl begangen. Man machte Anzeige von dem Vorfall, doch hatte man keine Hoffnung, das Geld wiederzubekommen. Nicht wenig erstaunten jedoch am Freitag Herr W. und seine Kollegen, als der Postbote Herrn W. ein Backet überbrachte, welches die gestohlene Brieftasche mit 700 M. enthielt, 50 M. von der Summe fehlten. Ein Schreiben in englischer Sprache lag dabei folgenden Inhalts: Ich Mr. J. J., einer der vorzüglichsten Seebäderdiebe, fühle mich veranlaßt, ausnahmsweise einmal das durch mich, nach unferer Ansicht rechtmäßig und schwer erworbene Geld zurückzuerstatten, und zwar deshalb, weil ich fein solcher Lump bin, brei arme Schulmeister, welche monatelang gehungert haben, um eine Erholungsreise machen zu können, daran zu verhindern. Fünfzig Mark habe ich für meine Mühen behalten müssen, was Wenn ich noch Sie mir durchaus nicht übel nehmen wollen. fo ein Dreiblatt( wahrscheinlich Kleeblatt gemeint) wüßte, das eine Reise machen wollte, ich würde sogar diesen zu Liebe einen größeren Diebstahl ausführen, um denselben die nöthigen Mittel zur Reise geben zu können. Wenn Sie, Herr Weiße, drei folcher Lehrer wissen, dann bitte ich Sie, am Sonnabend, den 6. Juli, Mittags 12 Uhr, die Linden vom Brandenburger Thor bis zur Schloßbrücke entlang zu gehen. Das soll mir ein Zeichen sein der Bejahung und werde ich Ihnen alsdann das Geld baldigst von auswärts übersenden. Erkennen werde ich Sie unter allen Umständen, denn Sie haben einen ganz auffallenden, verhungerten, löwenartigen Lehrerkopf. Mr. J. J., Ihr Freund Nach dem Inhalt des Briefes zu urtheilen, schreibt hierzu die Berl. 3tg.", scheint uns ein Scherz vorzuliegen, welchen sich einer der Betheiligten mit seinen Kollegen erlaubt hat. Vielleicht ist der ganze Hergang aber auch nur ein Scherz bes betreffenden Berichterstatters, was in Anbetracht der bereits start im Anzuge befindlichen Entenzeit ebenso möglich als entschuldbar wäre.
Wiederum sind zwei Menschenleben auf der Havel in der Nähe von Schildhorn dem Vergnügen einer Wasserfahrt zum Opfer gefallen. Ein Schlossermeister aus der Stralsunderftraße machte daselbst gestern gegen Abend in Begleitung seines Stiefsohnes und dessen Braut eine Rahnfahrt, wobei das Boot derselben in das Fahrwasser des auf Schildhorn stationirten Wegnerschen Dampfers, der eine seiner Umfahrten machte, gerieth. In Folge des heftigen Wellenschlages tenterte das fleine Boot, und die drei Insassen stürzten in die Fluth. Braut und Bräutigam ertranken, während der Vater gerettet wurde.
Ein Liebesdrama im Stadtbahnknpee hat sich am Sonntag in aller Frühe abgespielt. Das„ Kl. Journ." berichtet darüber folgendes: In einem Eisenbahnfupee zweiter Klasse des 6 Uhr 16 Minuten von Moabit nach Westend fahrenden Zuges erdröhnten knapp an der Biegung zur Einfahrt in den Bahnhof Westend, welcher zu der Verbindungsbahn gehört, schnell hintereinander zwei Schüsse. Die Detonation war so start, daß die Paffagiere des Frühzuges nnd das begleitende Beamtenpersonal desselben trop des Geräusches der Lokomotive es hörten. Kurz vor dem Bahnhof ward der Zug zum Stehen gebracht; das Fahrpersonal eilte herbei, Passagiere verließen die Rupees und eiligst suchte man den Zug ab, denn es war kein Zweifel, daß in einem Wagen desselben die Schüsse abgefeuert worden sein mußten. Diese Vermuthung fand alsbald eine schreckliche Bestätigung. Aus einem Rupee zweiter Klasse, dessen Fenster hochgezogen und dafür die Gardinen herabgelassen waren, drang ein leises Röcheln. Der Schaffner des Wagens riß die Rupeethür auf, und nun bot sich den hinzudrängenden Perfonen ein schauervoller Anblick. In dem mit Pulverdampf ganz erfüllten Wagen lag quer über beiden Sigreihen ein junges Mädchen, aus deren linker Schläfe das Blut herabrann. An der Seite der Todten ruhte ein hagerer junger Mann, in seiner Rechten frampfhaft einen vierläufigen Revolver haltend, während die Linke einen fleinen Spiegel umflammierte, den der junge Mann unzweifelhaft zum Zielen benugt hatte. Auf den ersten Blick war es den erschreckten Passagieren und Beamten klar, daß hier ein Liebespaar durch Mord und Selbstmord in fürchterlicher Weise geendet hatte. Der Zugführer ließ das Kupee schließen, der Zug wurde wieder bestiegen, dann fuhr er langsam in den Bahnhof Westend ein. Hier wurde sofort die Polizei von dem Vorfall benachrichtigt, und schon die ersten Recherchen ergaben, daß man es in der That mit einem unglücklichen Liebespaar zu thun hatte. Der Kriminalpolizei sind noch im Laufe des geftrigen Tages die Namen der Unglücklichen bekannt geworden. Auf bringendes Ansuchen der Angehörigen hält die Kriminalpolizei die Namen der Betheiligten geheim. Soweit wir in Erfahrung bringen konnten, ist der junge Mann der Sohn eines Kaufmanns K. in Berlin , welcher in der Bappelallee wohnt, das Mädchen die Tochter einer begüterten Familie in Moabit , Namens S. Auf Anordnung der Charlottenburger Kriminalpolizei wurden die Leichen der beiden Unglüdlichen aus dem Roupee gehoben und sofort in das Leichenschauhaus überführt. Von dort aus ist die Leiche des jungen Mädchens gestern frühen Nachmittag nach Moabit zu der Familie geschafft worden. Die Leiche des jungen Mannes follte um 4 Uhr von einer Gerichtskommission besichtigt werden. Durch mehrere bei den Leichen vorgefundene fleine Zettel wird die Annahme bestätigt, daß zwei Liebende im Einverständniß miteinander in den Tod gegangen find. Auf einem dieser gelblichen Zettel stehen in unsicheren Schriftzügen die Worte: Wir suchen Beide freiwillig den Tod und werden ihn hoffentlich finden." Die Angehörigen der jungen Leute, welche aus Berlin und Moabit nach Westend herbeigeholt wurden, stehen dem Vorfall vollständig rathlos gegenüber. Sie wußten wohl von dem Verhältniß der Kinder, fönnen aber irgend eine zwingende Ursache zu einem so tragischen Lebensabschluß nicht zu finden. Umso mehr sind sie von dem Geständniß überrascht, welches in einem Briefe, den der junge Mann geschrieben, gemacht ist, nämlich, daß er und seine Geliebte deswegen freiwillig den Tod suchen, weil er zum
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Herbst seiner Militärpflicht genügen müsse und weders eine Geliebte noch er selbst diese Trennung ertragen können.
Polizeibericht. Am 6. d. M. Nachmittags wurde ein vierjähriger Knabe vor dem Hause Thärstr. 57 von einem Möbelwagen überfahren und erlitt einen Bruch des rechten Oberarmes. Abends vergiftete sich eine Frau in ihrer Wohnung in der Holzmarktstraße mittelst Karbolsäure. Am 7. d. M. Nachmittags wurde vor dem Hause Madaistr. 10 ein zweijähriger Knabe von einer Droschte überfahren und erlitt eine ziemlich bedeutende Verlegung am rechten Oberschenkel.Zu derselben Zeit brachte auf dem Terrain hinter der BeusselStraße der Arbeiter Kleinte einem anderen Arbeiter infolge eines Streites mehrere Messerstiche im Gesicht bei, so daß letztere nach dem Krankenhause in Moabit gebracht werden mußte.
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Bewegung der Bevölkerung der Stadt Berlin . In der Woche vom 16 bis 22. Juni 1889 fanden 139 Eheschließungen statt. Lebend geboren wurden 861 Kinder, darunter 103 außerehelich, todtgeboren waren 34 mit 12 außerehelichen. Die Lebendgeborenen find 30,1, die Todtgeborenen 1,2 pro Mille der Bevölkerung, die außerehelich Geborenen sind bei den Lebendgeborenen 11,9, bei den Todtgeborenen 38,2 pet. Die Zahl der gemeldeten Sterbefälle be trug 1195, die sich auf die Wochentage wie folgt vertheilen: Sonntag 196, Montag 174, Dienstag 166, Mittwoch 180, Donnerstag 181, Freitag 146, Sonnabend 152. Von den Gestorbenen erlagen an Majern 1, Scharlach 2, Diph therte 18, Bräune 0, Keuchhusten 2, Kindbettfieber O, Typhus 0, Ruhr 0, Syphilis 2, Altersschwäche 17, Gehirnschlag 14, Lungenentzündung 30, Lungenschwindsucht 91, Diarrhoe 136, Brechburchfall 470, Magendarmkatarrh 68. Durch Vergiftung tam 4 Personen um( durch Alkoholvergiftung, Delirium tremens). Eines gewaltsamen Todes starben 16 Personen, und zwar durch Ertrinken 3, Erhängen 2, Ueberfahren 2, Sturz oder Schlag 5, Schußwunde 5. Hierunter find 9 Todesfälle durch Selbstmord her beigeführt. Dem Alter nach sind die Gestorbenen: Unter 1 Jahr alt 790 ( 66,1 pet. der Gesammtsterblichkeit), 1-5 Jahre 117, 5-15 Jahre 23, 15 bis 20 Jahre 11, 20-30 Jahre 32, 30-40 Jahre 47, 40-60 Jahre 92, 60-80 Jahre 71, über 80 Jahre 12 Personen. In hiesigen Krankenhäusern starben 131, ein fchließlich 11 Auswärtige, welche zur Behandlung hierher gebracht waren. Auf die Standesämter vertheilen sich die Todesfälle folgendermaßen: BerlinKölln Dorotheenſtadt( I.) 31, Friedrichstadt ( II) 15, Friedrich und Schöne berger Vorstadt( III) 56, Friedrich und Tempelhofer Vorstadt( IV.) 84, Louisen stadt jenseit, westlich( Va.) 83, Luisenstadt jenseit, öftlich( Vb.) 63, Luisenstadt diesseit und Neu Kölln( VI) 53, Stralauer Viertel, westlich( VIIa.) 85, Stralauer Biertel, östlich( VIIb) 70, Königstadt( VIII) 65, Spandauer Viertel ( IX) 39, Rosenthaler Vorstadt, südlich( Xa.) 104, Rofenthaler Vorstadt, nördlich ( Xb.) 89, Oranienburger Vorstadt( XI.) 149, Friedrich- Wilhelmstadt und Moabit ( XII) 105, Wedding ( XIII.) 104. Die Sterbefälle sind 41,8 pro Mille der fort. geschriebenen Bevölkerungszahl( 1 490 287). Die Sterblichkeitsziffer in folgenden Städten des Deutschen Reiches mit mehr als hunderttausend Einwohnern be trug in Aachen 25,2, Altona 15,4, Barmen 26,9, Bremen 17,0, Breslau 46,3, Chemnik 32,8, Danzig 32,7, Dresden 22,6, Düsseldorf 25,7, Elberfeld 25,8, Frankfurt a. M. 21,6, Hamburg mit Vororten 19,7, Hannover 21,2, Köln 33,9, Königsberg 45,6, Krefeld 17,3, Leipzig 21,2, Magdeburg 56,3, München 32,7, Nürnberg 25,2, Stettin 39,1, Straßburg i. E. 23,9, Stuttgart 15,2 auf Tausend. In anderen Großstädten Europas mit mehr als dreihunderttausend Einwohnern betrug die Sterblichkeitsziffer in Amsterdam 19,8, Budapest ( Borwoche) 28,8, Dublin 19,6, Liverpool 16,9, London 14,9, Paris 20,6, Petersburg ( Vorwoche) 27,4, Warschau ( Borwoche) 32,3, Wien ( Vorwoche) 23,0 auf Tausend. Es wur den 2822 Zugezogene, 2877 Weggezogene gemeldet, so daß sich die Bevölkerung mit Einrechnung der nachträglich gemeldeten Geborenen nnd des Zuschlages, der den Weggezogenen erfahrungsmäßig zugerechnet werden muß, um 615 ver mindert hat, die Einwohnerzahl beträgt fonach am Schlusse der Berichtswoche 1 489 672. In der Woche vom 23. bis 29. Juni kamen zur Meldung In fektions- Erkrankungsfälle an Typhus 27, Poden 0, Masern 43, Scharlach 51, Diphtherie 49, Kindbettfieber 3
Gerichts- Beitung.
Wegen Fortlehung einer verbotenen Druckschrift hatten sich gestern die Redakteure der Volfs- Zeitung", Hermann Holdheim und Erich Bernstein, sowie der vormalige Direktor der Volks- Zeitung, Franz May vor der ersten Strafkammer des Landgerichts I zu verantworten. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Schmidt, die Anflagebehörde vertritt Staatsanwalt Dr. Müller, die Vertheidigung führt Rechtsanwalt Wreschner. Befanntlich wurde die Volks- Zeitung" durch Verfügung des Polizei- Präsidiums vom 17. März d. J. auf Grund des§ 12 des Sozialistengefeßes verboten. Am folgenden Tage erschien im Verlage der Volkszeitung" ein Blatt, welches sich„ Der Arbeitsmarkt " betitelte, dem Polizeipräsidium nur eine Fortseßung der verbotenen Volfs- Zeitung" schien und deshalb ebenfalls verboten wurde. Demselben Schicksal verfiel aus demselben Grunde die Tags darauf erscheinende Zukunft". Die Anklagebehörde hat sich der Ansicht des Polizeipräsidiums, daß beide Blätter nur Fortsetzungen der verbotenen Volkszeitung" sind, angeschloffen und macht die obengenannten Beschuldigten für deren Erscheinen verantwortlich. Der Zukunft" folgte noch ein Blatt, welches sich„ Die Arbeit" nannte, aber nicht beanstandet wurde, weil es nur Annonzen enthielt. Die Anklagebehörde stüßt sich darauf, daß der Arbeitsmarkt" wie die Zukunft" in demselben Format erschien, wie die Volkszeitung", daß die Reporterzeichen dieselben sind, wie im legtgenannten Blatte, daß der Kourszettel sich imAeußeren von dem früherer nicht unterschied und daß noch sonst viele Uebereinstimmungen bestanden, woraus fich die von der Anklage aufgestellte Behauptung folgern lasse. So lag u. A. dem Arbeitsmarkt" eine Beilage bei, in welcher den Abonnenten Mittheilung von der erfolgten Beschlagnahme gemacht und daran die Bemerkung genüpft wurde, daß gegen Diese Maßnahme der Beschwerdeweg betreten werden würde, da aber tausende von Menschen durch die Volts- Zeitung" Arbeit und Brot erhalten, so solle den Abonnenten ein neues Blatt,„ Der Arbeitsmarkt", zugestellt worden. Als belastend führt die Anklage ferner den Umstand an, daß die Expedition der Bolls- Zeitung" ihren Spediteuren die dann erschienenen Blätter in gleicher und sogar noch größerer Anzahl zustellte, wie bisher die Wolfs- Zeitung", woraus geschloffen wird, daß die Blätter den bisherigen Abonnenten zugeschickt werden sollten. Die Angeklagten bestritten insgesammt, daß die fraglichen Blätter eine Fortsegung der Bolts- Zeitung" seien. Dieselben feien vollständig selbstständige Blätter. Die übereinstimmenden Reporterzeichen fönnten der Anklagebehörde einen Anhaltepunkt nicht dafür geben, daß die betreffenden Artikel für die VolksZeitung" bestimmt seien, die Reporter fchickten ihre Artikel einfach an den Verlag der Zeitungen und sei es denselben ganz gleichgiltig, welchen Namen die Bläter führten, welche ihre Artikel aufnehmen. Es sei ferner darauf hinzuweisen, daß die Volks- 3tg." sich im Aeußern von dem ,, Arbeitsmarkt" und der Zukunft" unterscheide, als die„ Volfs- Beitung" ihre Seiten in zwei Spalten eintheilte, während die beiden anderen Blätter eine dreispaltige Eintheilung führten. Ein anderer wesentlicher Unterschied bestehe darin, daß die Volks- Zeitung" regelmäßig einen Leitartikel und dann noch eine politische Betrachtung brachte, beides sei in den beiden später beanstandeten Blättern nicht der Fall. Der Angeklagte Holdheim erklärte ferner, daß er aus einem prinzipiellen Grunde gegen die Anklage protestiren müsse. Der § 13 des Sozialistengefeges bestimme, daß bei dem Verbote einer Druckschrift die Gründe des Verbots angegeben werden sollen, dies sei beim Verbote der V.- 3tg." nicht geschehen, sondern dem einfachen Verbot sei erst vier Tage später, als der Arbeitsmarkt" und„ Die Zukunft" bereits er schienen und wieder beschlagnahmt waren, die Begründung gefolgt. In Betreff der Zustellung an die Spediteure wandten die Angeklagten ein, daß dieser Umstand in keiner Weise gegen fie sprechen könne. Als die„ Volfs- Zeitung" verboten wurde, hätten verschiedene andere Blätter ähnlicher Richtung, wie die Berliner Zeitung "," Berliner Presse" u. s. w. den Spediteuren eine größere Anzahl ihrer Nummern zur Gratis- Vertheilung an die bisherigen Abonnenten zur Verfügung gestellt, um dieselben für sich zu gewinnen, dasselbe Recht müsse dem Herausgeber einen neuen Blattes, wie„ Der Arbeitsmarkt und Die Zukunft" sein sollten, gestattet werden. Von den vielen geladenen Spediteuren waren nur zwei als Zeugen Diese befunden übereinstimmend, daß sie sich nach dem Verbote der„ VolksBeitung" nach der Erpedition begeben hätten, zufragen, welcher Bescheid den Abonnenten gegeben werden solle, und habe man ihnen einfach eine entsprechende Anzahl
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Eremplare des Arbeitsmarkt" als Erfaz gegeben. Gin Ersaz in Geld für die bis zum 1. April im voraus bezahl Nummern der Bolts- Zeitung hätten sie nicht verlangt. auſeitig auf weitere Zeugenvernehmung verzichtet wurde, fo griff der Staatsanwalt das Wort zu seinem Plaidoyer. hielt die Angeklagten für schuldig. Das erbrachte Materi spreche hierfür zur Genüge. In der Beilage zum Arbei markt" wurde den Abonnenten klar und deutlich mitgetheil daß δας Verbot voraussichtlich nur ein vorübe gehendes sei und dies lasse schon jeden Zweifel darüber schwi den, daß die Angeklagten überhaupt nicht die Absicht hatte ein neues Blatt zu gründen. Daß bei Herausgabe des„ Arbeit markt" und der Zukunft" eine gewisse Vorsicht bewahrt u
gäbe Blättereggelassen wurde, wolle gar nichts befagen,
einer ganz bestimmten politischen Richtun welche in einzelnen Nummern vollständig farblos feien. Gege Holdheim und May beantrage er je 60 M. Geldstra gegen Bernstein 30 M., im Nichtzahlungsfalle für 10 M. einen Tag Gefängniß. Der Vertheidiger fü aus, daß die Anflage aus verschiedenen Gründen einer Freisprechung enden müsse. Gleich nach dem Verbote de Bolts- Zeitung hätten die Angeklagten sich beschwert, daß Maßregel weder formell noch rechtlich zulässig sei. Da da Verbot durch Urtheil einer höheren Instanz wieder aufgehobe sei, so mußte in Erwägung gezogen werden, ob die Angeklagte nicht schon aus diesem Grunde straffrei ausgehen müßte Aber bei dem Verbote der Volks- Zeitung" sei überhaupt ni gefeßlich verfahren worden. Das Sozialistengesez verlange aus brücklich eine Begründung bei dem Verbote des Weitererscheinen einer Druckschrift. Ein verlängertes Verbot tenne das So zialistengeſeh nicht, es fenne nur eine vorläufige Be schlagnahme. Zum Verbote des Weitererscheinen
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war bas Polizeipräsidium überhaupt nicht berechtig Das Verbot könne erst von dem Augenblicke an al zu Recht bestehend angesehen werden, als die gründung desselben erfolgte und dies sei erst am 21. März ge schehen, als die beiden beanstandeten Blätter bereits beschlag nahmt waren. Der Vertheidiger führte des weiteren aus, da die Momente, in denen die Staatsanwaltschaft eine Fortsetzung der Volks- Zeitung" in den beiden Blättern erblicken wollte feineswegs durchschlagend seien, um diese Annahme zu be gründen, er wies darauf hin, daß die Tendenz der Bolts zeitung, die fich ungescheut in jeder Nummer als eine demo fratisch- bürgerliche, aber feineswegs als eine fozial demokratische kennzeichnete, in den beiden Blättern, die ihr folgten, streng vermieden sei und er führte mehrere Reichsgerichtsentscheidungen an, woraus hervorgehen follte, das nicht die äußere Form, sondern nur der Inhalt ein Blatt charal terisire. Das Polizeipräsidium hätte mit dem Verbote der beiden in Rede stehenden Zeitungen warten müssen, bis sich in den selben eine gleiche Tendenz wie in der Volfs- Zeitung" offen barte. Aus allen diesen Gründen müsse er die Freisprechung der Angeklagten beantragen.
Die Berathung des Gerichtshofes dauerte nicht lange Es wurde ein freisprechendes Urtheil gefällt Es könnten Zweifel darüber obwalten, ob das erste Verbot der Volfs- Zeitung" zu Recht bestanden habe, da der betreffende Paragraph obligatorisch die Begründung der Verfügung vers lange; zweifelhaft könne es ferner sein, ob die Angeklagten aus diesem Grunde nicht straffrei ausgehen müßten, es handle sich nicht um diese Entscheidung der Frage, ob die beiden Blätter als eine Fortsetzung der verbotenen Volks Beitung" angesehen werden mußten, und dies habe der Gerichts hof ohne Bedenken verneint. Es sei notorisch, daß der Geiſt der Bolts- Zeitung" ein entschieden demokratischer sei, in jeder Nummer bekenne fie offen Farbe. Da nun in den beiden frag lichen Blättern jeder Leser auch nicht das geringste einer der artigen Tendenz würde herausfinden können, und da nach mehr fachen Reichsgerichtsentscheidungen nicht das Aeußere, sondern der Geist für die Beurtheilung einer Zeitung maßgebend sei, so könnten die beiden Blätter als eine Fortseßung der Volks Beitung" nicht angesehen werden und seien die Angeklagten daher freizusprechen.
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Ach, un ich hew em doch lo leiw' hatt!" fo schluchzte eine ärmlich, aber sauber gekleidete Fran gestern auf dem Korridor des Moabiter Kriminalgerichts, als man ihren Mann wieder in das Gefängniß zurückführte, nachdem derselbe von der zweiten Straffammer am Landgericht II zu einer langen Freiheitsstrafe verurtheilt worden war. Es war die Geschichte einer unglücklichen Ehe und der Schmerzensschrei einer vernichteten Eristenz, der sich in diesen wenigen Worten Luft machte. Sie war eine Mecklenburgerin, war als junges Mädchen nach Berlin gekommen, hatte hier einen jungen Schmiedegesellen geheirathet, der sich in Weißensee als Meister niederließ und sein fleines elterliches Vermögen vergrößerte daß er mit Recht als wohlhabender Mann galt. Leider starb der Mann in der Vollkraft seines Lebens. Sein Vermögen wurde testamentarisch zwischen seiner Frau und seinem kleinen Sohn getheilt. Die Wittwe betrieb das Geschäft weiter. Eine Zeitlang arbeitete ein anscheinend recht solider Gefelle Namens Pagels bei ihr. Namens Pagels bei ihr. Der Umstand, daß es ein Landsmann war machte den jungen Gesellen der Meisterin anfänglich sympathisch und das Ende vom Liede war
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sie heirathete ihn. Eigentlich war das erst der Anfang von Ende. Den inngen Meister Pagels stach sehr bald der Hafer." Das warme Nest, in das er sich gefeßt, wurde ihm zu eng, er ergab sich dem Trunk und Spiel, faß tagelang in Wirthshause, vernachlässigte sein Geschäft und jagte die Hinterlassenschaft seines Vorgängers soweit dieselbe der Frau zu gefallen war bis auf den letten Pfennig durch die Kehle. Vom Lump bis zum Verbrecher ist nur ein Schritt. Der Stell machermeister Degen in Weißensee hatte während des letzten Winters und Frühjahrs häufig bemerkt, daß ihm Nuzhölzer vom Hofe seiner Werkstatt, die abseits von seiner Wohnung lag, gestohlen wurden. Da es der oder die Diebe zulegt gar zu arg frieben, legte er sich in der Nacht vom ersten zum zweiten Osterfeiertage auf die Lauer. Bald erschienen auch zwei Männer auf dem Plaze. Degen richtete sich auf und rief: Da haben wir ja die Diebe!" Sofort wurde er überfallen und und derartig förperlich mißhandelt, daß bewußtlos zu Boden fiel. Nachdem er mehrere Stunden so gelegen, wurde er vom Nachtwächter Engel aufgefunden. Für todt wurde er vom Plaze geschafft, awar gelang es den Bemühungen des praktischen Arztes Dr. Euphrat, Ben Berlegten und durch Blutverlust schwer Erschöpften zum Bewußtsein zurückzurufen, doch schien seine Rettung überaus fraglich. Wie durch ein Wunder ist der Verlegte, der zahlreiche scharfrändrige und tiefe Wunden in Kopf und Rüden davon getragen hatte, vollständig geheilt worden. Degen hatte in bemjenigen Manne, der ihm die Wunden beigebracht, den Schmied Panels erkannt, und dieser wurde wegen schwerer Körperverlegung unter Anklage gestellt, während gegen seinen Begleiter Anklage nicht erhoben wurde. Er war geständig und wollte nur nicht zugeben, daß er ein Messer, sondern nur einen Schlüffel gebraucht habe. Das Urtheil lautete auf zwei Jahre Gefängniß. Seine Frau steht nun völlig mittellos da, nur das Vermögen des 13jährigen Knaben ist gerettet, weil die Bestimmungen der Vormundschaftsordnung verhinderten, daß auch des Kindes Erbtheil flüssig gemacht und vertrunken werden konnte. Und doch war es nicht Groll, sondern liebevolles Bedauern, das ihr bei der Abführung des Mannes die Worte über die Lippen drängte: Ach un idk hem em doch so leim' hatt!"
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Wir erhalten folgendes Schreiben: In der Gerichtsverhandlung vom 5. d. Mts., Landgericht I, Straffammer III, ist in der Nr. 156 Ihres Blattes ein Bericht enthalten, der feineswegs dem wahren Sachverhalt entspricht. Erstens heiße ich nicht Wilhelm Stammer, sondern Franz Stammer. Zweitens
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