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Brust baumelte noch immer sein Privatleben. Auch viele andere Besucher sprachen erregt auf Heymanns ein. Dann zogen sich die männlichen Gemüter rasch und entschlossen zu einer improvisierten Generalversammlung in den roten Salon zurück.

... Da sind die Menschen viel aufgeschlossener,| den- 1", sagte heftig Dr. Semmelmann. Er als im Amt... Naja, das kann ich schon ver- lehnte blaß an der Tischkante. Ueber seiner stehn! Aber ich will Sie jetzt nicht länger stören, meine Herrschaften! Besten Dank, es war wirklich reizend! Eine solche Aufmerk­samkeit hätt ich mir gar nicht erwartet..." Wohlgefällig steckte er die Feder ein, flemmte das Pferd unter den Arm, kletterte vom Tisch herab feiner half ihm dabei und ging behend zur Tür. Dort drehte er sich nochmals um: Gute Unterhaltung und auf Wie­derieben!" Eine schöne Bescherung...", mur­melte Direktor Heymann, nahm seinen Som­brero ab und wischte sich die Stirn.

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" Feine Gäste haben Sie eingela­

Es war ohne Zweifel die merkwürdigste und bunteste Versammlung, die man sich den­fen konnte. Wallace Beerh zum Beispiel führte den Vorsiß und Douglas Fairbanks  war sein Stellvertreter.

Aber wiewohl Chaplin als Schriftführer fungierte und eilig den Tatbestand verlas, war keinem zum Lachen zumute.

Glaube und Heimat

oder: Die Emigration nach Toulouse  

Es war im Jahre 1912. Karl Schönherrs und dann Ortsgruppenleiter bei ihnen wird", Drama Glaube und Heimat", das von dem wirft die Frau dazwischen. Drei Jahre haben Kampf des katholischen Kaisers gegen die luthe- wir uns alles abgehungert, um unsere Möbel zu rischen Bauern handelte, war die große Theater- bezahlen. Keiner konnte uns was nachsagen. Aber mode, ein knalliges und wackeres Stück, etwas| als wir nicht einwilligten, bekamen wir diese Defregger mit Gips. Aber wenn der Sand- Antwort:" Und wenn er 1935 erst 25 mit dem perger und seine Frau mitten in der Beinigung Ochsenziemer gekriegt hat, dann dreht er sich die Bibel hervorholten, die unter der Holzdiele um. Aber ich sagte: Mein Mann dreht sich versteckt war, und ihr Bekenntnis lasen, da nicht um und kommt nicht zu euch, und wenn ihr sprühte aus dem reizerischen Effekt ein Funke ihn totschlagt." empor. Man war einen Augenblick mitbeteiligt am Ewigkeitszug der Glaubenskämpfe, die in der Welt zu allen Zeiten Menschen ergriffen, bertrieben und geopfert hatten.

Jänner 1935. Emigranten von der Saar  , 200 Menschen, Männer, Frauen und Kinder, in der Turnhalle zu Forbach  , im Lothringischen, dicht an der Grenze. Wieder einmal verließen Menschen Heimat, Haus, ihr Stück Vieh und ihr Ackerland, um ihres Glaubens Willen ins Un­gewisse zu wandern. Sie sißen auf ihren zerschun­denen Koffern und auf ihren mageren Kartons und warten darauf, morgen, übermorgen nach dem fremden Süden Frankreichs   gefahren zu werden. Doch, Freunde und Kameraden, glaubt nicht, daß es hier melodramatisch zugehe! Die Emigranten von der Saar   sind gar nicht monu­mental. Sie sprechen auch nicht viel. Ihr Land ist Arbeitsland, Grubenland, Hüttenland mit Bergen und Tälern, die das Feuer der Hochöfen überloht. Würdest du zu einem kommen und zu ihm sagen: Du bist das Opfer deiner Treue, du hast dich als tapferer Kämpfer bewährt bis zuletzt gegen die Buben, die Fackeln gegen dein Haus warfen, dich beschimpften und dich be­drohten, weil du kein Knecht werden wolltest wie fie" er würde dich groß ansehen und dir die Hand verweigern.

Karl Gerlich ist so einer. Er hat ein gutes und festes Gesicht unter der blauen Müße. Seine Frau führt zwei Kinder an der Hand. Sie sind still und blaß. Furcht ist in ihren dunklen Augen. Das Zweijährige sitt kugelrund auf einem Sack. Es schreit, unaufhörlich kullern die Tränen über die drallen roten Backen. Da nimmt der Vater es auf den Arm, während sich das Kind langsam beruhigt, erzählt er seine Geschichte. Das ging schon seit vielen Monaten so in St. Wendel  , seitdem ich als Hauptfunktionär der Einheits­front arbeitete. Früher waren wir alle gut Freund miteinander in der Stadt und auf der Straße. Aber als der Hitler drüben an die Macht tam, und ich nicht mitmachte bei der " Deutschen Front"..

Tausend Franken im Monat haben sie ihm geboten, wenn er überläuft, erst bei uns spibelt

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Karl Gerlich berichtet weiter: Buletzt nach der Abstimmung, da hatten sie mein Haus um­stellt. Der Ordnungsdienst der Deutschen Front" belauerte uns. Jetzt ginge es uns schlecht immer wieder schrien sie es uns zu. Vorher beim Flugblattverteilen, waren sie auf den Dör­fern mit Dreschflegeln hinter mir her, die Metzger traten aus ihren Türen und drohten mit ihren Schlachtmessern: Warte nur, nach dem Dreizehnten!" Das also war die unbeeinflußte und freie Abstimmung an der Saar  , nach dem vom Völkerbund garantierten Saarstatut, sagte ich. Karl Gerlich gab keine Antwort darauf. Er warf einen Blick auf die älteren Kinder. Schon der Kinder wegen mußte ich weg, sie wurden auf der Straße und in der Schule beschimpft. Nie­mand spielte mehr mit ihnen. Die Lehrerin sprach immer so von ihnen, daß sie sich schämen mußten." Die Neunjährige an der Hand des Vaters hörte zu und senkte die Augen.

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,, Wie sind Sie fortgekommen?" fragte ic weiter. Ganz frühzeitig in der Dunkelheit am Abstimmungstage. Aber die Nazis hatten es schon heraus. Eine ganze Kolonne stand am Bahnhof, gröhlte und pfiff. Einer sagte, es sei gut, daß das Pack ginge, um die armen Würm­chen täte es ihnen leid. Der gleiche Mensch trat dann mit dem Fuß nach meinem Karton und hat ihn ganz durchgestoßen."

Ich gebe zum Abschied Eltern und Kindern die Hand: Glückliche Reise!" In dem Augen blick, wo ich dies schreibe, ist Familie Gerlich schon in Toulouse  .

Das ist die Geschichte von Hunderten, von Tausenden. Entgegenkommend, wie ich bin, über­lasse ich das Thema vom Auszug der Saar­ länder  , die vor ihren Landsleuten flüchten, den neudeutschen Dramatikern vor dem Antlitze Goebbels  . Sie suchen ja auch so angestrengt nach Stoffen von Blut und Boden.

Ich gebe ihnen eine hübsche Pointe dazu. Als ich die Turnhalle verließ, begegnete ich einer neuen Kolonne, die gerade mit dem Zuge von Saarbrüden eingetroffen war. Ihr Herzstück war ein kleines Mädchen mit einer fest in den Arm gepreßten strohblonden Puppe.

Andreas Howald.

Reichstadt

Das Herzogtum

des Königs von Rom  

Von Käthe Richter.

Der Son Napoleons   wurde schon in der Wiege zum König von Rom   gekrönt. Nach des Kaisers mißglückter Rückkehr von Elba   war er vier Tage lang König von Frankreich  , und als Napoleon   verbannt wurde, wollte man aus dem Kinde einen Habsburger machen. In der Um­gebung des Prinzen durfte nichts mehr an Bo­naparte, nichts mehr an Frankreich   erinnern, auch nicht der Name. So wurde der Sohn Nas poleons Herzog von Reichstadt vierzehn Tage vor seinem Tode.

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Das Städtchen Reichstadt liegt im Polzen­tale. Auf dem Wege von Niemes   her fällt einem zuerst der massive Bau des Schlosses ins Auge. Auf einem Hintergrunde von dunkelbewaldeten Kuppen erhebt er sich über einem Gewirr von Dächern und für einen so kleinen Ort ungewöhnlich viel Türmen.

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Warum so viele Türme, so viele Kirchen und Bildsäulen? Die Herzoge und Fürsten  , die Herren auf Schloß und Gut Reichstadt waren, haben die Kirchen und Klöster erbauen und die Bildsäulen aufstellen lassen. Die gotische Stadt­firche ließ einer aus dem Geschlechte der Berka, die Herren auf Leipa und Dauba   waren, er richten. Damals mag sie wohl viel schöner ges wesen sein als heute. Dach, Turm und In­neres wurden um die Mitte des vorigen Jahrs hunderts erneuert, zwar auch gotisch, doch wirkt diese Nachahmung fremd und unorganisch. Mein Schritt hallt laut in den Gassen, so still ist es hier an einem Sonntagnachmittag. Ich gehe an der Kirche vorbei dem Markplatz zu. Die schönen alten Holzhäuser im leuchtenden Braun und Weiß der Balten und Fugen mit den hohen Giebeln aus buntem Schiefer passen so gut zu diesem Frieden. Da liegt der Plazz vor mir. Eine wunderschöne Barockstatue, die heilige Dreifaltigkeit von Wolfen getragen, hebt sich vom Himmel ab. Die Großherzogin von To3­cana hat die Säule errichten lassen. Sie soll die größte ihrer Art in Böhmen   sein. Das alte Rat­haus, an dessen Stelle jetzt ein neugotisches Ges bäude steht, war ein Fachwerkbau mit einem Glockenturme. Einen stilvolleren Hintergrund für die Dreifaltigkeitssäule kann man sich gar­nicht denken.

Sommer

Der ganze Reiz der alten nordböhmischen Städtchen umfängt uns auf dem Klosterplate. Da stehen Fachwerkhäuser mit kleinen weißen Fenstern, aus deren Nahmen im glühendrote Pelargonien leuchten. Ueber eine reizende kleine Brücke, auf der Heiligenstatuen die Wache halten, gelangen wir zum Kapuziners Kloster. Die frommen Väter auf der Brücke tragen heute neckische München   aus frischgefals lenem Schnee, der in der Sonne wie tausend

Edelsteine leuchtet. Das Kloster hat ein Herzog von Sachsen- Lauenburg   erbauen lassen. Er hatte es dem heiligen Franziskus für den Fall seiner glücklichen Rückkehr aus den Türken­friegen versprochen.

Das Schloß liegt an der Straße gegen Deutsch- Gabel und Zittau  . Es ist aus einer Festung entstanden, die diesen wichtigen Hans delsweg zur Landesgrenze bewachte. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Schloß oft umges baut, so daß heute von einem einheitlichen Bau­stile kaum die Rede sein kann. Die strengen Linien des mächtigen Saalbaues werden durch