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finnreichen Dentschrift des großen Finanzkünstlers zu danken haben, daß bis jetzt selbst die National- Liberalen sich wohl oder übel den Steuervorlagen gegenüber abweisend verhalten mußten. Welche werthvollen Geständnisse enthält diese Denk­schrift! Klar und deutlich erhellt aus ihr, daß Preußen die Quelle des norddeutschen Bundes- Defizits, daß das preußi­sche Defizit zugleich das des norddeutschen Sonderbundes und daß das preußische Defizit für 1868 weit höher ist, als man bisher angenommen hat. Der Reichstag" wird darin förm­lich angebettelt, dem verschuldeten Preußen zu Hülfe zu eilen, damit es seine Verpflichtungen gegen den Bund erfüllen könne. In der Denkschrift wird ferner eingestanden, daß das Defizit feit 1866 in progressivem Verhältniß zugenommen hat und noch weit größer geworden wäre, hätte man nicht aus den ,, annektirten" Provinzen außerordentlichen Zuschüsse und Baarbestände von in Summa 3,232,000 Thlr. gezogen. Hr. v. d. Heydt theilt uns mit, daß sich das Defizit für 1868 auf 9,863,434 Thlr., also auf beinahe zehn Millionen be= ziffert!

Nachschrift: Soeben erfahre ich, daß das Zoll parla= ment schon auf den 2. Juni einberufen ist. Da von diesem jedenfalls noch weniger als vom Reichstage Geld zu erwarten ift, so liegt die Vermuthung nahe, daß Bismarck   demselben angesichts der wieder drohender werdenden Haltung Frankreichs  wieder einmal eine nationale Kundgebung im großen Styl zu entlocken gedenkt."

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Ueber die bayrischen Landtagswahlen schreibt man uns aus Nürnberg  : Die Wahlen sind vorüber, vorüber ist auch der Siegesjubelrausch unsrer National- Liberalen und bald wird Entnüchterung und Katzenjammer darauf folgen. Der bayrischen Volkspartei ist es nicht gelungen, nennenswerthe Re­sultate( außer Fürth  ) zu erzielen. Und wie wäre dies denn möglich gewesen bei einem Wahlgesetz, das nur für Bourgeoisie gemacht ist? Wie wäre es möglich, eine Bourgeoisie für die Prinzipien der Demokratie zu gewinnen, die sich vor der großen Arbeiterbewegung, die jetzt durch die ganze Welt geht, dadurch zu retten glaubt, daß sie es macht, wie jener dumme Wüsten­vogel, der in der Meinung, daß wenn er den Verfolger nicht sieht, dieser ihn auch nicht finde, seinen Kopf in den Sand versteckt? Und meisterlich haben die nationalliberalen Maul helden die Furcht dieser Philister vor dem rothen Gespenst" benüßt: ,, Wißt ihr, Bauern, was sie wollen, diese Demokraten?" sagte der Ihnen schon früher geschilderte Advokat Erhart bei einer Bauernversammlung." Theilen wollen sie, Euren Grundbesitz wollen sie, um ihn zu vertheilen" u. f. w. u. s. w. Die Agitationsmittel unsrer National- Liberalen waren ihrer würdig, in Nürnberg   und Fürth  , wo die Volkspartei gegen sie in den Kampf trat, benügte man die Furcht vor den Sozial­demokraten, um die Philister zu schrecken. In Augsburg   machte dieselbe Partei noch in der letzten Stunde Pakt mit den dor­tigen Sozialdemokraten, die sich erst für Wahlenthaltung ein stimmig entschlossen haben, deren Führer jedoch, der Lassalleaner Tauscher, durch die rührenden Worte Staufenberg's und Fi scher's übertölpelt, die aufrichtigste Reue über jenen Beschluß aussprach und zur Unterstützung der genannten Herren auf­forderte. Wie nicht mehr zu bezweifeln, ist die Majorität in der neuen Kammer auf Seite der Ultramontanen; die Mittel­partei", bisherige Stütze der Regierung, fällt größtentheils und sind ihre meisten erledigten Size den National- Liberalen zu Theil geworden. Es ist jedenfalls eine Zusammenstellung der extremsten Parteien und der Art, daß die Regierung als Aus­weg Nichts ergreifen kann, als Vorlage eines andern Wahlgesetzes an die Kammer und dann Auflösung der selben. Jedenfalls haben die bayrischen Sozialdemokraten die Aufgabe, unverzüglich eine großartige über das ganze Land verbreitete Agitation für das allgemeine direkte Wahl­recht mit geheimer Abstimmung einzuleiten. Die Ultra­montanen, die sogenannte schwarze Gensdarmerie", wird jeden­falls dafür stimmen, wenn auch die National- Liberalen, die

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zwar das allgemeine Wahlrecht ,, im Brinzip" anerkennen, aus Klugheitsrücksichten dagegen sein werden."

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Das Ergebniß der Wahlen, wie es jetzt feststeht, ist: von 154 Abgeordnetensitzen haben die ,, Ultramontanen  " 77, alsp genau die Hälfte errungen, während die mehr oder weniger nationalliberale, Fortschrittspartei" 58, die Mittelpartei 18 und die Volkspartei" bloß 1 Kandidaten( unfern Freund Kolb) durchgebracht hat. Unsere Hoffnungen auf Erfolge der Volks­partei sind also nicht verwirklicht worden, was abgesehen von dem undemokratischen Wahlgesetz-der theilweisen Ent haltung und der mangelhaften Organisation der in Bayern  noch sehr jungen Partei zuzuschreiben ist. Nun, darüber können wir uns trösten; die Volkspartei gewinnt mit jedem Tag an Boden, und das allgemeine Stimmrecht, dessen Einführung sich nicht mehr lang verzögern läßt, wird ihr den Sieg geben, Die Hauptsache ist: die preußenfreundliche Partei hat eine entschiedene Niederlage erlitten.

Als bezeichnend sei hier noch erwähnt, daß Hr. von der Pfordten überall, wo er aufgestellt wurde, mit Schimpf und Schande durchgefallen ist. Dieses Volksurtheil über den Mann, der fich 1866 durch die Bismarckschen Vorspieglungen eines jenseits der Mainlinie herrschenden Bayernreichs bethören ließ, und die Rolle des Verräthers an seinen Bundesgenossen spielte, kann uns nur mit der höchsten Genugthuung erfüllen. Die russische Regierung hat den Polen   ihr Land,

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und

so weit es möglich ihre Sprache genommen, nun will sie ihnen auch ihren Namen nehmen. Ein Utas bestimmt, daß die Provinzen des fogenannten" Königreich Polen hinfort Weichselland heißen sollen! Nur das Hirn eines halb wahn­sinnigen Despoten fann eine solche Monstrosität ausbrüten. Nun der nächste Krieg muß die polnische Frage entfesseln, und die Vergeltung wird dann beginnen.

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die

Inzwischen ist nach Berichten der ,, Augsburger Allgemeinen Zeitung  " den Russen bereits ein gefährlicher Gegner erwachsen, und zwar in dem Heimathland Pugatschef's, des stolzen Kosadenhäuptlings, der vor 100 Jahren das russische Ezaarens reich an den Rand des Abgrunds brachte. Unter den donischen Kosacken ist ein Aufstand ausgebrochen und soll schon falmüdischen und firgisischen Steppenvölfer am Don und an der Wolga   und längs der uralischen Grenze ergriffen haben. Unzufriedenheit mit der im vorigen Jahre beschlossenen Orga nisation des Kosackenheeres soll der Anlaß der Bewegung sein. ,, Dieselbe ist jedenfalls, sagt die Frankfurter Zeitung  ", Vorspiel dessen, was über das auf den Absolutismus gegrün dete, teine Volfseigenthümlichkeiten schonende, nur auf immer neue Annexionen finnende Czaarenthum, über den russischen Cäsarismus, mit Nothwendigkeit einst hereinbrechen muß."

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( Neuere Nachrichten bestätigen die Mittheilungen Augsb. Allg. Zeitung"; der Aufstand trägt jedenfalls einen ernsthaften Charakter und wird die russische Regierung ihrem Entschluß bestärken Preußen bei dem bevorstehenden Krieg mit Frankreich   seinem Schicksal zu überlassen.)

Das italienische Ministerium, dessen Bestand durch die Zuziehung einiger Stellenjäger für den Moment gesichert wor den ist, nimmt eine demokratische Maske vor und hat dadurch in sanguinischen Gemüthern den Wahn erweckt, es wolle sich aus der französischen   Vormundschaft befreien. Logik der Thatsachen" durch einen Ministerialerlaß außer Als ob sich die Kraft setzen ließe!

In Spanien   der Kampf noch nicht entbrannt.

In Dresden   handelt der Stadtrath ganz nach dem Be schlusse der Landesversammlung, welcher die Wahlen zu mög lichst beschränkten Minoritätswahlen zu gestalten empfiehlt. Möglicherweise ist er dabei das Opfer einer Täuschung

worden.

Jm ,, Anzeiger" warnte nämlich vor Kurzem

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Anonymus die" Konservativen vor falschem Sicherheitsgefühle, indem er ihnen versicherte ,,, die extremen Parteien machten äußersten Anstrengungen, ihre Leute durchzubringen". Da fich

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