Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der ,, Deutschen Freiheit"

Ereignisse und Geschichten

Blicke auf deutsche   Charakterbilder Ecce homo

Tony van End und die Musen.

Heinrich George  , der langjährige Schwergewichts­meister proletarischer Rollen, und Friedrich Kaysler, ehemaliger Kulturhüter, haben neulich den Meister öffent lich bei einer Tell- Szene im Deutschen   Theater begrüßt. Die Szene wurde im Radio aufgenommen. Für ihn," sagte Heinrich und schlug auf sein Schwert, möchte man Göz von Berlichingen spielen, nun spiele ich vor ihm den Geßler; wenn er da ist, so kann das Theater nicht untergehen. Es lebe Deutschland  !"

Rechtzeitig hat auch der blonde Liebhaber Genschow, einst flüssiger Rezitator kommunistischer Bergmannslieder und Anführer der Gruppe junger Schauspieler, die Revolte aufgegeben und ist zum Erziehungshaus übergegangen. Am meisten hebt aber die junge Schwäbin Tony van Eyck   den rechten Arm hoch. Vorgestern wurde sie von dem Juden Holländer entdeckt und von May Reinhardt als Käthchen von Heilbronn herausgestellt, gestern sammelte Alfred Kerr   für fie während einer schweren Krankheit jüdische Gelder, heute begrüßt sie den Führer öffentlich in einem Interview als Liebling der Musen und wird dafür ins Staatstheater engagiert.

2. Noch zwei jüdische Theaterdirektoren

Das einst von Lessing   geweihte Nationaltheater zertritt Sinkel, der Kampfbundmacher im Kultusministerium. Ihm stehen u. a. die Schauspieler Alfred Abel   und Jürgen von Alten  , sowie der ehemals streng paritätische Baron von Holthoff aus dem Bühnennachweis zur Seite. Die ehemaligen Reinhardts, Barnowsky, Ziegel, Falkenberg und Barnay sind verschwunden, und der Bühnenverein ist gleichgeschaltet. Es gibt nur noch zwei jüdische Theaterdirek­toren: Helmer in Frankfurt   und einen Operettendirektor Kraushaar in Stuttgart  . Die Nachfolger Hülsens were den den Arierparagraphen einführen und das Vetorecht gegen jüdische Schauspieler haben, damit nur ja nicht ein neuer Moissi oder eine zweite Luise Dumont   zur Erscheinung tommt. An Staats- und Stadttheatern sollen grundsätzlich nur Arter geschminkt werden, eigentlich müßten wohl auch die klassischen Rollen des Shylock, des Mohren von Ve­wedig und des weisen Nathan mit den drei Ringen gestrichen werden. Vor die Rampe kommen u. a. am Berliner   Gen­barmenmarkt Die hundert Tage" von Mussolini   und der blutrünstige Schlageter" von Hans Jobst, im Ko­mödienhaus Der Wanderer", ein Kampfstück von Dr. Göbbels   höchstpersönlich. In Frankfurt   an der Oder wurde fürzlich ein Stüd vom Oberpräsidenten Kube aufge­gefeiert hat.

den Tisch des( Braunen Hauses) legt. Die Filmspitze, die D.­Banken, die Ministerien, die Kinos, Filmateliers und Ver­leiher sind hier zu einem einzigartigen Lichtungeheuer ver­einigt.

5. Das Schicksal Travens

Nach der berühmten Bücherverbrennung vor der Berliner  Universität sind zunächst zwölf Schriftsteller, darunter Gläser, Holitscher, Kerr  , Heinrich Mann   und Remarque   ganz ver­boten worden, dann hat Preußen durch seinen Kultusminister Rust schwarze Listen aufgestellt und eine Reihe von Meister­werfen, wie Gorki und Upton Sinclair   und berühmte Autoren, wie Jakob Wassermann   und Werfel  , den Schweik

Bon Jochen Klepper  .

Wir leben alle zwischen Tag und Nacht, und was am Tage einer weint und lacht, ist nur ein Zufall zwischen den Gesezen. Wir leben hin aus Hunger und aus Blut, im Freuen böse und im Leiden gut, man könnte einen für den andern segen

Wir tragen alle erst ein Ja ins Sein, verarmen alle an des Todes Nein, find gleich mit so verschieden Gesichtern.

Wir wachen ängstlich zwischen Schoß und Grab. Ein Dunkel löst das andere ab.

Inmitten liegt ein wirres Spiel von Lichtern.

und fast den ganzen Kaestner   und sogar die emsig summende Film- Zuckerbrot

Biene Maja aus den Volksbibliotheken verbannt. Nach der traditionellen Versammlung am Sonntag Kantate des Buch­händlervereins sind jetzt auch die Buchgemeinschaften schwer bedroht. Auch Jack London   und Traven, die besten erzieherischen Werke der Jugend, sollen durch nationale Schmöker verdrängt werden. Von Jack Londons  Reisebüchern stehen drei, von Travens ergreifenden Dich­tungen zwei in nächster Nähe des gebrauchsfertigen Rohr­tungen zwei in nächster Nähe des gebrauchsfertigen Rohr stocks Rusts.

6. Dichter im Konzentrationslager

Erich Mühsam  , ein sechzigjähriger Mann, harmloser Anarchist und lyrischer Dichter, befindet sich im Konzentra­tionslager Sonneburg  , in dem er langsam zu Tode gequält wird. Der aufrechte Mann, der die Verse gedichtet hat: Und wenn sie mich erschlügen-

Sich fügen, heißt lügen,

ist auf dem Transport schmählich mißhandelt worden. Auch Karl von Offietsky wurde geschlagen, weil er sich ge­weigert hat, ein nationales Lied mitzusingen. Mit ihnen schmachtet Ludwig Renn  , ein ehemaliger Offizier, dem seine Standesgenossen von ehedem ein Buch gegen den Krieg nicht verzeihen. Keiner der sieben braunen Männer, die heute den Gesamtverband der deutschen Schriftsteller lenken, fordert ihre Freilassung.... Baptist.

Nazis sind humorvoll

führt, der Hitler als eine Art Kaiser des Dritten Reiches Das Stinktier im bonzoologischen Garten"

8. Die Zukunft der Volksbühne

Die einzige Bühnengemeinde im Lande der Konzentra tionslager wird die Deutsche Bühne sein, ein Teil des Kampfbundes unter Dr. Walter Stang  . Der christliche Bühnenvolksbund ist zum Bankrott getrieben worden und ihm droht ein Strafverfahren. Der Volksbühnenbund be­steht einstweilen noch auf dem Papier, nachdem sich der Ge­neralsekretär Brodbed mit Braunhemden an einen Tisch gesetzt hat. Aber die Hoffnung, das herrliche, in einer Ver­einigung von Säulen- und Industriestil errichtete Gebäude am jetzigen Horst- Weffel- Plaß zu retten, ist wohl vergeblich. Den Trommlern des Dritten Reiches  , denen stets eine Nacht­übung wichtiger als Gerhart Hauptmann   war, gefällt das getäfelte Bolkstheater des Berliner   Ostens mächtig. Nach einer Ankündigung des soeben mit der Goetheplakette be­lohnten Sinkel ist mit der alsbaldigen Einziehung der Volks­bühne durch die Getreuen vom Biberpelz unter Vorantritt des Herrn Amtsvorstehers von Wehrhahn zu rechnen. 4. Senator Springornm

Der Glanzstoffdirektor Dr. Springorum ist ein König der Kunstseide im Wuppertal  , Haupthahn auch als Mitglied befreundeter amerikanischer Konzerne. Eines Tages im Mai flog der Laden auf. Hitler   warf ihn und den aus einer alten rheinischen Industriefamilie stammenden Direktor Benrath  in die Einzelzelle, während der dritte Glanzstoffdirektor, Dr. Friz Blüthgen, ins Ausland floh und steckbrieflich gesucht wird. Aber nach wenigen Wochen änderte sich plötzlich das Bild. Die Elberfelder   Landrichter erhielten den Sonderbe­

Dr. Joseph Göbbels  , uneingeschränkter Gebieter aller deutschen Rundfunkwellen, erließ vor einigen Wochen den neuen Ufas: Mehr Unterhaltung". Die gleichge­schaltete Presse winselte vor Freude auf, viele vorübergehend Ausgeschaltete glaubten sich nunmehr wieder einschalten au können, aber die Unterhaltung" lag schon fix und fertig in den Schreibtischfächern der parteitreuen Nazifunkleiter und auf den längst erwarteten Wink des Menschenkenners" sprangen die Manuskripte wie kleine Teufel aus dem Spiel­fasten ins Mikrophon, auf die Wellen und in die Lautsprecher. Da sandten die Herrschaften, um im Sinne der Voltsaufklä­rung und Propaganda" wirksam zu unterhalten, einen kabarettischen Ersatz für die ehemaligen Wochenendglossen. Einige Beispiele: Das Stinttier im bonzoologi­schen Garten" hieß Emil Ludwig  . Eigentlich fanden sie bei ihm eine Visitenkarte auf den Namen Cohn", bemerkte der Bonzoo- Führer". Und dann machte er ein Interview mit Ludwig, in dessen Verlauf man humorvoll" zeigte, wie man in Deutschland   die Ludwigsche Schreib­methode zu verstehen wünscht. Er schrieb ein Buch über Schiller  , sagte der Funk- Ludwig, und da Schiller   faule Aepfel gerne hatte und ein Korsett trug, seien die analogen Be­ziehungen in seinen Werken ausschlaggebend. Ein Zitat: Durch diese hohle Gasse...", dient zum Beweis. Im Humor des von den Nazis gestalteten" Ludwigs wird die hohle Gasse" zum yom Korsett eingeengten Darm und die

fehr, die Kunſtſeidenen aus den schwedischen Gardinen her- Chaim verkauft braune Uniformen

auszulassen, und Springorum fam vom Knast direkt in den Senat der Kaiser Wilhelm  - Gesellschaft der Wissenschaften, der im Goethe- Saale des Harnack­Hauses versammelt war. Dort fand der Freigelassene u. a. seine Brüder Krupp  , Duisberg, Siemens und Vögler bereits als Senatoren der Wissenschaft vor, und neben ihnen Adolfs   lateinischen Dekonomiker Dr. Darre, den Mistiuristen des Braunen Hauses und Hauptfeind des ver­flossenen Hugenbergs. Weiter entsandte Hitler   u. a. seinen Freund Herzog von Koburg und den Geldgeber Thyssen, Röchling   und Schacht in die Forschungsstätte, während Göring   für Preußen u. a. den Prinzen Aumi und Jun­ters berief. Auch für den vom Philosophen Moses Men­ delssohn   abstammenden Handelskammerpräsidenten Franz von Mendelssohn   wurde eine Zulassung erreicht, während der Rassenforscher Günther und der Zinsgeld­befreier Feder in das hohe Haus zu Dahlem   nicht aufge­nommen wurden...

4. Die Filmkreditbank

Sowas von Pleite, wie Dr. Göbbels   im gleichgeschalteten Film angerichtet hat, seit der SA.- Mann das Quecksilberlicht betritt, ist nicht alltäglich. Selbst die von Karl Better, dem heroischen Mossedirektor, verwaltete Presse muß zugeben, daß die deutsche   Leinewand finanziell schwer erschüttert ist. Um den Kummer des einsam in der Ufa   schreienden Hugen­berg noch zu vergrößern, bat Göbbels   jetzt auch noch eine Filmkreditbank gegründet, die vorläufig mit zehn Mil­lionen schnödem Kreditkapital aus den Schränken der jüdi­schen Banken ins Dasein tritt und nominal 200 000 Mart auf

Ee st noch schlauer

Im Kölner   Westdeutschen Beobachter" liest man eine tragi­tomische Geschichte. Wörtlich:

Aerger und Verdruß erregen die galizischen Kleiderramschgeschäfte, die immer wieder neu er­stehen. Obgleich es doch jetzt nicht erlaubt ist, ohne be­sonderes behördliches Zugeständnis Warengeschäfte aufzu machen. Vor allem ist es der Galizier Chaim Eng­Iänder, der sich mit brutalfter Rücksichtslosigkeit über alles hinwegsetzt und einfach tut, was er will. Er hat, wie uns glaubhaft mitgeteilt wird, Häuser in der Bechergasse er­worben, und zwar hat er sie angeblich von der Stadtverwal­tung dekauft, allerdings noch in der Zeit, als Pg. Ober­bürgermeister Dr. Riesen dies noch nicht verhindern konnte. Nun richtet sich der Galizier zeitgemäß ein. Er gründet Gea schäfte, in denen gutgläubigen Nationalsozialisten Uniformen und Bekleidungsstüde aller Art zum Vorteil des Juden Chaim Engländer verkauft werden. Er handelt dabei so, daß er jetzt z. B. wieder einem gewissen Willy Effern in der Bechergasse einen Ramschladen eingerichtet hat, der ge­der Bechergaffe einen Ramschladen eingerichtet hat, der ge­schmackloserweise 3 um billigen Willy" genannt wird. Effern ist selbstverständlich ein vorgeschobener Strohmann, dessen sich der Jude bedient, um Geschäfte mit National sozialisten zu machen..."

So ergibt sich denn die beflagenswerte Tatsache, daß in Köln   zugleich SS  . und SA  . mit Uniform von Chaim Eng­länder herumlaufen. Nun hat auch die Welt der Textilien ihre Rassenschande.

Die zuständigen preußischen Ministerien haben einen Erlaß zur Durchführung der Reichsratsbestimmungen über die Aenderung der Vergnüungssteuer herausgegeben. Von be­sonderer Bedeutung ist die Erweiterung des Kreises der steuerbegünstigten Filme. Während bisher nur als künstle risch oder als volksbildend" anerkannte Bildstreifen steuerlich begünstigt wurden, sind die erhöhten Steuererleichterungen jetzt auch auf solche Filme ausgedehnt worden, die als ,, kulturell oder staatspolitisch wertvoll" an­zusehen sind. Der Sinn dieser Steuererleichterung ist die Auszeichnung guter nationaler Filmerzeugnisse und damit die Heranbildung einer im nationalen Sinne Wertvolles schaffenden deutschen Film. industrie.

So sieht man uns drüben

" Der Gegner besigt keine Rechte".

,, Maneh e ster Guardian", eines der über Deutsch­ land   am besten unterrichteten Blätter, widmet einem natio­nalsozialistischen Aufsatz, der in der Deutschen Juristen­zeitung" die Grundsäße der Nazijustiz behandelt, einen Ar tikel mit den bezeichnenden Ueberschriften: Richter schützt Mörder", Nazi- Justiz" und der Gegner besist feine Rechte".

braune Hörerschaft darf sich wiehernd über das Stinktier Ludwig entrüsten. In einem anderen Käfig begann man die Schlangen zu hören. Ein Dr. Nathan Wipper und ein Dr. Otter inviewten einen soeben aus Berlin   irgendwo im Aus­land eingetroffenen Deutschen   und fälschten alle feine wahr. heitsgetreuen" und lammfrommen Aussagen in Greuelmel dungen um. Dabei wurde dem Ganzen ganz nebenbei ein Unterton beigemischt, der in jedem Naziherzen unweiger lich eine neue Welle wüste sten Judenhasses mußte aufsteigen lassen.

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Und dann gab es noch einen Käfig, in dem dem Ansager aufolge echte Bonzenschweine" untergebracht waren. Reine Nazis natürlich, bewahre! Das eine Schwein bezeichnet sich selber als kleiner Metallarbeiter".

Schon wenige Tage später schrieb der von Goebbels   und feinen Plänen sonst so begeisterte Rundfunk, Kritiker" bei Ulstein, daß man doch bedenken sollte, welchen Einbrud derlei Sendungen" im Ausland machen müßten. Wir find im Rundfunk nicht ganz unter uns!", rief er bes schwörend. Wären sie also ganz unter sich...

Das Ausland aber, das die brannen Humoristen offenbar doch noch fürchten, wird begreifen, daß dieses Wigniveau, daß dieser Geift" nichts mit dem wirklichen Deutschland  zu tun haben.

Jüdische

Musiker

machen sich selbständig

Arnold Schönberger, der Vorfämpfer der modernen, ato­nalen Mufit, und Oscar Fried  , der bekannte Dirigent, haben fich, nachdem sie Deutschland   verlassen haben, an den be rühmten Geiger Hascha Heifez, den Pianisten Arthur Schnas bel, den Dirigenten Bruno Walter  , den Pianisten Leopold Godowski   und an andere weltberühmte Musiker mit der Aufforderung, in Palästina eine neue jüdische Musikkultur zu gründen, gewandt.

Schönberg, dessen Arbeiten für die Entwicklung des ato­nalen Stils grundlegend gewesen sind, hat geäußert, er werde für die neue Musik, deren Schaffung jetzt seine heiligste Aufgabe sei, auf den atonalen Stil verzichten müssen.

Wittler und Hitler  

In Berlin   gibt es eine große Brotfabrit, deffen Inhaber Wittler heißt. Daraufhin folgende Anekdote:

Adolf Hitler fommt   ans Simmelstor an, es melbet fich Petrus  . Wie heißen Sie?" Hitler  ." Bittler?"" Nein, Hitler! H wie Heiri.." Ach so, ich dachte, Sie seien der Wittler, der den Deutschen   das Brot liefert und jest find Sie bloß der Hitler, der es ihnen versprach!"