Deutsche   Stimmen

Feuilletonbeilage der Deutschen Freiheit"

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Ereignisse und Geschichten

bnt mi Vorschläge für

Das harmlose Thema me

Von Franziska Maria Rautenberg

Ich hatte mich mit einem Bekannten in einem Berliner Restaurant zum Abendessen verabredet. Mit einem Bekannten, der sich in der letzten Zeit nicht gerade durch be­sonderen Mut auszeichnete. Sobald ich mich an seinen Tisch gesetzt hatte, flüsterte er mir mit einem scheuen Blick auf den besetzten Nachbartisch zu:

" Seien Sie vorsichtig. Reden Sie nur über harmlose Themen. Man kann ja nie wissen..."

" Selbstverständlich," beruhigte ich ihn und fragte mich, wohl zum hundertstenmal, wie es möglich sei, daß ein so großer, breitschultriger, blonder, blauäugiger Mensch der maßen ängstlich sein könne. Nun, ich werde ihm durch meine Unvorsichtigkeit nicht das Essen verderben, werde ausschließ­lich von völlig harmlosen Dingen sprechen.

Natürlich fielen mir, sobald ich diesen Entschluß gefaßt hatte, lauter Themen ein, die nichts weniger als harmlos waren. Ich schluckte die Worte hinunter und zerbrach mir den Kopf, worüber wir eigentlich reden könnten. Dann fiel mir das Wetter ein:

" Schrecklich, dieser ewige Regen," erklärte ich. Man kommt gar nicht dazu, den Sommer zu genießen."

" Nicht," hauchte neben mir die verzweifelte Stimme meines Bekannten. Sprechen Sie nicht vom Regen. Man könnte glauben, wir seien der Ansicht, daß es dieses Jahr mehr regne als im vorigen. Man könnte glauben, daß unsere Borte eine Anspielung auf eine eventuelle schlechte Ernte sind, eine Anspielung auf die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung."

Also mit dem Wetter ist es nichts. Und dabei gibt es doch fein harmloseres Thema.

Der Kellner trat an unseren Tisch; wir bestellten das Abendbrot und ich sagte: Und ein Glas Pilsner, bitte."

Mein Bekannter fiel mir ins Wort: Wie zerstreut Sie find. Sie wollten doch ein Glas Rheinwein trinken. Zwei Glas Rheinwein, bitte?" fuhr er mit erhobener Stimme fort.

Als der Kellner gegangen war, fragte ich ärgerlich: Wes­halb muß ich Rheinwein trinken? Davon bekomme ich regel­mäßig Kopfschmerzen."

Aber Pilsner," jammerte neben mir die raunende Stimme. Ausländisches Bier. Man könnte das schon als einen feindseligen Att gegen unser Vaterland betrachten." " Mein Hausarzt sagte mir, ich müsse zunehmen, deshalb Srinke ich Bier."

dem

Mein Bekannter warf einen ängstlichen Blick Nachbartisch hinüber und flüsterte: Reden Sie nicht von Aerzten. Man könnte glauben, daß wir den Arier­paragraphen kritisieren. Und auch, um Gottes willen, nicht von Rechtsanwälten," fügte er noch leiser hinzu.

" Wann fahren Sie in die Sommerfrische?" fragte ich nach einer kurzen Pause.

Mein Bekannter stöhnte leicht. Ich werde nie mehr mit Ihnen essen. Ich habe Sie doch gebeten... Können Sie nicht von harmloseren Dingen reden?

Aber die Sommerfrische...?"

Vorschläge für den Scheitechaufen

Im Grunde ist es eine kleine Anzahl älterer Franzosen, is an denen ich immer wieder zurückkehre: ich glaube nur au französische Bildung und halte alles, was sich sonst in Europa   Bildung" nennt, für Mißverständnis, nicht au reden von der deutschen   Bildung. Die wenigen Fälle hoher Bildung, die ich in Deutschland   vorfand, waren alle franzö= sischer Herkunft.

Jetzt sagen Sie das Wort schon zum zweitenmal. Man könnte glauben, daß ich die Verordnung der Regierung beanstande, derzufolge wir Beamten unsere Ferien im Land zu verbringen haben."

Ich begann zu essen. Es schmeckte mir nicht. Meine Augen schweiften gelangweilt durch den Saal und blieben an einer reizenden jungen Frau haften, die allein in einer Nische saß.

Sehen Sie sich doch die hübsche Frau dort drüben links an," sagte ich, erfreut, endlich ein völlig harmloses Thema gefunden zu haben. Aber ich hatte mich geirrt. Mein Be fannter warf einen hastigen Blick nach der Nische und riß dann mit einem fast hörbaren Ruck die Augen weg. Wollen Sie mich ins Unglück stürzen?" flagte er. Erst sagen Sie " links", dann lenken Sie meine Aufmerksamkeit auf eine schwarzhaarige Frau, die noch dazu raucht. Sie wissen doch: die deutsche Frau raucht nicht. Stellen Sie sich vor, wenn ich jetzt diese Frau bewundernd angesehen hätte, so könnte man glauben, daß ich eine rauchende Fremdstämmige bewundere, also entweder ein Verräter oder kein reiner Arier bin." Mir riß die Geduld. Sie sind ein Jdiot," sagte ich heftig, ,, und ein Schwindler. Ich weiß doch, wie gut Ihnen dunkle Frauen gefallen."

Mein Bekannter wurde blaß, daß ich glaubte, er werde in Ohnmacht fallen. Idiot, Schwindler," wiederholte er mit ersterbender Stimme. Ich habe Sie doch gebeten... Wenn man das hörte, könnte man glauben, Sie reden von irgend einer hochgestellten Persönlichkeit. Bitte, feine politischen Anspielungen."

Ich wandte mich nun ganz meinem Essen zu. Anscheinend gab es in diesem Lande keine harmlosen Themen. Gut, also werde ich schweigen. Und ich schwieg, fünf Minuten, zehn Minuten. Mein Bekannter begann unruhig auf seinem Sessel hin und her zu wetzen.

" Warum schweigen Sie?" fragte er schließlich. Das fällt doch auf. Man könnte glauben, daß wir uns in dem heutigen Deutschland   nicht wohl fühlen. Man könnte glauben, schließ lich sind Sie ja doch eine lästige Ausländerin, eine Oester­reicherin, daß Sie über irgendwelchen Verschwörerplänen

brüten und daß ich..." Er verstummte bei der Ungeheuer lichkeit dieses Gedankens. Nach einer kurzen Pause flüsterte er abermals: Ich habe Sie doch gebeten... Also reden Sie etwas, aber nur über harmlose Themen."

Jetzt wurde es mir zu bunt. Ich stand auf.

" Ich gehe," erklärte ich. Sie haben mir das ganze Essen verdorben. Ich denke nicht daran, es zu bezahlen. Das überlasse ich Ihnen."

Ich hörte noch hinter mir ein klägliches: Bezahlen. Man könnte glauben, daß ich gegen das Transfermoratorium...". Aber ich befand mich schon in der Drehtür und stand eine Sekunde später auf der Straße.

Den höchsten Begriff vom Lyriter hat mir Heinrich Heine  gegeben. Ich suche umsonst in allen Reichen der Jahr­tansende in einer gleich füßen und leidenschaftlichen Musik. Und wie er das Deutsche handhabt! Man wird einmal sagen, daß seine und ich bei weitem die ersten Artisten der deutschen Sprache gewesen sind in einer unausrechen­baren Entfernung von allem, was bloß Deutsche mit ihr ges macht haben.

Nietzsche  : Ecce Homo.

Metaphysischer Etat

" In diesem Sinne, Parteigenossen, legen wir Ihnen den Staatshaushaltplan für das Rechnungsjahr 1933 vor. Er ist das harte, aber richtige Ergebnis nationalsozialistischer An­schauungen. Er soll ein politisches Bekenntnis sein. Ich muß Sie deshalb auffordern, den Haushaltplan geschlossen anzunehmen, und an die Stelle der Kritif den Glaubenzusetzen, daß dieses nationalsozialistische Bekenntnis, dieser Haushaltplan ein geeigneter Weg im Lande Braunschweig   zu einer besseren Zukunft ist."

Mit diesen Worten führte der braunschweigische Finanz­minister Alpers seinen diesjährigen Etat vor dem rein nationalsozialistischen Landtag ein, nachdem die sozialdemo kratischen Abgeordneten durch Folter und Prügel zum Rück­tritt gezwungen worden waren.

Nun, der nationalsozialistische Landtag nahm auf Wunsch seines genialen Finanzministers den Staatshaushaltplan als Mirakel entgegen und stimmte mit begeistertem Sieg Heil" geschlossen dafür. Man sagt ja gemeinhin, der Glaube sei in der Lage, Berge zu versetzen. Troßdem darf man ge= spannt sein, zu welchem Zeitpunkt das Ergebnis national­sozialistischer Finanzpolitik sich vom Mirakel zum Spektakel entwickeln wird.

Einviertel Acier  

Sie sammeln und organisieen sich

Unter Mitwirkung angesehener Persönlichkeiten des öffent lichen Lebens ist, so heißt es bitterernst in der Bossischen Zeitung", in Berlin   der Reichsverband christlich deut scher Staatsbürger nichtarischer oder nicht rein arischer Abstammung gegründet worden. Der neue Verband will alle christlichen Nichtarier sammeln, die auf dem Boden des neuen Staates stehen und am Wieder­aufbau Deutschlands   mitzuarbeiten wünschen. Alle politischen und geschäftlichen Ziele sind ausgeschlossen. Es sollen ledig­

Mein mutiger Bekannter hat mich nie mehr aufgefordert, lich die Interessen der Verbandsmitglieder gemeinnüßig Je mit ihm zu speisen.

fördert werden. Leiter des Reichsverbandes ist Dir. Gustav Friedrich, Berlin- Wilmersdorf  , Trautenaustr. 16.

General v. Linsingens jüdische Großmutter Rettung vor den Gottlosen

Ec meldet sich beim ,, Reichsbund

Soeben hat der berühmte deutsche General von in fingen seinen Eintritt in den Reichsbund füdi icher Frontsoldaten" angemeldet, weil die eifrigen Raffenforscher in Hitler- Deutschland ihn wegen seiner fü­dischen Großmutter zum Juden ernannt" haben.

General von Linsingen war im Weltkriege Führer einer Armeegruppe des deutschen   und österreichischen Heeres an der Ostfront. Er war aber, wie uns ein Freund, der die Revolution im November 1918 in Deutschland   miterlebt hat, als interessante und wichtige Ergänzung mitteilt, noch etwas anderes, nämlich im November 1918 Sommandierender in den Marken", also Inhaber der höchsten Militärgewalt in der Reichshauptstadt Berlin   und in der Provinz Branden burg. In dieser Eigenschaft wäre es Linsingens Aufgabe gewesen, die Revolution militärisch niederzuschlagen. Er tat es nicht. Zwar erließ er Anfang November noch eine Berfügung, durch welche die Bildung von Arbeiter und Soldatenräten verboten wurde, aber er ließ nicht auf die Arbeiter schießen. Die damals in Berlin   stehen den Truppen galten nicht mehr als zuverlässig und auch das eiligst herbeigeschaffte Naumburger   Jägerbataillon sym­

Der Gerichtstag

Im Regierungsviertel, dem vom Volk umraften, Wird SA. stehn, vierzigtausend Mann. In den Aemtern sehn sich mit verglasten Blicken blaßgewordne Führer an. Der Pogrom von obenher beschlossen Ward verworfen und nicht ausgeführt, Ihre Truppen haben nicht geschossen, Die da unten sich nicht weggerührt.

Und sie liegen in den Lederstühlen Zitternd hingestreckt, ein Bild der Schmach.

Angst im Auge, weil sie bebend fühlen:

Ihre ganze arme Macht zerbrach!

Und dann dröhnt es auf den Treppenstufen.

Die Erblaßten zischen leis Verrat"

Und im Raume stehn fie, ungerufen. om s

Keine Hand mehr an der Hosennaht.

Und der Nauschgift- Heros bengt den Nacken

Und der Klumpfuß liegt am Boden: grün.

Und die Fäuste werden eisern paden Und es braucht sich feiner selbst bemühn. Und die Götter, deren Augenzwinten

jüdischer Frontsoldaten"

Man schreibt der Prager Deutschen Preffe" aus Klagen­ furt  : Ju der Nacht auf Sonntag drangen bisher unbekannte Täter in die Kirche von Bodensdorf in Kärnten   ein und beschmierten die Wände und sogar knapp beim Altar mit ge­meinen, nicht wiederzugebenden Schmähungen gegen die katholische Religion, den Papst, die Geistlichkeit und den Bundeskanzler. Dabei fehlten natürlich nicht die Heilrufe auf Hitler   und das Hakenkreuz. Das Gotteshaus wurde sofort gesperrt, um es von dem Unflat zu reinigen, ebe es wieder seiner Bestim mung zugeführt werden kann. Es ist leider nicht der einzige Fall."

pathisierte mit den Revolutionären. Der sozialdemokratische Abgeordnete Otto We Is ging in die Kaserne des Kaiser­Alexander- Garde- Grenadierregiments, der Kaserne, bei deren Einweihung Wilhelm II.   seinerzeit die berühmt ge­wordene Rede an die Soldaten gehalten hatte, daß sie als Elitetruppe, der der Schutz des kaiserlichen Schlosses anver­traut sei, auch bereit sein müßten, im Notfall auf taiser­lichen Befehl auf Vater und Mutter zu schießen". In dieser Kaserne, waren jetzt als letzter Schutz der kaiserlichen Herr­schaft die Naumburger   Jäger untergebracht. Wels hielt eine Anspracher die Soldaten, und nicht einer der Offiziere dieser Elite- Truppe des Kaisers wagte es, den Redner nie­dieser Elite- Truppe des Kaisers wagte es, den Redner nie Feuerbachs Grab geschändet. derzuschießen oder festzunehmen. Die Naumburger   Jäger gingen zum Volk über und damit war der Erfolg in Ber= sin entschieden.

Nachdem vor einiger Zeit in Breslau   das Grab des Lassalle von den Nazis geschändet wurde, wurde in Nürn­ berg   das Grab des Philosophen Ludwig Feuerbach  ebenfalls von den Nazis geschändet und gesprengt.

Jetzt erst erfährt man also durch die sensationellen Ergeb nisse nationalsozialistischer Rassenschnüffelei, daß in Wahr­heit nicht die Machtlosigkeit der Kaiserlichen, sondern die heit nicht die Machtlosigkeit der Staiſerlichen, sondern die DHV.   Augen rechts Verseuchung des Kommandanten von Berlin   mit dem jü­dischen Blut seiner Großmutter die Entscheidung herbeige­führt hat...

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Menschen ausgerottet wie die Peft, Werden stöhnend in die Kniee finten Sich beschmugend und von Schweiß durchnäßt. Und das Haus wird im Gebält erdröhnen, Denn der Mund der vierzigtausend schreit. Ruf von Müttern, Frauen, Brüdern, Söhnen: Die Gefangenen! Sie sind befreit!! Auf den Plägen ist ein festlich Wogen Freiheitslieder Jauchzer Flüche schwirr'n. Und dann werden sie hinausgezogen Zu den Opfern. Die stehn Stirn an Stirn. Stehn zerschlagen, aber nicht zerbrochen ,. Salb gemordet, halb vor Not verreckt, Ihre Körper find nur Haut und Knochen. Doch die Fänfte halten sie gestreckt! Und sie müssen durch die Fäuste schreiten, Eine Gasse, drohend eingeengt. Und nur Blicke ihren Gang begleiten Tiefe Blicke, ganz von Haß zerjengt. Keine Fauft wird wild herniederfansen, Jebe über ihrem Schädel stehn. Manchem Führer aber wird vor Grausen Auf dem Weg der Atem jäh vergehn. Willi Eckenroth

Nach dem Liede Volk ans Gewehr!" trug ein Jungan­gestellter einige Stellen aus dem Imperium teutonicum" Wilhelm Stapels vor. Nach dem Kommando: Stillgestanden! Augen rechts!' wurde die Verbandsfahne des DHV.   ein­geholt und an ihrer Stelle die Hakenkreuzfahne gehißt." ( Hannov. Kurier")

Immer diese Juden!

Die ehemalige Weltmeisterin im Fechten Helene Mayer  , Tochter, eines iüdischen Arztes in Deutschland  , hat die Meisterschaft Amerikas   im Florettfechten errungen.

So viele Lorbeerbänme, deren Wipfel bis in die Wolken reichen, vertrockneten bald im dürren Erd­reiche. Nur wenige hielten sich, und das Grün ihrer Blätter war bleich und leblos. Der Niedergang ents stand aus der Leichtigkeit des Schaffens und aus der Trägheit zur Höchstleistung, aus dem Ueberdruß des Schönen und der Neigung zum Absonderlichen. Die Selbstgefälligkeit begünstigte gewiffe Künstler, wodurch wieder Zustände der Barbarei entstanden; diese gleiche Selbstgefälligkeit verfolgte die wahren Talente nud zwang fie, ihre Heimat zu verlassen. Die Drohnen vers jagten die Bienen. Voltaire.