Schreckensherrschaft der Staatsanwälte

Im gleichgeschalteten Berliner Tageblatt" vom 4. 8. wird Pumpen, wie Sendt, könne bas Sonder­folgender Bericht veröffentlicht:

Der Spruch des Sondergerichts

Düsseldorf  , 3. August.

Ein bemerkenswerter Prozeß spielte sich vor dem hiesigen Sonbergericht ab. Angeklagt waren fünf Elberfelder  , die be= schuldigt waren, einen Anschlag auf den Wuppertaler Polizei­präsidenten und SA.- Brigadeführer Veller verabredet zu haben.

Die Anklage stützte sich in der Hauptsache auf die Aussage des Schlossers Sendt. Dieser einzige Tatbestandszeuge wurde allerdings wegen seiner großen Unglaubwürdigkeit nicht ver eidigt. Die Behauptungen dieses Belastungszeugen, der schon elfmal vorbestraft ist, ergaben nicht die geringste Be stätigung eines Tatverdachtes. Der Staatsanwalt beantragte trotzdem gegen jeden der Angeklagten die Höchst strafe von

15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverluft und Stellung und Polizeiaufsicht.

Er betonte, daß im Interesse der Staatssicherheit drakonische Strafen in diesem Falle notwendig feien. Das Sondergericht fam jedoch zu einer anderen Auffassung und sprach sämtliche Angeklagten auf Kosten der Staatstaffe frei. In der Begrün­dung wurde gesagt, daß bei allen Angeklagten jedes Motiv zu einem derart ungeheuerlichen Verbrechen fehle. Auf die uneidliche Aussage eines ausgesprochenen

Die Spitzbuben

Das Vermögen des Kasseler Volksblattes gestohlen In dem Konkursverfahren ist jetzt dadurch eine entschei= Raffel die Enteignung des größten Teiles des früheren Betriebes zugunsten des Landes Preußen veröffentlicht. Unter den beschlagnahmten und enteigneten Vermögenswerten sind das bebante Grundstück Bahnhofstraße 10 mit sämtlichem Mobiliar, Druckereis maschinen, elektrischen Anlagen, Motoren, Werkzeuge und

bende Wendung eingetreten, daß der Regierungspräsident in

Zehn Minuten

Wir entnehmen die folgende Sfizze dem im E. Prager- Verlag, Wien  , erschienenen Novellenband Aufruhr der Herzen" von Fritz Rosenfeld  . Dumpf hallen die Schritte in den Gängen des Gefängnisses. Durch die vergitterten Fenster fällt fahles Licht, es ist trüber Wintertag. Die Aufseher eilen hin und her, schreien durcheine ander, Bornader geschwollen an der Stirn, ein Funkeln im Blick, als zögen sie heute für Jahre und Jahre in die graue Einsamkeit Sibiriens   hinaus. Dazwischen raffeln die Säbel der Soldaten, gellen die Befehle der Offiziere, die den Sug der Sträflinge esfortieren sollen.

Im Hof, zwischen den grauschwarzen, abgebrödelten Mauern fammeln sich die fteinfarbenen, aus glanzlosen Augen stumpf blickenden Gesichter der Gefangenen. In den langzotteligen, schmußiggelben Pelzen sieht einer wie der andere aus. Sie sind nur mehr Nummern. Du hast ein Weib erschlagen, das dich betrog, du hast einen Greis erwürgt, der sich den Geldbeutel nicht rauben ließ, du haft geheime Pläne geschmiedet, den 3aren zu stürzen und deine Brüder zu be­freien: fein Unterschied mehr, nun seid ihr gleich, Nummern, Biffern, Dinge, nicht mehr Menschen und Schicksale. Ware seid ihr, die verfrachtet wird, wertlose Ware, die man mit geringen Spefen auf holprigen, langen Wegen irgendwohin verschickt, um sie aus den Augen zu haben.

Nun aber liegt zwischen dem Leben, das ihr geführt habt, und dem Leben, das euch erwartet, eine fleine, schmale Brücke. Sie leitet über eine unergründliche tiefe Kluft. 3ebn Minuten verbinden die Ewigkeit, die ihr hinter euch ge­bracht habt, mit der Ewigkeit, die sich Ebenen nun vor euch auftut.

Behn Minuten dürfen die Gefangenen im Hofe Abschied nehmen von den Menschen, die ihnen lieb waren. Behn Minuten, nicht eine Sefunde mehr, nicht eine Sefunde weniger.

Der Offizier gibt ein Zeichen. Langsam kriecht der fable Bug durch die niedrigen, vielfach gewundenen korridore. Das Licht, das durch die vergitterten Scheiben dringt, ist schmuß grau, wie mit Spinnfäden durchwirkt, Scharf knarren bie eifernen Türen in den Angeln. Ein letzter Blick fällt in die Belle, gegen deren Mauern Tage und Tage, Monate und Monate erst der stumpfe Blick, dann die fiebernde Stirn an­gerannt war.

Wie eine Herbe kleiner Lämmer bei Gewitter drängen die Männer in den häßlichen, zerfransten Pelzen sich im Hof aneinander. Sie wagen es faum, die Augen zu öffnen, selbst das gebrochene Licht eines winterlichen Mittags schmerzt in ihren Augen. Sie tragen kleine Bündel, ein paar Bücher, einen Rod, armseligster Besiz, den sie nicht eintauschen würden gegen alle Schäße eines Märchenkönigs.

Es ist still im Hof. Plötzlich aber erklingt ein leises Weinen. Und da heben die Männer die Augen und da sehen die Männer mit geblendetem Blick, daß auf der anderen Seite des Hofes in braunen und grünen und schwarzen Män­teln und Hüten, in Farben, die ihr Auge längst vergessen, Menschen stehen, viele viele weinende Menschen:

Väter, Kinder, Schwestern, Frauen, Mütter, Brüder. Brüder waren schon hier. Alle sind Brüder, die heute den Dunklen Weg beschretten, an dessen Ende ein unbekanntes Biel liegt.

Die Aufseher flirren mit den Schlüsseln. Milden Auges blicken sie über den Hofplay. Sie kennen das Schauspiel. Sie wissen, was nun fommen wird. Wissen um die Tränen, die fließen werden, die Schmerzensschreie, die man stumm binunterwürgt. Und es ist doch alles vergebens.

Ein Offizier wirft sich in Pose. Er hebt die rechte Hand, alle Augen sind auf ihn gerichtet: " Behn Minuten zum Abschiednehmen."

Er winkt den Soldaten. In einer Ecke des Hofes erwartet ihn ein Herr in breitem, pelzverbrämtem dunklen Mantel. Der Herr im Pelz bietet dem Offizier eine Zigarette an. Die Soldaten, die ihre blanken Bajonette vor die Frauen und Männer in den farbigen Mäntel gehalten hatten, geben den Weg frei.

8wei Ballen Menschen steben einander gegenüber. Die einen, bie tamen und die anderen, bie für immer gehen müssen. Es tit tein Suchen, als sie aufeinander zueilen. Sie haben schon

gericht fein Urteil aufbauen und fällen. Ein edles Paar, der Herr Staatsanwalt und fein Zeuge!

In diesem Busammenhang muß an folgende Conti- Mel­dung vom 2. 8. erinnert werden:

Wie Staatssekretär Freifler mitteilt, hat ein preußi­sches Gericht es abgelehnt, in einer Straffache ein Urteil zu fällen, solange eine Reihe von SS.  - Leuten im Zuschauerraum säßen. An der neuesten Verhandlung des Gerichts wird da= her der Zentralstaatsanwalt teilnehmen, um sich die Urteilsfindung dieses sonderbaren Gerichts einmal näher anzusehen.

Diese letzte Meldung bezieht sich auf einen weiter zurück­liegenden Vorfall. Während einer Gerichtsverhandlung be­merkte der Richter, daß die Zeugen große Angst hatten, ge­mäß ihrer Eidespflicht auszusagen, weil sie die Anwesen­heit einer großen Anzahl uniformierter SS.  - Leute als Be­drohung empfanden. Der Richter fannte seine Pflicht und verhinderte die Zeugenbeeinflussung, indem er die SS. Leute aufforderte, den Saal zu verlassen.

Staatssekretär Freisler  , der die reine Gerechtigkeit aus guten Gründen haßt, versucht nun durch eine offizielle Ver­öffentlichung, den unabhängigen Richter herabzujeßen. Natürlich erreicht er das Gegenteil, denn er selbst liefert sich nunmehr der Verachtung auch berjenigen ehrlichen Men­schen aus, die sein langes Strafregister noch nicht kennen.

über 2000 RM. Bargeld. Die Enteignung fei erfolgt, weil die Gegenstände zur Förderung volks: und staatsfeindlicher Bes strebungen gedient haben.

200 Arbeiter fristlos entlassen

Die Schubfabrik Hoffmann in Gleve entließ am ver gangenen Samstag 200 Mann fristlos. Sie störte sich nicht an die vertragliche 14tägige Kündigungsfrist. Der neue Nazi­Betriebsrat und die Vertretung der NSBO. wagten teinen Einspruch.

lange den Bruder, den Vater, den Gatten erspäht, um dessentwillen sie gekommen waren. Wenn sie auch alle gleich aussehen, in den schmußigen, zottelichen Belzen. Hundertfach freuzen sich die Wege, mit unbegreiflicher Sicherheit kreuzen sich die Wege. Es ist kein Augenblick zu verlieren. Als hätten ste es sich ausgerechnet, wie sie gehen müßten, um am schnellsten hinüberzukommen, und als hätten sie unterein ander ausgemacht, daß feiner des anderen Straße stören dürfe. Die zehn Minuten sind kostbar. Unwiederbringlich. Jebe Sekunde ist Leben, daß nie wieder gelebt werden darf. Mit jeder Sefunde gebt Leben verloren, das nie wieder ein­gebracht werden kann.

Aber: fein Wort. Schweigen, das trostloser ist, als das brennendste Weinen. Schweigen, in dem alle Verzweiflung in der Erde aufschreit. Schweigen, das niederschmettert. Rönnte einer reden, einer weinen!

Nein. Sie sehen einander an in ratloser Stummheit. Sie saugen sich aneinander mit den Augen, um das Bild in sich zu trinken, das sie mitnehmen wollen auf die lente Reise, das sie zu Hause behalten wollen als leßten Gruß.

Was sollte man auch sagen in den furzen zehn Minuten. Es gibt so unendlich viel zu sagen, daß man nicht weiß, vo man beginnen soll. Vergangenes aufrühren, Erinnerungen weden, Gegenwärtiges beflagen, Zukünftiges entwerfen? Was zuerst, und wozu das alles?

Wäre nur eine Uhr da, die diese zehn Minuten zerschnitte in ihre Lebensteilchen, daß man sie einteilen könnte und geizen mit der Zeit, die jetzt kostbarer ist als das Blut, das durch das Herz pulst, tostbarer als das Licht des Auges, kostbarer als alles, was da war und was noch kommen kann. Aber es tickt keine Uhr heilsam ihren Schlag durch diese Stummheit. Es schneidet kein Zeiger trostreich dieses Schwei gen in Stücke.

Wie batte man sich nicht vorbereitet auf diese Stunde in den einsamen Nächten des Kerfers. Die Wände der Belle erhellt mit den Bildern dieses Augenblickes. Wie oft hatte man nicht Nat gehalten mit sich selbst, wie oft diese zehn Minuten zer­legt und aufgeteilt auf alles, was zu sagen war! Wie geson­dert und gewählt unter den Dingen, über die gesprochen sein mußte, wie gefeilscht mit der Sprache um furze Worte und inhaltsreiche. So war schließlich alles bereit und ge­schildert, was ausgesprochen werden mußte vor der großen Reise, die eine Reise ins Nichts sein konnte, eine Reise ohne Wiederkehr.

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Doch jetzt alles stumm da drinnen, wo die Worte ge­boren werden. Alles erstarrt und vertrocknet da drinnen, wo die Tränen feimen. Das kochende Hirn wälzt nur einen Gedanken fruchtlos immer wieder hin und her:

Sie sind da, die zehn Minuten, bie erfehnten und gefürch teten; sie kommen nie wieder. Sie müssen genügt werden. Noch währen sie. Wie lange noch? Jeden Augenblick kann der Offizier dort zu plaudern aufhören und ein Zeichen geben, dann sind sie zu Ende, dann ist alles zu Ende, Dann ist das Leben zu Ende, dann ist nur noch ein Weg, ein end­loser Weg. geradeaus, immer geradeaus, ins Nichts, ins Nichts.

Sie und da quellen ein paar Worte aus vertrockneter Kehle:

Und die Kinder grüße... und die Eltern... Und..." Ein Und, das anschließt an tausendfach Nichtsgesagtes, und ein Und, das anschließt an Tausendfaches, das unausge­sprochen bleibt.

" Und die Schwester grüße und streichle den Hund. der ihn wollte... Und.. Weich ist das Herz in dieser Stunde, alles wird gegeben, das man früher mit Haß, mit dem Schwert, mit der Faust verteidigt hätte.

und achte auf das Haus.. und gibt den Acer   dem Bruder,

Wenn nur eine Uhr da wäre. Daß man die lebten zehn Minuten, der letzten zehn Minuten des Lebens sehen könnte. Sie müssen doch schon um sein, sie müssen doch schon zu Ende gehen. Jetzt und jetzt. Der Augenblick, da ich dies denke, ist doch der letzte. Ist doch nur ein Geschenk des Offiziers, geht schon über die Zeit hinaus, die uns gewährt wurde. Ist ein Geschenk, das uns der Offizier darbringt, der weich ge­worden und mild ist in der Stunde bes Abschiedes.

Vielleicht, ach vielleicht werden sie alle mild in diefer Stunde, die uns auf den Weg des Schweigens schicken wollen

Schmutzkonkurrenz

Wer darf stehlen?

Die Erneuerung Deutschlands   macht rasende Forta Schritte. Morphinist Göring   mußte schon mehrfach öffent lich vor den Verbrechern in SA. Uniform warnen. Neuer­dings bringt die amtliche deutsche Pressestelle folgende Verlautbarung:

Die Leute in SA.- Uniform, die sich in Wohnungen Eins tritt verschafft haben mit der Vorgabe, fie sollten Zeitungss abonnements tontrollieren, sind nicht Beauftragte der NSDAP   ,, wie sie behaupten, sondern Provokateure, Im Betretungsfalle sind sie der Polizei zu übergeben."

Warum verschweigt die offiziöse Lügenfabrik, daß diese Leute" auch stahlen und sich vielfach als langjährige Mit glieder der NSDAP  . ausweisen konnten?! Mit Recht protestiert die Zunft der ehrlichen Diebe, die ihr licht­scheues Tun nicht mit dem Mäntelchen der nationalen Er neuerung brapieren, gegen diese braune Schund­konkurrenz, zumal sie eine nie dagewesene Rechtsunsicher­heit in die Verbrecherwelt trägt. Wie leicht kann einem zünftigen Einbrecher nachts, wo viele Razen braun sind, das Malheur passieren, für einen SA.- Propokateur ge­halten und in ein Konzentrationslager gesperrt zu werden. weil beim ordentlichen Verfahren eine SA.- Mitgliedschaft offenbar werden könnte! Das ist für nichtfaschistische Ber­brecher eine schwere Benachteiligung, denn bei objektiver Aburteilung nach Recht und Gesetz könnten sie eine ent sprechende Würdigung der sozialen Umstände und bes schlechten Beispiels, das die regierenden Räuber dem arbeitslosen Volke geben, beanspruchen.

Es wimmelt in den braunen Prätorianergarden derart von kriminellen Elementen, daß seit kurzem eine ,, Schube rung" im Gange ist. Aus Chemnitz  , Leipzig  , Magdeburg  , Berlin   und anderen deutschen Großstädten wird uns be richtet, daß ein beträchtlicher Teil kriminell Belasteter aus der SA. gefegt wurde. Man brauchte sie wohl nur zur glorreichen nationalen Revolution". Der mehrfach vor. bestrafte Mohr kann gehen. Was allerdings nur für die unteren Chargen gilt, denn wenn die kriminellen Bonzen fliegen sollten was bliebe da von der Füh rung der Hitlerpartei noch übrig?! Wollten wir diese. Personalakten wieder einmal aufrollen, so würde die un erhörte Schande Hitlerdeutschlands aktenkundig: Die kleinen Verbrecher hängt man, bie großen werden Minister.

in die weiße Nacht. Vielleicht erlassen sie uns die Qual der Trennung und gönnen uns Strafe hier unter den Un­seren, in dieser guten Stadt.

Und sprich den Kindern vom Vater, daß sie ihn nicht ver gessen, wenn er auch fern ist, hörst du?"

Jeder Augenblick ein Geschent, und jeder der legte. Mein ber lette nur dies nicht. Wenn jetzt doch der Himmel einstürzen wollte oder die Erde versinken oder wenn boch die Uhr des Offiziers stehen bliebe! Wenn doch ein Wunber geschehe.

Ein Wunder in dieser Stunde der Oual! Die nicht endet! Alle Augen haften an der schlanken Gestalt des Offiziers. Noch spricht er mit dem Herrn im pelzverbrämten Mantel. Noch glimmt seine Zigarette. Noch schenkt er uns. Schenkt uns Geschenke, die nicht köstlicher sein tönnten. Und quält uns mit einer Qual, die nicht höllischer zu sein vermöchte.

Nimmt sie denn kein Ende diese verfluchte Spanne Zeit! Eine leere, leere Ewigkeit können zehn Minuten sein, bie uns immer zu furz erschienen, als wir sie herbeigefehnt.

Verfluchen, was wir lieben! 3ertreten, was wir betreuen möchten, wie das heiligste Gut unseres Lebens! Wer hat einen Namen für diese Qual?

Da- eine Bewegung des Offiziers. Seine Hand hebt sich. Er wendet den Handrücken dem Gesicht zu. Er ist schläfrig. Er hat getanzt in der Nacht. Musit, Frauen, Lichter im Glanze großer Spiegel. Und er wird heute wieder tanzen, wieder lachen, den Frauen einen Scherz ins Ohr flüstern. Für ihn versinkt die Welt ja nicht.

Nun schiebt er den Aermel zurück, der bas Zifferblatt der Armbanduhr bedeckt hatte, Nun sind die zehn Minuten um. Nun öffnet sich der Boden... Nein. Der Offizier wen det sich wieder zu dem Herrn im breiten bunkelbraunen Mantel, plaudert weiter.

Nie rollten zehn Minuten um die Erde, die so lange ge­währt hätten.

Wieder das Schweigen. Wieder hervorgeftoßene, furge Worte, wieder verkrampfte Finger, wieder verfettete Blide. Und nochmals eine Bewegung des Offiziers. Jest gibt er dem pelzverbrämten Herrn die Hand. Jetzt stürzt der Him­mel ein, jeßt wanten die Mauern, die den Hof umschließen, jetzt steht das Herz still.

Die zehn Minuten sind um.

Und nun ein Weinen. Ein losgefettetes Heulen rast über den Play. Die Dämme sind gebrochen, die die Flut der Tränen aufgehalten und die Worte angestaut dort drinnen im Herzen.

Worte, viele Worte, sinnlose Worte. Letzte Worte. Schleier fallen über die Augen, die Menschen sehen nicht mehr, wie der Offizier den Soldaten winkt, die Soldaten zu ihren Gewehren greifen, an deren Spitze die blanken Bafo­nette funkeln. Wie sie sachte, sachte Mensch vom Menschen trennen wollen, als wüßten sie, daß sie ein Henkersamt ver richten, grausamer und blutiger als das aller Scharfrichter der Geschichte.

Nichts siebt das Auge der Gefangenen mehr, nur den Druck spüren sie weichen, den Druck eines Armes auf dem Arm, den Druck einer Hand in die Hand, Und dieser Druck wächst wieder an, wird zu ehernen Bändern, die die Leiber verknüpfen.

Denn ein Auseinanderreißen von Körpern, die sich inein­ander verklammern, ein Auseinanderreißen von Herzen, die nichts mehr wissen von der Welt, ein Auseinanderreißen von Händen, die nichts mehr fühlen, als daß sie etwas umfassen, das sie nie mehr werden umfassen dürfen. Die ihre ganze. Kraft verströmen in diesem Augenblick, die ihr ganzes Sein verströmen möchten in diesem Augenblick.

Ein Trompetensignal, ein Trommelwirbel. Der Aufseher ordnet den Zug. Mann neben Mann, Kette neben Kette. Und gegenüber ein Menschenhaufen, der sich zusammenballt; in dem der Fremde den Fremden umarmt.

Ein Trompetensignal, ein Trommelwirbel. Daß man das Weinen nicht hört, daß man die Schreie nicht hört, daß man die Schritte nicht hört, die nun über das Pflaster des Hofes stampfen, schwer und plump. Erste Schritte einer unendlichen Wanderung.

Wanderung toter Menschen. Wanderung von Menschen, denen man in zehn Minuten, die zu kurz waren und zu lang, in wohlgemessenen zehn Minuten, keine Sekunde mehr, teine Sekunde weniger, die Seele aus dem Leibe gepreßt hatte.