" lologo12 old

DEUTSCHE ZUKUNFT

KULTURPOLITISCHE BEILAGE ZUR DEUTSCHEN FREIHEIT BLICK ÜBER ZEITFRAGEN UND BUCHER

Heroischer Optimismus

Blicke in die Gedankenwelt des Nationalsozialismus: Vorläufer, Mitläufer, Ueberläufer

stadalstray tail NOV nobis

Eine große Bewegung, wie sie der Nationalsozialismus. darstellt, kann nicht nur gedeutet werden aus ihrer politischen Macht und aus ihren politischen Methoden, die sie als Weg­spur hinterläßt. Die nationalsozialistische Idee gibt vor, eine neue Weltanschauung zu sein, ein Aufstand gegen die Bürgerlichkeit, eine Verfinnbildlichung des Mythos im Individuum, in der Gesellschaft, im Staate. Sie erhebt den Anspruch, das Erbe des rationalistischen 19. Jahrhunderts, worin sie den Liberalismus und den Marxismus erblickt. im Zeichen des Aufbruchs der Jugend zu übernehmen.

Wir wissen, wieviel Wind und Spreu hinter den tönenden Schellen verborgen sind. Nie kann eine Bewegung und eine ihr entsprechende Machtentfaltung vor dem Urteilsspruch der Geschichte groß und heroisch sein, wenn sie sich nur auf Bergen gequälten und vergewaltigten Menschtums behaup­ten fann. Im Schrifttum des Nationalsozialismus ver­mengen sich verschwommener Wunderglaube, tiefe Menschen verachtung, ungezügelter Machtwille und breit ausgewalzter Phrasenbrei, die die wilde Brutalität des Urinstinkts segnen follen, au einem nahezu undurchdringlichen Gemisch. Der Nationalsozialismus will Typen" züchten, aber eine für ihn typische und gültige Jdee, die nicht das Gefühl der Zwei­deutigkeit hinterläßt, hat er bisher nicht entwickelt und ist von ihm auch nicht zu erwarten.

1. Die Vorläufer

Immerhin: Es gibt einige Gestalten im Umkreise dieses zweifelhaften Gedankengutes, die Respekt einflößen. Zu ihnen gehört Karl Jünger. Seltsam und nicht sehr ver­heißungsvoll für den Nationalsozialismus, daß er mit seinen wenigen geistigen Pionieren nichts anfangen kann! Denn sowohl Karl Jünger wie seine ebenso ehrlichen Mitstreiter Schauwecker und Hielscher haben im dritten Reiche" nicht die geringste Aufgabe erhalten! Sie haben geholfen, alte Tafeln zu zerbrechen, aber zur Mitgestaltung an den neuen wurden sie nicht gerufen. Hier wirken die Funk­tionäre ungeistigen Machtstrebens, angetan in Uniform und mit dem Troß eines willigen Gefolges in vorderster Linie. Neben den Mitläufern stehen die Ueberläufer vom Stile eines May Barthel, die Musterreisenden der Charakterlosig. keit, bis hinauf zu den Lehrstühlen an den Universitäten, die Honorierten Preisfechter der Lüge und des Kitsches, bis hinab zu Arnold Bronnen   und Hanns Heinz  hinab zu Arnold Bronnen   und Hanns Heinz Ewers  .

Wir geben auf diesem Blatte heute ein paar Stichproben aus der Fülle der Gesichte. Weitere werden folgen. Denn man muß kennen, was man, vom Geistigen und Politischen  her, bekämpfen und niederzwingen will.

Die Vision des Arbeiters"

Im Herbst 1982 erschien das Buch von Ernst Jünger   Der Arbeiter"( Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg). Jünger  hatte sich bereits durch sein Werk In Stahlgewittern" einen

Die Redaktion der Deutschen Zukunft".

Neuordnung bietet. Das gilt z. B. für die Beurteilung des Bürgers" aus der liberalistischen Aera.

guten Namen als Schriftsteller gemacht. Verfechter der sol- Die Ablösung der Welten

datischen Geisteshaltung, die das Erlebnis der Frontgene­ration heldisch in der Gestaltung der Zeit fruchtbar machen soll, unternimmt mit seinem neuen Buche den Versuch, den Typus des Arbeiters" in einer neuen Rangordnung der Welt und der Werte zu mobilisieren.

Es ist schwer, sich durch die 300 schwerbeladenen Seiten feines Werks hindurchzulesen. Neben hellsichtig und wahr­heitsgetreu Geschautem steht eine Fülle von flüchtig, schief und quer Gesehenem. 100 Seiten wären mehr gewesen als 300.

Was will Jünger? Er kombiniert die Idee eines Ar­beiters und erblickt in ihm den Bollender des Antritts der Herrschaft". Der Arbeiter soll die Auflösung der liberalen und der Gesellschaftsdemokratie vollenden durch die Arbeits­und Staatsdemokratte". Jünger prägt mit vielen Worten, die häufig der militärischen Begriffsbildung entstammen, den Willen zum Opfer im Dienste an der Gesamtheit Sein Heroischer Optimismus" bildet kühne und wilde Säße echter revolutionärer Herkunft, aber er steht, wie viele leere und zusammenhanglose Stellen beweisen, abseits vom tieferen Wissen um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Busammenhänge. Er will von der Gestalt des Arbeiters aus Plaulandschaften" erbauen, aber diese Landschaften sind getaucht in metaphysische Nebelschwaden, in denen der echte und wirklichkeitsnahe Gestaltungswille in ferner Unsicher­heit verläuft.

Wir geben hier ein Stück aus dem in der Form vortreff­lich geschriebenen, in der Haltung so unsicheren und un­fertigen Buches im Wortlaut wieder. Mit Absicht wählen wir ein Kapitel, das an einigen Stellen Anknüpfungspunkte an unsern Willen zur gesellschaftlichen und kulturellen

2. Die Mitläufer

Karl Jünger

Es fehlt nicht an Versuchen, durch welche dieser neue Sinn, der ein Zeichen dafür ist, daß der Mensch im Grunde durch

3. Die Ueberläufer

keine Erziehung verdorben werden kann, eingefangen und den alten Systemen der bürgerlichen Gesellschaft unterstellt werden soll. Der wichtigste dieser Versuche besteht darin, jede neuouftauchende Kraft als Verhandlungspartner zu be­greifen und einer durch Verhandlung arbeitenden Appara­tur einzubeziehen. Das Maß an Widerstand, das diesem Be­streben entgegengesetzt werden kann, ist ein Ausweis über die Befähigung zu andersartigen Ordnungen. Es gibt Mächte, von denen man ebensowenig Legalität, wie von einem Hoch­stapler Geschenke annehmen kann, ohne daß man sich zum Mitschuldigen macht. Dies gilt auch von der bürgerlichen Gesellschaft, die sich zur Nutznießerin des Staates erhoben hat. Das Gesicht der späten Demokratie, in das Verrat und Ohnmacht ihre Zeichen gegraben haben, ist allzu bekannt. In diesem Zustande sind alle Mächte der Verwesung, alle abgelebten, fremden und feindlichen Elemente herrlich ge= diehen; seine Verewigung um jeden Preis ist ihr geheimes Ziel.

Hinter jenen Marionetten, die auf den bereits in Abbruch befindlichen öffentlichen Tribünen die liberale Phrase zu letter, papierener Dünne auswalzen, bereiten feinere und erfahrene Geister einen Kulissenwechsel vor. Man wird unter neuen, überraschenden, revolutionären" Formulierungen der legitimen Monarchie und der organischen" Gliederung als den Zielen der inneren Politik begegnen, ebenso einer Verständigung mit all jenen Mächten, durch deren Existenz der Fortbestand der Christenheit oder Europas  , und damit auch der bürgerlichen Welt gesichert ist. Der Bürger hat einen Zustand der Verzweiflung erreicht, in dem er bereit ist, alles in Kauf zu nehmen, was bisher der unerschöpfliche Gegenstand seiner Ironie gewesen ist, wenn nur die Sicher­heit gewährleistet bleibt.

In diesem Zusammenhange scheint der Sozialismus als die Voraussetzung einer schärfsten autoritären Gliederung und der Nationalismus als die Voraussetzung für Auf­gaben von imperialem Rang.

Der Aufstieg eines Begabten

Mit der proletarischen Weltrevolution ist es nichts; ich muf Es ist ein Kennzeichen des italienischen und jetzt auch des deutschen   Faschismus. daß er Aufstiegsmöglichkeiten gibt einer Schicht von Begabten, die allerdings recht eigenartig begabt sein müssen. Die Brutalität, gepaart mit Fanatismus, moralischer Gelenfigkeit und skrupelloser Anpassungsfähig­keit, sind die Garantiescheine des Aufstiegs im neuesten Deutschland  . Zungenfertigkeit, ergänzt durch demagogische Begabung, vervollständigen diese Skala oft trefflich. Es soll nicht bestritten werden, daß die genannten Eigenschaften auch im normalen Kapitalismus   sehr schätzenswert für den Auf­stieg sind. Die Diftatur hindert aber die kontrollierenden und schwächenden Gegenströmungen. So wird in Wirklich­feit trotz allen Scheinkampfes gegen die Korruption in Wahr­heit eine korrumpierung des Geisteslebenser­zeugt, zu der Schmiergelder an sich garnicht nötig sind.

Als Zeichen dieser Tendenz beschäftigen wir uns mit einem vor einigen Wochen bereits erschienenen offenen Brief von Max Barthel  , weil sich hier an einem Musterbeispiel die neudeutsche Herrlichkeit illustrieren läßt. Mar Barthel war ehedem ein proletarischer Dichter, und sein Brief wird in

Die Herren der Stunde

Die Nationalsozialisten haben nicht nur Bücher verbrannt, fie haben auch welche geschrieben. Mit der Uebernahme der Staatsgewalt brach eine Flut von Kommentaren und Erklä rungen, Büchern und Broschüren, Deutungen und Verherr­lichungen der nationalen Revolution" in den deutschen   Bü­chermarkt ein. Durch Aechtung und Vernichtung der Bücher von Heinrich Mann  , Kellermann, Leonhard Frant, Feucht­wanger usw. wurden Rücken geschaffen, die ausgefüllt wer­den können. Da es an Qualitäten fehlte, wurden Quanti­täten von Baedeckern durch die nationale Revolution" ge­schrieben, um Mißverständnisse und Irrtümer in der Beur­teilung eben dieser Revolution a priori zu vermeiden.

Noch nie ist eine Revolution, ganz gleich, ob politischer oder religiöser Natur, mit so viel erklärendem Tert ausgebrochen, mit so viel Selbstanalyse und Selbstverherr lichung und mit so viel marktschreierischem Anspruch auf Eigenschaften, die eigentlich erst eine spätere Geschichtsschrei­bung erkennen und bewerten kann.

Der Heroismus erhebt sich leidenschaftlich als kommender Führer und Gestalter poli­tischer Schicksale"( Hitler  , Begründung des Ermäch­tigungsgesetzes)! Ob mit diesem Heroismus nun die Miß­handlungen und Nerfnlaungen der jüdischen Minderheit, die Unterbrüdung der Marristen, der Reichstagsbrand, die neuen Feiertage oder das heroische" Anwachsen der Bewe­gung unt einer lanamütigen Republik gemeint ist, bleibt unklar. Auf jeden Fall ist von nun an der Heroismus Füh­rer und Gestalter. Diftatoren brauchen nicht mehr zu be­meisen. Laut Befehl des Führers und auf Grund der Unter­suchung von Hans Heinz Ewers  , Dr. von Leers, Walter

Bloems und nun auch Gottfried Benns  ( wann kommt Ger­ hard Hauptmann  ?) ist die nationale Revolution" eine heroische Bewegung.

Als Kronzeugen der eigenen heroischen Haltung wird die gesamte deutsche Vergangenheit mobilisiert, bis zurück auf Friedrich den Zweiten von Hohenstaufen und mahllos muß diese Vergangenheit Beweis und Existenz­berechtigung des Nationalsozialismus erbringen. Goethe, Schiller  , Bismarck  , Friedrich der Große  , Nietzsche, Hegel, die Freiheitskriege, die Bauernkriege, Barbarossa, nichts bleibt verschont, alles muß der ,, nationalen Revolution" dienen. Endlos wäre die Reihe derjenigen fortzusetzen, die von den neuen deutschen Kulturträgern beschworen und gerufen wer den, Ahne und Taufpate des Nationalsozialismus zu sein. Aber die Toten können ebensowenig antworten wie heute die Lebenden in Deutschland  . Man schaltet auch noch die Ver­gangenheit gleich. Nietzsche   ist zum Philosophen des dritten Reiches ernannt worden( das Bild, Hitler neben der Nietzsche­Büste stehend, ist wohl allgemein bekannt und der Unterschied dieser beiden Köpfe war ohne Kommentar ersichtlich) und die absolut mißverstandenen Ideen vom Uebermenschen, von der blonden Bestie und vom Willen zur Macht sollen die eigene Jdeenlosigkeit verdecken.

Einer, der weder marristisch noch jüdisch war und die deutsche   Seele reiner verkörperte als die verzerrte Frage des Nationalsozialismus, sagte einst den Deutschen  : Ach, töten fönnt ihr, aber nicht lebendig machen, wenn es nicht die Liebe tut, die nicht von euch ist, die ihr nicht erfunden"

Max Barthel  

mich nach einer anderen Stellung umsehen. seiner inneren Verlogenheit durch die neueste Terrorwelle im dritten Reich illustriert. Es ist ein besonders traffer Fall, der sowohl durch die sozialen Verhältnisse wie auch durch die Persönlichkeit des Briefschreibers erklärt wird.

Diese Erinnerung nur zur Erklärung der Dinge, die May Barthel über das neue Deutschland   schreibt, aus dem man garnicht zu fliehen braucht. Ueber das Deutschland  , das eine viel gründlichere Revolution vollzieht, wie seinerzeit Italien  und Rußland  . Daß diese Revolution nicht mit Rosenwasser gemacht" wird, ist richtig. Es ist aber etwas anderes, ob das Blut im Barrikadenkampf oder Bürgerkrieg mit den Weißen" fließt oder ob es bei den Mißhandlungen versprißt, die würdige Rumpane der russischen Gegenrevolution an wehrlosen Arbeiterfunktionären in der sicheren SA.- Kaserne verüben.

Einst wanderte der der Journalist Sommerschuh", so nannte sich Max Barthel  , durch das proletarische Deutsch­ land  . Er sah viel, wenn auch oberflächlich. Wie mag wohl das Ergebnis einer neuen Wanderung des Herrn SA.. Stiefel ausfallen, der mit seinen proletarischen Augen die Herrlichkeit der gründlichen neuen Revolution sieht? Einen Vorgeschmack geben ja folgende Zeilen:

Noch wichtiger aber erscheint mir eine Feststellung zu fein, nämlich: in meinem Wirkungskreis als Mitglied des Hauptvorstandes Deutscher   Schriftsteller habe ich selten so saubere, anständige und im tiefsten Sinne gläubige Kameraden getroffen, wie unter den National­sozialisten."

Und weiter:

Am 1. Mai 1933 gewann Hitler   die deutschen Arbeiter für fich. Die Gewerkschaften fielen ihm am nächsten Tage als überreife Früchte in die Hand. Gegen die alten Arbeiter­parteien ist die NSDAP  . eine Frühlingswiese. Laßt die Toten ihre Toten begraben! Begreifst Du nun, warum ich, warum viele Deiner alten Freunde, warum die deutschen Arbeiter nicht nur mit dem Gehirn diese Revo­lution bejahen?

Es ist ein Hohn, angesichts der wirklichen Verhältnisse in Deutschland   solche Beilen öffentlich zu schreiben. Barthel kann es besser wissen und weiß es. Die Revolution ist ja inzwischen beim reinen Rapitalismus angelangt, und wir wissen nicht, ob Max Barthel   sie auch heute noch bejaht. Das wird ja der nächste Roman zeigen, der wohl Josef Göbbels  gewidmet sein dürfte.

Sein Talent und mehr noch sein Charakter sind verbraucht. Wir gönnen diese hohle Trompete der großen Trommel Hitlers   als Begleitinstrument. Wenn es nun aber auch mit der nationalen Revolution des Mittelstandes nichts ist, na ch welcher neuen Stellung will sich dann Mar Barthel umsehen? Vom Proletariat bekommt er einen Fluch und einen Fußtritt. Er kann dann noch von Glück sagen, wenn er zwischen Dorf und Stadt" seinen Lebens. abend beschließen kann als ein Abfallsprodukt des Spät fapitalismus, während der Sozialismus den Aufstieg der wahrhaft Begabten vorbereitet.