DAS BUNTTAGLICHE U N T E R H A L T U N G S= B E I L À G E5)er Int decker des JilorphiumsZum ISO. Geburtstag von Friedrich Wilhelm SertürnerSiestaAls in den Tagen der deutschen Inflation auch dasStädtchen N e u h a u s eigenes Notgeld herausgeben mußte,ließ es darauf drucken:Deine Hütte verfallen, dein Grab verweht.Dein Werk wird bleiben, so lange die Erde steht.Diese Verse galten dem Apotheker Wilhelm Sertürner,der vor hundertfünfzig Jahren in NeuhauS geboren wurde.Zu jener Zeit hieß ein weit verbreitetes geflügeltes Wort:„Aerzte sind Menschen, die Dinge, welche ste nicht kennen,in Körper tun, den ste noch weniger kennen." Zu den Medi-kamenten, die man damals viel benutzte, aber gar nichtnäher kannte, gehörte auch das Opium. Sertürner war dererste, dem es gelang, den, wie er sich ausdrückte,„schlaf-machenden Stoff" aus dem Opium herauszudestillieren.Diesen Stoff benannte er nach dem griechischen Schlafgott:Morphium.Um die Wirkung deS Morphiums zu erproben, hat Ger»türner es selbst eingenommen, nachdem Tierversucheseinem Lieblingshunb das Leben gekostet hatten. Die Dosis,die er zu sich nahm, war sehr groß. Es war dreimal soviel,wie die Höchstmenge, die man heute im äußersten Fall Kran»ken verabreicht. Die Folge dieses mannhaften Selbstmorbver-suches war natürlich eine heftige Vergiftung. Mitseinen letzten Kräften gelang es Sertürner noch, eine tüchtigePortion Essig nachzutrinken, darauf stellte sich wieber ein soheftiges Erbrechen ein, daß er Magnesium zu Hilfenehmen mußte, um den Brechreiz zu stillen.„Mangel anLeibeSöffnung und Eßlust, Betäubung, Schmerzen im Kopfeund im Leibe verloren sich erst nach einigen Tagen," schreibter über den Ausgang des Versuches.Eine wichtige Entdeckung war damit gelungen, aber derEntdecker erfuhr keineswegs die Würdigung, die er verdienthatte.Undank ist der Welt Loh«Als er seine Arbeit der Öffentlichkeit übergab, schrieb er:„.... sie möge hier bescheiden als Schattenbild ruhen, bissie das Prllfungsfeuer gelehrter Aerzte durchgemacht habenwürde." Doch die Wissenschaftler wußten nicht viel mit seinerEntdeckung anzufangen. So taten die einen sie als Schüler-arbeit ab und andere bezeichneten den Entdecker alsSchwindler.Die Anerkennung seiner Leistung kam zuerst aus Frank-reich durch den berühmten Chemiker G a y- L u s s a c, dersich darüber wunderte, daß„diese ungeheuer wichtige Ent-beckung in Deutschland unbekannt sei", obwohl sie in Deutsch-land gemacht wurde. Ueber diesem Umweg kam die Beachtungschließlich nach Deutschland. Aber der Entdecker wurde um-getauft und— zu einem Franzosen gestempelt.Sertürner wurde schließlich sehr verbittert. Zu der wissen-schaftltchen Geringschätzung, die er erfuhr, kamen noch beruf-liche Hindernisse. Während der französischen Besetzung hatteer eine Apotheke in Einbeck eröffnet. Als die Franzosen ver-trieben wurden, entzog man ihm die Konzession. Er mußtelange Jahre kämpfen, ehe es ihm gelang, in Hameln seinemBeruf wieder nachgehen zu dürfen. Er zog sich deshalb immermehr auf sich zurück, verspann sich in die skurrilsten Gedanken,gänge und starb als Sonderling am 20. Februar 1841.Aber sein Werk bleibt bestehen. Die Morphiumsüchtigenhaben das Medikament ein wenig in Verruf gebracht. Weraber nur einmal in seinem Leben die wunderbar be-sänftigende Wirkung des Morphiums am eigenen krankenKörper verspürt hat, wird immer dankbar an Sertürnerdenken als einen der großen Wohltäter der Menschheit.I. Bruh».lin Jtlann verdurstet in der Wüste3>as Schicksal einer JtarawvaneProfessor Hans Rech berichtet in einem Buch„Die Entdeckung des altsteinzeitlichen Menschen"über seine Expeditionserlebnisse in Deutsch-O st a s r i k a. Der folgende Bericht ist dem Buchentnommen, das im Leipziger Verlag F. A. Brock-haus erscheint.„Maji!"—„Wasser l" schrie Jumbe und sprang schonden Hang hinunter. Der Krater hatte keine einheitlichenZüge mehr. Im Nordwesten über dem Natronsee hatten dietiefen Hangschluchten des Berges ihre Spitzen durch denKraterwall hindurchgenagt und begonnen, die alte Schüsselzu zerschneiden und auszuräumen. Dort war ihr Bodenschon unruhig zerschluchtet und tiefer geworden.Wir tranken und tranken. Unser Durst schien unstillbar.Dann wurden die Flaschen zu einem ersten Schluck für diearmen Kerle unten im Durstlager gefüllt und mit größterEile der Rückmarsch angetreten.Steppenbrände am HorizontOben auf dem Kraterring öffnete sich ein Durchblickzwischen den Urwaldkronen hinab auf die Steppe am Berg-hang, wo das Lager stand. Hier oben herrschte klare und—dank der Höhe— frische Himmelsbläue. Da unten aber wareine Hölle von Hitze und Rauch, mit dem die Steppenbrändeim weiten Umkreis die Luft geschwängert hatten.Auf halber Höhe kam uns ein Zug todmüder Gestaltenentgegen, denen man ansah, mit welcher Mühe sie sich vor-wärtsschleppten. Das waren die Kräftigsten aus dem Lager.Ali stieg frisch voran. Er hatte im Urwald auch Wassergefunden, am tieferen Berghang sogar, also näher demLager. Jetzt führte er seine Kameraden hinauf zum Wasser.Wir gaben ihnen die eine unserer Flaschen zur Stärkung,die andere mußte für die im Lager Gebliebenen aufgehobenwerben.Zurück ins SebentDer verlassene Lagerplatz sah trostlos aus. Unordentlichund schmutzig lagen die Lasten und Sachen der Leute herum.Niemand von den gestern ausgesanbten Leuten war zurück-gekehrt, nur ein paar Träger, die nicht mehr die Kraft ge-habt hatten, mit Ali auf den Berg zu ziehen, lagen unterihren Decken auf dem Boden und erwarteten stumpf dasEnde. Sie wurden aber mit unserer Wasserflasche raschwieder ins Leben zurückgerufen.Doch wo war Mtengulo? Er war gestern am Fußedes Berges liegengeblieben. Noch am frühen Mor-gen hatte ihn von unten her einer der Leute nach Wasserrufen hören. Ich schickte sogleich Jumbe mit dem Rest Wasserin unserer Flasche hinunter, ihn heraufzubringen.Es wurde dunkel und Jumbe war noch immer nichtzurück. Erst in der Nacht kam er— ohne Mtengulo, ohneLast. Er hatte gesucht und gerufen, aber keine Spur findenkönnen. Wo war der Mann nur hin? Hatte der Durst ihmden Wahnsinn eingegeben, in die heiße Steppe hinunter-zulaufen statt hierher ins nahe Lager?Es war ein schrecklicher Gedanke, einen Menschen verlorenzu haben. Tot— verdurstet!— Hier stand riesengroß dieVerantwortung vor mir für einen braven Mann ausmeiner Karawane, der Weib und Kind verlassen hatte, ummir zu folgen.Das Suchen wird fortgesetztDer Gedanke an Mtengulo ließ mich die ganze Nacht nichtzur Ruhe kommen. Aber es war unmöglich, irgendetwasfür ihn zu tun in dieser Finsternis. Zum Weitersuchenmußte es erst wieder hell sein. Spätnachts kamen die Leutevom Berg zurück, frisch gestärkt und mit Wasser für dieandern. Auch sie waren niedergeschlagen, als sie hörten, daßMtengulo fehlte. Stille lastete über dem Lager.In der Nacht regnete es. Im Morgengrauen mußtennoch einmal ein paar Leute hinauf auf den Berg, um Wasserzu schöpfen? alle anderen schickte ich in kleinen Truppshinunter in die Steppe, Mtengulo zu suchen. Wenn er nochlebte, mußte der Regen der Nacht ihm Linderung gebrachthaben.Eine Karawane vom Durst zersprengtZur Mittagszeit war großes Sammeln für alle angesetzt.Dann mußten wir weiter, Alberti war unten am Engaruka-weg unter der Grabenwand auf drei Leute im Busch ge-stoßen, die, dem Verdursten nahe, unter ihren Decken lagen.Es waren Träger einer vierzig Köpfe starken Safari ge-wesen, welche die Serengeti von West nach Ost hatte querenwollen und vom Dur st.zerspr engt worden war. Eswar dieselbe Reise über das gefürchtet«, endlose Grasmeer,die uns in umgekehrter Richtung bevorstand.Mtengulo kam, wie zu befürchten war, nicht wieder. UmMittag waren alle Patrouillen zurück. Seine Zeltlast hattensie gefunden? die hatte noch unten am Bergfuß gelegen. Inder Steppe draußen wurden auch sein Teller und ein Tuchvon ihm aufgelesen. Eine Einzelspur führte hinaus indie heißeste, trockenste Wüste. Das konnte nur derWeg in den Tod gewesen sein. Da waren die Leute um-gekehrt.Ich lieg in einem Feld anf meiner Nase.Wie jedes Krümchen Erde anders riecht!Es prescht ein Achtzylinder seine Straße?Was kümmert's ihn, wer hier am Bauche kriecht.Ich möchte wie ein Maulwurf tiefer wühlen.Und weil ich heut so ganz verworren bin»Möcht ich den Druck der kühle« Schollen fühlen.-Doch komm ich ja noch früh genug dahin.Nur eine Scheibe Erde möcht ich esse«Und eine Handvoll grüne Blätter kau'n,—Und daß ich kultiviert bin, ganz vergesse»Und wie ein Heide anf den Himmel ban'n.Anneliese Diessenbach.3>er Aconcagua speit 9euerAuS der Region der mittleren Anden wird wiederumeine erhöhte vulkanische Tätigkeit der bekannten und ge-fürchteten Vulkane gemeldet. Die ganzen letzten Tageüber ist in den argentinischen Provinzen Mendoza und SanJuan ebenso wie in den chilenischen Bezirken von Coquimbound Colbhaiua ein dichter Aschenregen meoergegangen,der die Bewohner gezwungen hat, ihre Behausungen flucht-artig zu verlassen, um dem Erstickungstod zu entgehen. Dieganze weite Landschaft ist von einer schneeweißen Schicht be-deckt, als wenn der Winter eingezogen wäre. Die zahlreichenViehaufzuchten, die in der vulkanischen Zone gelegen sind,melden schwere Verluste von Rindern und Schafen durchVergiftung.Sowohl die argentinische wie die chilenische Regierunghaben bereits Expeditionen zu Pferde ausgerüstet, um sichan Ort und Stelle ein Bild von der Katastrophe machen zukönnen. Da die Gegend um den Aconcagua, dessen Aus-bruchstätigkeit eine besonders heftige sein soll, jedoch nurkärglich besiedelt ist, hofft man, daß Menschenleben nicht zubeklagen sein werden. Andererseits fürchtet man jedoch, baßdie erhöhte vulkanische Tätigkeit alsbald von Erdstößen be-gleitet sein wird, so daß auch für die Bewohner der dortigenGegend neue Gefahr heraufzieht.Erst vor einem Jahr fand ein furchtbarer Ausbruch derVulkankette in den Anden statt, der viele Opfer an Menschenund Tieren gefordert hat und großen Sachschaden anrichtete.Begreiflicherweise ist dieser Ausbruch noch in lebendiger Er-innerung der Bevölkerung. Trotz der Regelmäßigkeit derKatastrophen ist die Bevölkerung bisher immer wieder in dasbedrohte Gebiet zurückgekehrt und hat mit einer be-wundernswertcn Zähigkeit jedesmal von vorn neu auf-gebaut.i Briefkasten— nicht ganx ernst gemeintEin Besorgter. Tintenflecken aus hellen Herrenhosen ent-kernt man am besten mit einem scharfen Taschenmesser, dochist darauf zu achten, daß man die Flecken quer zur Gcwebs-safer ausschneidet. Zu empfehlen ist das Nachspülen m»hochprozentigem Korn.Junge Dame. Nein, ich trage keinen Vollbart, aber wasnicht ist, kann ja noch werden. Ob ich als sogenannterhübscher Mensch zu bezeichnen bin, muß ich Ihrem geschätztenUrteil überlassen. Vielleicht gibt aber der Umstand Antwortauf diese Frage, daß kleine Kinder, die mich unverhofft zuGesicht bekommen, merkwürdigerweise stets mörderisch zubrüllen anfangen. Im übrigen paßt jeder Steckbrief ohnebesondere Kennzeichen auf mich. Jawohl, die Zeit paßt mirausgezeichnet und meiner Frau sage ich natürlich nichts.Das ist Ehrensache.Botaniker. Der eingesandte Kaktus ist eine sogenannteOpuntia cuculores. Meines ErachtenS eignet er sich ambesten als Sitzkisscn, da seine Stacheln scharfe Widerhakenhaben und sehr giftig sein sollen.Sportler. Der Name Gummischi bezeichnet kein neuesWintersportgerät. Vermutlich ist es ein Druckfehler und sollGummischuh heißen. Nein, ich nehme Ihnen die Frage nichtübel? es wirb manchmal noch viel Dämlicheres gefragt.Heller Kops. AuS der Nähe besehen haben Sie recht, wennman aber weiter ab geht, so wirkt das ganz entfernter.Tatsächlich. Jawohl, wir haben nachgerechnet, dreimal dreibleibt neun, gleichgültig, ob man die erste drei mit derzweiten oder die zweite drei mit der ersten drei multipliziert.Woher das kommt, wissen wir auch nicht, aber wahrscheinlichist es dasselbe Phänomen, das einen Idioten immer einenIdioten bleiben läßt, gleichgültig, unter welchem Gesichts-winkel man ihn betrachtet. Besten Dank.Tänzer. In der kommenden Saison wird man voraus-sichtlich in Deutschland den Veitstanz bevorzugen. Jeden-falls hat er Aussicht, sich am meisten durchzusetzen. ProbierenSie für alle Fälle schon jetzt die einzelnen Touren, Siewerden Ihr blaues Wunder erleben.Bartolus.JiinderéestMdhteVon W. WeressajewFrühmorgens stürzt Glev zu mir ins Zimmer.„Onkel Witja, steh auf! Ich war schon spazieren und duschläfst immerzu." Und er versuchte, mich aus dem Bett zuzerren. Ich fragte:„Ist Sonne draußen?"„Nein, nur Himmel."Er schäumt über vor Lebenslust. Er saust im Zimmerherum, sprühend wie ein glühendes Kohlenstückchen. Baldbleibt er vor dem einen, bald vor dem anderen Gegenstandstehen.„Das is... das is... das is... Bürste! Und das is...Kissen! Und das is... Deckel Und das is... Das is... Wasis das?"Er hat sich schon früher bei mir erkundigt und prüft sichjetzt selbst.„Ein Bleistift."„Bleistift... Und das is?"„Ein Schemel."Man spürt, was für eine ungeheure geistige Arbeit indiesem kleinen Gehirn vor sich geht, wie angespannt dasGedächtnis die ganze Zeit ist? er lernt ununterbrochen—eifrig, spielend, mit der genialen Leichtigkeit des Kindes.Und den ganzen Tag lang kann man die angestrengteArbeit, alle Lebenserscheinungen zu begreifen und in sichaufzunehmen, beobachten. Das Gehirn eines Erwachsenenwürde nie eine so angestrengte Arbeit und eine solche Mengevon Eindrücken aushalten können. Ich gehe mit ihm imGärtchen des Landhauses spazieren. Im spärlichen jungenGras, unjer einer Birke, sehe ich einen rosigen Pilz.„Sieh mal, das ist ein Pilz."„Pitz..."Zuerst hinterläßt das neue Wort nur einen fluchtigenEindruck. Doch dann werden seine Augen aufmerksê, under wiederholt noch einmal:„Pitz."ES ist, als vertiefe er sich in das neubewältigte Wort. Undnoch einmal wiederholt er, jetzt schon siegreich, befriedigt:„Pitz!"Er geht im Garten herum, kauert vor jedem Giftpilznieder, betrachtet ihn aufmerksam und sagt vor sich hin:„Pitz."Ich sitze neben ihm aus der Bank am Ende des Gartens-Plötzlich hebt er langsam den Kopf und betrachtet angespanntdie Aeste der Pappel. Er starrt hinauf, ohne den Blick zuwenden. Was hat er denn? Dort oben ist doch nichts Be-sonderes los. Dann begreife ich: für mich nichts Besonderes,aber für ihn. Denn plötzlich haben sich die unbeweglichenBlätter von ganz allein behegt, sie erzittern, raunen undrquschen.— Und Abends steht über dem Horizont die riesige,runde, glühendrote Sonne. Gleb kann die erstaunten Augennicht von ihr wenden.— Er wird ins Bettchen gebracht,warm zugedeckt. Und plötzlich ertönt es laut und deutlich:„Pitz." Dann schweigt er eine Weile, überlegt und wieder-holt noch einmal voller Befriedigung:„Pitz!"