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Deutsche Stimmen
Feuilletonbeilage der ,, Deutschen Freiheit" Mittwoch, den 4. Oktober 1933
Traun fürwahr!
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Ein herrliches Geschlecht wollen wir züchten
,, können wir Menschen züchten!" So fragt Herr Dr. Achim Gereke, Sachverständiger für Rasse- Forschung beim Reichsministerium des Innern, in der Kölnischen Zeitung "( 28. Sept.). Seine Antwort lautet mit heißer Inbrunst: Ja! Dann schreibt er:
„ Gelingt es, daß die Menschen unsrer Tage so start und mächtig von den Ideen des Nationalsozialismus gepadt werden, daß sie danach handeln und nun nicht ein Püppchen, ein Weibchen, eine reiche Jüdin oder ein horn bebrilltes Mannweib sich zur Ehefrau aussuchen, sondern ein Mädchen, das die Mutter ihrer Kinder sein soll, die Mutter von gesunden, fröhlichen, kerndeutschen Buben und Mädchen, dann züchten wir Menschen. Die in uns wirkenden Ideen finden ihren Ausdruck in unserm Handeln. Spornen uns diese Ideen dazu an, unsere Verantwortung gegenüber dem kommenden Geschlecht. gegenüber unsrer Rasse, unserm Volk zu er füllen, dann züchtet der Nationalsozialismus bewußt und unbewußt ein herrliches Geschlecht, das heldisch und freiheitsliebend, deutsch in seinem Gemüt, gesund an Körper und Seele und nordisch in seiner Haltung das„ dritte Reich" tragen und gestalten wird."
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Diese Anspornung zu Zuchtzwecken erinnert an das " Dopen" von Rennpferden. Man gibt ihnen eine Einsprißung, damit sie hißiger als die Konkurrenz zum Zielband gelangen. Ein Tröpfchen Rosenberg, eine Pille Gereke und ein Löffel Göbbels : dann fann aus jedem deutschen Parzifal ein Raffehengft werden, der eine herrliche Geschlechterfolge mit edelsten Rennstammbäumen inauguriert.
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so was gibt es!, aftro=
Vor uns liegt Nr. 11 des nomischen Beobachter 8". Er ist das Organ für die Belange aller Arbeitnehmer im Hotel -, Restaurations- und Kaffeehausgewerbe, die als gleichgeschaltete Mitglieder im deutschen Arbeiterverband des Nahrungsmittelgewerbes sind.
An der Spitze steht ein Gedicht: Flammenfchwert der Allgeist e r". Darin heißt es:
Erkennen sollt ihr, daß der Herr der Welten Armanen- Söhne sich zum Streit erkor,
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Auf daß, wie einst sie kühnen Muts den Neidling fällter Und jetzt im Kampfe öffnen Walhalls Tor!-
Dann wird des Lichtes Segen überfließen Und unsrer wonnigen Heimat Flur betaun, Die Wunderblume Gottestreu" aufs neu ersprießen Und jeder Arm am heiligen Reiche bau'n!
Drum fort mit dem, was eure Seelen knechtet; Der Allgeist ruft:" Ihr seid Mein Flammenschwert, Nach Meinem Willen werde nunmehr hart gerechtet, Denn Judas Hohn ist seines 2ohnes wert!" A. Männecke.
Die Armanensöhne der Gastronomie und des Hotelgewerbes haben, als sie dieses Gedicht lasen, Kellen und Tassen friegerisch aneinandergeschlagen, um sich vor Herrn Männece als Armanen- Söhne zu bewähren. Denn dieser Feinkost- Poet hat seinem Gedicht einen langen Artikel angefügt, deffen bedeutendste Stelle lautet:
„ Es muß euch ein namenloser Stolz die Brust schwellen, dem deutschen Volke anzugehören. Deutscher zu sein und die Mission Deutschlands zu erkennen, bedeutet aber auch eine große Verpflichtung. Es bedeutet ein ständiges Ringen mit sich selbst, ein unersättliches Verlangen nach immer größerer heroisch- sittlicher Reinheit und Vervollkommnung an Körper, Seele und Geist. Deutschland wird unter unserem Führer das Nietzsche - Wort erfüllen, daß das Ziel der Menschheit in ihren höchsten Exemplaren liegt. Darum: Gebt Raum, ihr Völker, unserm Schritt". Aus Deutschland kommt das Heil der Welt! Heil Hitler!"
Dieser Größenwahn, gemildert durch Suppengrün und Bouillonwürfel, wird die ganze Welt dann überzeugen, daß es nötig sei, dieses Deutschland unersättlich" zu lieben. Zum Fressen nämlich!
Herrlich weit gebracht!
Studenten lesen keine Bücher mehr
Der Abstieg des deutschen Geisteslebens macht reißende Fortschritte. Am meisten hat darunter der Buchhandel zu leiden, denn es werden nicht nur immer weniger schöngeistige, sondern auch immer weniger wissenschaftliche Bücher verkauft. Die Krise hat sich so weit verschärft, daß einer der führenden deutschen Verleger, Dr. Oskar Siebeck ( Tübingen ), im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" foeben einen sehr ernsten Mahnruf erläßt.
Siebed weist in seinen Ausführungen, die auf einen geradezu erschreckend pessimistischen Ton gestimmt find, darauf hin, daß zu den übrigen schweren Sorgen des Verlagsbuchhandels eine neue getreten fei: in allen Sparten finke der Absatz gerade der gangbarsten wissenschaftlichen Werke, der Kompendien und anderer Studentenbücher weit stärker, als man nach dem be= ginnenden Abebben der Hochschulfrequenz vermuten könnte. Siebeck fieht einen Hauptgrund dafür, daß die Stu= denten sich zunehmend vom Bücherkauf abwenden, in ihrem erstarkten Interesse für die kör= perliche Ertüchtigung. Erfahrene Buchhändler aus den verschiedensten Universitätsstädten berichteten übereinstimmend, daß die Jung- Akademiker das, was sie sonst aus ihrem Wechsel für die Anschaffung von Büchern erübrigen konnten, mun für sportliche Zwecke verbrauchten. Nun, das paẞt genau zum Bilde einer Studentenschaft, beren Vertreter offiziell erflären, sie wollten keine wissenschaftliche, sondern eine militärische Ausbildung, das paßt zu jenen Professoren der einst gefeierten deutschen Hochschulen, die ihren Ruhm nicht mehr in wissenschaftlichen Großtaten, sondern in Gepäcmärschen suchen. Aber bezeichnend für den hündischen Geist des deutschen Bürgertums ist es, wenn das gleiche Buchhändler- Börsenblatt"
Ein Bild für Götter: die Buchhandlungen veröden, im leeren Laden aber stehen die Buchhändler vorm Spiegel und spucken sich selber an, weil sie früher Dreck", d h. wertvolle fünstlerische Bücher verkauft haben. Derweil verstaubt auf ihren Regalen das„ Gold", das sie zu vertreiben gezwungen sind: Horst- Wessel - und Schlageter- Romane. Und die wissenschaftliche Literatur fauft auch keiner mehr, denn es sind ja „ Herrliche Zeiten".
Uneinholbar"
Aus Göbbels Superlativfabrik
Die Ufa bat einen Propagandafilm für die Nazis gedreht, " Hitlerjunge Quer", ein geistesarmes Tendenzwert, das den Kampf der Hakenkreuzlerischen Engelsgestalten gegen die Brut des margistischen Untermenschentums verherrlicht. Der Propagandachef( des Reiches, nicht der Ufa ) Göbbels hat ihr dazu einen Glückwunschbrief verfertigt, in dem auch die folgenden schönen Säße enthalten sind:
" Ich sehe in seiner( des Films) Gestaltung den ersten schlagkräftigen Beweis für die von mir in meiner Ansprache vor den Filmschaffenden im Kaiserhof am 25. März dieses Jahres dargelegte These, daß, wenn Kunst und Cha rafter sich miteinander vermählen und eine hohe, ideelle Gesinnung sich der lebendigsten und modernsten filmischen Ausdrucksmittel bedient, ein Resultat gezeitigt werden kann, daß der deutschen Filmkunst der ganzen Welt gegenüber einen fast uneinholbaren Vorsprung einränmen wird."
Ja, der Größenwahn der Göbbels und Konsorten, der hat allerdings der ganzen Welt gegenüber einen„ uneinholbaren Vorsprung".
Reiches" an anderer Stelle so tut, als sei am geistigen Ber- Theater der fugend
fall der deutschen Kultur der frühere, noch nicht gleich geschaltete Buchhandel des freien liberalistischen" Zeitalters schuld. In einem Artikel„ Mut zur Selbstfritif" wird nämlich gesagt:
Kultusminister Rust sagte: Die Buchhändler haben sich dem Terror der undeutschen Verlage zu wenig entgegengestemmt. Dieses Wort trifft in der Tat den Kern des Problems, das uns so schwer zu schaffen macht. Irgendwer muß doch die Hunderttausende und Millionen von Bände der Werke der Herren Feuchtwanger , Wafier mann, Heinrich Mann , Klaus Mann , Tucholsky usw.( Die zwölf Schlimmsten wurden vor einiger Zeit ja vom deutschen Buchhandel in aller Oeffentlichkeit in Acht und Bann getan) ins Publikum vermittelt haben... Aller Anfang des Bessermachens beginnt daher allein damit. daß wir selbst uns dazu einsichtsvoll bekennen und daß wir zugeben, wenn es uns auch noch so schwer fallen mag: ja durch unsere Hände ging der ganze Dred und wenn wir uns nachträglich die Hände auch gewaschen haben, angefaßt haben wir den Dreck doch ein
mal"
Unter dem Vorsiz des Leiters des Amtlichen Preußischen Theaterausschusses, Staatskommissar infel, fand im Preußischen Herrenhaus eine Besprechung über das " Preußische Theater der Jugend" in Berlin statt, zu der die zentrale Schulverwaltung der Reichshauptstadt eingeladen hatte. Vor über 900 Schulleitern und Vertretern der zuständigen preußischen Ministerien und der Groß- Berliner Schulen sprach Staatskommissar Hinfel über Sinn und Aufgabe des neugegründeten„ Theaters der Jugend". Der bestellte künstlerische Leiter der Bühne, Intendant Herbert Maisch , entwickelte anschließend seine Absichten über die fünstlerische Führung des Theaters im Sinne des nationalsozialistischen Staates.
Herbert Maisch war einer der begabtesten jüngere Theaterleiter und zuletzt Intendant in Mannheim . Nach dem 3. März mußte er abtreten, weil er gewisse rechtsradikale Einflüsse auf das Theater abwehrte. Jezt ist er in Görings and Hitlers Gnadenhimmel wieder aufgenommen worden und wirft im Sinne des nationalsozialistischen Staates".
* Ereignisse und Geschichten
Drei Emigranten von einem von ihnen
Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein , Sie zogen bis tief nach Frankreich hinein. Sie hatten verloren ihr Vaterland, Denn drüben wüteten Mord und Brand. Und in Paris haben fie fich getrennt. Ein jeder ein anderes Ziel sich nennt. Und was geworden ist aus den drei, Zu aller Nugen berichtet hier sei:
Der erste, ein ehrsamer Schneidergesell, Lernte französisch eifrig und schnell. Eines Tages war nicht länger er arbeitslos. Er vergaß seine Heimat und wurde Franzos.
Der zweite fich täglich ins Cafe gesetzt Und eifrig politischen Unsinn geschwägt. Das Ende war immer, von frühe bis spät, Daß die branne Schmach von selber vergeht. Er tat nichts und lernt nichts und redete nur Tagtäglich von sieben bis sieben Uhr. Er hat schließlich so lange herumdiskutiert, Bis er eines Tages vor Hunger trepiert. Der dritte aber war tüchtig und schlau,
Er lernte die Sprache. Und wußt doch genan: Bon selber ist noch fein Hitler verflossen, Und er arbeit zusammen mit seinen Genossen Tagsüber sitzt er in seiner Kanzlei, Der Abend aber gehört der Partei. Silft mit, was in seinen Kräften steht, Daß die braune Nacht über Deutschland vergeht. In Frankreich die Arbeit, in Deutschland das Herz. Er stählt seine Fäuste so hart wie Erz. Und find die Tage der Mörder gezählt, Der britte nicht bei der Entscheidungsschlacht fehlt Moral:
Das Leben des Dritten soll Borbild uns sein, Dann geht es bald wieder nach Deutschland hinein!
Englische Christen
In der„ Yorkshire Post" machte ein englischer Pastor einen Verteidigungsversuch für den Hitlerismus. Darauf antwortete sofort die„ Church Time 8"( 3eitung der AngloKatholiken) mit einem Protest ganz allgemein dagegen, daß ein Pfarrer sich findet, der Hitler verteidigt. U. a. wird gefagt:„ Daß solch eine Verteidigung von solcher Stelle überhaupt möglich ist, zeigt, wie wichtig es ist, daß das Kirchenvolt sich ganz flarmachen muß, daß die Nazirevolution die Existenz der für die christliche Zivilisation fundamentalen persönlichen Freiheit bedroht.
Die Nazirevolution ist unsagbar barbarisch in ihren Methoden, vollkommen unchristlich in ihrer banalen Philosophie, und es ist gewiß, wenn das Naziregime bleibt, bringt es einen neuen Krieg oder im besten Falle zwingt es Europa , in ständiger Kriegsfurcht zu leben.
Es ist etwas erschütternd, daß sich ein englischer Kirchenmann fand, in Verteidigung der Nazis zu schreiben. Tortur, Mord und Brandstiftung sind sicher drastisch. Ob sie aber Heilmittel sind, das ist eine ganz andere Frage."-
Wozu noch Fichte?
Die Königsberger Hartungsche Zeitung" meldet:
Allenstein . Die Fichte Gesellschaft, Ortsgruppe Allenstein, hat ihre Tätigkeit eingestellt und den Mitgliedern empfohlen, sich dem Kampfbund für. deutsche Kultur anzuschließen.
Anscheinend hat es sich auch schon im dritten Reich" herum gesprochen, daß das Wort„ Gleichheit alles dessen, was Menschenantlig trägt", eine der ethischen Forderungen des großen Philosophen Fichte ist. Deshalb fort mit der Erinnerung an diese Intelligenzbestie!"
Zeit- Notizen
Bei der Premiere des Films Das häßliche Mädchen" im Atrium, in dem der Schauspieler Mag Hansen eine Hauptrolle spielt, kam es zu einem Standal gegen den Schau spieler. Später wurde durch Rückfrage beim Staatsministe rium und Polizeipräsidium festgestellt, daß Hansen Däne ist.
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Prof. Aloys Schardt, seit Jahren Nazimann, der zum tommissarischen Leiter der Berliner Nationalgalerie berufen wurde, ist mit Rede- und Schreibverbot belegt worden, nachdem er von angekündigten sechs Verträgen einen gehalten hatte. Die gedrillten Gehirne der Nazi- Anhänger protestierten gegen seine fultiviertere Kunstauffassung.
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Die Frankfurter Zeitschrift Freie Volksbildung", der ihr Gleichschaltungsversuch nichts half, hat ihr Erscheinen ein= gestellt. Begründung: Die Auflösung und Wandlung, in der sich das Volksbildungswesen Deutschlands im Augenblick befindet“.
Der Wolfsbund für Geistesfreiheit, Dach organisation der freireligiösen Gemeinden Deutschlands , Mitglied des freigeistigen Kartells, ist jetzt ebenfalls gleichgeschaltet worden. Er nennt sich nun Deutsche Glau bensgemeinde. Führer ist Professor Hauer, Tübingen . Ob es gelingen wird, die Organisation in der neuen Form zu erhalten, ist allerdings eine andere Frage.